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versitäten Römisches Recht lehren. Sein neues Gnaden weg-Gericht verfuhr summarisch nach Civilrecht. Diplomatie, höhere Verwaltung, die Gerichte der Kanzlei, Kirche und Admiralität beschäftigten Romanisten. Die Tudor-Absolutie, dem Kaisertum von Byzanz innerlich nahe, fand an diesen Juristen moderner Schulung fähigere Helfer gegen den Papst als an den konservativen Gelehrten des Common law, die länger papistisch blieben. Dennoch halst Janssen der Reformation mit Unrecht die Aufnahme des heidnischen Rechts auf: Romanist und Reformer ist nicht einfach identisch. Freilich, Thomas Smith, der Cambridger Professor Römischen Rechts (über dessen Werke hier mancher litterargeschichtliche Wink steht), war Protestant; aber sein Oxforder Kollege Story endete 1571 als katholischer Märtyrer. Ebenso focht für Englisches Recht erst John Wiclif, dann 1536 die erzkatholische Gnaden wallfahrt. Dem Common law schadete die veraltete französische Sprache, die Schwerfälligkeit gegenüber Reformen, der Mangel systematischer Kodifikation, zu der der Deutsche Bucer Edward VI. riet, und das Aufhören der seit Edward I. bestehenden Prozess protokolle in den Gerichts-Jahrbüchern (1535). Alte Einrichtungen höchsten Wertes waren durch Tyrannei so mifsbraucht, dafs Polydor Vergil die Jury als Ungerechtigkeit der Normannen herabzog. Die Common law - Gerichte waren 1547 fast unbeschäftigt, überholt von der Civiljustiz. Was hinderte dennoch in England den Sieg des Römerrechts? Schwerlich der 'Volksgeist' (jener Lückenbüsser beim Mangel an Erklärung): hafsten doch auch Deutschlands Bauern 1525 den Doctor iuris. Vielleicht teilweise der Stärkungstrank, den bereits zu Bractons Zeit das Common law aus Azos Romanismus genossen hatte. Hauptsächlich aber die England eigentümliche Rechtsschule an den Gerichtsinnungen; sie lehrte, vertiefte und festigte das nationale Recht, während die Universitäten, trotz Wiclifs Warnung, bis zu Blackstone (1758) nur Römisches und kanonisches Recht lehrten. Dank dieser Schule druckte das 16. Jahrhundert die Rechtsbücher des Mittelalters, fufste Coke auf Littleton, und focht das 17. Jahrhundert für die Freiheit mit geistigen Waffen der Lancastrischen Verfassung. Zuletzt mahnt Verfasser, da der Rechtszwiespalt zwischen England und den Kolonien die Reichseinheit bedrohe, die englische Rechtswissenschaft solle nach Deutschlands Muster endlich die Kodifikation vorbereiten.

Berlin.

F. Liebermann.

C. Klöpper, Shakespeare - Realien. Alt-Englands Kulturleben im Spiegel von Shakespeares Dichtungen. Dresden, G. Kühtmann, 1901. 182 S. M. 4.

Früher sagte man 'Altertümer', jetzt heifst es 'Realien'. Entbindet uns das neue Wort von der Pflicht, alte gute Bücher zu nützen? In N. Drakes 'Shakespeare and his times' 1817 steht unvergleichlich mehr als in diesem 'ersten Versuch, eine systematische Darstellung der gesamten Shakespeare - Realien zu bringen' (Vorwort, 2. Satz). Ein billiger Neu

