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haben: Aimeri erhält Kunde von dem herannahenden Sarazenenheere; sofort macht er sich unter Zurücklassung einer Besatzung von Narbonne aus auf den Weg zu Girart und eilt, als er Girarts Zusicherung hat, sofort wieder nach Narbonne, wo dann die Handlung in bekannter Weise fortgeht, um mit der Flucht der Sarazenen zu enden.

II. Die Brautfahrtsage.

Wir kommen zu der zweiten Handlung, der Brautfahrtsage. Hier mufs uns bei genauer Betrachtung auffallen, dafs Aimeri eigentlich zweimal um Hermengart anhält. Erstens in Laisse 69; hier redet Hugues de Bargelone zu Boniface folgendermassen:

<<Icil frans cuens que ge ci vos devis,

«Par nos vos mende, biaux sire rois gentis,
«Que li dongniez vostre suer au cler vis,

«C'est Hermenjart au gent cors seignoris.» (V. 2354—2357.)

Und dann läfst Aimeri in Laisse 95 durch Milon noch einen Antrag machen. Milon spricht zu Boniface:

«De par le conte, s'il vos plest, vos requier

«Que li dongniez Hermenjart al vis fier.» (V. 2367—2368.) Wir haben es hier wahrscheinlich mit zwei verschiedenen Versionen einer altfranzösischen Brautfahrtsage zu thun. Die eine Fassung der Sage wird so gelautet haben: Aimeri, von Hugues auf Hermengart aufmerksam gemacht, sendet 60 Boten nach Pavia, die unterwegs von Savari angegriffen werden, in Pavia in bekannter Weise um Hermengart werben und mit ihr nach Narbonne zurückkehren. Zehn an Aimeri vorausgesandte Boten werden von Savari überfallen, nur Hugues entkommt nach Narbonne. Aimeri zieht seiner Braut entgegen, befreit seine Ritter und kehrt mit Hermengart nach Narbonne zurück, wo die Hochzeit stattfindet. Die andere Fassung wird mit Aimeris Zuge nach Pavia eingesetzt haben. Er wird als regierender Graf natürlich im Königspalaste empfangen. Hermengart und Aimeri im Liebesgespräch. Aimeri läfst durch Milon bei Boniface um Hermengart anhalten. Er erhält Hermengart zur Gemahlin und kehrt mit ihr nach Narbonne zurück, wo die Hochzeit vor der Stadt gefeiert wird.

Diese beiden Versionen es giebt übrigens noch eine dritte abweichende Fassung, die in dem Prosaroman des hl. Wilhelm (Ms. fr. 1497 und 796 Bibl. Nat. Paris), entstammend dem 15. Jahrhundert, erhalten ist, unserem Dichter aber fremd war sind von Bertran zusammengeschweifst worden. Dafs derartige Kontaminationen vorkommen, ist sicher; so hat z. B. der Verfasser des eben erwähnten Prosaromans zwei alte Epen (li Nerbonois und les enfances Guillaume), beide die Jugend des hl. Wilhelm in etwas unterschiedlicher Form behandelnd, kontaminiert. Solche Kontaminationen werden von Dich

tern vorgenommen, wenn sie zwei Versionen einer Sage zu verarbeiten haben, die ihnen aber nicht mehr als Versionen ebenderselben Sage, sondern als zwei verschiedene Sagen erscheinen. Dafs hierbei die beiden Fassungen zweckentsprechend umgestaltet werden müssen, ist klar. Unserem Dichter ist die Kontamination sehr gut gelungen; nur besagter doppelter Antrag führt uns darauf, dafs hier zwei verschiedene Fassungen zusammengeworfen sind. Wie die erste Version abgeschlossen hat, können wir natürlich nur vermuten. Wenn wir uns nach dem Schlusse zeitgenössischer, ähnlicher Brautfahrtsagen umsehen, so erfahren wir, dafs im Tristan z. B. Tristan als Bote Markes nach Irland gesandt wird, dann aber bei seiner Rückkehr Iseut gleich mit sich zu König Marke führt; ebenso führen im Nibelungenlied Rüdiger und seine Mannen Kriemhilde sogleich dem Etzel zu. Der werbende König blieb also wohl in seinem Lande; nur zog er wohl, vorausgesandten Boten folgend, seiner Braut entgegen. Ähnlich mag auch in unserer Sage Hermengart zugleich mit allen Baronen Pavia verlassen haben und nach Narbonne gezogen sein. Zehn Boten sind darauf vorausgeeilt, um Aimeri die Ankunft seiner Braut zu verkünden. Diese kommen mit Savari in Kampf, und nur Hugues gelangt nach Narbonne. Da nun aber nach der zweiten Fassung Aimeri selbst nach Pavia zieht, so mufste Hermengart in Pavia bleiben, und die zehn Boten mufsten allein nach Pavia zurückkehren, um Aimeri herbeizuholen.

