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werde ich mein Haupt erheben, wie ein Sieger, und aus meinem Grabe hervorgehen, wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, und mich freuen, wie ein Held die Straße zu laufen. Wann alle mich todt meinen werden, so werde ich leben, wie kein Lebendiger auf Erden lebt. Wann mich die Meinigen beweinen werden, wie nie ein Verstorbener beweint worden ist, so werde ich unsterblich sein, wie keiner unsterblich ist. Wann die, so nicht wollen, daß ich im Namen meines Gottes regiere, triumphiren werden, so wird sie mitten in ihrem Triumphe ein Schrecken Gottes überfallen, und sie werden beben auf der bebenden Erde; und mitten in ihrem Gelächter wird fie die Verzweiflung unterbrechen und der Jammer aus ihrem Innerften brüllen. Sie werden mit den Zähnen knirschen und einander vor Schrecken nicht ansehen dürfen, wann Todesblässe ihre Angesichter bedecken wird.

69.

Ich bin gekommen, verlorne Perlen zu suchen, und zu waschen, wenn ich sie gefunden habe, daß ich sie hänge um meinen Hals, mir zur Zierde, daß ich fie seze in die Krone meines Hauptes, mir zum Schmucke. Ich suche zwölf Edelsteine, wie jene waren auf dem Brustblatt Aaron's; ich möchte auf fie graben die Namen der zwölf Stämme Israel's und sie auf meinem Herzen tragen, wie der Hohepriester die Namen trug, in die heiligen Steine gegraben.

Monatblatt für Freunde.

1794.

1.

Freundliche Zurechtweisung an einen Freund nach einigen Vorwürfen.

„Es thut mir herzlich leid, daß ich nichts bei mir habe“, sagte ich lezthin zu einem Bettler auf der Straße, der mich um ein Almosen bat.

„Ich danke euch von Herzen!" war die rührende Antwort des Bettlers. O, fte war so herzlich, als ob ich ihm zehn Thaler geschenkt hätte. Ich hätte ihn dafür umarmen mögen.

Ich möchte keinem Bettler, dem ich nichts geben kann, und der bescheiden ist, Vorwürfe machen; keinem sagen: „Wenn ich auch hätte, ich gäbe dir nicht; wer weiß, wie du es anwendest?“ noch viel weniger: „Ist denn auch gar kein Freund, der dir sagt: Was soll dir die Scheidemünze? Sammle Quadrupel!" ohne daß ich ihm weder Scheidemünze, noch Quadrupel gäbe.

Bedenke, Lieber! auch dieß, und mißverstehe mich nicht. Ich bin zweiundfünfzig Jahre alt, und muß mir gefallen laffen, immer unter der Vormundschaft von unzähligen, oft leidenschaftlichen, oft schiefen, oft jungen, oft schwachen Menschen zu stehen, die unaufhörlich an mir hofmeistern, kriteln und rektifiziren. Ich lächle oft über die Anmaßungen so Bieler; dessen ungeachtet suche ich auch das Dummste

und Schieffte, was ich höre, zu benußen; aber laß es mich gestehen, wenn es von Leuten geschieht, die gerechte Ansprüche machen können, der edlern Menschheit beigezählt zu werden, so kränkt es mich tief für fie, wenn fie gerade so urtheilen, wie der flachste Philister von Hofmarschall und Kompagnie allenfalls auch urtheilen könnte.

Philisterei heiße ich unter anderm auch: Nichtachtung der Individualität, Nichtachtung der Privilegien, welche Natur und Schicksal mit vielen Lasten und Bürden gewissen Individuen ertheilen, welche Privilegien doch stillschweigend sogar von der Welt anerkannt werden.

Jeder Mensch hat einen eigenen Gang. Ich finde es nicht klug und nicht delikat, ihn darüber zu meistern; nicht klug, denn es ist völlig vergeblich; nicht delikat, denn es ist ein Eingriff in seinen Augapfel. Hat nun obendrein der, der diesen eigenen Gang geht, ein halbes Jahrhundert hinter sich, sich also festgeformt; hat er einige Kenntniß von dem, was auf die Menschen wirkt; hat er sich als einen Wohlmeiner qualifizirt; hat das heilige Schicksal ihn vor Tausenden bezeichnet; hat er ohne Willen, oder mit Willen, oder Widerwillen auf einen großen Theil der Menschheit Sensation gemacht; hat er durch große Verbreitung und Ergüsse in weite und kleine Verzweigungen offenbar und unwidersprechlich Gutes gewirkt, Gutes, was durch keine andere Wirkungsart gewirkt werden konnte, so würde ich mich an dem Allerheiligsten der Menschheit, der Individualität und an dem Schicksale, das an allen seinen Lieblingen eine Seite bloß läßt, über welche die Knaben von Beth-El rufen können: Kahlkopf", zu versündigen glauben, wenn ich ihn wie einen zehnjährigen Knaben in die Kur nähme und ihn nach irgend einer präsentablen, gefälligen Weltform ummodeln wollte. Das wäre mir unmöglich.

