Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

stockten Sünders verwandelt werden; so bei dem Dominikanermönch Etienne de Bourbon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Allmählich mag dann die Geschichte vom anfangs räuberischen, dann bekehrten Fürsten auf das gefürchtete normannische Herrscherhaus übertragen worden sein. Ob freilich unter Robert dem Teufel gerade Robert Guiskard verstanden werden müsse, wie Borinski will, scheint auch mir zweifelhaft. Ebenso hat T. unrecht, wenn er in dem Anfang der Sage, von dessen oben erwähnter selbständiger Existenz als Märchen er nichts zu wissen scheint, die kirchliche Umwandlung eines ursprünglich 'dämonischen' Ursprungs in einen 'diabolischen' sieht, etwa in Anlehnung an die Merlinsage. Mit seiner Arbeit ist jedenfalls der interessante Gegenstand durchaus noch nicht erschöpft. Ungemein viel eingehender hat St. Hock den Vampyrglauben der südslavischen Völker, die Verbreitung der Sagen vom blutsaugenden Gespenst bei den westlichen Stämmen und ihre Verwandtschaft mit anderen volkstümlichen Vorstellungskreisen (Seelenglaube, Nekrophilie u. s. w.), endlich ihre Einwirkung auf die Litteratur (Goethes 'Braut von Korinth') auf Grund umfassenden Materials sorgfältig untersucht.

Was die Sammlung des Materials anlangt, so sind seit unserem zusammenfassenden Berichte einige mehr oder minder wertvolle Neuigkeiten erschienen. Zu der Henning schen Übersetzung des für unsere Märchenwelt überaus wichtigen, arabischen Werkes '1001 Nacht' sind die vorgesehenen Nachtragsbände herausgekommen, so dass wir nunmehr das gesamte Material in einer Vollständigkeit, Genauigkeit und Bequemlichkeit beisammen haben, wie es uns niemals früher geboten war. Eine überaus wertvolle Ergänzung hat auch Arnasons isländisches Sagen- und Märchenwerk durch Thorkelssons fleifsige, ergebnisreiche und sorgfältige Nachlese erfahren, die für den versprochenen zweiten Band das Beste erwarten läfst. Vor allem Ortssagen und Legenden sind stark vertreten. Auch Jacobsens ausgezeichnete Arbeit liegt noch nicht abgeschlossen vor. Die 2. Lieferung bringt den Abschlufs der Sagen und den Anfang der Märchen. Das Werk ist in methodischer Hinsicht und seinem Inhalte nach so bedeutend, dass wir nach seiner Vollendung ausführlich darauf zurückzukommen hoffen.

Das gleiche Lob können wir zwei, im Frankeschen Verlage in Leipzig erschienenen, sauber und gefällig ausgestatteten und für populäre Zwecke zweifellos dienlichen Sammlungen in wissenschaftlicher Hinsicht nicht erteilen. Königs 'Thüringer Sagenschatz' geht, mit hübschen Bildern geziert, schon zum zweitenmal in die Öffentlichkeit. Die 4 Hefte bringen in zusammenhängender Erzählung die Sagen von Friedrichsroda, von Ruhla, vom Hörselberge und von Waltershausen. Leider aber sind die Texte nicht im Stil des Volkes, in genauer Wiedergabe des Wortlautes mitgeteilt, sondern in litterarischer Überarbeitung. Aus demselben Grunde ist auch R. Eckarts Werk für die Wissenschaft so gut wie wertlos, zumal es auf älteren, besseren Quellen beruht, die dem Forscher nicht verschlossen sind (Bechstein, Kuhn und Schwartz u. s. w.). Unmittelbar

aus archivalischen Quellen schöpft Geyer, und insofern ist seine Sammlung für die Lokalgeschichte sicherlich von hohem Werte. Der Volkskunde wird weniger Nutzen daraus erwachsen, da der Verfasser die lebende, mündliche Überlieferung gar zu wenig herangezogen hat. Rüstigen Fortgang hat die klassische Sammlung von Reiser genommen, der nun Sitten und Bräuche in gleicher Reichhaltigkeit und mit derselben Genauigkeit und Schlichtheit vorführt wie früher die Sagen des Allgäus. Gute Illustrationen erhöhen den Wert des durchaus zuverlässigen Buches.

