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Darum möchte ich Ihnen, verehrte Männer, treue Vorbilder im Kampfe für,,Licht, Leben und Liebe“ in der Wissenschaft, Ihnen meinen ersten Führern in das Reich der Dogmatik, wenigstens dadurch meine Dankbarkeit und Ver= ehrung öffentlich bezeugen, daß ich dieses Buch mit Ihren Namen schmücke.

Nehmen Sie mit Wohlwollen dieß kleine Zeichen dankbarer Gesinnung an, als ein Zeichen, daß, so wenig auch die Dürftigkeit der Darstellung der Erhabenheit und Größe des Gegenstandes entsprechen mag, doch der Geist, den Sie in mir geweckt, der Glaube an ein Höheres in der dogmatischen Wissenschaft, den Sie in meine Seele gesenkt, nur noch inniger und lebendiger in mir geworden ist.

Höheres ist nicht im Reiche des Geistes, als der Geist der Einigung mit Gott durch Jesum Christum. In diesem Geiste fühle ich mich Ihnen, meinen Führern zu diesem Geiste, ewig dankbar verbunden.

Borrede.

Was den Kreis betrifft, für welchen dieser Versuch einer Geschichte der protestantischen Dogmatik berechnet ist, so waren es hauptsächlich angehende Theologen und praktische Geistliche, welche ich im Auge hatte, indem beiden nur selten Zeit und Gelegenheit gegeben ist, alle bedeutenden dogmatischen Werke unsrer Kirche selbst zu lesen. Aus diesem Grunde ist von den wichtigsten und schwierigsten dogmatischen Systemen, vor allen von Schleiermacher's Glaubenslehre, eine ausführliche und möglichst wortgetreue Darstellung gegeben worden. Von Bretschneider's Handbuch der Dogmatik dagegen habe ich eben aus Rücksicht auf das mir vorschwebende Publikum eine umfaffendere Darstellung vermeiden zu müssen geglaubt, indem das eigne Studium eines solchen, das dogmatische Material auch dem Anfänger und Wenigbegabten auf die klarste und faßlichste Weise bietenden, Werkes, das ja auch in den Händen der meisten Studirenden und Pfarrer gefunden wird — wohl mit Recht von jedem Theologie-Studirenden gefordert werden kann. Anderen konnte ihrer geringeren Bedeutung wegen für den gedachten Leserkreis, oder weil die von ihnen befolgte Richtung schon von andern Systemen repräsentirt war,

wie die dogmatischen Schriften von Teller, Cramer, Reinhard, Hahn u. a. nur eine kurze Erwähnung zu Theil werden. Und so haben denn - was denkende Beurtheiler wohl auch ganz in der Ordnung finden werden - im

Ganzen die dogmatischen Systeme1), welche, der Gegenwart und nächsten Vergangenheit entsprossen, noch entweder in der Blüthe ihres Lebens stehen, oder doch hie und da noch, als Ausdruck der dogmatischen Überzeugung, einiges Leben ge= nießen, eine ausführlichere Behandlung erfahren, als diejenigen, welche ihrem Entstehen und Wirken nach weiter zurück liegenden Zeiten angehören.

Denn eine gleichförmige, auch das Unwichtigere breit tretende Chronik zu schreiben war ich so wenig gemeint, als einen trocknen dogmatischen Meßkatalog. Ich wollte vielmehr den Leser in eine lebendige Welt hineinführen, wo der religiöse Geist unsrer Kirche, in ewiger Bewegung immer nach andern ihm entsprechenderen Formen strebend, sich zu immer klarerem und vollerem Bewußtsein seiner selbst emporringt, wodurch er ein immer reicheres eigenthümliches Leben gewinnt und aus der wissenschaftlichen Hülle heraus lebendig zu unserm Innern spricht.

Hierbei maßte ich mir nicht etwa an, mich, als Individuum, auf den Richterstuhl zu sehen, vor welchem ich den religiösen Geist unsrer Kirche in all seinen verschiedenen Formen vorüberziehen lassen wollte, sondern ich habe mich vielmehr nur als aufmerksamen Zuschauer der Kritik betrachtet, welche jener ewige Geist durch Vernichtung des Unvollkommnen seiner Erscheinung an sich selber, d. i. an seiner endlichen Erscheinung, vollzogen hat und fortwährend vollzieht; denn ich meine, daß durch eine denkende Beschauung dieser geschicht= lichen, Jedem zugänglichen, Kritik der dogmatischen Erscheinungen am sichersten wie am klarsten offenbar wird, was in jeder dieser Erscheinungen. bloße zerbrechliche Hülle war, und was ewig bleibender Kern. Indeß mußte ich immer darauf hindeuten und aufmerksam machen; in diesem nun und keinem andern Sinne find alle eignen Gedanken über die ver1) Daß hierbei auch die philosophischen Systeme Beachtung gefunden, hat seinen Grund darin, weil, wie,,ohne Philosophie alles Wissen nur ein traditionelles ist" (Schleiermacher Dialektik S. 5), so ohne Erkenntniß der Entwicklung der Philosophie auch die gleichzeitige Entwicklung der Dogmatik durchaus unverständlich bleiben würde.