druck von Drake wäre für Privatstudium und Schule nützlicher gewesen. Was bei Klöpper fehlt, sind in erster Linie ganze und sehr wichtige Gebiete von Shakespeares Umgebung: politische und religiöse Parteien, Soldatenleben, Freigeisterei u. dgl. Über Theater- und Schulleben handeln je neun dürftige Seiten, dagegen zwanzig über die Wirtshäuser. Ferner ist die Anordnung bei Klöpper oft sehr seltsam. Wo Shakespeares Äusserungen über die verschiedenen Gesellschaftsklassen angeführt werden, bilden die Philosophen einen eigenen Stand, und zwar zwischen den Apothekern und den Pagen. Die Juden, nach Klöpper 'die verächtlichsten Geschöpfe' für die öffentliche Meinung der Shakespeare-Zeit, haben ihren Platz zwischen den Pagen und den Gärtnern erhalten; den damaligen Verhältnissen entsprechender wäre es gewesen, sie unter eine Rubrik 'Volksaberglauben' oder 'exotische Fabelwesen' zu stellen. In dem Kapitel über Sitten, Gebräuche und Trachten erscheint auch der Patriotismus; die 'Trachten' gehen unmittelbar vorher, das 'Geldwesen' folgt; gesagt wird uns, dafs Shakespeare ein eingefleischter Engländer und ein Verächter anderer Völker war sonst nichts. Hat er, was Engländer betrifft, nicht gerade die höchsten, die Hofkreise scharf angefafst? War ihm der Kelte nicht lieb, der Italiener nicht romantisch, der Römer nicht grofs, der Grieche nicht interessant? Mulste zur Erklärung seines Tadels über deutsche Völlerei nicht auf den Londoner Stahlhof verwiesen werden? Hiemit komme ich zum dritten Punkte, den ich misse: Kritik. Welches Gewicht hat ein in einem Drama ausgesprochenes Urteil, wenn nicht Charakter und Stimmung des Sprechers in Anschlag gebracht werden? 'Die Philosophen,' belehrt uns Köppel S. 16, 'werden bei Shakespeare spöttisch behandelt und als unpraktische Theoretiker bezeichnet', was durch drei Citate aus Lustspielen belegt wird. Wie anders betrachtet aber Shakespeare die Philosophie seines tragischen Helden Brutus, und wie respektvoll läfst er Hektor von Aristoteles (!) reden, dessen moral philosophy zu hören so grüne Bursche wie Paris und Troilus gar nicht wert wären. Besser kein Erklärungsbuch als ein so irreführendes, namentlich für die Schule, für die das Beste gerade gut genug ist. Berlin.

A. Brandl.

Theodor Zeiger, Beiträge zur Geschichte des Einflusses der neueren deutschen Litteratur auf die englische. Leipziger Dissertation 1901. 71 S.

Für das Jahr 1900 hatte die Leipziger philosophische Fakultät als Preisaufgabe gestellt, den Einfluss der deutschen Litteratur auf die englische am Ende des 18. und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu untersuchen. Zeiger hat sich damit begnügt, nur einen Teil dieses Themas zu behandeln und eine lobende Erwähnung dafür erhalten, die seine sorgfältige Arbeit auch durchaus verdient.

Im einleitenden Abschnitt giebt der Verfasser einen Überblick über das allmähliche Eindringen der deutschen Litteratur in England und weifs

selbst auf diesem häufiger behandelten Gebiete mancherlei Neues beizubringen. So hebt er mit Recht die starke Wirkung hervor, die von Wielands Oberon ausging; dieser wurde übrigens längere Zeit sogar Goethe vorgezogen, auch wurden Wielands Werke mit Eifer übersetzt und gelesen. Dann wird hier zum erstenmal ausführlicher auf die Wirksamkeit des Schotten R. P. Gillies (1788-1858) hingewiesen, der sich unter dem Einflusse von De Quincey zu einem Hauptvermittler der deutschen Litteratur entwickelte. Ihm verdankt man die Übersetzung von Müllners 'Schuld' und Grillparzers 'Ahnfrau' (beide 1819), wie er auch in Blackwood's Magazine für das Bekanntwerden deutscher Dichtungen thätig war (seine 'Horae Germanicae' erschienen dort 1819 bis 1827). 1821 reiste er nach Deutschland, wo er mit Tieck, Müllner und Goethe in persönliche Beziehungen trat. Nach seiner Rückkehr gab er drei Bände 'German stories', Übersetzungen aus den Werken Hoffmanns, Fouqués, der Karoline Pichler u. a., heraus und begründete die 'Foreign quarterly review', in welcher der Besprechung deutscher Werke ein breiter Raum gewidmet war. Neben Gillies wird noch Sarah Austin genannt, die zuerst von William Taylor angeregt und von Carlyle sehr hoch geschätzt wurde. Aus ihren 'Characteristics of Goethe' (from the German of Falk, Müller and others, 1833) konnten ihre Landsleute zum erstenmal eine richtige Vorstellung von dem Wesen des gröfsten Dichters ihrer Zeit ge

winnen.

