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1859

Vorwort.

Das regsame Streben der deutschen Nation, sich ihre frühern Klassiker wieder zugänglicher zu machen, manchem beinahe vergessenen endlich volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist immerhin ein erfreuliches Zeichen der Zeit, selbst wenn jenes Wiederauflegen, Ergänzen, Erklären sich zuweilen einem übertriebenen Eifer, ja der Zudringlichkeit nähern sollte. Es zeugt von dem allgemeinen, tiefgefühlten Bedürfnisse, ungesäumt zu demjenigen zurückzukehren, was unsere Ahnen und Väter begeisterte und erfreute; es ertheilt zugleich den deutlichen Wink, wie das Neue und Neueste seit Göthe und Tieck der Nation nicht volle und dauernde, nicht einzige Befriedigung zu ge= währen vermöge.

Zu den vor vier Jahrzehnten noch einflußreichsten und gefeiertesten Schriftstellern gehörte bekanntermaßen der geniale Johann Kaspar Lavater. Welche Begeisterung er damals weckte, ergibt fich aus unzähligen Zeugnissen von Freunden und Feinden. Folgendes, erst neulich bekannt gewordene, ist schon wegen des darin berrschenden Unmuthes merkwürdig:

,,Alles, Alles ist jezt Lavaterisch, Göthisch, Herderisch und Lenzisch, und gerade die Kunstrichter, die sich nicht von

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dem Neologischen in der Denkungsart und Sprache hinreißen laffen, beobachten ein tiefes Stillschweigen!“ 1

Allmälig trat Lavater ziemlich in den Hintergrund zurück, ja das jüngere Geschlecht kennt ihn kaum anders, als vom Hörensagen oder aus unsern Literaturgeschichten, deren Lob und Tadel bald aus dem Gedächtnisse hinschwindet. Jedenfalls haben diese bisanhin kein Verlangen nach einer zeitgemäßen Erneuerung seiner Geisteserzeugnisse hervorgerufen.

Unstreitig war Lavater's irdisches Dasein und Wirken bis zu seinem tragischen Ende ein in sich vollendetes, organisches Kunstwerk der in der Menschennatur wirksamen Gottheit.

Dieselbe ewig waltende Macht hat Göthe und Lavater zuerst auf's Innigste vereint, auf daß sie sich wechselseitig mit Geistesleben durchdringen sollten; dann unwiederbringlich getrennt, auf daß diese großen Gestirne, jedes ganz frei seine eigene Bahn wandelte, in der Idee aber aus beiden eine höhere Einheit sich gestaltete und der deutschen Nation in hellstem Lichte strahlte.

Abgesehen von Lavater's so bedeutendem Wirken durch das lebendige Wort, durch unermeßlichen Briefwechsel und die oft kühne, rasche That hat er in seinen Schriften uns so viel des für alle Zeiten Dauernden mitgetheilt, daß es endlich an der Zeit schien,. Deutschland, wenn auch vorerst nur in sehr sparsamem Maße, eine, Auswahl des Geistreichsten, Originellsten, Ergreifendsten, Anmuthigsten vorzulegen. Und dieß um so mehr, da einige der anziehendsten L a v a

1 Felix Chriftian Weiße an Johannes Peter Uz. 3. April 1776. (Morgenblatt 1840, S. 1208.)

terischen Werke, wie die „Worte Jesu von einem christlichen Dichter", eine vollständige „Handbibliothek“, und in dieser eines seiner vollendetsten Erzeugnisse, die „drei Gespräche über Wahrheit und Irrthum, Sein und Schein,“ schon zu Seltenheiten geworden, und somit dem zahlreichen Theile des Publikums, welches, neben den Tageserzeugnissen, auch frühere Klassiker kennen lernen und genießen will, wie aus der Hand genommen find.

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„Doch woher gerade dein Beruf für dieses Unternehmen ?“ so fragen zweifelnd Manche.

Als Antwort nur so viel: Obschon ich mich durchaus nicht zu allen Ansichten, Urtheilen und Meinungen Lavater's bekenne, trage ich doch das Bewußtsein in mir, mit völliger Unbefangenheit dasjenige herausgehoben zu haben, was mir seine Individualität besonders zu bezeichnen, für den jeßigen Leser genießbar, anregend und anziehend zu sein schien; ich verfuhr so unparteiisch, als ich es nur immer thun würde, wenn mir beifiele, eine Chrestomathie aus Platon und Cicero oder aus Philon und Plotinos herauszugeben. Und mit diesem kleinen Denkmale erfülle ich eine heilige Pflicht gegen meine Nation, die Deutsche; denn in allem Geistigen, Wissenschaftlichen, Künstlerischen bildet Deutschland und die deutsche Schweiz nur Ein Volk; erfülle eine Pflicht der Pietät gegen den herrlichen, wunderbaren Lavater selbst. Mit meinen Eltern war er durch innige Freundschaft verbunden; tief wirkte dieß anmuthige Verhältniß, wie das ganz ähnliche des Vaters und der Mutter mit dem genialen Maler, Heinrich Füßli, und mit Pestalozzi, dem unsterblichen Begründer der echten Volksbildung, wie auf mein Gemüth, so auch auf meine äußern Lebensschicksale ein. Noch sah ich jene majestätische

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