Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Spitzen er im Feuer härtet. Auf die Frage, was er beginne, antwortet er zur Belustigung der Anwesenden, er verfertige scharfe Pfeile zur Rache seines Vaters. Aber eben diese Kunstfertigkeit erweckt bei einigen den Verdacht, „er verberge nur seine Klugheit unter dem Schleier der Einfältigkeit." Man macht deshalb einen Versuch ihn zu entlarven, indem man ihm im Walde ein schönes Mädchen in den Weg führt; man meint: „,seine Erregung werde zu heftig sein, als dafs er sie durch List beherrschen könnte, und wenn er seinen Stumpfsinn nur erheuchele, werde er diese Gelegenheit benutzen und auf der Stelle dem Trieb der Wollust gehorchen." Aber der Anschlag auf dessen Einzelheiten hier nicht eingegangen zu werden braucht — mifslingt, da Amleth rechtzeitig von einem ihm wohlwollenden „Milchbruder" gewarnt wird. Er befriedigt zwar seine Lust, aber an einer verborgenen Stelle des Waldes und das Mädchen, das die frühere Gemeinschaft ihrer Erziehung" in innigster Vertrautheit mit ihm verbindet, gelobt ihm auf seine Bitte Stillschweigen.

[ocr errors]

Bei dieser Gelegenheit tut Amleth verschiedentlich Aussprüche, die abstrus erscheinen und belacht werden, aber einen tieferen, von den Hörern nicht begriffenen Sinn enthalten; wie Saxo sagt: „er vermischte List und Offenherzigkeit so, dafs es seinen Worten nicht an Wahrheit fehlte, dafs aber auch der Sinn seines Witzes nicht durch offene Angabe der Wahrheit verraten wurde", d. h. er sagt die Wahrheit, ohne dafs sie ein Unbefangener als solche zu erkennen vermag.

Auf den Rat eines von Fengos Freunden wird ein zweiter Versuch gemacht, ihm auf die Spur zu kommen. Man verschafft ihm Gelegenheit zu einer Unterredung mit seiner Mutter unter vier Augen, in der Erwartung, er werde,,, wenn er nur ein bisschen Verstand besitze, kein Bedenken tragen, sich vor den Ohren der Mutter auszu

sprechen", ihr seine wahren Gedanken zu enthüllen; der Urheber der List selbst versteckt sich als Lauscher unter dem Bettstroh des Zimmers. Aber Amleth hat Verdacht geschöpft. Er kräht wie ein Hahn und ficht mit den Armen hin und her, als ob er mit den Flügeln schlüge; dann springt er auf das Stroh und als er merkt, dafs jemand darunter liegt, sticht er mit dem Schwert an der Stelle hinein und durchbohrt den Horcher; darauf zieht er den Leichnam hervor, hackt ihn in Stücke, kocht diese in siedendem Wasser und wirft sie durch die Öffnung einer Kloake den Schweinen zum Frafse vor. In das Zimmer zurückgekehrt, macht er seiner Mutter die bittersten Vorwürfe, dafs sie es über sich gebracht habe, sich dem Mörder ihres ersten Gatten zu vermählen; er nennt sie die verworfenste unter den Weibern, eine lüsterne Dirne und erklärt ihr dann offen, seine Verrücktheit sei nur Verstellung, im Herzen hege er das glühendste Verlangen, den Vater zu rächen, er wolle nur den günstigen Moment abwarten. Er befiehlt ihr dann, über die Unterredung zu schweigen, was Gerutha auch tut.

Durch diese Strafrede, heifst es, habe er seine Mutter veranlasst, wieder den Pfad der Tugend zu betreten und ihre frühere Liebe den augenblicklichen Lockungen vorzuziehen.

Trotz des Mifslingens auch des zweiten Anschlages zweifelt Fengo nicht an der Tücke seines Stiefsohns. Er will ihn beseitigen, wagt aber nicht, die Tat selbst zu vollbringen, da er dadurch sowohl bei Amleths Grossvater Rorik als auch bei seiner eigenen Gattin anzustofsen fürchtet. Er beschliefst deshalb, ihn durch den König von Britannien töten zu lassen, um so Unschuld heucheln zu können, wenn ein anderer für ihn die Tat vollbringe." Amleth wird also nach Britannien gesaudt, zwei Trabanten (satellites 1) Fengos werden ihm mitgegeben, die ein in Holz ge

1) Rosenkranz und Güldenstern bei Shakespeare.

Zenker, Boeve-Amlethus.

2

ritztes Schreiben bei sich führen, durch welches der König der Britannier ersucht wird, Amleth umzubringen. Beim Abschied bittet Amleth seine Mutter, nach Ablauf eines Jahres zum Scheine eine Totenfeier für ihn zu veranstalten, eben dann werde er zurückkehren.

Als während der Reise die Trabanten einmal der Ruhe pflegen, durchsucht Amleth ihr Gepäck und findet den Brief. Er liest den Auftrag, schabt ihn fort und setzt neue Schriftzüge an die Stelle, durch die der König von Britannien gebeten wird, die beiden Begleiter zu töten, ihm selbst aber seine Tochter zur Frau zu geben.

