Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Elemente nach und nach gründlichste Behandlung erfahren, erweitert sich die Arbeit hier zu einer abgerundeten sagengeschichtlichen Untersuchung von ganz selbständigem Werte. Und wenn sich bereits im ersten Teile Schulung und Methode des Verfassers im besten Lichte zeigten, so ist ihm hier vor allem das Feld eingeräumt, auf dem er seine umfassende Belesenheit und seine lebendige Kombinationskraft bewähren kann. Hier bringt er am meisten Neues, hier stöfst man auf die anziehendsten Abschnitte seines Werkes. Daneben freilich liegen hier auch seine Schwächen; und diese erklären sich nicht allein daraus, dafs es sich dabei vielfach um Gegenstände handelt, bei denen über Vermutungen nun einmal nicht hinauszukommen ist und ein Einklang der Meinungen niemals eintreten

wird.

Zunächst giebt uns Panzer, um näher auf den Inhalt seiner Untersuchungen einzugehen, eine Übersicht und Kritik der Quellen, wobei er auch mit Recht einiges aus den Zeugnissen für unsere Sage streicht, was bisher von vielen ihnen eingereiht wurde; so vor allem die oft besprochene Shetlandsballade von Hiluge und Hildina, deren nächste Verwandte er in den Hjelmerballaden nachweist. Auch den unbestreitbaren Belegen für unsere Sage gesteht Panzer, soweit sie aus dem Norden stammen, nicht jene Ursprünglichkeit zu, die man ihnen bisher zugeschrieben hat. Der täglich sich erneuernde Kampf der Hiadningar ist ihm nicht ein alter Zug der Sage, der im Süden vergessen wurde, sondern ein junger nordischer Sagenschöfsling. Dafs auf deutscher Seite die romantische Einleitung des Kudrunliedes, die Jugendgeschichte Hagens, nicht als echte Sage gelten kann, sondern dazu gedichtet ist, war auch bisher schon die gangbarste Ansicht; sie wird jetzt nur noch fester begründet, indem die Vorlagen für alle einzelnen Motive, aus denen sich das bunte Mosaik dieser Erzählung zusammensetzt, überzeugend nachgewiesen werden.

Auf dem Boden alter Sagenüberlieferung stehen wir dagegen bei der Geschichte von Hetel und Hilde. Von dieser nun glaubt Panzer nachweisen zu können, dafs sie in ihren wesentlichsten Zügen aus einem Märchen entsprungen sei, das er nach dem Namen, den sein Held in einer tirolischen Fassung führt, das Goldenermärchen nennt. Bei Grimm entspricht ihm Nr. 136, Eisenhans betitelt.

Die überall wiederkehrenden Grundzüge dieser weitverbreiteten Erzählung sind nach Panzer die folgenden: Ein Knabe es ist zumeist ein Königssohn kommt in die Dienste eines dämonischen Wesens und erwirbt bei ihm goldene Haare. Er scheidet von ihm entweder in Güte und erhält dann die Zusicherung fortdauernden Beistandes oder im Bösen, ihm heimlich auf einem wunderbaren Rosse entfliehend, das dann im folgenden die Rolle des dämonischen Helfers übernimmt. Als Tier oder Mensch niedrigen Standes verkleidet tritt der Held, gewöhnlich als Gärtner, in die Dienste eines Königs, giebt sich vielleicht noch für einen Grindkopf, Narren, Stummen aus. Die Königstochter aber entdeckt die goldenen Haare unter der Verkleidung des Dienenden, verliebt sich in ihn und begehrt ihn, nachdem er zumeist noch in einem ritterlichen Spiel,

bei dem nur die Prinzessin ihn erkannt hat, einen Beweis seiner adeligen Herkunft geliefert hat, zum Mann. Der Vater mufs einwilligen, verbannt das Paar aber vom Hofe. Gleich darauf entsteht ein Krieg; der verachtete Schwiegersohn will mitziehen und erhält zum allgemeinen Spott eine elende Mähre. Er aber vertauscht heimlich den Klepper gegen sein irgendwo verborgenes Wunderrols, bezw. erhält vom Eisenhans Rofs und Rüstung und besiegt so dreimal den Feind. Zweimal vermochte er sich einer Erkennung zu entziehen, in der dritten Schlacht wird er verwundet, erkannt und nun auch vom alten König freudig als Schwiegersohn ange

nommen.

