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Briefe,

das Studium der Theologic

betreffend.

Zweiter Theil.

Dreizehnter Brief.

Allerdings, mein Freund, gewähren uns die Schriften des N. T. einen ganz andern Unblick. Hier ist kein Testament auf steinerne Tafeln, oder in prächtige Gebräuche, Weissagungen und Lieder geschrieben; sondern ein Bund und eine Geschichte des Geistes, geschrieben in die weichen Tafeln des Herzens einer kleinen Heerde. Der Held, auf den sich hier alles bezieht, ist selbst kein Schriftsteller, noch weniger ein Dichter geworden; das einzigemal, da wir ihn in seiner Geschichte schreibend finden, schrieb er mit dem Finger auf die Erde, und die Gelehrten von achtzehn Jahrhunderten haben noch nicht errathen, was er geschrieben? Die Geschichtschreiber seines Lebens sind so kurz, so einfach, so gedrängt in ihren, nur den nothwendigsten, Nachrichten von ihm, daß man siehet, prächtige Bücher und Beschreibungen zu entwerfen, wenn sie's auch gekonnt håtten, war nicht ihre Absicht. Seine wenigen Boten predigten; die wenigsten von ihnen schrieben. Die geschrieben haben, brauchten ihre Feder nur zu Briefen zu Briefen an einzel

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ne Jünger, Aelteste und Gemeinen, über einen Kreis von Umständen und Beziehungen, wie er ih nen vorlag, und wie diese ihren Zuspruch brauchten. Die Zuschrift sollte nur den Zuspruch ersehen und spricht also in der vertraulichsten Schreibart. Kurz, der Zweck des N. T. ist nicht, eine Biblios thek zu stiften, die ewig neue Bibliotheken zeugte, sondern den Bund zu errichten, da niemand den andern gelehrt unterwiefe: erkenne den Herrn, sondern alle ihn kennen sollten, kindlich und thẳs tig.

Mich dunkt also, es sen schon Mißanwendung dieser Schriften, daß man so viel und in so an= derm Geist über sie spreche und schreibe, als in dem sie geschrieben sind und in dem sie wahrscheins lich auch haben gelesen werden wollen. Was in der Welt helfen alle die gelehrten Erörterungen, wo am Ende doch nichts heraus kommt, als daß wir

auch dies nicht wissen: 3. E. welchen Tag und Stunde Christus geboren sey? wo er in Aegypten gewesen? woher die Weisen aus Morgenland ka. men und wie der Stern ihnen das Haus zeigte? wer Petri Schwieger, und ob Matthäus und Levi verwandt gewesen? ob Matthäus fein Evangelium ebräisch geschrieben und was am Evangelium der Nazarener sey? (deren keines wir wahrscheinlich zu sehen bekommen werden) wer des Lucas Theophiz lus war? wann und wo jeder Evangelist und Apo= stel jeden Buchstab und Vers feines Evangeliums, feiner Briefe geschrieben? an wen er fie couvertirt? wie leserlich oder unleserlich seine Hand gewesen? Alle dergleichen gelehrte Untersuchungen, die vor einiger Zeit noch Einleitungen ins N T. hief=

fen, ob sie gleich nichts weniger, als so etwas find, werden hoffentlich bald in die Claffe von gelehrten Fragen und Antworten fallen, in welche sie gehōs ten, ing nimium et inutile der Behandlung diefer Schriften. Håtte Christus für unsere Neugierde forgen wollen, zu wissen, was er bis zum 30. Jah re feines Alters getricben? in welcher Gestalt ihm der Versucher erschienen? wo er die 40 Tage nach feiner Auferweckung gelebet? wo der Himmel sey, in dem er jest lebet? wann er wiederkommen? wo und wie der Thron des Weltgerichts seyn werde? Eder gar welcher Gestalt, Länge und Farbe Er?

welchem Zeuge Paulus Oberkleid gewesen? hundert dergleichen curiosa mehr; würde es ihm und den Seinen nicht ein Leichtes gekostet haben, uns hierüber zu belehren? Daß sie's nicht gethan, daß uns mit ihrer Zeit auch alle Mittel entgangen find, so etwas zu wiffen und zu erfahren; ist dies nicht Zeugniß genug, daß wir's nicht wissen sollen? Und ich weiß auch nicht, wozu wir's wissen müßten ?

Offenbar geben uns die Evangelisten nur die schlichteste Nachricht von dem, was ihnen, den Christen, von Christo zu wissen nöthig schien. Die drei ersten wenden sich um gewiffe Hauptpunkte, seiner wunderbaren Geburt, der Erklärung Gottes über ihm bei seiner Taufe, (wozu Johannes Prophetenamt gehöret) seiner Versuchung, Lehre, Wun der, scharfen Anmahnungen, seines Leidens, Todes, Begräbnisses, seiner Auferstehung endlich und Erhebung gen Himmel. Dies sind die Momente, bie fie treiben, von denen sie die Umstände, jeder nach seiner Art, nach seiner Kunde und Absicht,

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