Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

sehr gut in ihren Rahmen. Ja, wahrscheinlich hat Hetel einmal nicht nur dessen Tochter, sondern mit dieser auch dessen Reich gewonnen und ist darum König der Hegelinge, d. i. der Hagenleute. Das Epos hätte ihm nur diesen nicht mehr verstandenen Namen irrtümlich dauernd auch schon zu Beginn seines Auftretens beigelegt, während er ursprünglich zunächst ganz ohne Land als Verbannter oder Flüchtling, höchstens als Seekönig zu denken sein wird trotz der Glommas, über die Wídsid ihn herrschen läfst.. Ich will es nicht verschweigen, dafs diese Erklärung des Namens Hegelinge sehr zur Theorie Panzers stimmen würde; denn im Märchen erwirbt sich ja der glückliche Freier mit der Königstochter zugleich ihr Erbe oder die Anwartschaft darauf.

All das Besprochene bezog sich auf Teile des Kudrunepos, die in ihm an Bedeutung gegenüber dem weit zurücktreten, was sich um den Namen Kudrun selbst gruppiert. Und auch in dieser Haupthandlung der Dichtung sind zwei selbständige Stoffe miteinander verknüpft, die Herwigsage und die Kudrunsage im engsten Sinne.

Auch für die Herwigsage sucht Panzer die Abstammung aus dem Goldenertypus nachzuweisen, aus dem sie übrigens neben der Hetelsage und unabhängig von dieser erwachsen sein soll. Besonders kommt ihm dabei eine Analyse der im Biterolf und in der Pidrekssaga überlieferten Geschichte von Herbort (Herburt) zu statten, die, wie er darthut, mit der Herwigsage ursprünglich identisch ist, was übrigens schon Möller, Aengl. Volksepos 73, gesehen hat.

Auch unter Voraussetzung dieser Identität scheint mir indes der Schlufs (S. 400 f.) gewagt, dass, weil der Biterolf Herbort nach Dänemark weise, Herwigs Heimat Sêlant oder Sewen als das dänische Seeland zu gelten habe. Ich weifs nicht, wie alt die volksetymologische Umdeutung des älteren Namens der dänischen Insel auf deutscher Seite ist; aber ein Volksname Sewen, wie er dem dativischen Landesnamen Sewen zu Grunde liegt, ist als der eines dänischen Stammes jedenfalls unerhört, während im Niederländischen die Bewohner der Provinz Zeeland noch jetzt Zeeuwen heifsen wie im Mittelalter Sêwen und so schon im siebenten und neunten Jahrhundert geheifsen haben, aus welcher Zeit uns ihr Name antikisiert als Suevi überliefert ist: s. Vanderkindere, Bulletin de l'acad. de Belgique 1886, III 11, 219 ff.; Kossinna, Westdeutsche Zeitschr. IX 203. Der Name, der natürlich 'die Meer-' oder auch 'die Seeanwohner' bedeutet got. würde er *Saiwans oder * Saiujans lauten —, passt vorzüglich auf die Bewohner der den Maas- und Scheldemündungen vorlagernden Eilande, und es ist kein Zufall, dafs ebendort die zu Caesars Zeit schon etwas weiter nach Westen gedrängten gallischen Morini, d. i. 'marini', ihren Namen erworben haben. Wenn neben Selant in der Hs. auch Sebe-, Sewenlandt vorkommt, ist dies also nicht ohne weiteres zu ändern und mit Selant zu uniformieren, da Zusammensetzung mit dem Stamme oder wie in Friesenlant mit dem Gen. Pl. des Volksnamens vorliegen kann. Sicher nicht ein Appellativum, sondern der Volksname ist auch in Sturmlant das Bestimmungswort und sein Verhältnis zu Stürmen daher

nicht, wie Panzer S. 110 annimmt, ein ferneres als das von Tenelant zu Tenen.

Im übrigen trägt gerade die Herbortsage in der uns überlieferten Gestalt leider allzusehr den Stempel des Unursprünglichen an sich, und die Versuche Panzers, ihre Grundform zu erschliefsen, sind nicht eben ergebnisreich. Wenn der Name der Heldin in ihr Hilde(burg) ist, wird man diesen allerdings mit Panzer neben Kûdrûn Gûdrûn, das weder mit Herwic noch mit Hetele allitteriert, für alt halten müssen, und mit Recht bemerkt er auch, dafs er in Übertragung auf die Gespielin der Hauptheldin im Epos noch fortbewahrt wird. Über das Verhältnis der Namen Herbort und Herwic enthält sich Panzer eines Urteils. Ein Merowingername, wie er S. 429 Anm. bemerkt, und mit Charibert identisch ist Herbort, d. i. 'Heerschild', freilich nicht.

