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Der ganze Glossentext wird überhaupt bei sorgsamer Nachvergleichung wohl noch die eine und andere Berichtigung erfahren, wie denn z. B. das seltsame recte, das wir heute mehrfach vor französischen Wörtern lesen, sich vielleicht als mifsverstandene Abbreviatur für romanice erweisen dürfte. Jenes chenapie erinnert an chenelie (: ortie), das bei RBlois III 39, 1324 als ein schädliches Kraut erscheint (Godefroy hat chevelie gelesen) und in den Glossaren von Tours, von Glasgow und anderen als eines mit jusquiamus und engl. hennebone sich gleichfalls findet.

egrisanz ist mit dem ihm voranstehenden en zu einem Worte zu verbinden; enaigrir ist transitiv und intransitiv reichlich belegt, und sein Particip ist für acescentibus eine bessere Übersetzung, als en egrisanz sein würde.

marchier im Sinne von ‘angrenzen' kommt neben dem häufigeren marchir vor, obschon Godefroy es nicht kennt: Ardenne est d'autre part et le (1. li?) boscage grant, Ou marchent Avalois, Franchois et Loherant, Doon 97; Tallas, li rois de Danemarche, Et Salhadins, qui ci pres marche, Claris 18618. marcher braucht also nicht verlesen oder verschrieben zu sein.

loc als Erklärung von cirri kann auch französisch sein, wie der Text besagt, der damit nicht im Irrtum zu sein braucht, wie Gröber unter mosse annimmt. Un loc a Buiamon de sex chevox copé, Romania V 44, Z. 128.

plaiz oder plais ist afz. durchaus zweisilbig, wie Versmafs und Reim vielfach bezeugen, wenn schon nfz. plais und plaise, engl. plaice monophthongisches ai haben und nfz. plie das a und s getilgt hat. Wie lat. platessa afz. pläis hätte werden können, ist unverständlich, obschon Littré, Scheler und Skeat das ohne Bedenken annehmen.

puz 'Brei' ist beträchtlich früher nachzuweisen, als durch Godefroy geschehen ist. Zu der Accusativform pou, mit welcher sich Foerster zu Ch. lyon 2853 beschäftigt, kommt der Plural poz (: dolz), Barb. u. M. IV 96, 500 und das Glossar von Lille plus, plutis (1. puls, pultis): pouls 37 a; dazu prov. pouç id est pultes, esca de farina' im Donat proensal 8, 22.

rebuché, die Übersetzung von hebetatus, in rebruché zu verändern, scheint nicht nötig. Hat Godefroy ein rebronchier und dessen Nebenform rebruchier mehrfach nachgewiesen, so ist ein gleichbedeutendes rebuchier rebouquier nicht minder gut bezeugt (LRois 44, Ch. lyon 6122, Leg. Gir. 110, Peler. V 7656) und besteht ja als reboucher noch heute fort. Wie freilich die Formen mit und ohne r in der zweiten Silbe sich zueinander und wie zu dem gleichbedeutenden reboissier und zu dem Adjektiv rebous, rebois (hebes) verhalten, bleibt einstweilen dunkel; auch engl. to rebuke wird zu der Verwandtschaft gehören.

Ein Femininum russinole ist mir in Texten nicht, wohl aber in Glossen begegnet, als gleichbedeutend mit nittegale (nightingale) bei Walter von Bibeles worth 163, mit filomela bei Thurot, Notices et extraits XXII 2, 531.

rute, womit stertunt übersetzt wird, möchte ich nicht gern mit afz. ruit in Verbindung bringen, das seiner Bedeutung nach zu weit abliegt; aus gleichem Grunde auch nicht mit roter, obgleich dieses afz. geschlossenes o hat und daher in anglonormannischen Texten auch mit u geschrieben erscheint; eher mit ronchier, runkier (roncare). Die Bedeutung ist dieselbe. Allerdings muss dann gebessert werden (rūker).

Gewifs mit Recht nimmt Gröber an, wenn domicilia mit cilicia domus (severunde) erklärt ist, sei darin eine etymologische Zerlegung gegeben; doch wird sie cilia domūs lauten müssen.

viz Schraube' ist auch sonst afz. zu belegen; Joinv. 396 b, Peler. V 12044, Escoufle 1421.

