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ist, zu schaffen, als ob's wåre; so důnkt mich, ist bei keiner Gattung Schriften das einzelne Lesen und Erwägen nothwendiger, als bei ihnen. Wie fich ein Traum, auch der göttlichste Traum, nach der Seele und der Welt von Umständen des sen, dem er wird, richtet; wie er jedesmal die zartesten Blumen feines Gartens wählet, den Kranz, den er ihm vorhalten will, zu flechten und oft mit den gebeimsten Säften seines Herzens ihm fein Bild mahlet; wie alles, was von der Leidens schaft, der Phantasie, dem Druck unter schlechten Zeiten, dem Vorgefühl befferer Dinge abhängt, auf's höchste individuell ist, und nicht von Subjekt zu Subjekt gezegen und gezerrt werden mus, um den ursprünglichen Sinn der Rede oder Ahnung zu erhalten: so beruht auch, kann man mit Petrus Worten fagen, keine Weißagung auf eigenmächtiger, willkürlicher, fremder Deu. tung; jeder der heiligen Gottesmånner sprach vom heiligen Geist getrieben, als solcher, einzeln. Selbst die Theile eines Propheten darf man nicht schlechtweg in einander werfen, zu einander herüber ziehen u. f. Sie können in so verschiedenen Zeiten, unter so andern Veranlassungen und Umstán. den gestellet seyn, daß man ihnen Geist und Kraft nimmt, wenn man sie fremde deutet. Kurz, ein Demagog muß einen einzelnen Kreis des Volks haben, zu dem er spricht, und eine eigene Seele haben, aus der er redet; nimmt man ihm beides, so ist sein jeziger Zweck zu wirken verloren.

Mich dunkt, niemand hindert sich im rechten Gesichtspunkt, Propheten zu lesen, mehr, als der

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Crte.

nur allgemeine Sentenzen, dogmatische Sprüche und Weissagungen in ihnen aufsucht, und gar Zwangsmittel hat, einen Propheten hierzu und nach seinem eigenen Sinn zu vergestalten. Dog. matische Sprüche und Weißagungen, wie wir das Wort jezt nehmen, waren nicht jedes Propheten Hauptabsicht: sie waren's nicht an jedem Der Prophet war kein Prediger nach unse rem Begriff; noch weniger der Erklärer eines ein. zelnen Locus. Führer des Volks, Sprecher des Willens Gottes über diese Zeit, diese Stadt, diese Verbindung von Umständen, das war er; und das konnte er seyn, ohne daß Er eben unmittelbar vom Messias weißagte. Offenbar kommt diefer den meisten Propheten als Trostbild künftiger Zeiten vor Augen. Nachdem ihre Zeit drückend, und ihre Seele gestimmt war, Bilder der Zukunft vom höhern Geist zu empfangen, nachdem weißagten sie, di. faben in die Zukunft. Der Eine schafft sanfte, der andere heroische Bilder; Ein Maas, Eine Form und Farbe ist nicht für alle, noch weniger Eine Manier, die man ihnen aufdränge, wenn sie gleich nicht in ihrem Gebiet, im Kreise ihr.r Aussicht låge. Ich halte nicht viel von denen, die einen Ausleger der Propheten darnach allein schäzen, ob er diese oder jene Stelle zuerst und zunächst auf Christum deute? und wenn er dies nicht thut, den Stab über ihn brechen: „er könne über den Pro= pheten nun weiter nichts gutes sagen." Sie sehen, mein Freund, wie unbillig und tůrkisch das Urtheil fey es strangulirt den Ausleger und den Prophe ten, und beide um etwas, wovon man gar nicht erweisen kann, daß es allein und ausschließend

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den Propheten oder den Ausleger machen müsse, oder gemacht habe. Lasset uns doch die heiligen Manner lassen, wie sie sind; nicht, wie wir sie uns schaffen möcht.n. Es ist immer für uns eine schwere Frage, was ein jeder Prophet sich auch bei seinen unläugbarsten Weissagungen vom Messias gedacht habe? wie hell oder dunkel er in die Zu kunft sah? Manche Propheten weifsagten und konn ten selbst nicht auslegen, was sie fahen; andere weissagen einzelne Züge, bei denen ihnen immer noch der Umriß des Ganzen gef.hit haben kann. Ein Prophet ist kein Evangelist; und ein Zug in einem Propheten mehr oder minder, åndert ja nichts im Gemählde sämmtlicher Schriften und ihrer Aussicht auf's Reich und die Person des Messias.