In dem im Biterolf gemeldeten Kampfe Herborts mit einem Riesen Hugebold verknüpft sich mit einem verbreiteten Märchenzug, auf den ihn Panzer S. 427 ansprechend zurückführt, vielleicht auch die Erinnerung an den Geatenkönig Hygelâc, dem man nach Ausweis des Liber monstrorum cap. 3 schon im siebenten oder achten Jahrhundert ungeheure Gröfse zuschrieb. Dieser Hugebold, heifst es im Biterolf, truoc des landes krône und was ein rise unmâzen grôz: er tete den Kristen leide, ex lebt niht sîn genôz; er wurde demnach als König und Heide gedacht. Und den Sieg über Hygelác, der im Chattuariergau erfochten wurde, lag es nahe einem Sagenhelden zuzuschreiben, den man in nächster Nachbarschaft sefshaft wufste; wie Herwig von Sewen, Selant d. i., wie wir sahen, das niederländische Zeeland so heifst ja auch Herbort im Rosengarten FI 5. 10, IV 27 von dem Rine, wogegen er im Biterolf allerdings nach Dänemark versetzt ist.

,

Dafs der Heidenkönig Sivrit von Môrlant des Kudrunliedes mit dem Normannenkönig Sigifrid identisch ist, der im Jahre 881/2 zusammen mit einem Godofrid in der Maasgegend heerte und bekämpft wurde, hat Panzer S. 345 ff. noch überzeugender, als es bisher geschehen war, vertreten, und wenn dem Herbort ein Kampf mit Goltwart und Sewart zugeschrieben wird, glaubt er hier sogar die Erinnerung an beide Normannenfürsten und ihre Namen bewahrt. Ich denke, dafs die Vorstellung von diesen als von Heiden immer festgehalten war, und dafs man daher den scheinbar christlich benannten Godofrid einerseits ganz fallen liefs, andererseits ihn umtaufte.

Die wichtigste Übereinstimmung der Herbort- und Herwigsage ist aber wohl die, dafs beider Helden Ludwig und Hartmut zu Gegnern haben. Freilich weichen beide in der Art dieser Gegnerschaft voneinander wesentlich ab, denn in ersterer raubt nicht Ludwig die Braut des Helden, sondern ist ihr Vater, und ihm wird sie mit Gewalt entrissen. Nach meinem Dafürhalten liegt hier das Ursprüngliche ganz auf Seite des Kudrunliedes, und vermutlich handelt es sich auf der anderen Seite um absichtliche Differenzierung: man konnte und wollte Ludwig einem Herbort gegenüber nicht ganz die gleiche Rolle spielen lassen wie gegenüber

einem Herwig, dessen Identität mit Herbort doch schon vergessen war. Auch unbewusst aber könnte ein Mittelglied der Sage ausgefallen und dadurch der Vater, dem die Tochter im Kampf abgetrotzt werden musste, mit dem Entführer, dem sie wieder abgerungen wurde, zusammengeflossen sein. Die Art, wie sich Panzer gerade mit diesem Auseinandergehen der beiden Sagen abfindet, zeigt geringe Entschiedenheit. Sie steht auch ganz unter dem Einfluss seiner Ansicht, dafs die eigentliche Kudrungeschichte, die Erzählung vom Exil und der unbeugsamen Treue der Heldin, nicht auf sagenmässiger Überlieferung beruht, sondern Erfindung des Kudrundichters ist.

[ocr errors]

Dieser soll dabei abgesehen von Einflüssen der Salomosage und des Liedes von der wiedergefundenen Schwester, die wir gern anerkennen wesentlich den Apolloniusroman als Vorlage benutzt haben, in dem wir also die Hauptquelle gerade für die wichtigste Person der Dichtung und ihr Schicksal zu erkennen hätten.