Sagen und Sitten werden auch in einer trefflichen, amerikanischen Arbeit behandelt, die hier Erwähnung finden mufs, weil sie uns den Beweis dafür giebt, mit welcher sicheren Handhabung der Methode und mit wie staunenswerter Sachkenntnis und Quellen beherrschung jenseits des Oceans unsere Wissenschaft betrieben wird. Lawrence breitet nicht nur die Fülle abergläubischer Meinungen und Bräuche, die bei den verschiedensten Völkern an das Hufeisen angeknüpft werden, vor uns aus, wobei eine Menge von Nebensachen kurz berührt oder ausführlich erörtert werden, er untersucht auch die verschiedenen folkloristischen Elemente, aus deren Zusammenwirken sich die abergläubische Verehrung des Hufeisens mit Notwendigkeit ergeben mufste; seine eigentümliche, symmetrische Form stellte es von vornherein in eine Linie mit verwandten symbolischen Zeichen, seine Läuterung im Feuer gab ihm bei vielen Stämmen etwas Geheimnisvolles, sein Verfertiger, der Schmied, ist von jeher eine hochgeachtete, in Sage und Heiligen legende, wie auch im Volksmärchen gern verwandte Gestalt gewesen, und sein Träger, das Pferd, spielt in der Mythologie und im Aberglauben eine grofse Rolle. Bücher, wie das vorliegende, sollte man in Seminarübungen methodisch zergliedern lassen, damit es auf die gleich gründliche Behandlung gleich wichtiger und verwandter Themata kräftig anregend wirke. So wäre der dankbare Gegenstand, den Wigand in seinem Büchlein mit dem unappetitlichen Titel behandelt, einer erneuten Bearbeitung nach jenem Muster wert, wobei denn vor allem, was W. nicht gethan hat, volkstümliche und litterarisch überlieferte, gelehrte und laienhafte Ausdrücke streng zu scheiden wären. Gleich dilettantisch, aber weit angenehmer zu lesen und darum für die Einführung der Volkskunde in weiteren Kreisen wohl geeignet, sind die 'Streifzüge' von Knortz, der als Schulsuperintendent zu Evansville (Indiana, U. St.) besonders vertraut mit dem deutsch-amerikanischen Volkstum ist und eifrig für unsere Wissenschaft wirkt. Ihr hat er auch eine knappe, durchaus empfehlenswerte Übersicht gewidmet, deren einzelne Punkte in teils einfach Material sammelnden, teils aber auch gehaltvollen, anregenden Anmerkungen weiter ausgeführt werden. Gefährlich freilich können K.'s leichtere Arbeiten da wirken, wo sie sich auf mythologisches Gebiet wagen, den Tummelplatz des echten Dilettanten, der die allertiefsten und schwierigsten Fragen, die unsere germanische Philologie aufzustellen hat, im Handumdrehen lösen zu können glaubt. Ich bedaure herzlich, Siecke trotz seiner jahrelangen, eingehenden Beschäftigung mit dem Götterglauben unserer Vorfahren nicht viel höher einschätzen zu können. Seine

'Methode', die er früher in Einzelabhandlungen praktisch übte, sucht er nun theoretisch in Briefform zu rechtfertigen; wir halten selbst diese Form für unglücklich, denn auch die Einwände und Bedenken, die der fingierte Korrespondent erhoben haben soll, sind aus S.'s subjektiven Anschauungen heraus so formuliert, dafs er sie leicht über den Haufen rennen kann. Diese 'mythologischen Briefe' sind vielleicht noch temperamentvoller, aber bei weitem nicht so klar geschrieben wie jene von J. H. Vols, von denen Titel und Form entlehnt sind. Auch stören die hypermodernen Anspielungen auf Jesuitengesetz, Gymnasialreform u. dgl. die ruhige Diskussion. Was die Methode an sich betrifft, so gebe ich S. gern recht, wenn er Lipperts Seelenkulttheorie in ihre Schranken weist, aber er selber verfällt in denselben Fehler, wenn er so ziemlich alle mythologischen Gebilde auf Sonnen- und Mondmythen zurückführt, die nun ihrerseits sogar ineinander übergehen können. Es kommt hier blofs auf den Standpunkt an: bei einiger Geschicklichkeit kann man überall Anknüpfungspunkte finden und je nach Belieben oder vorgefafster Meinung sämtliche Mythen auf den Wind oder das Gewitter oder die Gestirne, auch auf das Wasser u. a. zurückführen. Immer geistvoll und anregend, hie und da das Richtige treffend, oft genug willkürlich in den Deutungen und verworren in den Kombinationen, kann das Werk dem der Volkskunde Beflissenen nur mit Vorbehalt empfohlen werden.