Am sorgsamsten suchen Sie, mein Lieber, die einzelnen Stücke eines Propheten abzutheilen, zu fendern und zu ordnen: denn keiner sehte sich hin, ein Buch zu schreiben von Anfang bis zum Ende. Eine richtige Abtheilung hilft außerordentlich, und wo die Stücke zerstreut scheinen, eine muthmaß, liche Versehung. Wo dunkle Stellen sind, ziehen Sie alte Uebersehungen zu Rathe: einige der spåtern Propheten, insonderheit Jeremias, haben dies vorzüglich nöthig. Werden Sie mit jedem dersela ben gleichsam Zeitgenoß, theilen mit ihm Leiden und Freuden, gegenwärtigen Druck und künftig freiere Aussicht: o wie wird Ihnen dann einzeln und allmählich der edle Geist dieser Männer aufgehen, denen die andern Völker beinahe nichts Aehnliches haben! Sie werden mit Jesaias als

Adler zur Sonne fliegen und mit der Turteltaube Jeremias, einer Tochter der Seufzer und Thränen, klagen mit Habakuk unter dem Druck feststehen, und mit Hefekiel auf fremden Bergen, an auslån. dischen Wassern, Gesichte sehen und symbolische Entwürfe. So mit den andern. Erwarten Sie nächstens noch über ein paar Einzelnheiten meine Meynung, und wir gehen sodann aus dem Heilig. thum der Propheten in den Vorhof der heiligen Schriften,

Meunter Brief.

Die Propheten, auf die wohl die meiste Wider. rede und Spötterei geschüttet ist, sind Ezechiel und Jonas. Daß man die ganze Geschichte des Leztern gern zu einem Traum, einem Gesicht machen wol len, wird Ihnen bekannt seyn; und doch ist im Propheten nicht die kleinste Spur von Traum oder Gesichte. Als eine Geschichte fångt's an, gehet fort und endet. Ich wundere mich, daß Niemand bis. her auf die Hypothese gekommen sey, den ganzen Verfolg der Begebenheiten als Dichtung anzunehmen, *) wie viele z. E. die Geschichte Hiobs für

*) In neuern Zeiten ist dieses geschehen, von M₺ chaelis, Eichhorn, Niemeyer u. a.

eine solche gehalten, und die Bücher der Judith, Tobias, Stücke in Esther offenbar sind. Das Wunderbare, das doch den meisten Spott auf sich geladen, würde sedann zweckmäßig gewählte Schönheit; und der Sinn des Ganzen bleibt dersel be, er mag aus einer wirklichen Geschichte, oder aus einer, statt ihrer geschaffenen, Dichtung folgen: denn die lehte ist doch immer auch eine moralische Geschichte zur Darstellung Einer oder mehrerer Lehren.

Mich dunkt, Sie sind neugierig auf diesen Gesichtspunkt; bemerken Sie also, das Buch hat eine Einheit, Kürze, Rundung, wie sie das beste morgenländische Poem haben kann, und was mehr als Alles ist, auch Einheit im 3 wed, in seiner moralischen Lehre; es ist,,die lebendige Dare ftellung eines Propheten in den man„cherlei Fehlern, die das Prophetenamt „hatte und haben konnte." Dem Prophe ten wird aufgetragen, einer fremden, fernen, reis chen, majestätischen Stadt schnelles Unglück zu predigen; welches Herz von Fleisch und Blut thut das gern? Jona stråubte sich dagegen, wie sich meh rere Propheten beim Auftrage schwerer Pflichten ftraubten.,,Was soll ich, ein Jude, dort? Wird ,,man mich nicht für einen Narren halten, und ,,mit Spott, mit kalter Verachtung strafen ? oder „wenn man mir glaubt, wenn man meiner Bots „schaft Erfolg zutrauet, wird man mich nicht als ,,einen Unglückspropheten zur Stadt hinaus werfen ,,und würgen?" Er mied also das heilige Land, er floh, so weit er konnte, westwärts. Daß das

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