Der Inhalt der Historia Apollonii regis Tyri ist, soweit er hier in Betracht kommt (nach Panzer S. 351 ff.), folgender: Auf die Kunde vom Tode des Königs Antiochus hat sich Apollonius von Cyrene nach seinem Vaterlande eingeschifft. Unterwegs gebiert seine Gattin eine Tochter. Sie liegt anscheinend tot und muss rasch, in einen kostbaren Sarg eingeschlossen, über Bord geworfen werden, da die Leiche nach altem Aberglauben das Schiff gefährdet. Die Wogen spülen den Sarg in Ephesus ans Land; dort findet ihn ein berühmter Arzt. Seinem geschickten Schüler gelingt es, das schlummernde Leben in der Scheintoten zu wecken. Die Auferstandene wird auf ihre Bitten unter die keuschen Priesterinnen der Diana eingereiht. Apollonius selbst landet in Tharsus. Er übergiebt dort seine Tochter, die nach der Stadt Tharsia genannt wird, seinen Gastfreunden Stranguillio und Dionysias zur Erziehung und lässt ihr die alte Lycoris, die schon Tharsias Mutter aufgezogen hat, als Amme zurück. Er selbst fährt in ignotas et longinquas Aegypti regiones. Die böse Dionysias bereitet ihrer Schutzbefohlenen bald Nachstellungen, weil deren Schönheit und Bildung ihre eigene Tochter Philomusia allzusehr in Schatten stellen. Sie dingt einen Mörder, und schon ist an einsamem Strande der Stahl auf Tharsia gezückt, als Seeräuber erscheinen und die Jungfrau auf ihr Schiff schleppen. Dionysias sprengt das Gerücht aus, ihre Pflegetochter sei plötzlich gestorben. Tharsia wird in Mytilene als Sklavin versteigert. Ein Kuppler erwirbt sie für sein Lupanar; hier hat die Königstochter die schlimmsten Bedrängnisse auszustehen. Athenagoras, der princeps eiusdem civitatis, will sie ihrer Jungfräulichkeit berauben, sie bewegt aber ihn und alle Nachfolgenden durch ihre Thränen und die Erzählung ihrer Schicksale, von ihrem Vorhaben abzustehen. Ihre Kunst in Vortrag und Gesang verschaffen ihr reichliche Mittel, durch die sie auch dem habsüchtigen Kuppler gegenüber ihre Keuschheit zu bewahren vermag. Unterdessen kommt Apollonius, der eben in Tharsus den angeblichen Tod seiner Tochter erfahren hat, von Stürmen verschlagen nach Mytilene. Dem Athenagoras ist das stattliche Schiff aufgefallen; er geht

an Bord, findet Apollonius in tiefer Trauer unter Deck liegen und sucht ihn zu bestimmen, dass er herauskomme und an der allgemeinen Freude die Stadt feiert gerade das Fest der Neptunalien teilnehme. Da seine Bemühungen vergeblich sind, schickt er dem Trauernden die kunstreiche Tharsia zur Erheiterung zu. Auch sie wird schroff zurückgewiesen. In langem Monologe beklagt sie ihr Geschick und erzählt ihre Erlebnisse. Da erkennt Apollonius in ihr die Tochter. Ein Freudenfest wird gefeiert, der Kuppler verbrannt, Tharsia dem Athenagoras vermählt. Als Apollonius mit den beiden nach Tyrus segeln will, erscheint ihm ein Engel im Traum. Der befiehlt ihm, nach Ephesus zu gehen, dort im Dianatempel seine Erlebnisse zu erzählen und dann in Tharsus Rache zu nehmen an den Peinigern seiner Tochter. Apollonius handelt demgemäss, findet in Ephesus die Gattin, sitzt in Tharsus über Stranguillio und Dionysias zu Gericht und kehrt endlich mit Gattin, Tochter und Schwiegersohn zu Archistrates nach Cyrene zurück.

[ocr errors]

Und diese Geschichte soll mit unserer Erzählung, mit der Kudrundichtung, eine aufserordentliche Verwandtschaft' zeigen! Ich muss gestehen, dass ich blind für sie bin, und dafs mich die Einzelheiten, auf die Panzer zur Begründung seiner Behauptung näher eingeht, nur noch mehr in der Überzeugung bestärken, es hier mit Grundverschiedenem zu thun zu haben. So soll es z. B. eine schlagende Übereinstimmung sein, dals Kudruns Leiden 14 Jahre dauern und Tharsia gerade ebenso lange bei Dionysias gewesen ist. Hier zählen aber diese 14 Jahre von der frühesten Kindheit an, und ihre Leidenszeit ist damit noch lange nicht abgeschlossen. Beachtenswert soll sein, dafs Tharsia ihrer Peinigerin zur Erziehung anvertraut ist und auch Kudrun der Gerlind zur 'Erziehung' übergeben wird, wo es doch an allen Stellen, die davon berichten, ganz klar ist, dafs es sich dabei nur um ein in Zucht nehmen, einen Versuch, sie gefügig zu machen, handelt. Dafs es gerade ein böses Weib ist, durch das Kudrun leidet, hätte, wenn es dafür eines Vorbildes bedurfte, ein zwar

auch nicht ganz aber ebenso nahe liegendes in jeder bösen Stiefmutter in Märchen und Wirklichkeit, denn auch Dionysias ist nur ein solcher Stiefmuttertypus und handelt aus anderen Motiven als Gerlind. Dafs die Männer in beiden Fällen die bessere Hälfte sind, ist dabei so wenig auffallend, als dafs Stief- und Schwiegerväter es nicht zur selben Berühmtheit gebracht haben wie Stief- und Schwiegermütter. Ein Mordanschlag gegen die Heldin in beiden Geschichten steht in beiden in ganz anderem Zusammenhang und fügt sich überall in diesen. Und ebenso bedeutungslos sind alle anderen Ähnlichkeiten. Ein Dichter, dem man es zutraut, seine Vorlagen so frei umzubilden, hatte sie überhaupt nicht nötig und konnte seinen Stoff auch frei nach dem Leben selbst gestalten.