Soviel zur Volksdichtung in Lied und Sage. Wir weisen unsere Leser, die uns durch so viel mannigfach verschlungene Pfade freundlich gefolgt sind, zum Schlusse noch auf ein ganz vortreffliches und hervorragend schönes Werk hin, das des höchsten Lobes würdig ist und manchem unter uns ein volkskundliches Museum ersetzen mufs: Kretschmers Trachtenwerk, das in seiner zweiten, billigen Ausgabe dazu bestimmt ist, unsere Bestrebungen auch in die Familien hineinzutragen. Selbst die Schule wird an einem so ausgezeichneten Unterrichtsmittel nicht achtlos vorübergehen, zumal den farbenprächtigen Tafeln, die alle deutschen Stämme vorführen, jedesmal ausführliche und sachkundige Erläuterungen beigefügt sind.

So blüht und treibt es allenthalben in unserer jungen Wissenschaft, und hoffnungsfreudig darf ein jeder, dem sie ans Herz gewachsen ist, in die nächste Zukunft blicken.

Würzburg.

Robert Petsch.

The Christ of Cynewulf. A poem in three parts, the Advent, the Ascension, and the Last Judgment translated into english prose by Charles Huntington Whitman, fellow in English of Yale University. Boston, 1900.

Den bisherigen englischen Übersetzungen von Cynewulfs Christ durch Thorpe in seiner Ausgabe des Codex Exoniensis und durch Gollancz in seinen beiden Ausgaben des Christ stellt sich hiermit eine neue Übersetzung, und zwar in ungebundener Rede, zur Seite. Sie wurde unter

nommen auf Veranlassung von Professor Albert S. Cook, an dessen Ausgabe des Christ sie sich im Text und in der Interpunktion anschliefst. Es war dem Verfasser darum zu thun, 'to combine faithfulness with literary quality', und es mufs gesagt werden, dafs er sich seiner Aufgabe in anerkennenswerter Weise erledigt hat. Die Übersetzung wird dem gebildeten Laien in einer angenehmen Form die Kenntnis des altenglischen Gedichtes vermitteln können, aber auch dem Fachmann eine nicht unwillkommene Beigabe sein.

Berlin.

Heinrich Spies.

Old English Glosses edited by Arthur S. Napier (Anecdota Oxoniensia: mediaeval and modern series, part XI). Oxford, 1900. XL, 302 S.

Seit der Publikation des Wright -Wülckerschen Glossenwerkes (1883) haben wir keine so umfangreiche zu verzeichnen wie die vorliegende, aber es giebt auch, was gleich hervorgehoben sei, kaum eine, die ihr an Sauberkeit der Ausführung und Zuverlässigkeit des gebotenen Materials gleichkommt. Alle Fachgenossen werden dem Herausgeber für die ebenso schwierige wie entsagungsvolle Arbeit Dank wissen. Von den Schwierigkeiten, die bei der Bearbeitung der Glossen zu überwinden sind, wird uns in der Einleitung ein anschauliches Bild entworfen. Zunächst kommt es vor, dafs der Glossator nicht das Lemma selbst, sondern die lateinische Glosse dazu übersetzt. Oft schreibt er nur einige Buchstaben der Glosse hin,' darauf vertrauend, dafs die Leser das Fehlende ohne weiteres werden ergänzen können; gerade dadurch aber ist eine Reihe von Worten in den Lexiken falsch angesetzt worden. Eine weitere Quelle von Irrtümern liegt darin, dass die Glosse nicht über dem Worte steht, zu dem sie eigentlich gehört, sondern da, wo gerade Platz war, sei es auf dem Rande, unter der Zeile oder über dem nächsten Worte. Sehr häufig haben sich falsche Formen eingeschlichen, indem entweder ein Schreiber in alter Zeit oder spätere Herausgeber die Vorlage schlecht gelesen haben. Auf das Konto der letzteren kommt es meist, wenn zwei Worte als eines gedruckt werden oder ein Wort in zwei zerlegt wird. Dann finden wir auch, dass der Glossator das Lemma gar nicht verstanden oder nur einen Teil des Wortes wiedergegeben hat, daher dann falsche Bedeutungen in den Wörterbüchern verzeichnet werden. Ferner haben wir es mit Fällen zu thun, wo der Glossator mehr den ganzen Zusammenhang als den Sinn der einzelnen Worte im Auge hat, also eine ungenaue oder unvollständige Übersetzung bietet, was wiederum allzu häufig zu Mifsgriffen Veranlassung giebt. Endlich wird die Aufgabe des Herausgebers dadurch erschwert, dass manche Glossen in das Pergament mit der Feder eingeritzt, also nur schwer oder gar nicht zu lesen sind. Napier handelt über diese 'scratched glosses', die er mit Recht in den meisten Fällen unberücksichtigt gelassen

