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glaubt, der hof habe bloss daran anstoss genommen, dass durch die darstellung dieser begebenheit auf der bühne das decorum fürstlicher personen verletzt werde.

Die gründe des verbotes mag Lope wohl gekannt haben, aber sie sind bis heute nicht aufgeklärt. Für Lope's anschauung von der sache sind die schlussverse characteristisch, die diesmal immerhin ganz sonderbar klingen:1) Hier endet die tragödie

El castigo sin venganza,

die ein schrecken in Italien,

heut' ein beispiel ist in Spanien.

Von Spanien nahm die „Parisina" ihren weg nach den Niederlanden; schon 1655 erschien zu Antwerpen ein trauerspiel des Ant. Francisco Wouthers „De verliefde stiefmoeder of de gestrafde bloedschande“, das eine freie übersetzung des Lope'schen stückes ist. Bei gründlicherer forschung wird man wohl den stoff noch in mancher verkleidung mit gänzlich veränderten namen in anderen comödien entdecken.

Wir lassen uns an den vorhandenen genügen, und werfen nun noch einen blick auf die dichtung Lord Byron's, die erzählung Bandello's und die tragödie Lope's.

Parisina ist von der geschichte als ehebrecherin gebrandmarkt. Bandello, der gleichwohl die erzählung einer directen descendentin des marquis in den mund legt, hatte durch eine gehässige darstellung ihres characters die heldin in den staub gezogen. Lope de Vega schwächte den erhabenen eindruck seiner tragödie durch eine übertrieben grausame catastrophe, über die uns hinwegzutäuschen einer versöhnlich schliessenden nebenhandlung kaum gelingt. Lord Byron, der gewiss weder Lope noch Bandello kannte, und kaum mehr über die sache wusste, als die wenigen zeilen Gibbon's berichten, geht seine eigenen wege. Er lässt die schuldige sich selbst verrathen, sich selbst verrathen in einer weise, die bald nach dem erscheinen des gedichtes einige prüde männer veranlasste, dem dichter den vorwurf zu machen, dass er der unmoral, der sünde das wort rede. "I am aware, that in modern times the delicacy or fastidiousness of the reader may deem such subjects unfit for the purposes of poetry“ sagt Thomas Moore in seinem advertissment. Warum? Byron ist allen modernen naturalisten vorangeeilt, denn unergründlich sind die wege, die der genius wandelt, und trotz der „subjects unfits for the purposes of poetry“ bezaubert Byron den leser durch die psychologische motivirung des selbstverrathes, welcher die catastrophe herbeiführt.

Wien, Sept. 1898.

aquí acaba,

Senado, aquella tragedia

Del castigo sin venganza,

Que siendo en Italia asombro

Hoyes ejemplo en España.

W. v. Wurzbach.

II.

DER VIII. ALLGEMEINE DEUTSCHE NEUPHILOLOGENTAG IN WIEN 1898.

Mit der den Wiener veranstaltungen seit jeher eigenen anmuthigen gastlichkeit und reichen fülle festlicher darbietungen empfing die alte, sich stets verjüngende kaiserstadt auch die schar von neuphilologen, die sich in der pfingstwoche in ihren mauern einfand. Von den vertretern des unterrichtsministeriums, der universität und der reichshauptstadt wurden sie mit vollem verständniss für ihre culturellen aufgaben willkommen geheissen; die universitäten sowie die mittelschulen Oesterreich's begrüssten sie mit inhaltreichen festschriften; in den hoftheatern wurden ihnen mustervorstellungen des Shakespeare'schen Heinrich V. und Siegfried's geboten; und damit sie auch von der herrlichen umgebung Wien's einen tiefen eindruck mitnähmen, veranstaltete der festausschuss des Wiener neuphilologischen vereines einen ungemein gelungenen ausflug auf den durch eine kühnangelegte gebirgsbahn bequem zugänglichen Schneeberg.

Nach einer zwanglosen vereinigung der theilnehmer am abend des 30. Mai, die durch den vortrag eines vom präsidenten, hofrath Schipper, verfassten und vo hofschauspieler Josef Lewinsky meisterhaft gesprochenen prologs1) besonderen glanz erhielt, fand am nächsten morgen die officielle eröffnung der verhandlungen statt. Der vorsitzende begrüsste die gäste und ertheilte alsbald das wort sr. exc. dem geh.-rath ritter von Hartel, der als vertreter des unterrichtsministers eine ebenso wohlwollende als gehaltvolle ansprache an die versammlung richtete.