In ähnliche Lagen wie Kudrun werden Frauen besonders zur Zeit der Normannenzüge nicht selten gekommen sein, und wer wird es bezweifeln, dass die eine oder andere sich in ihren Leiden durch Seelengröfse ausgezeichnet hat. Da diese Zeit hinter der unseres Dichters weit zurückliegt, möchte man aber doch eher glauben, dass der Typus der Kudrun,

wenn er aus dem Leben der Wikingerzeit gegriffen ist, ihm schon überliefert, nicht erst von ihm geschaffen ist. Es bliebe uns dann immer noch zu untersuchen übrig, was zur Verknüpfung der Kudrungeschichte mit der Hildesage geführt hat.

Doch halte ich diese Geschichte für noch weit älter und will diese Ansicht in aller Kürze zu begründen suchen. Denn müsste man Panzers Hypothese auch unter allen Umständen ablehnen, auch wenn die Frage offen bliebe, so wird es doch erwünscht sein, etwas anderes an ihre Stelle zu setzen.

Ich gehe davon aus, dafs uns Hildeburg als ein alter Name der Heldin nachgewiesen wurde. Den ältesten Sagenbeleg für diesen besitzen wir durch die Finnepisode des Beowulf, deren Inhalt sich durch das Fragment Finnesburh ergänzt. Dass Finn, der Friesenkönig, der Hildeburh, die Tochter des Hoc, zur Frau hat, diese geraubt hat, wird allerdings nicht ausdrücklich gesagt. Jedenfalls kommt es zu wechselvollen Kämpfen zwischen ihm und ihren Verwandten, die während des Winters durch einen Vertrag und Waffenruhe unterbrochen werden, später aber neuerdings entbrennen. Schliesslich fällt Finn, und Hildeburh wird in ihre Heimat zurückgebracht.

Dafs in dieser Geschichte ein Mythus hereinspielt, liegt auf der Hand, da die eine Partei auch Eotenas 'Riesen' genannt wird. Dafs es die Leute des Finn sind, stimmt sehr gut, denn Finn kennen wir aus der Sage vom Bau der Lunder Domkirche als Name eines Riesen und zwar desjenigen, der dem riesischen smidr der Edda entspricht und der in verwandten nordischen Sagen Vind och Veder, Bläster, Skalle ('Kahlkopf', auch sonst als Riesenname bezeugt) heisst oder auch durch den Teufel vertreten wird. Auch der unter die Götter versetzte Winterriese Ull und sein weibliches Gegenstück Skađi wurden bekanntlich als Finnen gedacht; vgl. noch den Finnenkönig Gúsi, Detter, ZfdA. 32, 449. All das erklärt sich daraus, dafs die Finnen die nördlichste, winterlichste Landschaft Europas bewohnen, als Jäger auf Schneeschuhen einer winterlichen Beschäftigung obliegen und wegen ihres Schamanentums als Zauberer, vor allem als Wettermacher galten.

Dafs Finn und die Eotenas mit den Friesen gleichgestellt wurden, ist ein Seitenstück zu der Vermengung von Burgunden und Nibelungen, ohne dass wir wissen, was die Gleichsetzung eigentlich veranlasst hat.

Ganz dasselbe wie König Finn ist aber auch König Snio, von dem dänische Geschichtsquellen als von einem dänischen Könige melden, der aber in anderen nordischen Quellen als Finnenkönig Snier oder Snær hinn gamli auftritt, und über dessen physikalische Bedeutung kein Zweifel bestehen kann, da sein Name 'Schnee' bedeutet und er einen Vater Jokull 'Gletscher' und Kinder Þorri ‘Januar', Fonn 'dichter Schnee', Drífa 'Schneegestöber' und Migll 'feiner Schnee' hat. Bei Saxo wird er allerdings ganz als menschlicher Herrscher aufgefafst; aber bezeichnend genug tritt während seiner Regierung infolge höchst ungünstiger Witterungsverhältnisse Mifswachs und Teuerung ein, was der Geschichtschreiber zum Anlass

« VorigeDoorgaan »