Erst durch Vergleich mit dem Märchen ergiebt sich klar, welch wichtige Rolle Wate der Entsprechung des Eisenhans - in der Sage eigentlich zukommt. Auch Hetel-Hedins Name, der zu aisl. hedinn 'Pelzrock' gehört, erklärt sich aus der ärmlichen Verkleidung, in der Goldener auftritt, und stellt sich Namen wie Allerleirauh (eines weiblichen Gegenstückes zum Goldener), Bärenhäuter, Koflmadr, der grâwe Roc u. a. m. an die Seite, die in volkstümlichen oder litterarischen Fassungen der Goldenergeschichte vorkommen. Aber auch Hôrant oder vielmehr das ältere Herrant und Hiarrandi - Heorrenda mit Detter - Heinzel nach mhd. herren als 'vagabundus' zu deuten ist nach Panzer nur ein Hehlname desselben Helden und erst später als eine von ihm verschiedene Person gefafst, wie er denn ursprünglich selbst und nicht durch Boten um seine Braut wirbt. Dafs seine Gesandten sich an Hagens Hof bald als Geächtete, bald im Widerspruch hierzu als Kaufleute ausgeben, erklärt Panzer aus einer Kreuzung alter Überlieferung, wonach der Werber thatsächlich geächtet war, mit der Kaufmannsformel, einem beliebten Spielmannsmotiv, das im Salomon und Rother dem Dichter vorlag. Auch das Wettspiel des Boten, ursprünglich des Freiers selbst, mit dem alten König hat in Varianten des Goldenertypus seine Entsprechung.

Damit sind auch nach meinem Urteil einige Sagenzüge erst ins rechte Licht gerückt, was um so verdienstlicher ist, als es sich dabei um sehr Verstecktes und Verdunkeltes handelt. Und auch das weniger Überzeugende an diesen Aufstellungen ist immerhin beachtenswert. Dafs aber das Verhältnis unserer Sage zum Goldenermärchen, trotz der nachgewiesenen Übereinstimmung in wichtigen Zügen, das der direkten Abstammung aus ihm sei, ist mir doch fraglich, und es müfste wenigstens erwogen werden, ob nicht ein anderes möglich ist. Vieles dem Märchen Eigentümliche vermissen wir in der Sage ganz und gar, so nicht nur das Goldhaar und die Gärtnerstellung seines Helden die freilich als den germanischen Kulturverhältnissen nicht entsprechend weggefallen sein kann, sondern vor allem auch den ganzen Abschlufs. Denn die Versuche Panzers, auch für diesen Entsprechungen in der Sage nachzuweisen, sind gezwungen. Das gilt z. B. von der Zusammenstellung des Versuches der Hilde, vor dem Kampfe Vater und Geliebten zu versöhnen, mit dem Bericht des Märchens, dafs die Königstochter ihren Vater bittet, ihren Geliebten an der Schlacht für ihn teilnehmen zu lassen; denn jener erst

[ocr errors]

erwähnte Vermittelungsversuch ergiebt sich von selbst aus der Situation. Aber selbst die Motive, die der Goldenertypus mit der Hetelsage deutlich gemein hat, müssen in dieser nicht notwendigerweise aus ihm entnommen sein. Warum sollte es nicht aufser dem Märchen ebenso alte und ältere Erzählungen gegeben haben, in denen sie oder doch ein Teil von ihnen vielleicht im Zusammenhang mit ganz anderen, im Märchen niemals vorhandenen Zügen auftraten? Auch dafs die in Betracht kommenden Motive alle gleich alt in der Sage sind, ist streng genommen noch in Frage. Wenn einmal von einem Helden erzählt wurde, der geächtet und in niederer Kleidung sich eine hohe Braut gewann, könnte dies später das Motiv des dämonischen Helfers an sich gezogen haben, der in anderen Geschichten neben solchen ihre Abkunft unter unscheinbarer Hülle verbergenden Brautwerbern auftrat. Darüber, ob die südgermanische Fassung, die Wate kennt, oder die nord germanische, die nichts von ihm weifs, das Ursprüngliche festhält, läfst sich also nicht so kurzerhand entscheiden, wie Panzer es thut.

