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wenigen Jahren mehr zu Stande gebracht hat, als tausend Mal taus send weise und königliche Menschen!

Nicht wie der Mond unter den geringern, leuchtenden Himmelse förpern, nicht wie die Sonne unter den irrenden Sternen, nicht wie ein König unter seinen Unterthanen, nicht wie der Gekrönte unter den Krönenden, nicht wie ein Held unter den Starken und Großmüthigen, sondern wie der Mensch der Menschen, wie der Herr der Herren, wie der Allmächtige unter den Sterblichen, wie Alles für Alle unter Verlornen, damit sie nicht verloren gingen, stand, ging, verweilte Er; er that Alles, was zu thun war, litt Alles, was zu leiden war, that Alles aufs Beste; schritt vom Größten zum Größern fort, umfaßte alle Alter, alle Völker, alle Jahrhunderte, alle Individuen und Momente mit gleicher Leichtigkeit; sah auf nichts, als den Willen dessen, der ihn gesendet hatte; haßte nichts, als was seinem Vater entgegenstritt; suchte nur die Ehre seines Vaters; dürstete nach nichts, als nach dem Heile Aller; lebte und starb allein und ganz für Alle.

O, Alles, was je einmal den Namen von Größe sich angemaßt oder von den Zeitgenossen und den Nachkommen erhalten hat, was ist es anders, als Schatten neben der Sonne? als ein Tropfen gegen das Meer? als ein Funke aus einer Feuersbrunst?

Ich erstaune! ich falle in Nichts zurück! ich bete an, der ich nicht würdig bin, den göttlichsten Namen auszusprechen! O, menschlichster Gott, der Alles in sich begreift! dir sei das göttliche Lob und die Liebe und die Anbetung zur größten Ehre des Vaters durch den Hauch des heiligsten Geistes! Amen.

Lavater's Schriften. IV.

16

Christliche Gedanken.

In wenigen, heiligen Momenten aus tiefer intuitiver Ueberzeugung und Herzensdrang niedergeschrieben.

(Aus dem Englischen.)

1.

In einem Augenblicke stillen, tiefen Nachdenkens fiel ich einst auf den Gedanken, mir die Idee (Vorstellung, Begriff) von Christus aus der Zahl der Wesenheiten oder aus der Reihe meiner Vorstellungen zu abstrahiren; sogleich war es mir, als ob Alles um mich verschwände und ich ganz allein in ein ödes Chaos oder vielmehr in ein vollkommenes Vacuum (Leerheit) entrückt wäre, ohne mich an irgend etwas halten oder anlehnen zu können und ohne einige Aussicht einer Rettung aus dieser entseßlichen Lage.

So schauervoll dieser Augenblick war, so sehr freute er mich nachher; denn er überzeugte mich, wie sehr mir Christus wirklich und buchstäblich Alles in Allem wäre und es jedem Menschen sein kann.

Ich spürte sogar deutlich die Vorstellung von einer Gottheit, die mit ihm mir gänzlich weggenommen ist; ich sah ein, wie sehr es wirklich nur durch ihn und in ihm ist, daß wir uns einen Begriff von Gott machen können, nach dem, was er selbst sagt: „Niemand kann zum Vater kommen, als nur durch mich," und: „Ich und der Vater find eins." Ich fühlte dieses in diesem Augenblicke auf eine ganz ausgezeichnete Weise.

Den 21. November 1786.

Anmerkung.

Ich habe diese Gedanken nachher hundert Mal und in sehr verschiedenen Momenten wieder durchdacht, und es ist mir leicht begreiflich, daß file Jedem als fanatisch (schwärmerisch) vorkommen müssen, bet welchem Christus nicht so ganz in sein Gedankensystem verwebt und an alles Andere geknüpft ist, wie bei mir; bei welchem die Idee von Christus, dem gekreuzigten Nazarener, nicht der erste Hauptpunkt ist, von welchem er wenigstens bei allen seinen Vorstellungen und Ueberzeugungen, in Abficht auf die Religion ausgeht. Auch kann es sehr leicht sein, daß diese Gedanken mir ganz individuell und also jedem Andern unerreichbar find. Mir aber ist und bleibt diese Vorstellung höchst einleuchtend und zugleich die einfachste, sicherste Stüße aller meiner Ueberzeugungen oder vielmehr meiner Gefühle und Intuitionen. Besonders ist mir das äußerst klar, daß alle unsere metaphyfischen Vorstellungen von einer Gottheit bloße Abstraktionen, Negationen oder auch, wenn man will, Zusammenseßungen, Complexionen (rλngwoɛis) find, daß wir aber nur durch und in Christus allein eine positive einfache Vorstellung oder Idee, Intuition von Gott erhalten, die sich hinwieder zu den anthropomorphitischen, einzig nur für das Kindesalter des Menschengeschlechtes schicklichen Vorstellungen des patriarchalischen oder mosaischen Jehova verhält, wie der Schatten zu dem wirklichen schattenwerfenden oder reflektirten Körper.

