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oder Eins von Beiden, so find wir nicht mehr für uns selbst. Ohne Bewußtsein gibt es kein Sein für uns selbst, ohne Objekt und Organe kein Bewußtsein, ohne dieses keine Existenz, keine Wahrheit.

A. Aber, seg' auch den Fall, daß wir, aus Mangel von Objekten oder lebenden Organen, Bewußtsein und Sein für uns verlören, wir existirten doch noch, unser Körper bltebe noch, Auge bliebe Auge, ohne Licht, ohne Objekt; Ohr bliebe Ohr, ohne Schall und Luft u. s. w.

B. Für wen? Für den Blinden, der gehörlos und gefühllos zugleich wäre? Für den Sinnlosen?

A. Nein, an sich, an sich; für Niemanden, für Alle, wie du willst. B. Du drehst dich immer im Zirkel herum, vergissest, was du zugegeben hast und alle Augenblicke wieder zugeben mußt. Niemand kann sagen: Es ist etwas, als wer durch etwas berührt, bewegt, determinirt wird; und dieser Berührte, Bewegte, Determinirte ist bloß durch seine Organe, sein Verhältniß zu dem Objekte berührbar, bewegbar, determinirbar. Er würde nie sagen und nie sagen können: Es ist, es ist so und so, wenn es ihn nicht auf eine gewisse Weise zu afficiren scheinen würde. Wir find also am Ende wieder da, wo wir im Anfange waren: Nur das ist Wahrheit, nur das ist für uns, was uns auf eine gewisse, bestimmte Weise sein macht, oder sein zu machen scheint. Wenn wir völlig finnlos sind, so find wir uns nicht, und wenn alle Welt von unserer Existenz spräche; und wenn kein Mensch davon spräche und sprechen könnte, so wären wir für uns, wenn wir Objekte außer uns wahrnehmen, oder wahrzunehmen wähnen, geseßt, daß tausend aller Sinne Beraubte von unserer Existenz nichts wüßten. Wie also Andere uns existiren machen, oder zu machen scheinen, so exstiren fie für uns; wie wir Andere existiren machen, oder existiren zu machen scheinen, so existiren wir für sie. Dieser Schein und dieses Sein ist völlig einerlei.

A. Ich muß dir dieses Alles völlig zugeben; aber laß mich, ich

bitte dich, noch einmal auf unsere fatoptrische Scheinblume zurückkommen; würdest du nicht sagen, ich hätte mich getäuscht, das heißt, Schein für Sein genommen, wenn ich sie für eine wirkliche, reelle Blume gehalten hätte?

B. Wenn du bloß sagen würdest: „Ich sehe eine wahre Blume, es ist völlig wahr und gewiß, daß ich eine Blume sehe“, so würdest du dich nicht getäuscht, keine Unwahrheit gesagt haben, nicht Schein für Sein genommen haben, denn dieser Schein ist Sein für das Auge, weil er dich auf eine ähnliche Weise eristiren macht, wie das, was du wirkliche Blume nennst. Sobald du aber dieses Blumenbild für fühlbar gehalten und unfühlbar gefunden hättest, dann könntest du von Täuschung sprechen, dein Gefühl würde nein sagen, wo das Auge ja sagt. Dennoch würde das Nichtgefühl dieses Blumenbildes das Sehen desselben gewiß nicht in ein Nichtsehen verwandeln können. Nur in Vergleichung mit der fühlbaren Blume hieße das Blumenbild täuschend. Es existirt wahrhaft, existirt so wahr, wie die Blume, aber nicht in demselben Grade; es existirt nur für Einen Sinn, darum ist seine Existenz inkomplet, nämlich inkomplet oder scheinbar nur für den Wahrnehmer mit drei Wahrnehmungswerkzeugen. Je kompleter fie zu sein scheint dem Auge," das heißt, je mehr sie für dasselbe so existirt, dasselbe so modificirt, wie die fühlbare Blume, desto mehr erregt fie Erwartung, daß fie riechbar und fühlbar sei. Diese Erwartung täuscht, wodurch? durch ihren natürlichen Schein, das ist, durch eine volle Quantität des Seins für den Sinn des Gesichts. Die Blume würde existenter und wahrer, wenn ihr ein Geruch gegeben werden könnte; fie erhielte mehr Existenz, weil sie existenter machen würde; sie würde existenter machen, weil sie mehr Organe berühren würde.

A. Aber sie wäre doch immer noch keine wirkliche Blume, wie die, welche wir als die Ursache dieses Wiederscheins annehmen?