Im Hauptteil seiner Schrift untersucht Zeiger die Werke von vier Dichtern es sind Campbell, Wordsworth, Southey und Shelley auf ihre Abhängigkeit von deutschen Vorbildern. Ihnen allen ist gemeinsam, dafs das deutsche Element nur zeitweise und gelegentlich für ihr Dichten und Denken Bedeutung erlangt, nicht etwa, wie bei Taylor und Coleridge, für ihre ganze Geistesrichtung bestimmend wird. Was Campbell angeht, so ist von einem Einfluss der deutschen Litteratur auf ihn nur sehr wenig zu bemerken. Ein paar Spuren davon verzeichnet Zeiger, andere werde ich später anzuführen haben. Bei Wordsworth ist schon eine stärkere Einwirkung zu verspüren. Sein Jugenddrama 'The Borderers' ist in hohem Masse von Schillers 'Räubern' abhängig; durch den 'Wallenstein' wurde er zu einigen seiner schönsten Gedichte angeregt; in anderem erinnert manches an Bürger, dessen Werke auch ihm wohlbekannt waren. Southey führt nach deutschem Muster eine neue poetische Gattung, die Ekloge, ein, will nach deutschem Vorbild den Hexameter in England einbürgern und giebt einen Musenalmanach heraus, wie Schiller und Vofs in Deutschland. Für sein Jugenddrama 'Wat Tyler' ist Goethes Götz von bestimmendem Einflufs, während er für sein Epos 'Thalaba the Destroyer' einige Motive dem Oberon entnommen hat. Shelley hat im Gegensatz zu den Genannten schon in seiner Jugend an deutscher Dichtung, zunächst an den Schauerromanen, Interesse genommen. Die Gestalt des ewigen Juden, die ihm in Schubarts Fragment entgegentrat, hat ihn immer wieder angezogen. Schillers und Bürgers Dichtungen machten einen tiefen Eindruck auf ihn. Vor allem aber ist seine Übersetzung

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einzelner Scenen aus dem Faust zu nennen, bei der freilich auch seine etwas mangelhafte Kenntnis des Deutschen hervortritt.

Einige wenige Einwendungen und Ergänzungen hätte ich hier noch zu machen. Man darf den Einfluss der Frau von Staël (S. 14), so bedeutsam er ist, nicht überschätzen. Wichtiger ist meines Erachtens, was noch gar nicht genügend hervorgehoben zu sein scheint, das gleichzeitige Aufhören der Kontinentalsperre, wodurch erst wieder ein Import deutscher Waren und deutscher Bücher in England möglich wurde. Die politische Interessengemeinschaft und der gemeinsame Kampf gegen Frankreich haben weiter dazu beigetragen, der deutschen Litteratur eine Stellung in England zu erobern, wie sie sie vorher auch nicht annähernd besessen hatte, und die sie weit in das 19. Jahrhundert hinein behauptet. S. 20. Sarah Austin war zwar eine geborene Taylor, aber mit William Taylor nicht verwandt. S. 24. Unter Campbells Gedichten sind doch noch einige, die deutschen Einfluss verraten, z. B. 'The brave Roland' (entstanden auf oder nach einem gemeinsam mit August Schlegel im Juli 1820 unternommenen Ausflug auf den Drachenfels); ferner 'Lines suggested by the statue of Arnold Winkelried' und 'The name unknown (written in imitation of Klopstock)'. — Es scheint Zeiger nicht bekannt zu sein, dass das Gedicht vom ewigen Juden (S. 59) in allem Wesentlichen eine Jugendarbeit von Shelley ist, wie Dobell in seiner Separatausgabe gegenüber den widerspruchsvollen Ausführungen von Medwin (Life of Shelley I, 54) gezeigt hat. Mit 'Wisps on every side' (S. 70) hat Shelley ganz richtig 'die irren Lichter' der Vorlage wiedergegeben. Wisp (gewöhnlich will o' the wisp) heifst eben ignis fatuus, Irrwisch; vgl. z. B. Byron, Don Juan VII, 46, auch den Anfang der Incantation im Manfred (I, 1).

Zum Schlufs sei nochmals hervorgehoben, dafs wir es hier mit einer tüchtigen, auch gut geschriebenen Erstlingsarbeit zu thun haben. Man kann nur wünschen, dem Verfasser auf demselben Gebiete bald wieder zu begegnen.

Berlin.

Carlyle, Sartor resartus, næum Press Series). LXXI, 428 S.

