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Wahrheit, welches uns nur durch übernatürliches Licht eröffnet werden könnte. Das Unendliche können wir nicht erkennen und dennoch müssen wir den Gedanken des Unendlichen haben, wenn wir im Gegensaß gegen denselben unsere Beschränktheit erkennen sollen 1). In diesem Gedanken an das Unendliche erhebt sich nun Descartes zu dem Ideal einer vollkommenen Erkenntniß, welche alle Einsicht aus dem Gedanken Gottes, des Unendlichen, ableite. Aber dieses Ideal ist uns nicht erreichbar; denn beständig ist unser Denken eines Zusages fähig und Descartes hält es daher geradezu für Tollheit, wenn jemand Gott gleich denken und das Unendliche sich aneignen wollte 2). Von der äußersten Wichtigkeit ist es ihm dagegen, daß der Mensch einmal in seinem Leben die Frage fich vorlege, wie weit die Erkenntniß der menschlichen Vernunft reiche 3). Wenn nun aber auch das Begreifen des Unendlichen uns versagt ist, so hängt doch mit dem Unendlichen alles zusammen; denn wir haben das Bewußtsein unserer Beschränkung nur durch das Bewußtsein des Unendlichen und alles Beschränkte ist nur durch die Einschränkung, welche das Unendliche verneint. Daher hängt auch von Gott dem Unendlichen alles ab. kann nichts auch nur einen Augenblick sein 4).

Ohne Gott

Die All

1) De prima phil. III p. 21; epist. I, 81 p. 279. 2) Princ. phil. I, 24; 26; de prima phil. III p. 22; epist. I

p. 75.

3) Reg. ad dir. ing. 8 p. 22. Sibi proponat examinare veritates omnes, ad quarum cognitionem humana ratio sufficiat, quod mihi videtur semel in vita faciendum esse ab iis omnibus, qui serio student ad bonam mertem pervenire.

4) De prima phil. Resp. VI p. 162; de meth. 4 p. 23; epist. I, 119 p. 382; II, 16 p. 87.

macht Gottes würde uns nicht verlassen dürfen ohne uns in das Nichts zurücksinken zu lassen 1). Daher führt Descartes alles Natürliche, auch die natürlichen Wahrheiten auf Gott zurück. Er erleuchtet uns durch das natürliche Licht und wir dürfen diesem Lichte vertrauen, weil es von Gott kommt. Descartes hat den Gedanken, welchen wir schon öfters mit großem Nachdrucke auftreten sahen, zum Grundstein seiner Lehren gemacht, daß Gott wahrhaft sei und uns nicht täuschen könne. Er beglaubigt ihm alle Erkenntniß, die natürliche nicht minder als die übernatürliche 2). Indem er nun aber in unsern endlichen Gedanken an das Unendliche uns verweist, erblicken wir ein weites Gebiet der Gedanken, welches wir nicht ermessen können. Wir sind auf dasselbe hingewiesen und können uns nicht enthalten in dasselbe hineinzusehen, wenn gleich unsere natürlichen Kräfte nicht ausreichen es zu umspannen. Descartes folgt dem Zuge, welcher uns in dieses Gebiet führt, in mancherlei Wendungen, aber nur um uns bemerklich zu machen, daß wir in natürlichem Wege feine Aufschlüsse über dasselbe erwarten sollten. Da bemerkt er, daß Gottes unermeßliche Macht, welche über alle Dinge nach Willkür schallte, andere Dinge und andere Geseze des Seins und des Denkens hätte hervorrufen können, als die, welche er wahr gemacht hat. Im Sinne der Scotiftischen Theologie behauptet er, Gott

1) De prima phil. Resp. II p. 81.

2) De prima phil. IV p. 25; V p. 34 sq.

Omnis scientiae

certitudinem et veritatem ab una veri dei cognitione pendere, adeo ut priusquam illum nossem, nihil de ulla alia re perfecte scire potuerim.

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hätte auch das Widersprechende wahr machen können; aber mit den Scotiften bezieht er sich auch auf die ewige Weisheit Gottes, welche den Gesezen getreu bleiben werde, nachdem sie dieselben einmal beliebt hat. Unveränderlich wie Gott müßten nun seine Gefeße bestehn 1) und daher könnten wir sie auch durch natürliches Licht erkennen. Gott könnte zwar das Widersprechende; wir aber könnten nicht auf das Widersprechende eingehn, weil wir es nicht denken könnten; wir hätten unsern Geist zwar nicht für der Wahrheit Maaß zu halten, aber doch für das Maaß unserer Behauptungen 2). In diesem Sinn ist es zu nehmen, wenn Descartes immer wieder auf die Behaup tung zurückkommt, daß die Erkenntniß aller Wahrheit, selbst der mathematischen Lehren von der Erkenntniß Got= tes abhänge 3). Alle Wahrheit aus natürlichem Lichte beruht ihm daher auf einer übernatürlichen Wahrheit, welche er anerkennen muß, weil unser Geist das Unend liche, den Grund alles Endlichen, nicht erschöpfen kann. Daher hält er auch, nach Bacon's Vorgangé, davon sich zurück in der Physik die Zwecke der Dinge zu erforschen, weil wir die unendliche Weisheit Gotts nicht faffen könn ten 4), und bescheidet sich die Frage nicht lösen zu können, wie unsere freie Willkür mit der Vorherbestimmung Gottes sich vereinigen lasse 5). Hierher gehört es auch, daß er zwar

