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fen können, wenn Selbstliebe ihnen entgegenwirkt; sie
sollen auch zu stark werden können, wenn sie der natür-
lichen Selbstliebe Abbruch thun oder wenn eine von ih
nen vorherschend und zum Nachtheil der andern sich gel-
tend macht, so daß selbst die Religion übermäßig gepflegt
werden kann. Hierin bestärkt ihn sein Sinn für Har-
monie, obgleich er nicht ohne Anstoß den Gedanken faßt,
daß Natürliches in'Unnatürliches sich verwandeln könne 1),
und er auch zulegt dafür sich entscheidet, daß die geselli-
gen Neigungen an sich nie zu stark, sondern`nur zu
schwach sein können 2). Den selbstsüchtigen Neigungen
können sie doch nicht feindlich sein, weil das Wohl des
Ganzen nur mit dem Wohle des Theiles und jeder be-
sondern Person bestehn kann 3). Diese Bemerkung zeigt,
daß beide Arten der Neigung eigentlich zusammenfallen
und in gleicher Weise als natürliche Neigungen angesehn
werden müssen. Es ist sogar auffallend, daß Shaftes-
bury bei den natürlichen Neigungen nicht zunächst an die
Neigungen der Selbstliebe dachte, da ihn die Neigung
seiner Zeit und sein eigenes Zurückgehn auf unser Ich
in der Begründung unserer Erkenntniß dahin führen mußte
das Streben nach Selbsterhaltung und Selbstentwicklung
als den ersten und mächtigsten Trieb in unserer Natur
anzuerkennen. Aber die Richtung seiner Lehre zog ihn
zur Einheit des Allgemeinen und daher läßt er das Stre-
ben nach dem Wohle des Ganzen uns als die erste Wir-

1) Ib. II, 1, 3 p. 87 sqq.

2) S. feine Eintheilung der Laster ib. II, 1, 3 p. 97.
3) Ib. II, 1, 1 p. 79 sqq.

kung des natürlichen Triebes erscheinen, ja er stellt es, absichtlich, möchte man sagen, in einen Gegensaß gegen den selbstsüchtigen Trieb, um seinen Widerspruch gegen die vorherfchende Neigung seiner Zeit zu bezeichnen. Denn die Übermacht der selbstsüchtigen Neigungen, welche er bei seinen Zeitgenossen herschen sieht, scheint ihm den Zusammenhang der allgemeinen Lebensordnung zu stören 1). Wenn wir nun aber seine Schilderung der Lafter untersuchen, so bemerken wir, daß er unter der dritten Art der Neigungen, den unnatürlichen Neigungen auch nur eine übermäßige Steigerung der selbstsüchtigen Neigungen versteht 2). Er zählt zu ihr Unmenschlichkeit, Bosheit, Neid, Menschenfeindschaft und andere Leidenschaften, welche am Schaden anderer ihre Freude haben 3). Daß sie von Selbstsucht ausgehn, giebt er zu erkennen, indem er bemerkt, daß sie doch nur genährt werden wegen der Luft, welche eine, auch nur augenblickliche Befriedigung der Leidenschaft gewährt 4). So kann auch dieser Unterschied zwischen den unnatürlichen und den selbstsüchtigen. Neigungen sich nicht behaupten. Die ganze Eintheilung ist ohne Zweifel verfehlt und nur in der Verlegenheit ergriffen, in welcher seine Theorie sich befand, wenn sie über die fittlichen Unterschiede sich erklären sollte. Ihr stammt jeder Trieb und jede Neigung von der Natur und alles Natür

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2) Ib. II, 2, 2 p. 162 sq. These selfish passions

must be the certain means of

and unnatural passions.

3) Ib. II, 2, 3 p. 163 sqq.

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raising in us those horrid

4) Ib. p. 168 sq.

liche ist gut; das Böse kann sie nur als eine Abirrung von der Natur und die unnatürliche Neigung nur als einen Irrthum über das wahre Gut erklären 1).

Unstreitig aber bezeugt jene Eintheilung die Absicht die geselligen Neigungen als die wahre Quelle des Guten hervorzuheben und sie gegen die selbstischen Neigungen in den Kampf zu rufen. Daher findet er sich auch in einem beständigen Streite gegen die Epikurische Sittenlehre. Er nimmt hierin eine Wendung, welche dem feinen Tone seiner Sitte entspricht; er widerspricht nicht geradezu, sondern er will die Gegner für seine Meinung gewinnen. Es wird uns daher nicht irren dürfen, wenn manche seiner Äußerungen den Schein erregen, als wollte er nur einer feis nern Selbstsucht das Wort reden. Er findet es an sich unbedenklich zu lehren, daß der Wille auf die Lust gerichtet sei, denn Wille und Luft sind sinnverwandt. Aber man müsse fragen, was werth sei unsere Luft zu erregen 2). Luft an eiteln Dingen, am Sinnenkigel, wel= cher Efel zurückläßt, kann kein Verständiger für den reche ten Zweck unseres Lebens ansehen 3). Sinnliche Luft zu suchen, den finnlichen Schmerz zu meiden kann zwar nicht verboten sein, da unsere natürliche Neigung dazu treibt; aber unstreitig haben wir als vernünftige Wesen die geistige Luft höher zu achten; sie ist auch reiner und beständiger 4); ja Shaftesbury ist geneigt wegen des häufigen Misbrauches des Wortes Luft für die geißtige Luft einen

