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Der Inhalt derfelben schien mir sehr wichtig und für die Bedürfnisse unserer Zeit äußerst zweckmäßig, obgleich Manches darin den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit sein mag. Man gab mir die Erlaubniß, fie publiziren zu dürfen. Ich `thue es mit dem Wunsche, daß jeder Leser am Ende sage: „Du hast nichts Unnüßes gethan!“ und „ich habe nicht vergeblich gelesen.“

Der Blinde vom Berge

aus dem Französischen überseßt.

Drei Gespräche über Wahrheit und Irrthum, Sein und Schein. Aus einem deutschen Manuscripte.

Er sprach herrlich von Weisheit. 2 B. Maccab.

Nachstehendes Gespräch ist aus dem Französischen überseßt. Das Original, das der Verfasser aus dem Lateinischen übersezt zu haben in der Anzeige versichert, ist als Manuscript für Freunde nur in kleiner Anzahl abgedruckt. Der Verfasser ist ein sehr angesehener Mann an seinem Orte (homme en place); ein Gelehrter von der ersten Größe, obgleich er wenig geschrieben und keinen Trieb hat, bekannt zu sein.

Mitten unter äußern Agitationen schrieb er als ein zweiter Cicero seine philosophischen Unterhaltungen; schrieb er heilige Gesänge; sah er sich in allen Fächern der Wahrheit um; übte seinen geistigen Geschmack an allem Schönen; verfeinerte seinen edeln Menschenfinn auf alle Weise; verbreitete rechts und links milde Gesinnungen. Selten, denke ich, hat Weisheit, Wissenschaft, Geschmack und Feinsinn, Phis.

losophie und Tugend, Beredsamkeit und Religion sich so vertraulich bei einem Menschen beisammen gefunden, wie bei dem Verfasser dieser, eines Platon's nicht unwürdigen

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Zürich, den 4. Januar 1791.

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Gespräche.

Anzeige.

Ich biete nichtgemeinen Geistern ein Werk an, das durch seinen Gegenstand, sowie durch seinen Gang und die Art, wie es sich ankündigt, ein wahres Interesse für sich erregen muß.

Dieses zeigt sich ohne Mühe und, so zu sagen, beim ersten Anblick. Was den Grund der Raisonnements und die Wahrheit der philosophischen Lehrfäße betrifft, so muß ich die Beurtheilung davon den Lesern überlassen. Aber wird das Werkchen viele Leser bekommen? Es ist schwer, diese Frage zu beantworten; Alles, was man sagen, kann, ist, daß der Verfasser nicht sehr deßhalb in Verlegenheit ge= wesen zu sein scheint, und daß ohne Zweifel der Uebersezer wohl thun wird, diesem Beispiele zu folgen.

Diese philosophisch sich überlassende Hingebung zeigt sich in der Sentenz oder dem Motto, das der Verfasser für gut gefunden hat, über seine erste Unterhaltung zu sezen: „Die Philosophie ist mit wenigen Richtern zufrieden und flieht mit allem Fleiße die Menge.“ Sie zeigt sich noch mehr in den Worten, die man am Ende des Gesprächs findet. Diese Worte find merkwürdig und geben uns eine eben so günstige Idee von dem Herzen unsers Philosophen, als andere gewiß uns auch von seinem Geiste geben werden. Hier find die Worte!,,Was die Philosophen betrifft, deren Meinungen ich widerspreche und von denen es scheint, daß ich mich fürchten sollte, fie

gegen mich aufstehen zu sehen, o Theogenes! das ist es nicht, was mich erschreckt. Meine Unbekanntschaft und ein gänzliches Stillschweigen find das Lager, aus welchem ich fie, mich zu vertreiben, kühn auffordere. Uebrigens, welches Interesse können sie wohl an den Unterredungen eines armen, blinden Mannes nehmen, dessen Absicht es nicht ist, ihren Ruhm zu verdunkeln, und der nicht mit frecher Hand ihre Bildsäulen zu zerstören gedenkt? Fern von dem Geräusche der Akademien und dem Eho der Städte fißt er im Schatten eines einfamen Platanus und unterhält sich friedsam mit einem jungen Schüler der Wahrheit. Er spricht, wie er denkt, und von Gegenständen, denen er oft mit Vergnügen sein Nachdenken gewidmet hat. Dieses ist ungefähr das einzige Vergnügen, das ihm übrig bleibt! Sollte man barbarisch genug sein, ihm dieses zu rauben?" Was er noch hinzufeßt, ist auch sehr merkwürdig, und kann allem dem zur Antwort dienen, was gewisse Menschen, die seine Raisonnements und Grundfäge entweder nicht verstehen, oder nicht verstehen wollen, (und gewiß finden sich einige von diesen beiden Klassen,) allenfalls gegen ihn vorbringen könnten.,,Uebrigens, wenn er sich auch betröge, welches Uebel würde daraus entspringen? Könnte wohl sein Irrthum den obersten Herrn der Natur beleidigen und unter den Menschen den Glauben, die Liebe, die Ehrfurcht und diese aufrichtige und gänzliche Unterwerfung vermindern, die sie ihm schuldig sind? Da sei Gott vor, mein lieber Theogenes! daß dieses Unglück durch meine Veranlassung entstehe, oder, daß je Gottlosigkeit in meinem Herzen ihren Siz habe! Tausendmal wünsche ich, daß eher die Zunge an meinem Gaumen sich befestige, als daß ich irgend eine verderbliche Lehre ausbrüte."

