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Keine eingehende Erklärung vermag ich für das nächtliche Abenteuer Belhs m'es v. 36 ff. zu geben. Wer aber wollte eine so dunkle Stelle überhaupt zu deuten unternehmen?'

Viel leichter als zu den jetzt genannten Stellen wäre es nun, zu den meisten anderen einen Kommentar in der Art Ramon de Cornets zu liefern.

Der merkwürdige Widerspruch zwischen den ersten sechs und den letzten zwei Strophen des Liedes Quand lo rossinhols scheint jetzt gelöst. Das ganze Gedicht ist in seiner Stimmung einheitlich. In den ersten Strophen besingt der Dichter den amor divino, seine Marienminne; mit dem Beginn der siebenten nimmt er vom amor profano Abschied, wobei er denn freilich durch die doppelte Verwendung des Begriffes amor wieder sein Spiel mit dem Hörer treibt.

Deutlich wird nun auch, wie seine Liebe ihn aus vergangenem tiefem Leid erlöst:

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und wie er die Geliebte als Helferin in der Not kennt:

ieu la sai bona tot aitau

ves son amic en greu logau

Pro ai del chan, v. 13.

An das eine aber kann man bei den Worten Mielhs mi fora jazer restitz Que despolhatz sotz cobertor wieder nicht umhin zu denken, dass nämlich die Mitglieder geistlicher Orden gehalten waren, bekleidet zu schlafen, während man bekanntlich im Mittelalter für gewöhnlich nackt schlief.

Aber freilich mufs er auch fürchten, dafs cobezesa ihm ihre Liebe entzieht:

e cre que volers m'engana,

si cobezesa la'm tol

Quan lo rius, v. 24,

denn cobezesa, die Begierde, ist ja die Wurzel aller Sünde.

Ganz natürlich ist nun auch mit dieser Minne der Wunsch verbunden, um der Geliebten willen im Reich der Sarazenen Schweres zu erdulden (Lanquand, v. 12-14). Wenn der Dichter dann in demselben Gedicht v. 22 sagt:

Iratz e gauzens me'n partrai,

quan veirai cest' amor de lonh,

so geht dies wohl auf die Stunde seines Todes, in welcher er Schmerz und Freude zugleich empfinden wird.

Aber freilich kann er nicht gewil's sein, je Mariens Liebe zu erlangen: qu'enaissim fadet mos pairis

qu'ieu ames e non fos amatz,

wie Peire Espanhol (342, 1, Zts. X 161, v. 27) die zur Hölle verdammten Sünder li chaitiu malfadat nennt.

Jedenfalls hat er auf diese Liebe nicht allein Anspruch (s. oben S. 341), wie denn auch Guiraut Riquier von den anderen Liebhabern seiner Dame spricht: Gilos non suy, qui s'amor vol aver De lieys qu'ieu am, ans n'ay mot gran plazer 248, 88, v. 45 (Mahn Werke IV S. 76).

Hält man dies alles zusammen, so wird man, denke ich, mir beipflichten, dafs die amors de terra lonhdana, nach welcher Jaufre Rudel sich sehnt, sehr wohl diejenige bezeichnen kann, zu der Lanfranc Cigala betet (282, 2, v. 68, Pariser Inedita S. 176): Ara vos prec e'us clam merce

que nom siatz lunhdana.1

'Entsprechend betet der Verfasser des Tractat dels noms de la mayre de Dieu (Daurel et Beton p. CIV) Str. 13:

Mayre de Dieu, sertana, gloriosa e pia,

Siatz de mi propdana, quar l'enemicx m'espia.

Das kürzlich von Bertoni abgedruckte, bisher unbekannte Gedicht Jaufre Rudels ist mir zu unverständlich, als dafs ich es irgendwie heranzuziehen wagte. Neues Material für die Entscheidung unserer Frage scheint es mir nicht zu bringen.

Breslau.

C. Appel.

Die Auslassung oder Ellipse.

I.

Es giebt auch in der Wissenschaft Moden. Anschauungen und Ausdrücke treten in den Hintergrund, nicht immer weil sie als irrig und unbrauchbar abgethan worden sind, sondern zuweilen auch weil sie viel, gar zu viel gebraucht und so abgegriffen wurden. So ist es dem in der Erklärung der Sprachen gebrauchten Begriff 'Ellipse' ergangen. Man will von ihr nicht mehr recht etwas wissen. Sie scheint nicht mehr als echt wissenschaftlich zu gelten. Und doch ist, soweit ich Kenntnis habe, noch von niemandem unternommen worden, ihr wissenschaftlich den Garaus zu machen mit dem Nachweis, dafs es keine Ellipse giebt, und dafs das, was man früher damit zu erklären versucht hat, anders erklärt werden mufs. Zuzugeben ist aber ohne weiteres, dass man mit ihr Mifsbrauch getrieben hat. Ganz nach subjektivem Belieben haben ältere Grammatiker und Lexikographen sie oft da angenommen, wo sie etwas vermifsten. Poitevin sieht Auslassungen in conseiller à la cour de cassation, hôtel à la boule d'or (wo man gar nicht einsieht, was denn ergänzt werden soll), poisson à l'eau, wo cuit fehlen soll, Dieu laissa-t-il jamais au besoin, sc. exposés; une atteinte aux vices, sc. faite. Les objets ci-dessus, les vers ci-après lassen sich verstehen auch ohne Annahme von Auslassung, mag es daneben auch les objets ci-dessus nommés geben; Gegenstand und Ort sind dort unmittelbar nebeneinander gestellt. Aber der Mifsbrauch hebt den Gebrauch nicht auf. Es war also nicht recht, das Kind mit dem Bade auszuschütten, sondern man hätte lieber nach einer festen Begriffsbestimmung

1

Vgl. Poitevin, Nouv. Dict. d. 1. Langue Française (Paris, Didot, 1862).

suchen sollen, die es verhinderte, den Begriff der Ellipse ungebührlich zu erweitern.