Georg Herzfeld.

edited by Archibald Mc Mechan (AtheBoston and London, Ginn & Co., 1897. (Fortsetzung.)

Sartor 9 'he stood up in full coffeehouse (it was Zur grünen Gans, the largest in Weifsnichtwo)' 13 the Wahngasse.

Carlyle hat das Wirtshaus Zur grünen Gans', den Sammelplatz der Intelligenz in Weifsnichtwo, vorzüglich nach den Andeutungen, die er in unserer Litteratur über die Gemütlichkeit bei Bier und Tabak fand, eingerichtet; aber, um seine liebevolle Schilderung zu würdigen, vergesse man nicht, wie fremd sonst gerade solche Abschnitte unseres deutschen klein- und spiefsbürgerlichen Lebens einem Fremden erscheinen. Einen bestimmten Ort hat er wohl kaum im Sinne gehabt. Denn so etwas wie eine 'grüne Gans' gab es damals in jeder deutschen Stadt, und auf die

oft angeführten Briefstellen (Mac Mechan p. 283) zur Lokalisierung des Restaurants in Bayern darf man nicht zu viel Gewicht legen.

Jedenfalls kam das Bier, das man dort verzapfte, ‘Gukguk', nicht aus München, sondern aus einer mageren Gegend Norddeutschlands: 'Gukguk is unhappily only an academical beer' erläutert Carlyle, denn er hatte seinen Quintus Fixlein in Wittenberg davon trinken sehen.'

Auch die 'Wahngasse', wo Teufelsdrökh wohnt, kann überall und nirgends liegen. Carlyle wufste von Müllners traurigem Stück 'the Wahn (Delusion)' und von der Schiller - Goetheschen Xenien gasse; aber hier war der Name der Strafse natürlich nur symbolisch, um auf die in ihren Einbildungen und Vorstellungen befangenen Menschen hinzudeuten, über die sich Teufelsdrökh in seiner höher gelegenen Wohnung erhebt: 'the attic floor of the highest house in the Wahngasse.'

Sartor 10 'their stillness was but the rest of infinite motion, the sleep of a spinning-top'. Dazu: the warp of thy remarkable volume lay on the loom ... mysterious shuttles were putting-in the woof. 14 'the Tissue of History which inweaves all Being.' 36 the Canvas (the warp and woof thereof) whereon all our Dreams and Lifevisions are painted. 44 the Tapestry of Human Life, the Loom

of Heaven.

Die der Weberei entlehnten Metaphern sind zusammenzustellen und mit Goetheschen Anspielungen (Faust, Wilh. Meister) in Verbindung zu

setzen.

Sartor 11:2 They called him the Ewige Jude 'Everlasting, or as we say "Wandering Jew". Teufelsdrökh wird im Roman 'der ewige Jude' genannt. Carlyle begründet diese Bezeichnung aus der ungemeinen Anschaulichkeit, wie Teufelsdrökh über alle Ereignisse der Vergangenheit so sprechen kann, als ob er wahrhaftig selber in Person mit dabei gewesen wäre. Das Motiv vom 'Ewigen Juden' macht hier eine eigenartige Wandlung durch der phantasiebegabte Historiker Teufelsdrökh, der alles nacherlebt, wird eins mit jener Person des Mythus, die gleichzeitig von Geschlecht zu Geschlecht alles miterlebt haben sollte. Ein Hinweis auf Wotton Reinfred (p. 129) ist hier am Platze: 'A new day has risen, and like the Wandering Jew I must again set forth with the morning,' auf die Briefstelle N2 6 'after wandering little less than the shoemaker of Jerusalem did' und On history again E4 213: 'Had the Wandering Jew, indeed, begun to wander at Eden and with a Fortunatus's Hat on his head!', und schon im 'Peter Nimmo' (15) heifst es: 'O art thou, Peter, that old wandering Jew (Good Lord!) in new shape come again?'

Carlyle kannte wohl die Rolle, die jener merkwürdige Sagenheld in

1 'Der in Wittenberg gleich sehr nach der Hippokrene und nach Gukguk gedürstet hatte' Quintus Fixlein 72. Mac Mechan citiert auch hier nicht die deutsche Originalstelle, sondern nur Translations 2, 106.

2 Mac Mechan, p. 288, verweist auf Percys Reliques, Eugène Sue und BaringGould, die alle aufserhalb des Gesichtskreises von Carlyle lagen.

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