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wie wenn die Goten Getae, die Dänen Daci genannt wurden. Unter Armenien ist also die französische Bretagne zu verstehen.

Da die Namen Doon und Odon öfter verwechselt wurden, so wird unter Kaiser Doon Otto der Grofse zu verstehen sein. Er war in der Tat ein Zeitgenosse König Adgars, der in dem Gedicht eine Rolle spielt und von 959 bis 975 regierte".

Suchier hebt dann noch den ohne Zweifel nordischen Ursprung der Namen Bradmund und Rudefoun hervor, deren Elemente sämtlich nordisch seien: bráþr „schnell, hurtig“, mund eig. „Schutz, Hand“, hróþr „Ruhm“, funs begierig".

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Die Identifikation Doons mit Otto I. begründet Suchier nicht weiter, er setzt aber, indem er sie aufstellt, sicher als bekannt voraus, dafs Otto in der Tat, wie der Doon des Gedichts, (in erster Ehe, 929–47) mit einer Engländerin verheiratet war, nämlich mit der englischen Prinzessin Edgitha, der Tochter König Eadweards und Schwester König Edmunds, s. Köpke-Dümmler, Kaiser Otto der Grofse, Leipzig 1876, S. 9. Gewifs genügt Ottos Gleichzeitigkeit mit Edgar, zusammengenommen mit der eben erwähnten Tatsache seiner Vermählung mit einer Engländerin, um Suchiers Identifikation einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Es dürfte aber doch nicht überflüssig sein, auch darauf noch hinzuweisen, dafs nach einer in Ekkeharts IV. Casus sancti Galli cap. 81 sich findenden sagenhaften Nachricht Otto in der Tat einmal, im Jahre 958, persönlich in England gewesen wäre: . . . Ottone apud Anglos cum Adaltage rege ipsorum, socero suo, aliquamdiu agente ut junctis viribus Chnutonem Danorum debellaret regem . s. St. Gallische Geschichtsquellen, neu hgg. durch G. Meyer von Knonau, St. Gallen 1877 (Mitteilungen vaterländischer Geschichte, N. F. 5. und 6. Heft), S. 293. Der Herausgeber bezeichnet im

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Kommentar diese Angabe als „,,historisch ganz unbrauchbar". ,,Einen angelsächsischen König Adaldag gab es niemals und es ist nirgends bezeugt, dafs Otto I. in England gewesen sei .; dagegen war Otto durch seine 929 vollzogene Vermählung mit Editha Schwager des damals, in der Zeit von Cralohs Tod [Abtes von St. Gallen 942-58], längst verstorbenen Königs Athelstan (925-41) gewesen. Ebenso gab es keinen dänischen König Knut in Ottos Zeit . .

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Hiermit wäre nun erschöpft, was bisher über den Ursprung und die Quellen der Sage von Boeve de Hamtone beigebracht wurde. Es hat also, wie es scheint, keiner der Gelehrten, die sich mit dem Gegenstande befafsten, bemerkt, dafs die Sage von Boeve de Hamtone in ihrem Kern identisch ist mit der Hamletsage, wie sie uns von dem dänischen Historiker Saxo Grammaticus überliefert wird, und dafs sie ganz unzweifelhaft mit letzterer aus der gleichen Quelle geflossen ist. Diese Tatsache, für die im folgenden der Beweis erbracht werden soll, stimmt aufs schönste zu dem Ergebnis Stimmings, wonach die Dichtung anglonormannischen Ursprungs, auf englischem Boden zu Hause ist, sowie auch zu der Vermutung Suchiers, dafs ihr eine Wikingersage zu Grunde liege. Denn wie wir sehen werden, ist Saxo die Hamletsage aller Wahrscheinlichkeit nach aus England zugeführt worden, und eben England war im 8. und 9. Jahrhundert bekanntlich ein Haupttummelplatz der Wikinger. Dass die Verwandtschaft der beiden Sagen bisher nicht erkannt wurde, dürfte einerseits daher rühren, dafs ein für die Hamletsage besonders charakteristischer Zug, der verstellte Wahnsinn des Helden, in unserem Epos völlig getilgt ist, andrerseits darin seinen Grund haben, dafs in dem Gedicht die Handlung mit einem ungeheuren buntscheckigen Wust von Episoden überladen ist, der leicht

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den Blick von den einfachen Grundzügen der Sage ablenkt. Entscheidend für die Identität der beiden Sagen fallen m. E. ins Gewicht ich will das gleich vorausschicken zwei in beiden sich findende eminent spezielle Motive: das Motiv des Uriasbriefes das mich zuerst auf die Hamletsage hinwies und das Motiv der Doppel

heirat des Helden, welches im zweiten Teile der Saxoschen Hamletsage begegnet.

Es wird nun also auf Grund eines inhaltlichen Vergleiches der beiden Sagen der Beweis für ihre behauptete ursprüngliche Identität zu liefern sein. Dieser Vergleich wird sich, was den Boeve v. Hamtone angeht, natürlich auf die älteste erreichbare Fassung des Epos zu gründen haben, welche keineswegs ausnahmslos durch das anglonormannische Gedicht, sondern an einigen Stellen vielmehr durch die englische Bearbeitung repräsentiert wird. Ich werde das Gedicht im folgenden in der Regel mit BvH bezeichnen.

