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horazische Oden, oder in die pindarische Form ver kleidet werden. Arme Poesie der Ebråer, wie stehst du verwandelt! Bescheiden schämst du dich des zu stolzen Gewandes, und stolz schämt sich das fremde Gewond deiner Unter Hirten geboren, unter ju gendlichen Tänzen und zweitönigen armen Chören erwachsen und erzogen, wie das deine Gestalt, dein ewiger, immer durchhin klingender Parallelismus, der simpelsten Schritte einer einfältigen Sprache zeiget, sollt du plöglich im verschlungenen theseischen Tanz oder gar auf dem Kothurn, pindarisch, horasisch, bacchisch triumphiren ! Wenig Dinge in der Welt sind abstechender von einander, als diese beiden, der einfältige, unermüdliche Parallelismus der Ebråer, und jene gerundeten oder gespigten künst lichen Sylbenmaaße. Kein Bild bleibt also in seis nem Umriß dasselbe, keine Strophe dieselbe, kein Umriß eines Perioden derselbe ; alles wird vers rückt und verschoben. Lachen Sie immer über mich, daß ich diese simpeln ebräischen Lieder lieber in der årgsten jüdisch - deutschen Uebersehung, als in fol. chem fremden Triumphkleide, wo die arme Ueber. wundene öffentlich zur Schau geführt wird, lefe. Dort höre ich doch noch durch, was sie war, was fie feyn soll; hier höre ich den Parallelismus, und soll ihn doch nicht mehr hören: er kuckt überall vor, und soll doch versteckt werden. Glauben Sie, mein Freund, die Bibel würde lange nicht so verunstal tet feyn, wenn man sich nicht ihrer Einfalt und Armuth schämte. Nun ward sie vollgepfropft mit fremden, widersinnigen Ideen: die zweite Zeile des Rhythmus, die ursprünglich nichts als Echo, ein zurücktōnendes, jugendliches Freudengeschrei, ein

erklärender Wiederhall der ersten war, sollte immer was unergründliches, ungefagtes, neues bedeuten, jedes Wort in ihr sollte emphatisch seyn; und so zwang man durch sinnlose Verschönerung hinein, wofür Zeit, Nation, Gelegenheit, Zweck, Zusams menhang, Strophe, Poesie zurückschaudern.

Zehnter Brief.

Ich dachte wohl, daß Ihnen einiges im Schluß meines lezten Briefes auffallend seyn würde; Sie zu besänftigen, will ich also nichts weiter gesagt haben, als daß man doch wenigstens Sylbenmaaße in fremden Sprachen wählen müßte, die den Pas rallelismus der ebräischen Poesie nicht verwirren sondern ebnen und schlichten, die ihm freundlich dienen, und einen sanften, gefälligen Eingang in unser Ohr geben. Jest zum Inhalt der Psalmen.

Ich weiß Ihnen keinen beffern Schlüssel zu ihm zu geben, als die vortreffliche Vorrede Luthers zu diesem, seinem Lieblingsbuche. Er wird Ihnen fagen, was Sie in ihm haben, wie Sie's anwen. den und brauchen sollen. Ein Magazin solcher Art muß uns durch einzelne Vorfälle im Leben erst recht vertraut und brauchbar werden. In ähnlichen Um, ständen und Gemüthsfaffungen erheben sich solde Lieder gleichsam aus ihrer Asche hervor, sie werden uns näher und traulicher, ihr Geist besucht uns in treffenden Sprachen, wir hören füßen Gefang des

fanften Githith, der hellen Kinnohr oder der ges dämpften Adufe von fern tonen, unser Herz wird fill oder freudig

Sie erinnern mich an Proben aus diesem Buch), wie ich Ihnen hie und da aus den vorigen gege= ben. Es sey so; ich gebe einige, wie sie mir in die Hand fallen; Ihr guter Geist wende sie an:

Ich hebe meine Augen zu den Bergen,
Von dannen mir Hülfe kommt!
Meine Hülfe kommet von Jehovah,
Der Himmel und Erde schuf.

