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könne oder wolle, und lasse sie mit sich selbst un= verworren. Für Kritiker, die eine römische oder griechische Geschichte suchen, haben sie nicht schreis ben wollen; und es werden ihnen allemal Lefer bleiben, wie klein und verachtet ihre Anzahl sey, die die Unbefangenheit ihres Geistes, die planlose Einfalt ihres Ganges, kurz das aufrichtige, list und harmlose Ganze ihrer Erzählung so bemerken werden, wie man ein offenes Gesicht und die kunstlofe Relation eines gemeinen Mannes bemerkt und mit sich einigt Vom Evangelium Johannis

rede ich hier mit Fleiß noch nicht: denn es ist ein dogmatisches Evangelium nach einem eigenen Plan geschrieben.

Vielleicht wenden Sie ein, daß alles das wohl angienge, wenn sie nur nicht so wunderbar d. i. unwahrscheinliche Sachen erzählten, und daß also eben dieses unwahrscheinliche die Grenze sen, wo der Glaube ihres Berichts aufhöre. So könne man ihnen z. E. wohl glauben, daß ein Jesus gelebt, daß sie mit ihm umgegangen, daß er dies und jenes gesprochen, gewollt, betrieben habe, (falls sie techt gesehen und gehört,) daß er gekreuzigt, ges storben, begraben sey Aber nun ja kein Wort weiter. Daß er so wunderbar geboren, so wunders bar getauft, gelebt, gestorben, gar auferstanden, gen Himmel gefahren sey; dies könne man sicher als Betrug oder als frommen Irrthum von ihrer Erzählung scheiden, das sey gewiß nicht wahr, weil es nicht wahrscheinlich, für uns nicht wahrscheinlich ist, oder endlich, weil wir's nicht selbst gesehen oder erlebt haben.

Die

lehte Bedingung ist freilich die beste, die alle frem. de Nachrichten aufhebt und uns zuleht die Welt so enge macht, als den spannenlangen Umkreis unsrer Sinne oder unfres Lebens. Ich fürchte aber, die erste ist nicht zusammenhangender als die zweyte. Das Wahrscheinliche ist gerade nicht immer, wenig stens nicht ausschließend und unbedingt, das Kenn zeichen der Wahrheit: sonst müßte jener indianische König recht gehabt haben, der das Eis läugnete, weil's ihm unwahrscheinlich war. Jede neue Naturentdeckung müßte so lange falsch seyn, bis fie uns a priori wahrscheinlich würde, und alle indis viduellen Umstände einer Lebensgeschichte, die für uns oft unwahrscheinlich genug, in ihrem Zusam= menhange, aber eben dadurch vielleicht desto eigen, thümlicher und charakteristisch - wahrer find, müßten durch dies Maas zu unserem Gedankenkreise oder gar zu unserer Willkühr die unwidersprechlichsten Lü gen werden. Der nämliche Fall ist mit dieser Les bensgeschichte. Das Wunderbare in ihr ist durch= aus nicht mehr unwahrscheinlich; es ist der Person, dem Christus, so eigenthümlich, so charakteristisch, so nothwendig, daß Christus Christus zu seyn aufhöret, wenn er nicht so geboren, so wunderbar thatig, so lieb dem Himmel, also lebte und starb, litte, und wieder erweckt wurde. Augenscheinlich ist dies der Zusammenhang, der Zweck ihres gan= zen Christus; die Sache nämlich nur als Factum betrachtet und alles Dogmatische noch davon gesondert. Wie sie die Geschichte vorstellen und erfah ren haben wollen; gehörte dies Alles so wesentlich zu ihm, als es zu Einem von uns nicht gehöret.