B. Das heißt, sie hätte nicht das Quantum von Existenz, das wir, als fühlende Wesen, komplete Existenz nennen.

A. Wir heißen aber erst das wirklich, was wir fühlen. B. Voll-wirklich, komplet, so existent wie möglich, heißen wir freilich nur das Fühlbare; aber du vergissest schon wieder, was du von den Farben zugeben mußtest. Sind fie deßwegen nicht wirklich, weil fie nicht fühlbar find? Laß dir sein, die Blume wäre zugleich noch hörbar und schmeckbar, würde sie dadurch nicht einen ueuen Grad von Existenz, von Wahrheit bekommen? Und ließe sich nicht ein Objekt für zehn andere Sinne denken, wodurch dasselbe noch viel existenter, mithin für den Wahrnehmer durch zehn und mehrere Sinne viel wahrer würde? Bist du, mein Freund, dessen Geist, dessen Denkenskrast, dessen Wahrheitsliebe, dessen Freundschaft ich neben und in aller Körperlichkeit wahrnehme, bist du mir nicht lieber, das heißt, genießbarer, mich in mehreren Punkten bes rührender, mir existenter, mir wahrer durch das größere Quantum deiner Existenz für mich, als die Blume, die ihr Bild, ihren Schein, ihr Dasein für das Auge von dem Hohlspiegel zurückwirft, existenter ist, als die Blume, die bloß für das Auge da ist? Wirst du mir nicht mit jedem Fortschritte unsers Daseins, das heißt, ⚫ mit jeder neuen Entwicklung unserer Wahrnehmungsorgane, bet jedem Zuwachs unserer Existenz, unsers Selbstgefühls, bei jedem neu berührten Berührungspunkte, noch lieber, das heißt, wahrer, existenter für mich werden? und es dadurch werden, daß du mich existenter machst?

A. Du hast Recht. Es gibt Grade der Wahrheit, der Wirklichkeit, der Existenz, des Genusses, der Genießbarkeit, der Harmonie mit uns selbst, und je mannigfaltigere Seiten ein Objekt hat, wodurch es sich an unsere mannigfaltigen Sinne anschließen kann, desto wahrer, existenter ist es für uns, desto kräftiger, voller macht es uns existiren. Dieses ist mir alles ganz klar geworden, und so oft

ich auf Alles zurückdenke, was du behauptetest und was ich zugeben mußte, bin ich völlig im Lichte, völlig überzeugt, und zweifle auch nicht, einen Jeden, der ruhig und ausharrend hören kann, eben so, wie ich es bin, überzeugen zu können. Ich freue mich dieses Lichtes und ahne voraus, daß es mir unabsehliche dunkle Felder beleuchten und mir ihre Gegenwart und Zukunft neue, wichtige Aufschlüsse geben wird. Aber, laß mich ganz aufrichtig sein, es erfordert doch Muth, diese Lehre, besonders wenn die Folgen derselben richtig vorausgesehen werden, vorzutragen.

B. Was wahr ist, ist wahr, es werde vorgetragen, oder nicht, angenommen, oder verworfen. Wer sich übrigens vor den Folgen der Wahrheit fürchtet, fürchte sich auch vor der Wahrheit selbst. Furcht vor den Folgen und vor möglichem Mißbrauche der Wahrheit hält nur den Schwachen von der Untersuchung, Ergreifung und Behauptung der Wahrheit ab.

A. Du hast abermals Recht; aber wer ist nicht schwach genug, fich oft nur mit Zittern der Wahrheit zu freuen?

B. So freue dich auch nur mit Zittern der Wahrheit deiner Existenz; denn jede Wahrheit, die du erkennen kannst, ist doch nur eine neue Art deiner Existenz, also Existenz selbst, oder nichts.

A. Ich bin völlig ruhig, ich umarme dich. Die Wahrheit macht froh und frei. Ich fühle mich freier, existenter, weil ich dessen, was du sagst, völlig so gewiß bin, wie meiner Existenz selbst, weil ich es mit Allem, was ich in mir und außer mir existent nenne, in Harmonie bringen kann, und als coexistent mit mir selbst anzusehen genöthigt bin.

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Alles, was ist, ist wahr, und was uns wahr ist, das ist uns.

Drittes Gespräch

über

Wahrheit.

Es gibt für uns keine absolute, bloß objektive, rein abstrakte, keine durchaus unrelative Wahrheit.

A. Ich habe unser leßtes Gespräch überdacht; ich habe es, so gut es mir möglich war, nachgeschrieben. Es war mir eine Behauptung darin, die wir Beide als wahr annahmen, auffallend, aber sie schien mir noch lange nicht genug beleuchtet und entwickelt, und wenn diese nicht in völliges Licht gesezt ist, so fehlt allen weitern Untersuchungen Grund und Boden.

Alle Wahrheit, sagten wir nämlich, ist ein gewisses Sein, das uns so und so sein macht; Sein und Wahrsein nahmen wir als eins an. Jedes Sein außer uns, Alles, was wir Objekt nennen und als verschieden von uns uns vorstellen, macht uns auf eine gewiffe, eigene, bestimmte Weise existiren. Diese Art von Existenz, völlig eins mit unserer Art, wahrzunehmen, hängt völlig von unsern Sinnen und dem Verhältnisse des sogenannten Objektes zu diesen unsern Sinnen oder Wahrnehmungsorganen ab. Wir können also von jedem Objekte schlechterdings anders nicht, als nach seinem Vers hältnisse zu uns beurtheilen; wir können nie wissen, was es in sich ist, nur was es für uns ist. Dasselbe Objekt, was für uns völlig gewiß existirt, ist vielleicht für andere Organe nonexistent, oder hat für dieselben ganz andere Eigenschaften, als für uns. Daraus ergibt fich, daß es für uns keine absolute, innerlich objektive, abstrakte, absonderliche, selbstständige Wahrheit oder Existenz gebe, wenigstens, daß wir es nie zu behaupten das Recht hätten.

B. Du hast die Sache sehr gut gefaßt; so ist es! das war und ist meine Meinung. Wir können nie, in keinem Falle, unbedingt von

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