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bei den guten Troglodyten, oder jenseits der Riphaeischen Gebirge, oder bei den Indianern und Garamanten, und du könntest schöne Sachen sehen, Archhtas! und wie du und alle deine schönen Spekulationen aufgenommen werden würden.

Wir erhoben also unsere Tempel und unsere Hallen, wir lagerten unsere Heere auf einer Erde, die nicht solid wäre und von der ich, wenn ich dich raisonniren höre, alle Augenblicke glauben muß, daß fie unter meinen Füßen verschwinden werde? Nein, nein! eine solche Lehre ist weder für unsern Geist, noch eine solche Materie für unsere Sinne gemacht. Man kann wohl im Lyceum, oder auf der Akademie einen Augenblick auf diese Art philosophiren, aber kommt man nach Hause zurück, so sezt man den Philosophen bei Seite, wird wieder Mensch und denkt wieder ganz menschlich. Man hält sich an die Wahrheiten, die man von der Empfindung herleitet, und du selbst, Archytas, ich erinnere mich dessen gar wohl, du selbst zogst diese Art von Ueberzeugung allen andern vor. Erlaube also, daß ich mich auch daran halte, und um nicht so geschwind aus dem Gebiete der Philologie und der Geschichte herauszutreten, so werde ich, wenn du willst, daß ich dir durchaus geschriebene Proben bringen soll, welche die Denkarten der Menschen aus den ersten Zeiten be= treffen, derjenigen nämlich, die, weil sie dem Ursprung der Dinge viel näher waren, dieselben auch besser kennen konnten, die endlich jene alte Philosophie besaßen, von welcher die ägyptischen Priester mit Plato sprachen; wenn du dieses willst, je nun, so werde ich, ungeachtet des Mangels an belehrenden Denkmälern und des schwer zu befriedigenden Geistes meines lieben Archytas, es doch nicht unterlassen, mir ein Verdienst daraus zu machen zu suchen.

Gerade in diesem Moment sah man den würdigen Greis mit seinem Theogenes hereintreten. Man stand auf, um ihnen entgegen zu gehen, und man verschob die Folge der Unterredung bis auf den Abend nach dem Spaziergange.

Fünftes Gespräch.

Von der erschaffenen Natur.

1 Archhtas hatte unserm Greise den Inhalt der heutigen Unterredung mitgetheilt. Leontius, sagte er, hat uns als sehr wenig ge= fährliche Gegner, als wenig gründliche Denker behandelt. Er wußte uns nichts anders entgegenzuseßen, als von der einen Seite die Ideen der Landleute, oder der Kinder, und die Conventionssprache; auf der andern Seite den Beweis, der von unsern Sinnen hergenommen ist, und alle die Einwendungen, das Gemurmel und die kleinen Sprünge und Zierereien, die unsere Einbildungskraft macht, wenn man sie in die Regionen der Metaphysik, jenseits des Raumes und der Zeit, in diesen uferlosen Ocean, in diese horizont- und grenzlosen Ebenen hinüberbringt.

Sklaven eurer Sinne! hatte Archytas geantwortet, (wie ehedem der Priester Cotta dem Senator Vellejus in jener interessanten Unterredung, die von dem blühendsten römischen Genie, von dem Redner, dem Konsul, dem Philosophen Cicero uns aufbehalten worden ist 2, Sklaven eurer Sinne! schämt ihr euch nicht, ihr, die ihr es euch zur Hauptangelegenheit macht, die Natur zu studiren, und ihre Tiefen zu erforschen, schämt ihr euch nicht, die Wahrheit der Dinge auf so zweideutige Beweise gründen zu wollen? Die Sinne find euch nur dazu gegeben, daß ihr das Aeußere, den Schein und nicht den Grund und die Natur des Universums damit wahrnehmen und erkennen möget; sie zeigen euch nur das, was die Dinge solchen Organen, wie die eurigen, nicht andern Wesen, die mit andern Organen versehen find, zu sein scheinen; sie zeigen euch, was die Dinge zu sein scheinen, nicht, was sie sind.

1 Auch hier noch spricht Polydamas.
2 Cicero de natura deorum lib. I. § 30.

Eure Einbildungskraft und die Angewohnheiten von eurer Kindheit an verfolgen euch allerwärts, und ihr laßt euch durch sie tyrannifiren. Nur euere Einbildungskraft ist es, die so lärmt und jedesmal so aufrührerisch wird, wenn die Vernunft ihre Rechte behaupten und ohne ihre Einwirkung über sichtbare und handgreifliche Dinge urtheilen will. Dann lacht sie, oder wird ärgerlich; die Klagen, die fte hervorstammelt, find ungerecht, und immer kommt sie wieder, wenn man auch durch hundert Antworten schon sie befriedigt hat. Man sollte denken, daß man Gewalt bei ihr brauche, fie aus ihrem Erbtheil und Eigenthum vertreibe und ihr sich selbst raube. Die schüchterne Weisheit fürchtet sich vor ihrem Geschrei; sie weiß zwar wohl, daß fie die Närrin im Hause ist, wie ein liebenswürdiger Philosoph fie betitelt hat, und doch wird die Weisheit durch fie beunruhigt und gequält.