Mithin können diese wunderbaren Facta durch keinen Schluß von unserer Erfahrung, und die Unalogie, die in ihnen selbst liegt, durch keine Analogie aus unserem Leben über den Haufen raisonnirt wer den; so wenig ich Cafarn aus der Geschichte wegs läugnen kann, weil er kein Mensch unserer Tage, oder einen Riesen läugnen kann, weil er kein Zwerg ift. Doch ich fühle selbst das Ucberspannte meiner Folgerungen; wie denn nothwendig alles schwankend oder überspannt werden muß, wenn man von so incommensurabeln Sachen, als Raisonnement und Factum, Wahrscheinlichkeit nach unserer Maasgabe und Wahrheit einer Geschichte in Einem Othem und wie über Ein- und dieselbe Gade reben foll. Τ'3 μετάβασις εις αλλο γενος, wenn man auf historische Dinge allgemeine Dogmata bauet; so ist's solche nicht minder, wenn man jene durch Dogmata von Wahrscheinlichkeit, Wunderbas rem u. dgl., deren Calcul noch niemand in der bes kanntesten Sache zur Gewißheit gebracht hat, wankend machen wollte. Beide stehen völlig auf ihrem eigenen, sehr verschiedenen Grunde. Geschichte muß man durch Vergleich mit ihr selbst, mit ihrem Ort, Zweck, Zeitalter, Zeugniß u. dgl. glauben, oder sie ist für uns nicht da; man läßt sie andern und glaubt sie nicht. Ich kann es Saunderson nicht verdenken, wenn er sich keinen sichtlichen Begriff von der Sonne machen kann, weil er sie nicht sie= bet; wollte er deßhalb aber die Sonne läugnen oder bestimmen, wie weit die Relation der Sehenden von ihr wahr oder falsch sey; gienge er dabei nicht zu weit? Vielleicht, wenn er auf's schårfste raisonnirte; spräche er für Sehende am irrsten.

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Bierzehnter Brief.

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Keinen fußbreit Plaß habe ich mir mit dem verigen Briefe für Dogmata des Christenthums er streiten wollen; nur ein schmales Pläschen für diese arme, verachtete, nnd doch in sich selbst so zusammenhängende, edle Geschichte. Johannes mag mit feinem Dogma: Das Wort war ewig, war Gott und ward Fleisch" noch ganz an seinem Orte bleiben; denn daß das ewige Wort Mensch wurde, schrieb er nicht als Zeuge, sondern als Lehrer, der also zu seiner Lehre auch andere Quellen braucht, als Ohr und Auge. Aber daß Christus Todte er. weckt, daß er einen viertägigen Todten zum Leben aufrief, daß er einem Blindgebornen das Gesicht, einem dreißigjährigen Kranken die Gefundheit durch Ein Wort gab, daß Er selbst, der gekreuzigte, bez grabene Christus wieder erschienen, wieder gesehen und erkannt sey, das konnte Er und seine Brüder zeugen. Dazu gehört nur Auge und Sinn, ein richtiger Verstand und ein gesundes Urtheil. Und daß die Apostel dies gehabt, daß in ihren Schriften keine Spur von Schwärmerei, verschlagener List, betrogener Dummheit, alberner Eitelkeit, Jefum zu loben oder durch ihn gelobt zu werden, erscheine ; ist, dunkt mich, augenscheinlich. Mögen sie sich in ihren Anführungen des U. T., in ihren Ideen über Jesum geirrt haben, wie sie wollen (ich rede davon noch nicht), das alles gehört nicht zu ihrem schlichten, historischen Zeugniß, über Sachen, von denen sie zeugen konnten, zeugen mußten (denn

sonst konnte keiner ihre Stelle vertreten) und wenn fie's einmal thaten, nicht anders, als also ze us gen durften. Wir haben also noch nicht das Mindeste gegen sie; und noch alles ist für sie.

Wäre Eine falsche Spur in ihren Schriften, oder in ihrem Leben: wåre Einer aus ihrem Mittel z. E. von ihnen abgetreten, hätte ihre Betrüger rei, ihre Verabredung, die Geschichte Jesu zu vers stellen, auch nur feindselig entdeckt; hätte Jus das, der Verräther, es auch nur in der Stunde entdeckt, da fein Bauch barst so wåre Indicium gegen sie, und nun müßte man schwanken, prüfen, rechtlich, richterlich, erzkritisch untersuchen ; noch aber könnte man nicht ungehörter Sache vers dammen und abläugnen. Nun ist von allem ge rade das Gegentheil. Keiner wird seinem Zeugniß und der Sache desselben untreu; sie leben, leiden, sterben darüber; der Verräther büßt seinen Pöbelgeiz mit dem Leben und konnte nichts verrathen, als den Garten, wo Christus war, wo ihn die nächtlichen Diebe fangen konnten. Die Briefe Per trus und Johannes sind auf die Geschichte Jesu nicht nur gebauet, sie sind mit ihnen Eins; die Geschichte Jesu ist ihre Seele, wie sie Seele und ganzes Leben derer war, die sie schreiben. Diesen Geist pflanzten sie fort, mit ihm allein erfüllten fie den Körper des Christenthums, daß er, tros allem, was ihm Anfangs entgegen war, fast zwei Jahrtausende überlebt hat wahrlich, eine sonders bare Betrügerei, ohne alle und gegen die größe fren Anzeigen! Ein einziges Reich Beelzebubs, das mit sich selbst so eins, das in allen Wirkungen ein

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