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pfindungen durch Wörter darstellt, so kann und muß dieselbe zugleich Mahlerey von Empfindun gen und Leidenschaften an sich seyn. Die Dicht. kunst ist eine solche Kunst und das Sylbenmaaß ein ihr wesentliches nachbildendes Zeichen.

Ich möchte wohl wissen, was daran liege, wenn die Wörter ihrem Inhalte nach die Gefühle und Leidenschaften nicht im eigentlichen Sinne des Worts mahlen, sondern nur ankündigen oder beschreiben? Giebt es denn überhaupt eine Mah lerey burch Wörter, die im eigentlichen Sinne des Worts Mahleren heißen kann, und läßt sich wohl behaupten, daß die Wörter und die Verbin dung derselben ihrer Form nach eine Mahlerey im eigentlichen Verstande geben?» Ferner: muß denn die Kunst, die sich der Wörter zu Zeichen der Leidenschaften und Gefühle, die sie aus. drücken will, bedient, gerade nur Mahlerey; und ́ nothwendig Mahleren seyn? Ist auch das, was an den Reihen von Wörtern, wie sich der V. ausdrückt, ihre Form ausmacht, zur Mahlerey der Gemüthsbewegungen im eigentlichen Sinne ge schickt, und eine eigentliche Mahlerey derselben durch diese Form nur möglich? Ist der Ausdruck Mahleren, in wiefern er von Werken der Dichte kunft gebraucht wird, nicht vielmehr überhaupt metaphorisch, also auch alsdann, wenn er blos dasjenige, was die Form der Wörter mit den Empfin dungen und Leidenschaften gemeinschaftlich haben mögen, ausdrücken soll? Endlich sind eben jene nach der Zeitform bestimmte Beschaffenheiten der Em

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Empfindungen und Leidenschaften nur den Wortern ihrer Form, und nicht auch ihrem Inhalte nach, eigen? und wird nicht dadurch, daß der V., die Beschaffenheiten der Wortzeichen bloß von der Form der leßtern abhängen läßt, die Dichtkunst, die sich dieser Zeichen bedient, zu einer bloßen. Sache für den Gehörssinn erniedriget? Da Mahleren und Dichtkunst nur durch ihre Zeichen, und durch die einem jeden dieser Zeichen oder Darstel-. lungsmittel durch die Natur selbst vorgeschriebenen Schranken, die den Horizont einer jeden von diesen beyden Kunsten bestimmen, verschieden sind, so kann man auch weder sagen, daß die Mahlerey im eigentlichen Verstande dichte, noch die Dicht. kunst im eigentlichen Verstande mahle. Die Mahleren, welche nach dem V. die Reihen von Wörtern ihrer Form nach gewähren sollen, besteht im Grunde in weiter nichts, als einem bloßen Kigel für die Ohren, den auch eine unverständliche und selbst eine sinnlose nach einem Sylbenmaaße geord. nete Verbindung von Wörtern gewähren kann. Wie, wenn diese zufälligen Vortheile, die die Dichtkunst von der Prosodie der Wörter zieht, aufgege= ben würden, und ein Dichter sich gerade nicht unter diese Fesseln schmiegen wollte, so würde er freylich nicht vermeiden können, daß seine Wörter und ihre Verbindung sich nach der Zeitform bequemen müßten; allein das, wodurch sein Werk ein Gedicht genannt zu werden verdient, würde doch gewiß eher in dem Inhalte seiner Composition, als in der Form der Wörterreihe gesucht werden müssen, oder

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man würde befugt seyn anzunehmen, womit unser Verf. gewiß selbst nicht zufrieden seyn möchte, daß auch jeder prosaische Auffaß ein Gedicht sey; denn auch dort bedient man fich der Wörter als Zeichen, die an die Gefeße der Zeit gebunden sind; man kann sie so langsam oder schnell lesen, als man will, wenn nur der Grad der Schnelligkeit nicht so groß ift, daß er der bequemen Faßlichkeit keinen Ein trag thut. Man kann ferner den Wörtern profaischer Perioden Nachdruck und Stärke geben, man kann sie mit Schwäche recitiren, durch den Ton, womit man sie lieft oder vortrågt, kann man ihnen Rauhigkeit, Sanftheit und Wildheit geben auch Stetigkeit und Beharrlichkeit, indem man die ganze Periode in einem und demselben Tone und in demselben Grade der Stärke und Schwäche rc. des Tons bis zum Ende fortleyert; und daß sie auch ei» ner erstaunlichen Mannigfaltigkeit überhaupt fähig find, läßt sich schon von selbst aus der großen Anzahl von Wörtern, die durch die Versehung der 2 4 Buch,' staben möglich sind, und die mögliche Verseßung der Wörter unter einander selbst, abnehmen. Die arme Dichtkunst würde also in diesem Betrachte nichts mehr und nichts weniger seyn, als jede an=" dere Prosa, und nach so kleinlichen Rücksichten ihr nicht einmal ihr mechanischer Theil gesichert wers den können. Es ist nicht anders: Wörter sind

