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durchsetzt. Das ist doch der einfache, sich ganz von selbst darbietende Zusammenhang, der durch die angezogene Stelle durchaus gerechtfertigt wird.' Nolte hält es für ungeheuerlich, dass Wolfram in dem einen Teile seines Gleichnisses drei Faktoren haben solle, die Elster und schwarz und weifs, in dem anderen aber nur zwei, zwivel und mannes muot. Darin eben liegt die Tüftelei. Wolfram hat ja gar nicht drei Begriffe im Gleichnis: er vergleicht ja nicht die Elster als Träger der Farben, sondern die Farben schwarz und weifs in ihrer Mischung selbst. xwîvel und mannes muot entsprechen dem schwarz und weiss, weiter wollte der Dichter nichts sagen; dafs beide an einem Subjekt haften müssen, ist ja selbstverständlich, jene beiden an einer Person, diese an der Elster.

Daraus folgt nun aber weiter, dass unverzaget mannes muot in V. 3 in demselben Sinne vom Dichter gebraucht sein mufs wie V. 14 der mit staten gedanken, denn der Gegensatz zu zwîvel ist eben state. Unverzaget mannes muot wird hier von Wolfram von vornherein als ein sittlicher Begriff eingeführt, der für sein ganzes Gedicht die gröfste Bedeutung hat. Sein Verhältnis zur state ist etwa so zu fassen, dafs state die Charaktereigenschaft an sich ist, unverzaget mannes muot aber ihre am deutlichsten in die Augen springende Bethätigung. Nolte sagt S. 21 mit Berufung auf Parzival 344, 2 ff., dafs Mannesmut an sich von Wolfram durchaus nicht so hoch gestellt werde. Dieser Einwurf ist aber ganz unberechtigt, denn Wolfram nimmt an jener Stelle Gelegenheit, den landläufigen Begriff des Mannesmuts im Sinne des wüsten Dreinschlagens zurückzuweisen ; sie ist also geradezu eine Bestätigung unserer Auffassung. Die stärkste Bestätigung dieses Gedankenzusammenhanges liegt aber am Schlusse des Eingangs selbst, wo das Thema des Gedichts ganz klar und unzweideutig ausgesprochen wird:

ein mare wil i'iu niuwen,

daz seit von grôzen triuwen,

wîplîchez wîbes reht

und mannes manheit also sleht,

diu sich gein herte nie gebonc.

von grôzen triuwen ist der Rahmen, in dem sich das Ganze bewegt; in ihn gehört auch Parzivals xwîvel, ja sein Abfall von Gott mit hinein, denn triuwe war ihm ûf gerbet, er verlor sie auch nicht in diesem Zustande. Insbesondere aber treten in diesem Rahmen als die treibenden Kräfte hervor wiplichez wibes reht, echte Weiblichkeit, und die manheit, diu sich gein herte nie gebouc, die in keinem harten Kampfe unterlag. Dafs

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Vgl. dazu 295, 7 den geparrierten snê (Schnee und Blutstropfen), ferner mit dem Accusativ: 201, 25 diu wip parrierent ir zuht (mit ungenuht), Wh. 326, 20 den wîn mit salveien parrieren, Parz. 458, 15 den sündebæren gedanc gein der kiurche parrieren, überall liegt bei der Anwendung des Wortes ein Hauptbegriff vor, der mit etwas anderem verbunden wird, also unmöglich: etwas parriert sich setzt sich aus verschiedenem zusammen, nämlich aus dem und dem; sondern etwas (das der Grundbegriff ist und bleibt) verbindet sich mit etwas anderem, mehr oder minder entgegengesetzten.