schiednen Systeme zu nehmen; sie sollen nichts weiter als hindeuten und aufmerksam machen auf das große Gericht, welches der wissenschaftlich-religiöse Geist an seinen eignen Formen ausübt, auf das Bleibende und Schwindende im Reiche der Dogmatik. Dieß die Idee, welcher ich nachzustreben versuchte. Die hierdurch bedingte Aufgabe: die Organisation nicht bloß jedes einzelnen Systems in sich, sondern auch die der sämmtlichen Systeme unter sich nachzuweisen, d. h. die einzelnen dogmatischen Gebäude als integrirende Theile der unendlichen, durch den Menschengeist vermittelten wissenschaftlichen Entwicklung des religiösen protestantischen Geistes auffassen zu lehren und so das innerste Verständniß der vergangnen und gegenwärtigen dogmatischen Systeme aufzuschließen: diese Aufgabe vollkommen zu erreichen, dazu gehörte freilich, nicht bloß über die bereits erschienenen Systeme ein absolut richtiges Urtheil zu haben, sondern auch eine vollendete Kenntniß der noch kommenden. Beides aber ist dem, bei all seiner Unendlichkeit doch immer der Endlichkeit angehörenden, menschlichen Geiste versagt 1), und um so mehr versagt, je näher ein System der Zeit des Betrachtenden liegt (weßhalb auch hier die subjective Kritik in um so bescheidnern Schranken sich halten mußte); darum wird wohl eine vollkommne Geschichte der Dogmatik ein Ideal bleiben, zu welchem nur in dem Maaße, als der religiöse Geist sich in der Dogmatik, mittelst der seiner bewußten Menschengeister, immer mehr entwickelt, wodurch zugleich der Blick auf seine Vergangenheit weiter und heller wird eine immer größere Annäherung statt finden kann. Und so darf ich denn dieses Werk nur als ein solches meiner Zeit vorlegen, das der Unvollkommenheiten noch gar manche an sich trägt; nur als einen Versuch, in dem ein einzelner menschlicher Geist dem großen Gange des ewigen Geistes der Religion durch die protestantische Kirche nachzusinnen gewagt hat. Mag mein Geist oft auch geirrt haben bei dem Streben, die Spuren jenes ewigen Geistes, seine Modificationen

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1) Denn hier gilt, was Joh. Müller an Bonstetten schreibt (II. S. 404 f.) : ,,Die ganze Historie weiß Niemand als Gott."

und sein Fortschreiten in längst zerfallenen oder noch bestehenden dogmatischen Gebäuden nachzuweisen; ist doch auch der Irr= thum ein Führer zur Wahrheit, und nur dadurch, daß er ausge= sprochen und erkannt wird, werden Andere der Wahrheit einen Schritt näher vielleicht zu einem andern Irrthum ?

geführt.

Wie nothwendig aber auch nur ein solcher Versuch der aus einem, von Liebe zum Geiste der Religion selbst, nicht zu dieser oder jener bestimmten Form des Geistes erfüllten, Gemüthe hervorging in unsrer Zeit ist, das zeigt ein Blick auf so viele studirende Theologen und im Amte befindliche Prediger, welche oft selbst die wichtigsten Systeme der protestantischen Kirche nur dem Namen nach kennen, und deßhalb sich nur von fremdem Urtheil leiten lassen, oft über der Form den diese beseelenden Geist vergessend.

Und so bin ich denn, troh aller Mängel die meine Arbeit an sich tragen mag, nicht ohne den Glauben, daß die Theologen des wahren protestantischen Geistes diesen Versuch: den Gang des religiösen Geistes durch seine endlichen, doch in ihrer Aufeinanderfolge ein, wenn auch noch unvollendetes, Ganzes bildenden Formen auf jeder Stufe zu enthüllen, nicht verachten, sondern als eine der untersten Sproffen der großen, in die Unendlichkeit ragenden Jakobsleiter betrachten, auf deren oberster Sprosse nur der ewige Geist selber jetzt schon oder vielleicht erst am Ende der Tage seinen ewigen Gang durch die Vergangenheit, Gegenwart und das, was für uns noch Zukunft ist, vollkommen überschaut, zu welcher Höhe aber auch dem einzelnen Menschengeiste ein unendliches Aufsteigen vergönnt ist.

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Da es Zweck der Einleitung war, den Leser für eine, dem Standpunkte von dem aus hier die Darstellung der Geschichte der Dogmatik versucht worden, entsprechende Würdigung der mannichfachen Systeme in denen der religiöse Geist erschien, vorzubereiten; so mußte es mir ganz besonders darum zu thun sein, den Doppelgedanken recht eindringlich darzustellen:,,daß jeder Dogmatiker Recht hat, wenn er den reinen, allgemeinen religiösen Geist in einer bestimmten Gestalt auffaßt, und den durch

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