Am Hofe von Britannien angekommen, übergeben die Gesandten ihren Brief. Der König läfst sich nichts merken und nimmt sie gastlich auf. Beim Mahle legt Amleth Proben seines erstaunlichen Scharfblickes ab. Der König, von Bewunderung für seinen Gast durchdrungen, vermählt ihm seine Tochter und läfst, in Erfüllung des erhaltenen Auftrags, die beiden Begleiter aufhängen. Amleth heuchelt Unwillen hierüber und erhält deshalb vom König als Sühnegeld Gold, das er heimlich im Feuer schmelzen und in ausgehöhlte Stöcke giefsen läfst.

Nachdem er ein Jahr beim König verweilt, kehrt er nach Jütland zurück und nimmt hier alsbald wieder die Maske des Blödsinnes vor. Man ist eben dabei, die Leichenfeier für ihn zu begehen. Als er deshalb plötzlich, mit Schmutz bedeckt, den Speisesaal betritt, sind alle aufs höchste überrascht; bald aber weicht die Bestürzung der Heiterkeit über die seltsame Situation. Als man ihn nach seinen Begleitern fragt, weist er auf die mit Gold gefüllten Stöcke und sagt: das ist der eine und das ist der andere. Um die Trunkenheit zu steigern, ist er dann den Schenken fleifsig beim Eingiessen behülflich. Mehrmals zückt er absichtlich sein Schwert, wobei er sich an der Spitze die Finger verwundet; die Nächststehenden

schlagen deshalb einen eisernen Nagel durch Schwert und Scheide.

Als die Edlen, vom Weine berauscht, schlafend am Boden liegen, läfst Amleth von der Decke ein Netz auf sie herab, mit dessen Anbringung er vor seiner Abreise seine Mutter beauftragt hatte, und befestigt das Netz mit seinen spitzen Holzpflöcken, so dafs keiner der Liegenden im Stande ist, sich zu erheben. Dann steckt er die Halle in Brand nnd sämtliche Anwesende kommen im Feuer um. Nun begibt er sich in das Schlafgemach Fengos, der schon vorher von seinen Gefährten dahin gebracht ist; er nimmt Fengos am Bette befestigtes Schwert an sich und ersetzt es durch sein eigenes; dann weckt er den König, erklärt ihm, er sei da, um die schuldige Rache für seines Vaters Tod zu üben und erschlägt ihn mit dem Schwerte, indes Fengo sich vergeblich bemüht, das seinige zu zücken.

Damit schliefst das dritte Buch. Im Anfang des vierten wird dann erzählt, wie das Ereignis am nächsten Morgen von der Bevölkerung mit geteilten Gefühlen aufgenommen wird, Amleth aber durch eine längere Rede, in der er seine Tat rechtfertigt, das Volk für sich gewinnt und unter allgemeiner Zustimmung zum Nachfolger Fengos gewählt wird.

Die nahe Verwandtschaft der Hamletsage, wie sie hier geboten wird, mit der Sage von Boeve von Hamtone ist unverkennbar. Scheiden wir alle differierenden Züge aus, so erhalten wir folgenden, beiden Sagen gemeinsamen Typus:

Der König eines nordischen Reiches (Schottland Dänemark) vermählt seine Tochter mit einem am Meere wohnenden Grofsen, auf den er grofse Stücke hält; aus der Ehe geht ein Sohn hervor. Der Grofse wird ruchloserweise ermordet von einem anderen Grofsen, der die Witwe heiratet. Der Sohn entrinnt dem Verderben und

plant Rache für den Tod des Vaters. In einer Unterredung mit seiner Mutter macht er dieser die bittersten Vorwürfe, er schilt sie eine feile Dirne und erklärt ihr, er werde, wenn die Zeit gekommen sei, den Tod des Vaters rächen. Er wird dann übers Meer an den Hof eines fremden Königs gebracht, bezw. gesandt; der König gewinnt ihn lieb, und der Held heiratet die Tochter dieses Königs. Inzwischen läfst er in seiner Heimat die Nachricht von seinem Tode verbreiten. Er kehrt unerwartet zurück und rächt den Vater, indem er den Mörder, den Stiefvater, tötet. Dann übernimmt er selbst die Regierung des Landes.

Beiden Sagen ist ferner gemein das Motiv des Uriasbriefes, das sich der verschiedenen Fassung wegen, in der es erscheint, eben in den Zusammenhang der Handlung nicht einreihen liefs:

Ein König (der fremde König der Stiefvater selbst) will den Helden aus dem Wege räumen, bringt es aber nicht übers Herz oder wagt es nicht, ihm selbst etwas anzutun; er schickt ihn deshalb an einen befreundeten oder ihm ergebenen Fürsten mit einem Briefe, der den Auftrag enthält, den Überbringer zu töten. Die böse Absicht wird vereitelt, der Held wird gerettet (doch in sehr verschiedener Weise: im einen Falle gelingt der Anschlag zunächst, doch wird der Held nicht getötet, sondern nur in den Kerker geworfen, aus dem er dann entkommt; im anderen Falle vereitelt er durch seine Schlauheit den Anschlag von vornherein).

Ich meine nun, die Übereinstimmung der beiden Sagen ist hiernach schon in ihrem ersten Teile eine so grofse, dafs ihre ursprüngliche Identität als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden darf. Die zahlreichen Abweichungen erklären sich einerseits durch die möglicherweise über hunderte von Jahren sich erstreckende mündliche Tradition, welche die Grundlinien und eine Reihe markanter Motive

« VorigeDoorgaan »