Version I zeichnet sich also von Version II aus 1) durch die Savari-Episode, 2) durch die Episode von den verbrannten Nüssen, 3) dadurch, dafs hier 60 Boten gesandt werden, und dafs Aimeri nicht nach Pavia zieht; in Version II dagegen zieht er selbst nach Pavia und läfst den Antrag durch einen Boten machen. Welche von beiden Versionen die ältere ist, ist schwer zu sagen; wenn nur der ersten Version die Besprechung zwischen Aimeri und seinen Ratgebern zugehört, so möchte diese wohl die ältere sein; hier sagt Hugues zu Aimeri, während er ihm von Hermengart erzählt:

«Par vostre amor la dame me chieri,

Et ennora hautement et servi,

Car bien avoit de vos parler oi.>> (V. 1378-1380.)

Vielleicht steckt in diesen Versen ein recht alter Zug. Wenn ein Mädchen einen Mann deshalb gut aufnimmt, weil sie dessen Freund hochschätzt, so sieht das einer Liebeserklärung an den Freund verzweifelt ähnlich. Nun ist das liebeheischende Mädchen ein Typus des frühen Mittelalters; es würde demnach Version I ein hohes Alter haben und ein höheres als Version II, wenn dieser der Zug nicht angehört hat.

Fügen wir zum Schlufs noch an, dafs die Erzählung von den verbrannten Nüssen (Version I) nach Demaison (Aimeri I S. 371 ff.)

auf einen alten Schwank zurückgeht, so ergiebt sich, dafs das ganze Aimeri-Epos aus folgenden Teilen zusammengesetzt ist:

I. Einleitung (Laisse 1—3).

II. Eroberung von Narbonne (Laisse 4-39, 96—105).

III. Aimeris Brautfahrt (Laisse 40-95, 106-122), zerfallend in 1) Version I: Savari-Episode, Schwank von den verbrannten Nüssen (Laisse 40-87, 89-93);

2) Version II (Laisse 87-88, 93-95, 100-122). Wernigerode a. H. Dr. Hans Weiske.

Zu den Leis Willelme.

...

Dibdin (Voyage bibl. en France, trad. Crapelet III) citiert in der Pariser Nationalbibliothek eine Kopie der Leis 'nach Ungedrucktem'. Von Herrn Prof. Herm. Suchier freundlich hierauf aufmerksam gemacht, befragte ich den Administrateur général Herrn L. Delisle, der mit gewohnter Güte mitteilte, dafs es sich nur um wenige Anfangszeilen handelt, die der Verfasser der Hist. ecclés. de Coutances1 R. Toustain de Billy († 1709) in seine Collectaneen, jetzt Fonds français 4901 fol. 2, aufgenommen hat. Schon aus der Probe Delisles, sicherer jetzt aus der Abschrift (von Herrn Dr. Bonnier, Lecturer zu Liverpool, bereitwillig angefertigt) erhellt, dafs Spelman's Excerpt (Concilia Britann. I 623) vorlag. Denn nur Sp[elman] hat wie P[aris] die Fehler Edoward für Edw. (Pr.), on für en 1 und enfraiant (en paiant schlimmbessert P) für enfraint 2; und Sp bricht genau am selben Punkt wie P ab. Also nur Ungenauigkeiten, zum Teil unter Einfluss moderner Orthographie, liegen vor in P's Abweichungen von Sp: peuple (pu. Sp); icelles mesmes (iceles meis.) Pr.; sainct (saint) 1; celuy (-ui); sa (la); requereit (-uir.); abbaie (-eie); rauereit (ia. statt i a.); sols; sols (solz); chapelle (-ele) 1, 1; auueir (-it) 2. Inzwischen erschien Suchiers Anzeige von Matzkes Lois de Guill. im Litbl. Germ. Philol. 1901, 119.

Ed. für Soc. de l'hist. de Normandie, Rouen 1874-86.
Berlin.

F. Liebermann.

Beurteilungen und kurze Anzeigen.

Anton E. Schönbach, Gesammelte Aufsätze zur neueren Litteratur in Deutschland Österreich Amerika. Graz,

Leuschner & Lubensky, 1900. XVII, 443 S. M. 6.