Geh.-rath von Hartel erinnerte an die noch immer nachwirkenden eindrücke der 42. vorsammlung deutscher philologen und schulmänner, die im jahre 18932) in Wien stattfand. Den gleichen ertrag erhoffe man auf engerem gebiete yom neuphilologentage. Die neueren sprachen seien in Oesterreich schon zu einer zeit gepflegt worden, wo sie für die schule noch nicht ihre heutige bedeutung hatten. Ihr erster vertreter an der Wiener universität war Ferdinand Wolff. Seitdem seien auch an den übrigen universitäten lehrkanzeln errichtet worden. Trotzdem hätten die neueren sprachen im mittelschulwesen Oesterreich's noch nicht die uneingeschränkte geltung wie in Deutschland, da ihnen ungünstige locale - verhältnisse entgegenstehen.

Auf dem gebiete der methodik befinde man sich inmitten einer bewegung, die kräftig gährt, aber einen guten wein verspricht. Für die unterrichtsverwaltung sei die discussion dieser fragen von grosser wichtigkeit. Der fortschritt des schulwesens hänge ab von dem fortschreiten der wissenschaft und der wachsenden kunst, sie für die schule zu verwerthen. Darum sei die stete verbindung zwischen wissenschaft und schule zu pflegen. Das interesse, welches allseits der neueren philologie entgegengebracht wird, sei im vielsprachigen Oesterreich noch gesteigert. Denn diese wissenschaft lehrt uns fremdes volksthum verstehen, vermittelt der nation neue gedanken in kunst und litteratur und ebnet so den boden für eine auf gegenseitige achtung und duldung sich gründende verständigung.

1) Veröffentlicht in der festschrift zum VIII. allg. deutschen neuphilologentage in Wien 1898.

2) Wie erinnerlich unter leitung des redners, der damals noch univ.-prof. war. E. Kölbing, Englische studien XXV. 3. 30

Nachdem hofr. Schipper dem redner den dank der versammlung für das der modernen philologie entgegengebrachte interesse ausgesprochen hatte, trat er selbst mit einer rede voll weiter gesichtspunkte in die verhandlungen ein.

Diese bewegten sich vorzugsweise auf dem gebiete der schulreform und der methodik. In der that sind auf diesem felde fragen im fluss, die sich nicht nur auf die normirung eines bestimmten lehrgangs für die neueren sprachen beschränken, sondern mit den wichtigsten neuerungen auf dem gebiete des mittleren bildungswesens überhaupt aufs engste verknüpft sind. Alle diese fragen gruppiren sich um zwei hauptpunkte. Der eine betrifft jene durchgreifende reform des unterrichtsbetriebes, die in letzter linie darauf abzielt, den schülern den möglichsten grad von sprachbeherrschung zu verschaffen. Sie stellt im gegensatz zur älteren grammatischen methode die forderungen auf, dass statt einer grammatischen aneignung der classischen litteratursprache die inductiv-practische vermittelung der modernen gebildeten umgangssprache einzutreten habe, und dass neben der neueren litteratur die bekanntschaft mit dem fremden volksthum im allgemeinen zu pflegen sei. Damit steht dann der zweite hauptpunkt in zusammenhang, demzufolge für den neuphilologischen unterricht eine seinen bildungselementen angemessene stellung in der lehrverfassung der gymnasien und realschulen, bezw. der noch im versuchsstadium befindlichen reformschulen beansprucht wird.

Es ist gewiss mit ein verdienst der neuphilologentage, die staatlichen unterrichtsbehörden für diese bestrebungen interessirt und sie bestimmt zu haben, den reformversuchen die wege zur practischen erprobung zu ebnen. Ansätze hiezu sind sowohl in Deutschland als auch in Oesterreich zu verzeichnen. Mit der schaffung neuer lehrpläne in Preussen, mit den versuchen auf dem gebiete der einheitsschulen gelen ähnliche vorkehrungen in Oesterreich hand in hand. Wenige wochen vor dem zusammentritt des neuphilologentages in Wien wurde für die österreichischen realschulen ein normallehrplan 1) erlassen, dessen wichtigste neuerungen dahin zielen, dem Deutschen sowohl als den fremden cultursprachen an normal eingerichteten (d. h. von speciellen landschaftlichen interessen nicht modificirten) anstalten einen grösseren raum zu schaffen und der lehrerschaft die möglichkeit zu bieten, den erhöhten ansprüchen bei übermittelung der modernen sprachen gerecht zu werden. Auch wurden vor kurzem die ersten versuche unternommen, das Französische als relativ obligaten gegenstand an gymnasien einzuführen.