1 'Merography' nennt dies Logeman (Angl. 13, 29).

hat, in seiner Einleitung (p. XXXIII); dort giebt er auch in der Anmerkung eine ganze Reihe von Proben solcher Glossen. Im ganzen sieht man also: es sind der Fallstricke gar viele, in die der Herausgeber geraten kann.

Nun zu dem eigentlichen Inhalt des Buches. Die Einleitung giebt zunächst eine Beschreibung der benutzten Handschriften, sodann einen Überblick über deren Verhältnis zueinander, soweit sie die Werke Aldhelms betreffen; dieser Autor, zumal seine Schrift 'de laudibus virginitatis', ist nämlich in erster Reihe von den Glossatoren berücksichtigt worden. Das ist auch sehr erklärlich, wenn man die dunkle und geschraubte Ausdrucksweise Aldhelms und seine Vorliebe für selten gebrauchte Worte in Betracht zieht. Speciell das eben erwähnte Buch von ihm, das ursprünglich für Nonnen bestimmt war, deren schwache Kenntnisse des Lateins noch mehr der Nachhilfe bedurften, ist in der Brüsseler Handschrift schon durch den breiten Zwischenraum zwischen den Zeilen darauf angelegt, glossiert zu werden (Mone, Quellen und Forschungen, 324). Doch auch andere Werke von ihm sind hier vertreten, vor allem die Rätsel und die Schrift 'de octo principalibus vitiis'. Was wir sonst gedruckt finden, steht an Umfang und wohl auch an Bedeutung hinter dem oben Erwähnten zurück, obschon z. B. die Publikation von Aelfric Bata's Version von Aelfric's Colloquium als dankenswert hervorgehoben werden mag. Manchmal handelt es sich nur um zwei oder drei Glossen zu einem Schriftsteller. Einzelnes hat übrigens Napier schon früher veröffentlicht, wie z. B. die Glossen zu Aldhelm 'de laudibus virginum' (Nr. 18 B), die zu 'Isidorus contra Judæos' (Nr. 40) und die mercischen Glossen zu 'Priscian u. Donatus' (Nr. 53) und die 'Glossæ in Psalmos' (Nr. 54).

Die meisten Glossarien gewähren für grammatische Untersuchungen wenig Stoff; zeigt doch die grofse Mehrzahl die Sprachformen der spätwestsächsischen Periode. Eine Ausnahme bildet die hochwichtige DigbyHandschrift [D] aus dem 11. Jahrhundert, das umfangreichste Stück von allen, denn es enthält rund 5500 Glossen, mehr als alle übrigen zusammen genommen. Diese Handschrift ist aufs engste verwandt mit der schon genannten in Brüssel [H], deren Glossen Bouterwek in der ZfdA. Bd. IX herausgegeben hat, so zwar, dafs sie beinahe Wort für Wort übereinstimmen. Beide sind stark mit kentischen Formen durchsetzt, Hallerdings mehr als D; D hat übrigens in vielen Fällen H gegenüber die bessere Lesart. Mit diesen beiden bildet eine Gruppe die Hds. Royal 6 B VII. Sie geht auf denselben Archetypus zurück wie die gemeinsame Vorlage für D und H, die in ihr stehenden Glossen sind aber frei von den für jene charakteristischen Kenticismen. Dieser Gruppe steht eine andere, ebenfalls aus drei Handschriften bestehende gegenüber: die SalisburyGlossen (herausgegeben von Logeman: Angl. XIII, 26) und Nr. 7 und 8

1 Ein merkwürdiges Gedicht über ihn, halb englisch, halb lateinisch, hierin also den Schlufsversen des Phönix ähnlich, ist in der Einleitung p. XIV gedruckt. Die Handschrift (im Corpus Christi College, Cambridge) stammt aus dem 10. Jahrhundert; die Verse, welche eine Reihe griechischer Worte enthalten, wird man sich wesentlich früher, etwa in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, entstanden denken müssen.

Archiv f. n. Sprachen. CVII.

11

« VorigeDoorgaan »