Ganz zu streichen ist das unverständliche buore, die vermeinte Glosse zu principe. In dem Beglückwünschungsbrief (VIII 7) an Audax sagt Sidonius gegen Ende, wer sich des dem Audax beschiedenen Wohlergehens nicht freuen könne, a semet ipso livoris proprii semper exigat poenas, cumque nullas in te habuerit umquam misericordiae causas, habeat invidiae; siquidem juste sub justo principe jacet, qui, per se minimus et tantum per sua maxumus, animo exiguus vivit et patrimonio plurimus. Zu sub justo principe hat der Glossator ganz zutreffend und nicht müfsig bemerkt justo livore (nicht buore), de quo dictum est: Justius invidia nihil est, quae protinus ipsum Auctorem rodit excruciatque suum (über welches Distichon Voigt zu Egberts Fecunda ratis 795-798 nachgesehen werden mag); d. h. unter dem princeps sei der zuvor genannte livor zu verstehen. Berlin. Adolf Tobler.

Sitzungen der Berliner Gesellschaft

für das Studium der neueren Sprachen.

Sitzung vom 11. Dezember 1900.

Herr Rosenberg setzte seinen Vortrag über Macaulay fort. Mit seinem weitumfassenden und stets bereiten theoretischen Wissen verband der englische Geschichtschreiber auch praktische Erfahrung. Diese erwarb er als Parlamentsmitglied und als Minister. So lernte er den verborgenen Mechanismus der Parteien kennen, so erweiterte sich sein Gesichtskreis; aber andererseits erklärt sich so auch ein gewisser Mangel in dem Geschichtswerke Macaulays: die Vorliebe, die er für parlamentarische Debatten hatte, verleitete ihn zu grofser Weitschweifigkeit und Breite in der Darstellung der Verhandlungen des Unterhauses.

Wenn wir aus seinen Werken herauszuschälen suchen, was sich in ihnen von seinen persönlichen Ansichten über sein Vaterland und die Kunst, es zu regieren, findet, so ist zunächst in die Augen fallend seine Begeisterung für alles, was als englische Besonderheit gelten kann. Englische Geschichte und englische Einrichtungen stehen ihm bei weitem höher als die des Altertums, und die Engländer erhöben sich infolge ihrer Erziehung und ihres Charakters überall über die Masse derer, mit denen sie sich vermischten. Auch deshalb ist ihm England das Land seines Ideals, weil es die Segnungen der Freiheit mit denen der Ordnung verbindet. Besonders richtet er seinen Hafs gegen die Feinde der Freiheit, einen Karl I. oder einen Lord Jeffreys; hingebende Begeisterung aber zeigt er für den Freiheitskämpfer Milton. Das beste Mittel gegen den Mifsbrauch der Freiheit ist ihm die Freiheit; denn wenn die Völker auf die Freiheit warten sollten, bis sie in der Sklaverei gut und weise würden, so könnten sie ewig warten. Den Standpunkt des Whigs und des Engländers vertritt Macaulay auch, wenn er den Hauptzweck des Staates als einen ausschliefslich weltlichen bezeichnet: den Schutz des Lebens und des Eigentums der Menschen, wenn er ferner jede Einmischung des Staates in Dinge, die darüber hinausgehen, für höchst verderblich erklärt, und wenn er im Gegensatze zu den Franzosen allem Systematischen in der Politik abhold ist. Der auf das Nützliche und Praktische gerichtete Sinn hatte bei Macaulay seine Wurzel in der Anschauung, dafs die Staatskunst eine experimentelle Wissenschaft ist. Dieser Gedanke gab seinem Urteile über die Männer und Einrichtungen vergangener Zeiten eine wohlthuende Milde, und er erklärt auch den Optimismus, mit dem er in die Zukunft sah. Zu seiner Gelehrsamkeit und zu seiner praktischen Erfahrung kommt noch ein drittes: seine litterarisch - künstlerische Gestaltungskraft. Mit einiger Abhängigkeit von Walter Scott wendet Macaulay häufig die Technik