[ocr errors]

Jedenfalls ist das seinerseits aus der Vorstellung des Vertriebenen, des Geächteten nahezu von selbst entspringende Motiv der unscheinbaren Felltracht und das des dämonischen Helfers und zwar thatsächlich meist eins mit dem anderen verbunden in der germanischen Volksüberlieferung aufserordentlich oft vertreten sowohl in den Werbungs- als auch in den von diesen nicht immer leicht zu sondernden Heimkehrsagen. Im besonderen verweise ich auf die Berichte Saxos über Gram, Hadingus, Haldanus Biargrammus. Wenn Gram, als er um Gro wirbt, Bockfelle und verschiedene andere Tierhäute anzieht, gemahnt dies an Allerleirauh. Auch der durch silberglänzendes Haar ausgezeichnete Alf, Sohn des Sigarus, tritt als Werber um Alvilda mit einem Fell bekleidet auf. Besonders aber erinnert Hadingus an Goldener. Er wird als landflüchtiger Königssohn von den Riesen Vagnhofthus und Haphlius aufgezogen und von ersterem in wunderbarer Weise im Kampfe unterstützt; ausserdem leistet ihm Odin gelegentlich persönliche Hilfe. Bei der Werbung um Regnilda, beziehungsweise der von ihr vorgenommenen Gattenwahl — auch im Märchen begegnet uns eine solche tritt er vermummt auf, da sie ihn erst an einem früher von ihr in eine Wunde an seinem Bein gelegten Ring erkennt, wobei man sich erinnern wird, dafs auch Goldener schliesslich durch eine Verwundung am Bein erkannt wird, eine Übereinstimmung, die schon F. v. der Leyen, Das Märchen in den Göttersagen der Edda 36, aufgefallen ist. Endlich bedeutet der Name Hadingus, d. i. aisl. Hadding, soviel als 'crinitus' und kann auf das lange Haar gehen, das Goldener auszeichnet. Andererseits kann man als auf eine Beziehung zur Hildesage darauf hinweisen, dafs es eine Regnilda ist, um die er wirbt, wie übrigens auch der oben erwähnte Alf um eine gleich Hilde streng gehütete Alvilda. Ohne Zweifel stehen wir hier dem Goldenertypus viel näher. Indes möchte ich, auch was die Hetelsage betrifft, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm keineswegs bestreiten; unerwiesen scheint mir nur, wie schon bemerkt wurde, die unmittelbare Herkunft aus dem

Märchen, zu dem sie nach meinem Ermessen eher in einem Vetterschaftsverhältnis steht.

Was übrigens das lange Goldhaar des Märchenhelden betrifft, ist man versucht, es aus dem langen und blonden Haar des höchsten germanischen Adels, der reges criniti, zu erklären. Der geächtete, ins Elend geratene Königssohn trägt in seinem Haar den Beweis seiner hohen Abkunft mit sich und sucht es daher zu verbergen, da er Ursache hat, diese zu verheimlichen. Die Königstochter, die es zufällig bemerkt, entdeckt damit seinen königlichen Adel und wendet sich ihm daher rückhaltlos zu. Damit ergäbe sich aber für das Märchen, mindestens was diesen Zug betrifft, germanischer, beziehungsweise frühmittelalterlich romanischer Ursprung. Und es wäre schliesslich nicht zu verwundern, wenn ein Märchenstoff, wie der in Rede stehende, besondere Pflege und Ausgestaltung gefunden hätte in Zeiten und Landen, in denen auch geschichtliche Schicksale ähnlich denen Goldeners nichts Unerhörtes waren, und z. B. Odoaker, der Sohn des Skirenfürsten Edika, vor den Goten landflüchtig in schlechte Felle gekleidet zum heiligen Severinus gekommen sein soll, um seine ärmliche Tracht nachmals mit dem königlichen Purpur zu vertauschen. Doch wollen wir lieber vorläufig mit unserem Urteil zurückhalten, abgesehen davon, dafs wir ja als sicher annehmen können, dafs das Goldhaarmotiv, falls es doch fremder Herkunft ist, von den Germanen in der angegebenen Weise gedeutet wurde.

Dass andererseits das Märchen, wenn es wirklich germanisch beeinflusst ist, im übrigen nicht von den Germanen erfunden zu sein braucht, gebe ich gern zu. Im besonderen entspricht das Auftreten seines Helden als Gärtner nicht was Panzer mit Recht betont den specifisch germa

nischen Kulturverhältnissen.