1) Ib. Resp. V p. 72.

2) Epist. I, 67 p. 186 sq.

3) De prima phil. Synops. p. 3; Resp. VI p. 163.

4) Ib. IV p. 26; Resp. V p. 70; princ. phil. I, 28; III, 2. 5) Princ. phil. I, 41; epist. I, 8 p. 22 sq; 9 p. 25; 10 p. 27 sq. 1.q 963

behauptet, wir könnten Gott lieben aus natürlichen Kräften, es aber zur Entscheidung den Theologen überläßt, ob dies in verdienstlicher Weise geschehen könnte 1). Genug unumstößliche Geseze der Welt, unumstößliche Grundsäge für unser Denken will er zwar anerkannt wissen; aber fie beruhen doch alle auf einem übernatürlichen Willen Got tes, welchen wir aus natürlichem Lichte zu ergründen uns nicht vermessen dürfen.

Mit allem, was aus natürlichem Lichte erkannt wer den kann, hat es nun die Philosophie zu thun; aber nicht alles, was der Philosophie angehört, hat Descartes in gleicher Weise zum Gegenstande seiner Untersuchungen gemacht. Gleichsam als Einleitung und Vorschule für die Philosophie denkt er sich die Logik. Aber die ge= wöhnliche Logik der Schule hat ihn abgestoßen. Sie weise nicht den Weg der Erfindung, sondern gebe nur Lehren für den Ausdruck dessen, was wir schon wissen. Der Logik soll die Metaphyfik folgen, welche die Grundsäge aller Wissenschaften zu untersuchen habe, gleichsam die Wurzel des wissenschaftlichen Baumes; ihr schließt sich die Physik oder die Lehre vom Weltall an, der Stamm aller Wissenschaften, aus welchem die einzelnen Wissen fchaften, die Medicin, die Mechanik und die Ethik hervorwachsen sollen 2). Von diesen Theilen der Wissenschaft hat Descartes vornehmlich nur die Metaphysik und die Physik bearbeitet. Zwar hat er auch der Logik oder der Methodenlehre wiederholt seine Gedanken zugewendet, aber

1) Epist. I, 35 p. 74.

2) Princ. phil. praef. p. 10 sq.

ohne bedeutende Erfolge. wendend hatte er doch dieselbe Gestalt des wissenschaftlichen Zusammenhanges im Auge, welche Aristoteles beschrieben hatte, indem er die mathematische Methode als Muster verehrte. Seine eigenen methodischen Regeln, von welchen schon früher einiges erwähnt wurde, sind meistens sehr unbestimmt und hängen mit seinen metaphysischen Lehren zusammen; wir werden daher auch im Zusammenhang mit diesen auf sie zurückkommen müssen. Von seiner Methode, wie großen Werth er auch auf sie legte, mußte er deswegen eingestehn, daß sie mehr in Praris als in Theorie bestehe 1). In die einzelnen Wifsenschaften geht er nur gelegentlich ein. Er bekannte, daß ihm für die Medicin der gehörige Umfang der Versuche fehle. Die allgemeinen Grundsäge der Mechanik hat er seiner Physik einverleibt; die besondere Ausführung derselben konnte er nur in den mechanischen Künsten suchen, welche seinen Forschungen fern lagen. Mit der Ethik wollte er nichts zu thun haben 2). Den Gründen, welche er hierzu hatte, konnte das Ansehn seiner vornehmen Schülerinnen nur so viel abgewinnen, daß er in gelegent lichen Äußerungen über die Grundsäge des sittlichen Lebens sich aussprach. Da er von der Physik die Grundsäge der tiefften Ethik herleitete und in der Weise eines Cremoninus und eines Hobbes der Meinung huldigte, daß nur die Medicin die Menschen weiser und flüger machen könnte 3),

Von der alten Logik sich ab

1) Epist. I, 112 p. 362,

2) Epist. I, 2 p. 4.

3) Ib. I, 38 p. 86. Physicae hae veritates fundamentum altissimae et perfectissimae ethicae. De meth, 6 p. 38. Ani

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