1) Ib. I, 2, 2.

2) The moral. II, 1 p. 266.

3) Ib. p. 233 sq.; solil. III, 2 p. 308 sq.

4) An inqu. c. virt. I, 2, 4 p. 36; II, 2, 1 p. 99 sq.

Gesch. d. Philos. xi.

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ganz andern Namen zu wählen 1). Die Befriedigung unserer natürlichen Neigungen und unsere Glückseligkeit in ihr müssen wir aber ohne Zweifel suchen und es ist deswegen von Wichtigkeit den Beweis zu führen, daß sie mit der Tugend bestehen könne.

Sein Beweis beruht auf der Überzeugung, daß die wahren geistigen Vergnügungen in der Befriedigung der natürlichen Neigungen oder in den Folgen derselben bestehn 2). Er sucht sie durch eine Reihe von Beispielen zu veranschaulichen. Der Friede des Gemüths, welchen ein gutes Gewissen gewährt, begleitet unser Leben, wenn wir unserer Pflicht genügen; wenn es anders ist, läßt die Stimme des Gewissens sich wohl übertäuben, aber nicht unterdrücken 3). Eine wohlgeordnete Seele, eine schöne That gewährt für unsern Geist den genußreichsten Anblick. Wer den Genuß der Tugend, der Freundschaft, der Liebe geschmeckt hat, sucht ihn immer wieder. Das höchste Gut wäre gefunden, könnten wir in einer ununterbrochenen Freundschaft, in einer immerwärenden hochherzigen That leben 4). Und so kann es wirklich sein.

1) The moral. II, 1 p. 232.

2) An inqu. c. virt. II, 2, 1 p. 101. The mental enjoyments are either actually the very natural affections themselves in their immediate operation, or they wholly in a manner proceed from them, and are no other than their effects.

3) Ib. II, 2, 1 p. 122 sqq.

4) Ib. II, 2, 1 p. 105; 159; the moral. II, 1 p. 239. Is there any thing you admire, so fair as friendship? or any thing so charming as a generous action? What would it be therefore, if all life were in reality but one continued friendship, and could be made one such intire act? Here surely would be that fixed and constant good you sought.

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Denn die Lust am Guten führt nicht zur Sättigung und zum Efel und sezt keine vorhergehende Unluft voraus; es fehlt auch nicht der Gegenstand einer beständigen Liebe. Unser Vaterland können wir so lieben, noch mehr die Menschheit und im höchsten Grade die Harmonie der Natur und ihres Meisters, dem wir eine ewige Liebe und Dankbarkeit schuldig sind 1). Diesen Schilderungen der Glückseligkeit, welche das Gute gewährt, stehen andere zur Seite, welche das Elend des Lasters zeigen. Der Streit gegen die geselligen Neigungen zerrüttet uns in unserm Innern und muß uns unglücklich machen, indem er uns mit dem Systeme entzweit, zu welchem wir gehören 2). Alle diese einzelnen Bemerkungen beruhn aber auf dem Gedanken der Einheit, in welcher die Glückseligkeit des Einzelnen auf der Wirksamkeit desselben für das Wohl des Ganzen gegründet ist. In diesem Sinn ist es der Tugend nicht zuwider und nicht als Selbstsucht zu tadeln, wenn man den Genuß des Guten sucht nur des Guten wegen und weil unser eigenes Wohl mit dem Wohle des Ganzen verbunden ist 3). Dies ist die weise 3). Einrichtung des Schöpfers +).

Hiernach dürfen wir unsere eigene Glückseligkeit betreiben und wir können sie auch durch unsere eigenen Anstrengungen gewinnen, weil sie nicht von äußern Gütern abhängt, sondern in der Zufriedenheit mit uns selbst besteht 5). Doch

1) An inqu. c. virt. II, 2, 3 p. 168; the moral. II, 1 p. 239 sqq.

2) An inqu. c. virt. II, 1, 2; 2, 2.
3) Ib. I, 2, 1 p. 15 sq.; 3,

3 p.

65 sqq.

4) Ib. concl. p. 175.

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