Wenn uns Redensarten wie à la Saint-Jean, aux environs de la Noël entgegentreten, so fragen wir naturgemäfs, wie das Femininum zu erklären sei, da doch Saint-Jean der Name eines Heiligen ist und es nur heifsen kann: nous célébrâmes un joyeux Noël. Wir müssen uns sofort sagen, dafs hier ein Etwas vorhanden gewesen sein mufs, das diese Sprachform herbeiführte, dafs aber dieses Wirkende verschwunden ist, da nunmehr eine unkorrekt erscheinende Form vorliegt. Die Anomalie kann demnach in einem früheren Sprachstande nicht vorhanden gewesen, vielmehr erst eingetreten sein, als die ehemals vollständige Form durch Auslassung eines Elements verkümmerte. Wir schliefsen hier wie der Naturforscher, der von einem heute unbrauchbar gewordenen Gliede aus der Entwickelungsgeschichte nachweist, dafs es notwendig und nützlich gewesen. So verstehen wir die obigen Formen, sobald wir fête ergänzen, von denen Saint-Jean und Noël als Genitive abhängen. Die Ellipse ist also diejenige Erscheinung in der Sprache, deren grammatischer oder syntaktischer Bau ein Element zu ergänzen zwingt, ohne welches jener Bau nie so hätte werden können. Im Bewusstsein der grofsen Menge ist freilich sein Fehlen nicht; ihr macht es nichts, ob der Sinn in einen regelrechten oder formwidrigen, ja sinnwidrigen Ausdruck gekleidet ist; was daher kommt, dafs die Zwischenglieder ganz allmählich ausgefallen sind und eine ununterbrochene Überlieferung die Bedeutung der betreffenden Formel gesichert hat.

Ist auch Wappen und Inschrift, ja sogar die Wertbezeichnung der Münze abgegriffen, so geht sie doch gültig von Hand zu Hand, weil sie keinen Augenblick aufgehört hat, in Kurs zu bleiben. Und wie wir an den Münzen die verschiedensten Grade der Abnutzung beobachten, von der ersten Trübung des Glanzes bis zu dem Punkt, wo nur noch eine charakterlose Metallscheibe sich darbietet, so ist es mit den Redensarten, weshalb man passend von leichten und starken Ellipsen redet. Die Überlieferung, wie gesagt, überhebt

1 Wie stark sie sein können, zeigen russische Sprüche: kak s-gússa wadá, wörtlich: wie von der Gans das Wasser (abläuft, so läuft von ihm Schelte ab, d. h. er ist ein dickfelliger Patron). ne to schto w-rot, a to

uns des Grübelns, was eine an sich ganz rätselhafte Formel meint; wenn sie aber fehlt, so geraten wir sofort in Verlegenheit, wie sich zeigt, wenn wir einer z. B. altfranzösischen oder altenglischen Ellipse gegenüber geraten.

Es ist damit wie mit den berühmten Scherzfragen: wer die Antwort darauf kennt, der beantwortet sie eben, und die anderen können sich tot raten, ehe sie die Lösung finden. Man kann sie auch mit Signalen vergleichen, deren Sinn nur der Eingeweihte kennt; und wie diesem einmal ursprünglich hat mitgeteilt werden müssen, was sie bedeuten, so mufs es mit der Bedeutung elliptischer Redensarten geschehen. Wie soll ein vernünftiger Mensch darauf haben kommen. können, seine Tochter Schmerzen' oder 'Empfängnis' zu taufen? Wohl aber konnte er sie nennen nach der Mutter Gottes von den Schmerzen oder nach der Jungfrau von der unbefleckten Empfängnis.' Die Hauptsache ist hier schliesslich weggeblieben.

Aber andererseits mufs ich ebenso betonen, dafs nach meiner Ansicht der Sinn derartiger elliptischer Sätze nur deshalb vollständig, weil er durch Überlieferung gesichert ist. In den alten Handschriften werden zahlreiche Abkürzungen gebraucht, der Kundige löst sie so glatt auf, und wer viel mit ihnen zu thun hat, merkt kaum noch ihr Vorhandensein. Man hat ihm entweder einmal gesagt, was sie bedeuten, oder er hat auf Grund seiner Sprachkenntnis sich selbst gesagt, dafs eine bestimmte nur das und nichts anderes bedeuten könne. Jetzt stelle man sich aber einen Neuling davor: dem wird das Dasein eines unaufgelösten, ihm dunklen x peinlich fühlbar werden. Es kommt also auf einen Wortstreit hinaus, wenn man leugnet, dafs die Ellipse unvollständig sei; es ist darauf zu sagen: nicht mehr, aber früher. Man verzeihe mir noch einen Vergleich. In einem gutgeordneten Staat nimmt jeder Papiergeld für voll, und nur die Minderzahl hat sich klar gemacht, dafs zwischen ihm und Gold ein Unterschied ist. Und doch hat es nur so lange seinen Wert, als es durch eine entsprechende Menge von diesem edlen Metall ge

schto iż-rtu, nicht was in den Mund (eingeht), sondern was aus dem Munde (ausgeht, ist böse). Überhaupt liebt die russische Sprache dieses Mittel; sie sagt: Feldwebel (ist) dort; ich werde das Pferd mit der Peitsche (schlagen); es wird dich mit dem Fufse (treten).

1 Dolores; Concepción.

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