Auch auf römischem Boden ist übrigens das Gärtnermotiv nicht erfunden, vielmehr stammt es aus Mesopotamien und spielt schon in einem merkwürdigen Text eine Rolle, der dem alten (ersten) babylonischen Sargon, dem Vater des Naram - Sin (c. 3800 v. Chr.), in den Mund gelegt, indes nur in einer wahrscheinlich von Assurbanipals Schreibern ausgeführten assyrischen Kopie erhalten ist. Nach Fritz Hommel, Geschichte Babyloniens und Assyriens 302 f., lauten die uns angehenden Stellen in wörtlicher Übersetzung wie folgt: 'Sharruk-înu, der mächtige König, König von Agadi, bin ich. Meine Mutter war eine Fürstin, meinen Vater kannte ich nicht, während der Bruder meines Vaters im Gebirge wohnte. In meiner Stadt Azu-pirâni, welche am Ufer des Euphrat gelegen, wurde mit mir schwanger die Mutter, die Fürstin, heimlich gebar sie mich; sie setzte mich in ein Behältnis (Korb?) von Schilfrohr, mit Asphalt verschlofs sie meine Pforte, sie liefs mich nieder in den Strom, welcher nicht über mir sich veränderte (d. h. sich nicht über mich ergofs?); der Strom führte mich zu Akki, dem Wasserschöpfer, zu seinem Gärtner machte er mich. In diesem meinem Gärtneramt war die Göttin Istar mir gewogen [(ich wurde König und) 45] Jahre übte ich die Königsherrschaft aus.' Dals hier der Held, der in einem Gefälse in den Euphrat ausgesetzt wurde

und an dessen durch künstliche Bewässerung in eine Gartenlandschaft umgeschaffenes Ufer antreibt, von dem Wasserschöpfer, der ihn auffischt, zum Gärtner gemacht wird, ist sehr natürlich; es ist also kaum zu bezweifeln, dass das Motiv in diesem seinem ältesten Beleg auch im ursprünglichsten Zusammenhang der Erzählung steht. Schade nur, dafs

[ocr errors]

uns über die Art, wie sich Sargon aus seiner Gärtnerstellung auf den Herrscherthron emporschwingt, nichts Bestimmtes gesagt ist, es sich also nicht erkennen läfst, wie weit die Sargonsage noch andere von den Elementen enthält, die im Goldenertypus und verwandten germanischen Sagen kombiniert erscheinen. Doch werden wir später auf sie zurückgreifen. Die Art der Aussetzung Sargons ist nebenbei bemerkt — sehr ähnlich der des Moses, des Karna im Mahabharata, des Sigurð nach dem Bericht der Piđrekssaga, des Helden im Märchen 'Der König vom goldenen Berge' bei Grimm Nr. 92, ebenso der des Perseus. Auch Sceaf, der als Knabe in einem Schiffe auf einer Garbe schlafend ans Land getrieben und später König wird, stellt sich hierher und ist als ausgesetzt zu denken; dass zumal Meeranwohnern aus einem anderen auf dem Wasser treibenden Behältnis leicht ein Schiff wird, ist begreiflich genug.

In der Geschichte vom ewigen Hiadningavíg sieht Panzer nur die Umgestaltung eines aus Varianten des Märchens in die Sage übernommenen Zuges, dafs die Königstochter ihren Gatten aus einem tiefen Schlafe zum Kampfe aufweckt; und zwar sollen dabei keltische Geschichten vom Wiederaufleben gefallener Streiter durch den Zauber einer Frau eingewirkt haben.

Mir scheint beides nicht das Nächstliegende. Dafs uns auf keltischer Seite totenerweckende Weiber begegnen, beweist doch gar nicht, dass ähnliche nordische Geschichten auf keltischem Einflufs beruhen; denn dass sie auf deutschem Boden sich nicht finden, kann auch der Wirkung des Christentums zugeschrieben werden und spricht jedenfalls nicht gegen ihre Bodenständigkeit auf nordischem. Gegen Zimmer, der GGA 1890, 508 f. umgekehrt die totenerweckenden Alten der keltischen Erzählungen als einen Reflex der totenerweckenden Hilde auffafste, wendet Panzer ein, dafs dann gleiches auch für eine Erzählung in Gerberts Percevalfortsetzung (Potvin 6. 182 f.) gelten müsste, bei dem das Motiv in ganz gleicher Ausbildung erscheint wie in schottischer und irischer Überlieferung, wo überall ein altes Weib die erschlagenen Gegner des Helden wieder aufweckt und von diesen getötet wird. Dafs der französische Dichter aber aus nordgermanischer Überlieferung geschöpft habe, werde schon an sich niemand sehr wahrscheinlich finden. Weiter aber müfsten nach dieser Auffassung Gerbert und die keltische Sage die nordische Geschichte unabhängig voneinander in genau gleicher Weise umgestaltet haben, und das sei rein unmöglich. Gerberts Bericht müsse also auf keltische Quellen zurückgehen. Sollten das aber urkeltische sein? Wenn, was doch zugegeben werden mufs, innerhalb des keltischen Gebietes ein Motiv später wandern konnte, so konnte es doch auch, obwohl nordischen Ursprungs, in keltischer Umformung den Franzosen zukommen. Doch lege ich auf

« VorigeDoorgaan »