Der Boeve von Hamtone

und die Hamletsage bei Saxo Grammaticus.

Der Boeve v. Hamtone sowohl als die Hamletsage bei Saxo zerfallen in zwei Teile, von denen der erste (V. 1-2398 des BvH, Ende des III. Buches bei Saxo) mit dem Vollzug der Blutrache an dem Stiefvater des Helden, der zweite (V. 2399-3850 des BvH, Anfang des IV. Buches bei Saxo) mit dem Tode des Helden schliefst.

Ich fasse zunächst die übereinstimmenden Züge im ersten Teile des BvH und im ersten, aus Shakespeares Drama bekannten Teil der Hamletsage ins Auge.

Der Inhalt des dem anglonormannischen Gedichte und der englischen, wälschen und nordischen Fassung zu Grunde liegenden Epos war im wesentlichen der folgende1):

Der schon bejahrte Graf Gui von Hamtone heiratet die namentlich nicht genannte Tochter des Königs von Schottland. Vorher hatte sich der Kaiser von Deutschland, Doon, wiederholt um ihre Hand beworben, war aber von ihrem Vater abschlägig beschieden worden, der ihr vielmehr Gui zum Gatten bestimmte. Aus der Verbindung geht ein Sohn, Boeve, hervor. Die Gräfin, die ein schlechtes Herz hat, hafst ihren Gatten und beschliefst, als Boeve 10 Jahre alt ist, den Grafen umbringen zu lassen. Sie sendet einen Boten an den Kaiser von Deutschland und läfst ihn auffordern, am 1. Mai mit 400 Rittern in den nahegelegenen Wald am Meere zu kommen; sie werde ihren Gatten veranlassen, am gleichen Tage dort mit geringem Gefolge zu jagen, er möge ihm das Haupt abschlagen und es ihr übersenden, dann wolle sie die Seine werden. Der Kaiser erklärt sich sofort bereit, dem Verlangen der Dame zu entsprechen. Am 1. Mai stellt die Gräfin sich krank und erklärt ihrem Gatten, sie glaube, der Genufs von frischem Eberfleisch werde sie wieder gesund machen. Daraufhin begibt sich der Graf in den Wald zur Jagd und wird dort von Doon und seinen Rittern erschlagen. Der Kaiser sendet Guis Kopf der Gräfin, die ihn nun einlädt, sofort zu ihr zu kommen, die Hochzeit solle gleich am nächsten Tage stattfinden. (Tir. I—XXXII.)

Als Boeve die Ermordung seines Vaters erfährt, weint er laut; er macht seiner Mutter heftige Vorwürfe, schilt sie eine feile Dirne und droht, sobald er Waffen tragen könne, den Tod des Vaters rächen zu wollen. Die Gräfin versetzt ihm einen Schlag, dafs er zu Boden stürzt. Der

1) Eine ausführliche Analyse des Inhalts des anglonormannischen Gedichts gibt Stimming S. LIX seiner Ausgabe.

Ritter Sabot (Saber in der englischen Version), sein Erzieher, nimmt den Knaben in seine Arme und will mit ihm entfliehen, die Gräfin aber zwingt ihn, vorher zu schwören, dafs er Boeve noch am gleichen Tage umbringen wolle. Sabot schlachtet nun ein Schwein, tränkt Boeves Kleider mit dem Blute und zeigt diese der Mutter zum Beweis, dafs er ihren Befehl vollzogen habe1). Boeve selbst schickt er, als Hirten verkleidet, in ärmlichem Gewand aufs Feld, damit er 14 Tage lang die Lämmer hüte. Dann wolle er ihn in ein fremdes Land zu einem, ihm, Sabot, befreundeten edlen Grafen senden, bei dem er bleiben solle. Wenn er 15 oder 16 Jahre alt geworden, solle er heimkehren und mit Sabots Hilfe an dem Kaiser Rache nehmen (XXXIII—XL).

Eines Tages vernimmt Boeve auf der Weide den Lärm eines im Schlosse gefeierten Festes. Er eilt in die Stadt, schlägt dem Pförtner des Schlosses, der ihn zurückweist, mit seiner Keule den Schädel ein und dringt mit Gewalt in den Saal; hier sagt er dem Kaiser ins Gesicht, er sei der Mörder seines Vaters und fordert sein Erbe zurück. Als der Kaiser ihm Schweigen gebietet, versetzt er demselben mit der Keule drei Hiebe über den Kopf, so dass Doon bewufstlos auf die Tafel niedersinkt. Seine Mutter befiehlt, ihn zu ergreifen, aber durch den Beistand einiger Ritter, die Mitleid mit ihm haben, entkommt er in das Haus Sabots, dem er erzählt, er habe seinen Stiefvater erschlagen. Sabot versteckt den Knaben in einer Kammer. Gleich darauf erscheint die Mutter und fordert die Aus

1) So die englische Version V. 353, welche, wie Stimming S. CLIII zeigt, hier das Ursprüngliche hat. In dem französischen Gedicht und den beiden anderen Bearbeitungen versenkt Sabot vielmehr die Kleider, an einen Mühlstein gebunden, ins Wasser, man sieht nicht ein, zu welchem Zweck und versichert dann der Mutter, er habe Boeve mit einem Mühlstein ertränkt. Wie wir oben S. 2 sahen, ist das Zeugnis der englischen Version dem der drei anderen Fassungen gleichwertig.

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