auch hier nicht blofs Waffenkämpfe gemeint sind, sondern auch seelische, manheit also in dem oben geltend gemachten sittlichen Sinne gebraucht ist, scheint mir aus 4, 18 er kūene, træclîche wîs, das sich zweifellos auf Parzivals sittliche Entwickelung bezieht, zu folgen, nicht minder aus 4, 22 vor missewende ein wâriu fluht, aber ich will nicht verhehlen, dass ich in Parzival keine Stelle weiter kenne, die herte von Seelenkämpfen gebrauchte. Aber auch wenn diese Beziehung hier nicht deutlich bezeichnet ist, so ändert das nichts an der Thatsache, dafs der Dichter den unverzaget mannes muot im Sinne des idealen ritterlichen Geistes an Parzival verherrlichen wollte, dafs dieser sich bei ihm zwar mit dem zwivel parriert, aber trotzdem ihn durch diese Gefahr hindurch zum Himmel führt. Nicht ausdrücklich mit genannt ist hier die andere Seite des idealen Rittersinnes, die treue Minne, aber sie ist bei Wolfram unzweifelhaft mit dem idealen Mannesmute verbunden. 4, 22 vor missewende ein wâriu fluht steht in unmittelbarem Zusammenhange mit er wîbes ougen suexe unt da bî wîbes herzen suht. Der Dichter denkt also zweifellos in dieser Charakteristik seines Helden auch an die treue Minne, der er an mehr als einer Stelle bekanntlich die Kraft, selig zu machen, zuschreibt. Mannesmut und treue Minne und Treue überhaupt sind in dem Begriff der state vereinigt. In diesem Sinne ist allerdings Treue der Grundzug in Parzivals Wesen, der ihn in den Verirrungen der Jugend, der Zeit sittlicher Unreife, nicht untergehen läfst. Nolte sagt: 'Dadurch, dafs er während der Zeit des Abfalls doch die Treue in anderen Verhältnissen, vor allem die Treue zu seiner Gattin, bewahrt, hat er an Himmel und Hölle Anteil und darum noch Aussicht auf Rettung'. Wie aber gelangt er nun wirklich zur Rettung? Die 'Treue in anderen Verhältnissen' mufs doch eine innere Beziehung dazu haben. Wollte Wolfram 'Treue in anderen Verhältnissen' neben der Untreue gegen Gott beziehungslos nebenher gehen lassen, so wäre das recht oberflächlich. Es ist aber vielmehr das Festhalten an den ritterlichen Idealen, Mannesmut und treue Minne, das Parzival in der Zeit des Unglücks, in das er durch seine sittliche Unreife gekommen war, aufrecht erhält und ihn diese sittliche Unreife allmählich überwinden lässt, so dass er bei Trevrizent seine Verirrungen erkennt und von ihnen geheilt wird. Nun ist der Zustand des zwivels überwunden, und der Weg zum Himmel steht ihm offen. Ich habe schon vor 16 Jahren (Hohelied S. 86) die Ansicht ausgesprochen, dafs Wolfram ein edles, sittlich vertieftes Rittertum mit allgemein christlichen Lebensgrundsätzen, doch ohne theologische Interessen, als höchstes Lebensziel angesehen habe. Darauf kommt auch Nolte hinaus, wenn er S. 33 sagt, dafs Wolfram persönlich im Glauben zu fest und für rein theologische Spekulationen zu wenig interessiert war, als dafs Zweifel und Verzweiflung an Gott für sein Nachdenken ein Problem hätten sein können, und dafs nicht religiöse, sondern sittliche Begriffe die Angeln seiner Weltanschauung seien. Er hätte hier wohl bemerken können, dass ich zuerst diese Anschauung geltend gemacht habe. Ebenso richtig sagt er S. 65, dafs Wolfram 'den, der untreu gegen Gott selbst ist, darum noch nicht für verloren hält, wenn er zugleich in rein mensch

lichen Verhältnissen Treue bewahrt', nur müfste er hinzufügen, dafs diese Treue der echte Rittergeist ist, der den Charakter schliesslich so bildet, wie er sein soll. Dazu gehört aber unbedingt auch Gottesfurcht, und Parzivals ritterlicher Idealismus, der auf der ihm angeerbten Treue (415, 6) beruht, bietet die Anknüpfungspunkte für seine Bekehrung.