"

Nichts ist mir inviolabler, als eines Jeden Individualität, selbst wenn sie mich drückt. Sie ist mir, wie die Bundeslade, unantastbar.

Christus sprach gewiß wieder den bon ton des haut clergé zu Jerusalem, da Er vom verlornen Pfenning, dem Lichte, das angezündet ward, um ihn zu suchen, dem Umkehren der Kammer und dem Commerage sprach, das die Frau, die ihn verloren, mit ihren Nachbarinnen anstellte, da ste ihn wieder gefunden. Ich liebe diesen Detailgeist Christi und werde ihn lieben bis an mein Ende. Ich finde darin tiefe Menschenkenntniß; Er wirkte mehr durch dieß, als durch alle brillanten morceaux ihrer oraisons funèbres Bossuet und Massillon gewirkt haben. Ich weiß, wie sehr ich durch meine Tagbuchschreibereien und durch die Details, die ich als ein unentbehrliches Vehiculum ansehe, den haut gout des Weltgeistes beleidige; aber ich lasse mir meinen bas gout nicht nehmen; denn ich weiß, daß ich in dieser Manier mehr sagen kann, als in keiner andern, und daß ich durch dieß Medium mehr brauchbare Wahrheit in Umlauf bringe, als durch irgend ein anderes. Dieß ist bei mir klare Erfahrungssache. Ich weiß, daß nach meinem Tode nichts mehr gelesen wird, als gerade dieß, Viele hundert Menschen, die sonst nichts von mir lesen, werden meine Reise nach Kopenhagen lesen und werden darin finden, was sie nicht darin suchten. Fände es sich aber nun, daß in meiner Reise Dinge vorkämen, die an sich ganz uninteressant und als Vehikel völlig überflüssig wären, nicht wenigstens Rahm und Glas, Ringlein und Nietchenstelle vertreten, o, dann ist's Zeit, daß ihr mir saget:,,Lieber Lavater! das ist Fliegenschmeiß auf'm Glas, das ist Kothspriz an der Rahm!“ dann küss' ich euch die Hand, und kein Fliegenschmeißchen und kein Kothsprig soll in den folgenden Heften kommen; aber ihr müßt nicht urtheilen, bis ihr gelesen habt; müßt nach dem Totaleffekt urtheilen; müßt es aus dem Gefichtspunkte, aus welchem es geschrieben ward, und müßt es ja nicht philisterisch beurtheilen, das heißt, nicht nach der Frage: Was wird die Welt als Welt dazu sagen?" Das heiße ich Philisterei. Begrabt mich, Freunde! wenn ich Zurechtweisungen tadle,

die auf Vernunft, Religion und Menschenachtung gegründet find. Begrabt mich, wenn ich gerechten Tadel mit stolzer Verachtung von mir weglenke, oder auch nur unbenußt lasse, oder wenn ich auch über ungerechten zürne; aber begrabt mich auch, wenn ich eines Menschen Individualität antaste und ihn über das Privilegium, das Natur und Schicksal ihm gaben, auch dann, wann es mich drücken sollte, zur Rede stelle.

O, wie schwer find doch die halb genialischen, früh geschmeichelten Schöngeister zu behandeln! Unser tagdiebähnliche Schöngeist muß zur Taglöhnerarbeit unerbittlich und unabläßlich angehalten werden. Eine gewisse, kaltruhige, derbfeste Strenge gegen ihn ist das einzig mögliche Heilmittel.

3.

Halten Sie, protestantische Christin! es für schlechterdings nothwendig, daß ein Geistlicher das Abendmahl administrire? Ich halte es nicht für nothwendig; jeder christliche Mann kann es ohne Bedenken im Kreise seiner Familie oder weniger christlichen Freunde thun. Jeder Mann ist Repräsentant Christi so gut, als ein geistlicher, sowie jede Frau ein Bild seiner Gemeine sein soll, und nicht nur die des Geistlichen.

4.

„Warum find diejenigen Menschen, die vorher Frömmler waren, die intolerantesten Demokraten geworden, wann sie sich auf Diese Seite neigten ?"

Erstlich: Frömmler sind immer schwach, haben keine eigene Konsistenz, neigen sich, wissend oder unwissend, immer nach einem angesehenen Stärkern, der zu imponiren und einer Schwäche den Schein des Rechts oder der Vortrefflichkeit zu geben weiß.

"

Les faux dé

Zweitens: Frömmler sind nie liebend. vots", sagt ein Franzose,,ne pardonnent jamais" (die Falschan=

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