,,Er wird deinen Fuß nicht gleiten laffen,
Er wird nicht schlummern, der dich bewacht!
Nicht schlafen wird er, und nicht schlummern,
Der Israel bewacht.

Jehovah ist dein Wächter,
Jehovah ist dein Schatte,
Er ziehet dir zur Rechten,

Daß Tages dir die Sonne,

Dir Nachts der Mond nicht schade.

Jehovah wehret von dir alles Uebel.

Er wahret dir dein Leben,

Behütet deinen Ausgang

Und Eingang,

Jegund und immerdar,

Welche stille Ruhe, die in diesem Liede der Wall. fahrt, der Reise und des Sehnens nach Gottes Bergen herrschet! Den Zug Gottes zur Rechten, nehme ich für einen gewöhnlichen Idiotismus, statt: bir zur Hülfe, zur Stärke, zum Beistande; die Redensart ist häufig bekannt: Pf. 73, 23,

Pf. 16, 8. u. f. Ein anderes schönes Led, bas ihm vorhergeht:

3u Jehovah ruf ich in meinen Wengsten,
und Er erhöret mich.

,,Herr, rette meine Seele,

Bon Lügenlippen,

Bon Lasterzungen."

Was kann dir thun, was kann dir schaden,
Die Láfterzunge?"

Sie sticht wie spige Pfeile des Starken,
Sie brennt wie glühende Kohlen von Dornen.

Weh mir!

Ein Fremdling bin ich hier in Räuberhorden,
Muß wohnen hier in kedarenischen Zelten.

Lang' ward es meiner Seele,

Mit Einem zu wohnen, der Frieden haßt.

Ich spreche vom Frieden, und Er sucht Krieg.

Offenbar ist dies Lied die Klage eines einzelnen ver folgten und verläumdeten Mannes aus einem unfriedlichen Zelt, oder aus einer bedrängenden Hütte. Warum es als po i dastehe, weiß ich nicht; so, daß ich überhaupt dies Wort lieber von Psalmen, die aus der Wiederkehr mitgebracht sind, oder die zum Zuge nach Jerusalem gehören, zu übersehen Lust hätte. *) Augenscheinlich ist das Pfalm.

*) S. vom Geist der ebräischen Poesie. Ih. 2. S.

367. u. f. Neue Ausg. S. 344. f.

1

Psalmbuch parthieenweise entstanden, (wie oben ge= zeigt worden) und in dem legten, dem spåtern Theil, find nur wenige Stücke von David, eine Nachlese gleichsam; die meisten scheinen von andern Vers fassern.

*) Ware Jehovah nicht mit uns gewesen,
Sage nun Israel:

Wäre Jehovah nicht mit uns gewesen,
Als Menschen über uns standen;
Berschlungen håtten sie uns lebendig,
In ihrem Grimm, in ihrer Wuth.
Sie hätten uns überschwemmet, die Wasser,
Der Strom wår' übergegangen über unser Leben,
Gegangen wären sie über unser Leben

Die stolzen Wasser.

Gelobt sey Gott!

Er gab uns ihren Zähnen nicht zum Raube,
Entkommen ist unsre Seele, wie ein Vogel,
Aus Voglers Strick :

Der Strick ist zerrissen, wir sind entschlüpft.

unsre Hülfe steht im Namen Jehovah's, Der Himmel und Erde schuf.

Daß der Anfang dieses trefflichen, in verschiedenen Stellen sehr lebendigen und nachahmenden Liedes nicht ein allgemeiner Sag, sondern eine bestimmte Erfahrung aus der Vorzeit sey, zeigt der Fortgang unláugbar. Eben hierauf, daß es ein gewisses Factum voriger Begegnisse sey, steuert sich das Lied

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