des Romans in seiner Geschichte an. Namentlich zeigt sich die Lebendigkeit seiner Phantasie in den Detailschilderungen; diese sah er für eine wesentliche Aufgabe des Historikers an und verteidigte sie wirkungsvoll denen gegenüber, die sie für unvereinbar mit der Würde der Geschichte hielten. Ebenso meisterhaft ist sein Geschick in der Anordnung des Stoffes, und vollendet ist auch seine Fähigkeit, das Charakteristische einer Person oder einer Epoche hervorzuheben. Allerdings verleitete ihn dieses Bestreben zuweilen zu argen und geschmacklosen Übertreibungen, namentlich leidet daran die Schilderung der Jugendzeit Friedrichs des Grofsen und seiner Tafelrunde. Doch im allgemeinen zeigt die scharfe Zeichnung von Persönlichkeiten, z. B. die Charakterisierung Karls II. oder Wilhelms von Oranien, dafs Macaulay ein herzenskundiger Mann war. Die litterarische Kritik ist indes seine schwache Seite: er läfst sich nicht selten von vorgefafsten Meinungen bestimmen, und seine Urteile machen oft den Eindruck einer gewissen Willkür. - Wenn aber auch dieser Teil der Lebensarbeit Macaulays vergessen werden sollte, so wird doch sein Werk als Ganzes sicherlich noch lange bestehen bleiben: es ist das Werk eines Mannes, der, wie selten einer, Wissen und Können miteinander verband.

Be

Herr Förster sprach über den pessimistischen Philosophen Baltasar Gracian, geboren etwa um 1604 in Aragonien, gestorben 1658 in Tarragona. Sein Schriftstellername ist Lorenzo Gracian, weil er als Geistlicher nicht weltliche Schriften verfassen durfte. Seine Werke sind philosophisch-ästhetischen und ethischen Charakters, wie z. B. El Heroe, die Kunst, sich zum Helden heranzubilden, über Weltklugheit u. s. w. sonders bekannt ist das Oráculo manual y arte de prudencia, von seinem Freunde Lastanoza aus seinen Werken ausgezogen, übersetzt unter dem willkürlichen Titel L'Homme de cour. Goethe hat ihn gekannt, Schopenhauer hat ihn verehrt, ja sogar das Handorakel 1831/32 übersetzt. Neuerdings hat Borinski ein Buch und Farinelli eine gründliche Abhandlung über ihn geschrieben. Leider wissen wir wenig von seinem Leben und den Einflüssen, die auf ihn gewirkt haben. Sein gröfster Genufs war das Lesen guter Bücher; eifrig war er aber auch dem Studium der Menschen und der Welt selbst ergeben. Er ist ein Stilist ersten Ranges, wenn auch nicht immer leicht zu verstehen. Er liebt, wie Martial, die Kürze und ist ein Hauptvertreter jenes Stiles, den man Conceptismo nennt, d. h. der Sucht, in möglichst wenig Worten möglichst gedankenschwer zu sein. Sein Pessimismus ist der des gesunden Menschenverstandes, des nüchternen Beobachters, weder der oberflächliche als Folge eines ungeregelten Lebens, noch der tiefe philosophische eines Schopenhauer; er bewahrt sich bei allem Spotte über die Thorheiten der Welt ein gut Teil Humor.

Herr Stromer und Herr Wychgram werden in die Gesellschaft aufgenommen; Herr Dr. Heinrich Spies hat sich zur Aufnahme gemeldet. Das Mitglied der Gesellschaft, Herr Uhland, Lehrer in Manchester, ist gestorben; die anwesenden Mitglieder ehren sein Andenken durch Erheben von den Sitzen.

Sitzung vom 8. Januar 1901.

Herr Förster beendete seinen Vortrag über Baltasar Gracian. Er erörterte dessen schriftstellerische und namentlich seine philosophische Bedeutung in Verbindung mit seiner Eigenschaft als Theolog und seiner Stellung als Geistlicher. Gracian ist nicht sentimental, sondern ein Streiter, dem das ganze Leben des Menschen ein Krieg, eine milicia' gegenüber der 'malicia' der Menschen ist. Er ist insofern Idealist; in betreff aber seiner geschichtlichen Auffassung ist er Individualist wie Goethe, W. v. Humboldt u. a. Endlich ist er ein praktischer Lehrer, der die Kunst beibringen will, durch Bildung und Wissen Gunst und Macht zu gewinnen und das Leben plan

voll zu gestalten. Zum Schlusse verlas der Vortragende eine Reihe von Proben aus dem Handorakel.