Das ganze Werk ist, so zu sagen, in diesem Tone geschrieben, mit einem Adel und Größe von Ideen, die schwer zu erreichen ist. Dieses sind die Worte des einzigen Menschen, der dieses Werk mit mir gesehen hat und der mir so davon vor einigen

Jahren schrieb. Vielleicht theile ich einst den ganzen Brief mit. Es ist ein Mann, der sehr bekannt ist, und dessen Urtheil die Zunft der großen Schriftsteller und Philosophen, wenigstens derjenigen, die mit diesem Namen sich gern bezeichnet sehen, gewiß nicht verwerfen werden.

Man wird viele Fragen an mich thun; ich muß mich darauf gefaßt machen. Aber Alles, was ich antworten kann, reduzirt sich ungefähr auf Folgendes: Das Werk, von dem ich eine Ueberseßung liefere, scheint ursprünglich griechisch geschrieben zu sein, obgleich meine Ueberseßung nur nach dem lateinischen Texte gemacht ist. Dieser war der einzige, den ich erhalten konnte. Ich kann nicht sagen, ob aus den Manuscripten der Orforder Bibliothek, oder aus dem Vatikan, oder aus der Verlassenschaft des seligen Askew, den ich kannte und dessen Manuscripte vor einiger Zeit in London verkauft worden sind. Alles dieses benimmt dem Verdienste des Werks nichts und würde sehr wenig zur Genugthuung meiner Leser beitragen. Ich wage es also, sie zu bitten, meinem Geheimniß, wenigstens für einige Zeit, ihre Achtung nicht zu versagen. Ich würde es nicht thun, wenn das Werk, von dem die Rede ist, die Geschichte zum Vorwurf hätte.

Der Titel der lateinischen Ueberseßung ist, so wie ich ihn gefunden habe, folgender: „Senis pythagorici, caeci, de natura ac phaenomenis rerum ad Theogenem filium, disputationes sex." Aber dieses ist nicht der Titel des ganzen Werks; es ist nur der von sechs Gesprächen oder Unterredungen, von denen ich heute die zwei ersten bekannt mache. Ich mußte also einen andern Litel unterschieben, und dieser war mir durch den ma

1 Der berühmte Mann, von dem hier die Rede ist, lebte noch damals, als dieses geschrieben wurde, im Jahr 1775. Seitdem ist er gestorben.

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lerischen Standpunkt dargeboten, auf dem unser Philosoph sich befand, als er seinem geliebten Schüler die Natur und den Urheber der Natur zeigte. Diesen Standpunkt beschreibt er selbst im Anfange seines. ersten Gesprächs.

Ich habe durch das Wort: „Unterhaltungen (Entretiens)" das lateinische Wort: „Disputationes“ überseßt. Dieses würde fich im Französischen sehr übel hier durch ein Wort verdolmetschen lassen, was nur im Geringsten ein Geruch von Controvers hätte, da das Werk, von dem die Rede ist, unendlich weit von allem dem entfernt ist, was Streit (disputes) genannt werden kann.

Ich habe mehr als einmal beim Fortgange meiner Ueberseßung, mehr noch, als beim Titel, wahrgenommen, und meine Leser werden es so gut, wie ich, wahrnehmen, sobald sie nur ein wenig ernsthaft über die Materie nachdenken wollen, daß es unmöglich ist, wörtlich zu überseßen, wenn man die Ideen eines Denkers von einer Sprache in die andere überträgt, besonders wenn die Sprachen so verschieden find, als die lateinische und franzöftsche, sowohl was den Genius der Sprache, als die Wendung der Phrasen betrifft. Dieses wird man noch besser in Beziehung auf unsern Schriftsteller einsehen, wenn ich einst den lateinischen Text publizire, wie es gar wohl möglich ist. Unterdessen kann das Publikum sich von diesem Texte eine Idee machen, sowohl durch den lateinischen Titel, den ich schon gegeben habe, als durch die ersten Zeilen und den Anfang des Werkes selbst: „Fili mi, iam desine querelarum; non omnis mihi voluptas cum hac usura lucis erepta est. Mundi incola etiamnunc, illum, qui late patet intueor. Quo me cunque ago, obviam habeo artificem illam mentem manumque, quae numquam cernenda oculis nusquam non occurrit, omnium rerum effectrix vel potius efficiens caussa." Ich habe dieses etwas weitläufig überseßt, wie man sehen wird, und ich habe dasselbe so mit allem Uebrigen gemacht. Bald habe ich paraphrafirt, bald abgekürzt, und wo der

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