Was Paulus von Gott überhaupt als von unserm Schöpfer und kn Rücksicht auf unser natürliches, leibliches Leben fagt: „In ihm keben wir, bewegen wir une und sind wir“, dasselbe kann besonders von Christo gesagt werden in Rücksicht auf unser geistiges Leben, so wie es von ihm in diesem Sinne heißen kann, was David schon sagte: „Wenn du deine Hand aufthust, so werden sie mit Gutem gesättigt; verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken fe u. s. f.“

3.

Welch' einen unermeßlichen Umfang sowohl menschlicher als gött ́licher Weisheit oder Erkenntniß faßt der in seine Gedanken zusammen, wünscht der zu erreichen, der aus dem tiefsten intuitiven Gefühl spricht: „Ich will von jezt an nichts mehr und nichts Anderes wissen, als Jesus Christus, den Gekreuzigten."

4.

Eine andere ist die Weisheit oder die Erkenntniß (Erkenntnißart) der Menschen und eine andere die Weisheit oder die Erkenntniß der Engel; eine andere ist die Weisheit des Körpers und eine andere die Weisheit des Geistes; eine andere die Weisheit dieses jezigen Lebens und eine andere die Weisheit des zukünftigen Lebens. Die Weisheit oder Erkenntniß Gottes ist von allen diesen noch verschieden. Die Kenntniß Christi ist, wie mich dünkt, eine Zusammenseßung aller dieser verschiedenen Arten von Weisheit oder Erkenntniß. 1

Anmerkung.

Unter der Weisheit des Körpers und des Geistes verstehe ich die Erkenntniß der mit dem Körper verbundenen oder der Bande des Körpers losgewordenen Seele.

5.

Wir mögen ganz zuverlässig glauben, daß Christus fich die äußerften Grenzen aller göttlichen und menschlichen Kraft und Weisheit dachte, wenn er sprach: „Ohne mich (oder: außer mir) könnet ihr nichts thun."

6.

Die Kenntniß Christi ist keine Sache des Kopfes, sondern eine Sache des Herzens.

1 Im Original: The knowledge of Christ is a complex of all these different sorts of wisdom, combined together.

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Nicht Weisheit (oder Erkenntniß), sondern Liebe, nicht liebende Weisheit, sondern erkennende Liebe ist das Brot des Lebens, die Speise und Nahrung, das Leben der Seele. Die vollkommenste Liebe ist die höchste, göttlichste Weisheit.

8.

Wie fade und vorübergehend ist jede andere Liebe! Wie substantiell und ewig ist die objektive und subjektive Liebe Christi!

9.

Nicht Kenntniß oder Erkenntniß, sondern Liebe ist es, die Engel und Heilige von Teufeln unterscheidet.

10.

Wie Einer von Christus denkt, denkt er von Allem. Wie Einer gegen Christus gesinnt ist, so wird er gegen alles Andere gesinnt sein. Anmerkung.

Dieselben Gedanken fand ich nachher auch bei andern, ich glaube, in Lavater's und Newton's Schriften. Zu der Zeit, wo fie mir kamen, waren fie gewiß keine Erinnerung. Woher käme sonst, daß man bei grundverdorbenen, ganz verworfenen Menschen (profligate and abandon'd people) beinahe immer solch einen ausgezeichneten Ekel gegen die Idee von Christus wahrnimmt, obschon dem größten Freunde der Sünder? (Ich denke hier an meinen unglückseligen, verstorbenen Freund ́R....)

11.

Manche Menschen, die ein sehr ausgelassenes, sündliches Leben geführt haben, werden auf einmal von einem ihr Innerstes erschütternden, zerschmetternden Gefühle der Macht und Gerechtigkeit Gottes ergriffen. Wie muß dann einer solchen beängstigten Seele zu Muth sein, wenn sie auf ein Wort trifft, wie dieses: „Euer Herz erschrecke nicht, sei nicht erschüttert (μn raggaooéodo vμõr å nagðla)! Ihr glaubet in Gott, glaubet auch in mich!"

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