Herr Mangold sprach über Voltairiana inedita, die er in den Berliner Archiven, meist in Abschriften, gefunden hat, die einzelnen Gedichte und Briefe teils analysierend, teils vorlesend und kommentierend: La douce vengeance, conte en vers (129 Zeilen), spätestens aus dem Jahre 1718, Le procès du fard, pièce allégorique (69 Zeilen), eine Chanson von 8 Strophen zu 8 Zeilen, beginnend: Paris, ville polie, eine Reihe von Epigrammen aus der Zeit von Voltaires Aufenthalt zu Berlin 1743: über Belle-Isle, Baron Pöllnitz, D'Argens, Chasot, an den König, die Markgräfin von Baireuth, die Herzogin (Marie Auguste) von Württemberg, die KöniginMutter, über die Aufführung des Titus' von Hasse und über den Abschied von Berlin; ferner zwei Gedichte an die Prinzessin Ulrike und eine Voltaire zugeschriebene anonyme Satire auf Friedrich den Grofsen vom Jahre 1760; endlich einen eigenhändigen Brief an die Markgräfin von Baireuth vom 15. Juli 1757, der bis jetzt nur in deutscher Übersetzung veröffentlicht war, einen Brief von Thiériot an den Kronprinzen Friedrich vom 11. Mai 1739 über Voltaires Streit mit Desfontaines, einen Brief des Königs an Voltaire vom April 1753 und mehrere Aktenstücke betreffend Verhör von Zeugen gegen Voltaire, die erzählen, wie er den Buchdrucker des Akakia betrogen hat, um den unerlaubten Druck zu bewerkstelligen. Das Vorgetragene wird im Laufe des Jahres im Verlage von Sarrazin erscheinen.

Herr Werner sprach über Elbert Hubbard, Little Journeys to the Homes of English Poets; Lord Byron. Das sehr hübsch ausgestattete kleine Buch, das in leichtem Zeitungsstile geschrieben ist, ist keine litterarische Leistung von bleibendem Werte. Der amerikanische Verfasser kennt zwar den grofsen englischen Dichter gründlich und ist sein begeisterter Bewunderer, aber er bringt weder eine neue Thatsache, noch lässt er etwas Bekanntes in neuer Beleuchtung erscheinen. Ganz unverständlich ist der

Titel; von einer Reise wird kein Wort erwähnt.

Herr Dr. Spies wurde in die Gesellschaft aufgenommen. Herr Privatdocent Dr. Berneker und Herr Dr. Schayer haben sich zur Aufnahme gemeldet.!

Sitzung vom 22. Januar 1901.

Herr Dr. Ransohoff sprach über den bon sens in der französischen Litteratur. Der Vortragende will jene Geistesrichtung charakterisieren, aus der Molière, seine Komödien, seine Lebensauffassung zu verstehen sind. Es ist das die landläufig populäre, gallische Sinnesart, der sens commun oder, wie er sich nicht ohne Selbstgefälligkeit auch nennt, der bon sens. Descartes hatte ihn im Discours de la méthode als 'facultas judicandi' oder schlechthin als die 'Vernunft' definiert. In Wahrheit aber ist der populäre bon sens durchaus verstandesmäfsiger Natur: er hält sich an die sinnenfällige Wirklichkeit, an die Erfahrung und leitet aus ihr seine Wahrnehmungen ab. Er beschränkt sich auf das PraktischNützliche und sucht immer eine unmittelbare Anwendung auf das alltägliche Leben. Aus dieser rationellen und realistischen Betrachtung des Daseins, die nichts verschönert und nichts erhöht, entwickelt sich dann eine kritische Skepsis, welche alles durchzieht. Die Auffassung vom Werte der menschlichen Erkenntnis und Fähigkeit und ebenso die Meinung vom Werte unseres moralischen Seins und Sollens lassen beide diesen abschätzigen Zug erkennen. Der Gallier steht allem Menschenwerk zweiflerisch gegenüber. Aber auf der anderen Seite führt seine sinnliche Beanlagung ihn wieder zu heiterem Sinnen- und Lebensgenusse. Er geht vertrauensvoll in den Tag hinein; er huldigt einem Eudämonismus,

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