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Wörter, es mag sie der Dichter oder der Prosaist brauchen, und wenn jene vier Beschaffenheiten der Gefühle und Leidenschaften den Wörtern überhaupt zukommen sollen, so hat der Dichter kein

größeres

größeres Recht sich dieser Wörter nach allen ihren durch die Zeit bestimmten Formen zu bedienen, als der Profaist. Oder ist etwas schon dadurch ein dichterisches Kunstwerk, weil es alle Bedingungen erfüllt, die die Gefeße der Prosodie, des Sylbenmaßes, des Rythmus, der Harmonie und überhaupt die Mechanik der Poesie vorschreiben; oder schon dadurch, daß der Gegenstand, der geschildert, gemahlt, beschrieben, oder dargestellt wird, ein Zustand des Gefühls der Just oder Unlust ist? Wenn die Dichtkunst, wie der V. sagt, wirklich eine sol che Kunst ist, welche die Empfindungen durch Wörter, nach ihren vier angezeigten durch die Zeitform bestimmten Beschaffenheiten, (dem Ohre) mahlt, so -- Nein! mein Fr. Sie erlassen mir jeden Nachsaß, der nothwendig die Spur des Unwillens, den ich in diesem Augenblick empfinde, an fich tragen müßte, und ich kann und mag nicht durch einen solchen Ausbruch, wenn er auch noch so gerecht wåre, beleidigen. Aber ich verstoße auch auf der andern Seite nicht gegen das Gefeß der Höflichkeit, wenn ich das mißbillige, was ich nach meiner Ueberzeugung nicht billigen kann. Illa vitiofa, (fagte schon Quintilian) quae jam humanitas vocatur, invicem qualiacunque laudandi confuetudo, eft indecora. andere Darstellungsart eines bestimmten Zustan des der Empfindsamkeit ist nach dem Hen, V.

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Eine

II. »Wenn blos der Gegenstand, der ein Gefühl oder eine Leidenschaft erregt, geschildert wird, ohne dieses Gefühl oder diese Leidenschaft selbst £4

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11, zu mahlen. Hier können die Gegenstände, die geschildert werden sollen, entweder

1) Phantasieanschauungen von wirklichen oder erdichteten Gestalten der Körperwelt seyn, oder es sind

2) Reihen bestimmter Verstandsideen, oder finnlis cher, aber nach Gesehen des Verstandes vers bundener Vorstellungen; - oder endlich

3) Phantasieanschauungen von dem sichtbaren Ausdrucke von Gesinnungen, Empfindungen, Leidenschaften, Handlungen und Schicksalen gewisser Menschen, in Mienen, Bewegungen und Stellungen.c

Ehe ich zur Ausführung dieser drey Fälle und zu dem Unterschiede der schönen Künste, den der Hr. V. auf dieselben gegründet hat, selbst, fortge he, laffen Sie uns zuvorderst die Beschaffenheit dieser Eintheilung prüfen, und zusehen, ob sie alles, mas Gegenstand für die Kunst seyn kann, erschöpfen, und ob sie wirklich alle drey so von einander unterschieden sind, daß jeder einzelne Fall die beyden an, dern ausschließt, mithin auch dadurch der Unter schied der durch sie bestimmten schönen Künste we fentlich ist. Der Künstler schildert also 1. Phane tafieanschauungen von wirklichen und erdichteten Gestalten; 2. Reihen bestimmter Verstandesideen oder sinnlicher nach den Verstandesgesehen verbundes, ner Vorstellungen; endlich 3. Phantasieanschauungen von dem sichtbaren Ausdrucke von Gesinnungen, Empfindungen, Leidenschaften 2c. in Mienen, Bewe gungen und Stellungen. Zuvorderst begreife ich nicht,

was

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