Wenn ich alles überschaue, so finde ich, dafs Noltes Auffassung des Dichters sowohl wie des Charakters Parzivals sich nicht allzuweit von der meinigen entfernt; die Differenzen sind mehr formal logischer als sachlicher Art, und die abstrakte Logik führt den Verfasser auf die dargelegten Irrtümer. Das ist so oft die Begleiterscheinung des jugendlichen ersten Wurfes. Ich habe das auch insbesondere gegenüber der Kritik des Verfassers an meiner Schrift 'Das Hohelied etc.' geltend zu machen. Was er S. 27-28 an angeblichen Widersprüchen in meinen Ausführungen aufzählt, hat ihm die Suche nach Fehlern gegen die formale Logik eingegeben. Er bezeichnet es als eine 'sonderbare Folgerung', die man aus meinen Ausführungen ziehen müsste, dass 'die sittliche Festigkeit die sittliche Haltlosigkeit' überwinde. Nach den vorstehenden Ausführungen wird man leicht erkennen, dass hier ein Widerspruch nur formal konstruiert, sachlich aber nicht vorhanden ist. stæte und unstæte (zwîvel) sind doch auch nach Nolte in ein und demselben Manne zugleich vorhanden. Nolte bemängelt ferner die Gleichsetzung von 'sittlicher Haltlosigkeit und 'sittlicher Unfertigkeit' ich weifs nicht, warum. Endlich sieht er einen Widerspruch, wenn ich sage, dafs Parzivals Mannesmut in der Jugend nur blinder Abenteuerdrang gewesen sei, und dafs er im religiösen Konflikte doch bei seiner natürlichen Herzensreinheit nicht ohne sittlichen Halt blieb. 'Aber der sittliche Halt fehlte doch gerade Parzival', sagt Nolte, 'und der Mannesmut war es, der den Zustand sittlicher Haltlosigkeit überwinden sollte. Wie soll man das zusammenreimen?' Das ist so schwer nicht, wenn man sich nicht blofs an die Worte hält, sondern dem ganzen Zusammenhange nachgeht. So ist es mit allen weiteren Einwürfen auch. Eins mufs ich allerdings zugeben. In meiner Übersetzung (Einleitung) ist in der 2. Auflage stehen geblieben S. 22: 'Der Zweifel (zwîvel im religiösen Sinne) ist Feind des Seelen heils'. Das ist natürlich ein Widerspruch, den ich bedaure, ein Irrtum, der sich aus der ersten Auflage, die vor der Schrift vom Hohenlied erschienen war, in die zweite eingeschlichen hat. Ich bin der Gelegenheit dankbar, dies hier bemerken zu können.

Über den Abschnitt 1, 15-2, 22 will ich mich kurz fassen; seine Auslegung hat, wenn man, wie es auch Nolte thut, anerkennt, dafs Wolfram sich mit ihm an sein Publikum wendet, und zwar veranlasst durch die Stellungnahme desselben zu seinem Werke, nur philologisches Interesse im engeren Sinne. Der Gedankengang Noltes ist auch hier sehr geschraubt, wie aus der Skizze oben erhellt. Statt 1, 20 ff. in unmittelbaren Gedankenzusammenhang mit 1,15-19 zu setzen als eine Reihe von Bildern für das mangelnde Verständnis der tumben, sollen V. 20 plötzlich eine Reihe von Bildern einsetzen für den Satz: swivel mac mit state niht gesûn. Ganz abgesehen davon, dafs das wahrhaftig keine so bedeutende Lebensweisheit

ist, dafs sie mit so schwierigen Bildern erläutert werden müfste, mit denen Wolfram sie sogar absichtlich verdunkelt, um den tumben 'eine noch härtere Nuss zu knacken aufzugeben', ist der Gedanke selbst auch geradezu unvereinbar mit der Absicht des Dichters. Wenn er wirklich die in 1, 1–14 gegebene Lehre den tumben höhnend immer wieder in wechselnden Formen in die Ohren rufen wollte, so hätten die Bilder doch gerade bedeuten müssen, dass xwîvel mit stæte parriert sein kann, nicht aber, dass zwîvel mit state niht gesin kan. Wie viel klarer erscheint da die Auffassung von 1, 20-25 als parallele Bilder zu 1, 18. 19 und 1, 25—2, 4 als Äufserung des persönlichen Unwillens gegen die tumben!

Dieselbe Unklarheit finde ich endlich auch in der Auffassung von 2, 17–22. Hier soll nach Nolte endlich der in 1, 1. 2 angedeutete Grundgedanke für tumbe und wise in klarer, nachdrücklicher Umschreibung aufgestellt werden:

valsch geselleslîcher muot

ist zem hellefiure guot.

Das wäre erstens einmal wieder eine sehr banale Lehre, die diesen Aufwand von Gleichnissen und Umschreibungen, der vorausgegangen ist, in keiner Weise rechtfertigt, zweitens aber ist es ja gar nicht der Hauptgedanke, der dem Verständnis solche Schwierigkeit bereitete. 1, 1. 2 steht doch nur da mit Beziehung auf das Folgende! Nicht in dem Satze von der Seelengefährlichkeit des zwivels an sich liegt die Schwierigkeit, sondern in dem Satze von dem parrieret sein. Dafs dieser Gedanke den Dichter zu seinen Ausführungen 1, 15 ff. brachte, lehrt doch ganz deutlich die Anknüpfung diz vliegende bispel. Das scheint Nolte in seinen schwierigen Gedankengängen ganz vergessen zu haben. Wir werden also wohl auch hier bei der Deutung bleiben müssen, dass der Dichter jetzt von valschen spricht, wie vorher von wisen und tumben.