Die deutschen wie die österreichischen unterrichtsbehörden beabsichtigen damit, den reformatorischen bestrebungen der neuphilologen einen spielraum zur bethätigung zu eröffnen, wenn sie auch bei modification der lehrziele und prüfungsvorschriften noch zögernd und vorsichtig zu werke gehen. Es entsteht dadurch in der übergangszeit für die anhänger der neueren methode die schwierige und mühevolle aufgabe, nicht nur zu erweisen, dass durch die neue methode dasselbe lehrziel, dieselben maturitätserfolge zu erreichen seien wie nach der alten, sondern auch die behörden sowie die zweifelnden unter ihren collegen zu überzeugen, dass der neuen methode auch neue und werthvolle ziele zu entsprechen hätten. Noch kann man nicht erwarten, dass über die vielen einschneidenden fragen völlige einmüthigkeit herrsche, doch darf man hoffen, aus dem gemeinsamen rathe

1) Im Verordnungsblatt des ministeriums für cultus und unterricht vom 1. Mai 1898.

der gelehrten und schulmänner die wege und ziele des neusprachlichen unterrichts immer klarer hervortreten zu sehen.

In diesem sinne gaben die beiden eröffnenden vorträge, hofr. Schipper's begrüssungsrede und geh.-rath Münch's auseinandersetzungen über die bedeutung der neueren sprachen im lehrplane der preussischen gymnasien, einen willkommenen überblick über den stand der frage in Oesterreich und Deutschland und schlugen damit den grundton für die folgenden verhandlungen an.

Hofr. Schipper wies darauf hin, dass die neuphilologentage dem bestreben ihre entstehung danken, den practischen fragen, die im rahmen der allgemeinen philologentage keine lösung finden können, einen weiteren spielraum zu gewähren. In lichtvoller weise legte er den unterschied zwischen österreichischen und deutschen mittelschulen dar, der hauptsächlich darin besteht, dass in Oesterreich die modernen sprachen an gymnasien keinen theil des obligaten unterrichts ausmachen, während die realschulen insgesammt lateinlose schulen sind. Der gegensatz sei noch dadurch verschärft worden, dass in Deutschland in den letzten jahren versuche gemacht worden sind, die anstalten den neueren bildungsaufgaben anzupassen. Wenn die österreichischen mittelschulen in dieser hinsicht noch zurückstehen, so habe dies darin seinen grund, dass man dem vor etwa 50 jahren reorganisirten mittleren schulwesen zeit lassen wollte, in sich zu erstarken. Nunmehr dürfe man annehmen, dass dasselbe einer reform, wie sie in Deutschland angebahnt werde, gewachsen wäre. Redner erinnerte in dieser hinsicht an eine äusserung Exner's, des vaters der österreichischen unterrichtsreform, vom jahre 1845 jeder staat müsse rücksicht nehmen auf den zustand der gebildeten staaten neben ihm. Die bildung heisse eine allgemeine nicht nur in dem sinne, dass sie alle grundwissenschaften umfasst, sondern auch in dem, dass sie die allgemein verbreitete in den gebildeten kreisen der gebildeten nationen ist. Nach der heutigen stellung der neueren sprachen im unterrichtswesen Deutschland's, fährt der redner fort, könne es nicht zweifelhaft sein, dass Exner in unserer zeit die französische und englische sprache den zu lehrenden grundwissenschaften hinzugefügt hätte.

Dass das bedürfniss nach einer erweiterten humanistischen bildung immer mehr erkannt werde, bewiesen auch die worte, mit denen der minister des äusseren, graf Goluchowski, jüngst das kommende jahrhundert characterisirt habe: 'Wie das 16. und 17. jahrhundert mit den religiösen kämpfen ausgefüllt waren, wie im 18. jahrhundert die liberalen ideen zum durchbruche kamen, wie das gegenwärtige jahrhundert durch das auftauchen der nationalitätenfrage sich characterisirt, so sagt sich das 20. jahrhundert für Europa als ein jahrhundert des ringens ums dasein auf handelspolitischem gebiete an, und vereint müssen sich die europäischen völker zusammenfinden, um in der vertheidigung ihrer existenzbedingungen erfolgreich wirken zu können'. Eine vorbedingung dieses zusammenfindens, meint redner, sei aber, dass die westeuropäischen cultursprachen gemeinbesitz aller gebildeten werden. Denn wie das christenthum nicht in der sprache des hebräischen volkes, sondern in den weltsprachen des alterthums die halbe welt civilisirt habe, so bedürften auch die modernen ideen, gleichgiltig von welchem volksstamme sie ausgehen mögen, des mediums einer weltsprache, um gemeingut der menschheit zu werden. Darin liege auch die bedeutung der sache, die die neuphilologen vertreten, und darin die hoffnung auf erfolg.