Theogenes! sagte der ehrwürdige Blinde, indem er sich von Leontius, der alles dieses mit angehört hatte, wegwandte, waffne dich mit Muth, vertreibe und bekämpfe, wie ein zweiter Ulysses, diese Scheinwesen, welche die Einbildungskraft erzeugt. Bist du einmal in dem friedlichen Elysium der Vernunft angelangt, so wird das Universum, ohne etwas von seiner Realität zu verlieren, sich vor dir von allen Formen entladen, es wird andere, viel zartere, viel ätherisch anmuthigere (de plus sveltes) annehmen; du wirst es mit Riesenschritten und ohne durch irgend etwas abgehalten werden zu können, durchwandeln.

Aber laß uns auch ein paar Worte unserm Leontius antworten. Wir wollen besonders die Philosophie der ersten Welt und des Natur

1 Ich weiß nicht, welcher alte Philosoph dieses gesagt hat; aber gerade vor hundert Jahren hat der geistreiche Malebranche sich auf dieselbe Art ausgedrückt, er, der mit einer so glänzenden Einbildungskraft begabt, doch so herrlich alle Illusionen derselben kenntlich zu machen gewußt hat.

menschen (primitive Philosophie) 1, auf die er sich so viel zu gut thut und welche die ausländischen Philosophen dem Adler des alten Athens entgegenseßten, zu unserm Nußen zu gebrauchen suchen.

Drei Gespräche

über

Wahrheit und Irrthum, Sein und Schein. An Herrn Geheimrath Westerhold in Regensberg.

Sie fragen mich; mein Freund! was ist Wahrheit? Die wichtigste Frage, welche ein Sterblicher einem Sterblichen oder Unsterblichen thun kann; millionenmal, und wem genugthuend, beantwortet; nach meinem Sinne die leichteste und schwerste aller Fragen. Dieselbe Frage: was ist Größe? was ist Schönheit? was ist Kraft? was ist Dasein? Ich habe mir alle mögliche Mühe gegeben, diese Frage so klar und richtig, als es mir möglich ist, zu beantworten, oder vielmehr die Grundsäge zur Beantwortung derselben hinlänglich festzuseßen und zu beleuchten; mir schien es aber bloß in Form von Gesprächen möglich. Ich lege Ihnen hier meine Versuche, diese wichtige Sache zu beleuchten, bei, und bitte Sie um nichts, als um möglichst trenge Prüfung der Vergleichung und Anwendung.

1 Πρεσβυτάτη φιλοσοφία. Plato.

Erstes Gespräch

über

Wahrheit und Irrthum.

A Ich kann nicht zur Ruhe kommen; wenn ich glaube, die Wahrheit gefunden zu haben, so ist sie mir sogleich wieder entwischt. Dieser beweiset mir heute etwas mit so einleuchtenden Gründen, daß ich kein Wort dagegen zu sagen weiß, und morgen wird mir das Gegentheil ebenso unwiderlegbar bewiesen. Der Menschen Loos ist Ungewißheit und Irrthum. Die Wahrheit ist nirgends; sie ist ein immer täuschendes Phantom, das nie festgehalten werden kann. Wir wissen nichts, als, daß wir nichts wissen.

B. Der Morgen folgt auf die Nacht, und Irrthum ist der Weg zur Wahrheit, wie Armuth zur Arbeit und zum Reichthum. Gib die Hoffnung nicht auf. Verzagtheit ist das Eigenthum kleiner Seelen; männliche suchen und finden.

A. Aber, wo suchen? wie suchen? wo anfangen? von welchem Punkte ausgehen?

B. Von welchem? . . . Von keinem andern, denke ich, als von uns selbst, von unserm eigenen Ich.

A. Wie verstehst du dieses?

B. Wir selbst find der einzige Maßstab zu Allem, was wir wahr, existent, Objekt, oder Dinge außer uns nennen. Was mit uns übereinkommt, mit uns harmonirt, uns gleichförmig, ein Theil unsers Selbst ist, das ist für uns, ist existent, wahr für uns. Was mit uns nicht übereinstimmt, nicht in unser Gedanken- und Empfindungssystem paßt, sich mit dem, von dessen Existenz wir völlig gewiß zu sein glauben, durchaus nicht vereinigen läßt, das heißt uns falsch, Irrthum, nicht existent.

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