Dafs die Dissertation Noltes zu so eingehender Beschäftigung nötigt, beweist, dafs sie ihren Wert hat. Wir lernen aus ihr einen sehr scharfsinnigen, methodisch trefflich geschulten jungen Gelehrten kennen, von dem für die Wolframforschung etwas zu erwarten ist. Habe ich mich auch fast auf der ganzen Linie seiner Interpretation ablehnend verhalten müssen, so bekenne ich doch, dass ich die Arbeit mit grofsem Interesse und Nutzen gelesen und studiert habe. Künftige Arbeiten werden noch willkommener sein, wenn er darin weniger bestimmt und absprechend gegen seine älteren Vorgänger auftritt.

Berlin.

G. Boetticher.

Dichter und Darsteller. Herausgegeben von Rudolf Lothar. I. Goethe. Von Georg Witkowski. Leipzig, Berlin u. Wien, Verlag von E. A. Seemann u. der Gesellsch. f. graph. Industrie, 1899. 290 S. gr. 8.

Die neue Sammlung führt sich mit diesem Bande aufs vorteilhafteste ein. Die Ausstattung, um zunächst ein Wort hiervon zu sagen, Archiv f. n. Sprachen. CVII.

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ist, wie man es von dem Seemannschen Verlag nicht anders erwarten wird, vorzüglich. Unter den zahlreichen (153) Abbildungen, die das Buch schmücken, ist namentlich die Reihe von Goethebildnissen dankenswert, die nahezu alles aus den verschiedenen Lebensaltern Bekannte umfasst; aber auch eine grosse Anzahl von Freunden und Zeitgenossen des Dichters sowie von landschaftlichen Eindrücken werden zur Anschauung gebracht. Der Text nun, den Witkowski geschrieben hat, erhebt sich beträchtlich über den Durchschnitt, an welchen uns illustrierte Monographien ähnlicher Art in den letzten Jahren gewöhnt haben. Die Vollständigkeit des Materials tritt ebenso vorteilhaft hervor wie die geschickte Beherrschung, mit der ein so überreicher Stoff auf verhältnismässig kurzem Raum verarbeitet ist. In die Tiefe zu bohren bietet eine Darstellung dieser Art freilich nicht die Möglichkeit, aber man hat auch nirgends den Eindruck von Flachheit oder gar Oberflächlichkeit. Der Verfasser erzählt, für den Kenner mancherlei andeutend, für das grosse Publikum überall klar und belehrend; eigenes Urteil, namentlich in Bezug auf die Dichtungen Goethes, tritt durchweg hervor. Naturgemäfs kann ein solches nicht überall auf allgemeine Beistimmung rechnen. Dafs 'die spätere Überarbeitung des Urfausts die Kraft der früheren Teile zu Gunsten der reineren Form etwas geschädigt hat', wie sich Witkowski (S. 80) freilich vorsichtig drückt, will mir nicht einleuchten. Und geradezu unverständlich ist, was der Verfasser S. 110 mit dem Satze meint: 'Was Goethe in Weimar festhielt, war nicht etwa die freundschaftliche Neigung zu Karl August, nicht das Interesse an die Menschen, die den Herzog umgaben, oder an seinem Ländchen, nicht die Liebe zu einer bedeutenden Frau; es war in erster Linie das Beharrungsvermögen, das Goethe alle Widerwärtigkeiten des neuen Daseins ertragen liefs'. Ein Fehler in der Anordnung ist es, wenn Witkowski das Verhältnis zu Frau von Stein erst, nachdem er Goethes äufseres und inneres Leben in der ersten Weimarer Periode dargestellt hat, nachbringt (S. 133). Wollte er, was bei der Kürze des zur Verfügung stehenden Raumes wohl geboten war, das, was er hierüber zu sagen hatte, nicht auseinander reifsen, so mufste er ein so tief eingreifendes, ja entscheidendes Erlebnis gleich zu Anfang des Abschnittes, etwa hinter S. 119, behandeln. Doch dies sind vereinzelte Mängel: seinem Gesamtwerte nach darf das Buch weiteren wie engeren Leserkreisen bestens empfohlen werden.

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aus

Berlin.

Rudolf Lehmann.

Neue Litteratur zur Volkskunde. 1

Wer die Fülle der bei unserer Redaktion eingelaufenen volkskundlichen Neuerscheinungen in aller Kürze mustern soll, der ist dankbar, wenn sich in der Menge des nach Gegenstand, Zeit und Ort so Verschie

1 1) Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, herausg. von K. Weinhold. X. Band. Berlin, A. Ascher & Co. 467 S. gr. 8. M. 16. Für Mitglieder gratis. 2) Folk-Lore. Transactions of the Folk-Lore Society. A quarterly Review of

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