Nachdem so hofr. Schipper die allgemeine bedeutung der neueren sprachen

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und die besonderen bedürfnisse der österreichischen mittelschulen beleuchtet hatte, erörterte geh.-rath prof. Münch die stellung, welche nach den neuen preussischen lehrplänen dem neusprachlichen unterrichte an gymnasien zukommt. Der standpunkt, dass die modernen sprachen den classischen mit gleichen aufgaben an die seite zu treten oder diese gar zu ersetzen hätten, sei längst überholt. Der neuphilologische unterricht diene allerdings auch idealen bildungszwecken, doch müsse gerade in diesem fache die utilitarische seite stärker betont werden. Immermehr greife die erkenntniss durch, dass die modernen sprachen weitere ziele zu verfolgen haben als jenen formalen gewinn, den die grammatische methode anstrebt. Die inductive aneignung einer lebenden sprache bedinge eine schulung der sinne im aufnehmen und nachbilden, überwinden und beherrschen der fremdartigen lautwelt, ja eine schulung der persönlichkeit überhaupt. Die nöthigung zum raschen, lebendigen, practischen sei uns heilsam. Die bekanntschaft mit der geisteswelt der gleichzeitigen grössten culturvölker kann für die freilich beklagenswerthe vernachlässigung der classischen litteratur durch die humanistisch gebildeten wohl einen ersatz bieten." Noch seien freilich die prüfungsziele der gymnasien in einer weise formulirt, die sowohl mit den natürlichen zielen als auch mit der angeordneten unterrichtsweise nicht eigentlich zusammenstimmt. Die überwindung dieses widerspruchs bilde unverkennbar eine aufgabe der nächsten zeit.

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Dieser darstellung der leitenden ideen des neusprachlichen unterrichtes folgten die ausführungen director dr. Walter's (Frankfurt a. M.) über schulreform und reformschulen in Deutschland, die uns unmittelbar an die stätten führten, wo jene ideen in praxis umgesetzt und auf ihre wirksamkeit erprobt werden.

Der grundgedanke bei einrichtung der reformschulen (deren es jetzt in Preussen 22, in anderen deutschen staaten 8 gibt) war, eine einheitliche verbindung zwischen den neunclassigen anstalten (gymnasien, realgymnasien und oberrealschulen) auf möglichst lange zeit herzustellen, um den eltern missgriffe in der wahl der schulen thunlichst zu ersparen. Während nach den allgemeinen lehrplänen in der sexta der gymnasien mit Latein, in jener der realschulen mit Französisch begonnen wird, ein übergang von der einen zur anderen anstalt also sehr erschwert ist, beginnen alle categorien der reformschulen mit derselben sprache, nämlich mit dem Französischen, das durch drei jahrgänge die einzige fremdsprache bleibt, so dass bis zur untertertia ein unbehinderter wechsel des studienganges ermöglicht wird. Nun kommt im vierten jahrgang in gymnasien und realgymnasien das Latein, in realschulen das Englische hinzu, ein zustand, der wieder durch zwei jahre unverändert bleibt. Gymnasium und realgymnasium erhalten daher einen gemeinsamen unterbau von fünf jahren, wodurch die entscheidung über die studienrichtung des knaben bis zum 14. jahre hinausgeschoben wird. Erst in untersecunda trennen sich auch die gymnasialen anstalten. Im gymnasium beginnt der unterricht des Griechischen, im realgymnasium der des Englischen. Im realgymnasium bleibt es bei dieser dritten fremdsprache, im gymnasium tritt von unterprima ab noch das Englische hinzu.

Eine übersicht über die unterschiede im betriebe des philologischen unterrichts an schulen alten systems und an reformschulen gibt die folgende tabelle.

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