Schönbach hat sich längst unter den Litterarhistorikern wie unter den Kritikern eine eigenartige Stellung geschaffen. 'Lesen' und 'Bildung' steht seit lange im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Interessen. Die 'Bildung als die gemeinschaftliche Basis für das litterarische Hervorbringen und Geniefsen bestimmter Epochen hat er in grofsen Studien für die geistliche und weltliche Poesie des Mittelalters, für die traditionelle deutsche, die schwankende österreichische und die neu erwachende amerikanische Kultur mit immer neuen Gesichtspunkten untersucht. Diese höchst fruchtbaren Untersuchungen werden auch dem in der neuen Sammlung willkommen sein, der Schönbachs Schlufsfolgerungen im Vorwort fast in jedem Satz widersprechen möchte. In dieser Lage bin ich zum Beispiel. Ich glaube weder, dass die Heldendichtung 'nur Standespoesie' war (S. VIII), noch dafs unsere Sinne, allen sonstigen evolutionistischen Theorien zum Trotz, keine Verfeinerung in Bezug auf Farben durchgemacht haben (S. X). Ich bin noch immer der Meinung, dafs das Seelenleben der mittelalterlichen Menschen wirklich verhältnismäfsig einfach war, wie es das der spanischen, italienischen oder tirolischen Katholiken noch heute ist (S. X). Ich glaube, dafs die Dichterjugend zu allen Zeiten spintisiert und theoretisiert hat; der junge Wolfram wird das so gut gethan haben wie der junge Goethe und meinetwegen der junge Gerhart Hauptmann (S. XII). Mir scheint auch, dafs Schönbach, der sonst gern die Unveränderlichkeit der eigentlich poetischen Arbeit betont, den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Übersetzer (S. XIII) viel zu grofs macht. Ich sehe den Unterschied zwischen künstlerischer und unkünstlerischer Formgebung nicht in Vers und Prosa, sondern in notwendiger und zufälliger Form und kann (S. XV) den Reimpaaren der 'Gesamtabenteuer' keinen künstlerischen Vorrang vor der Romanprosa des 19. Jahrhunderts einräumen (S. XVI).

Aber all diese Fragen, in denen sich schliesslich wohl kaum zu überbrückende principielle Unterschiede kundthun, können uns natürlich nicht die Freude an diesen Studien über Schiller und die moderne Bildung (S. 3 f.), Schreyvogel (S. 107; vgl. jetzt Payer v. Thurn im Grillp.-Jb. 10, 96-128), H. Gilm (S. 156 f.) nehmen. Und hier fehlt nirgends ein fruchtbarer Hinweis auf jene Hauptthemata: die Bemerkungen über Schillers Kenntnisse (S. 10), über moderne Bildung (S. 45), über die Prosa in Leitners Berufsschriften (S. 201) oder die 'Liederbücher' Gilms (S. 189) sind charakteristische Spuren von Schönbachs Hauptthätigkeit. Auch methodologische Bemerkungen wie über den Punkt des kritischen Schauens (S. 16), gegen Periodenhetze (S. 163) oder der uns unverständliche Vorstofs gegen den Versuch abschliefsender Gesamtcharakteristik (S. 184) gehören dahin.

Einen besonderen Zug verleiht Schönbachs Arbeiten noch die sorgfältige Herausarbeitung der nationalen Züge, die er gewissermassen als ethnologische 'Bildung', als allgemeine Grundlage der speciellen Bildung auffafst. Dahin gehören die allgemeinen Hinweise auf Philologie und Geschichte der Nationalität (S. 142) und die besonderen auf Grillparzers Deutschösterreichertum (S. 142), Bauernfelds Typen (S. 167), den Wiener Witz (S. 171), den österreichischen Novellenstil (S. 204), den Dialekt bei Anzengruber (S. 219). Dahin gehört vor allem als ein Versuch im grofsen auch die emsige Durcharbeitung und liebevolle Würdigung der modernen amerikanischen Romandichtung (S. 235 f.) und die strengere von Longfellows dramatischer Dichtung (S. 251). Auch hier sind Bemerkungen von allgemeiner Bedeutung reichlich eingestreut: über Reminiscenzen (S. 258), Beeinflussung der Fabel durch Ein Wort (S. 289), Widersprüche (S. 304 Anm.), Skizzen und Ausführungen (S. 333), Wiederkehr von poetischen Figuren (S. 363), gemischte Charaktere (S. 383), die short story (S. 417) und die moderne Technik (S. 442) findet man manch gutes Wort.

Am wenigsten gelungen scheint mir neben dem unbegreiflichen Preis sogar des Malers Fitger (S. 68) der Aufsatz über Müllenhoff (S. 82 f.), in dem die eigentliche Individualität des streitbarsten unter den grofsen Germanisten fast ganz unter Referaten verloren geht: die Technik der wissenschaftlichen Arbeit, Müllenhoffs gelehrte Bildung und Erziehung (im aktiven und passiven Sinne) interessieren seinen dankbaren Schüler doch noch mehr als die Persönlichkeit. (Unter den Bearbeitern seines Nachlasses hätte S. 99 Pniower nicht vergessen werden dürfen.) Auch das Porträt (S. 95) ermangelt des vollen Lebens. Überhaupt wird man wohl sagen müssen, das das Typische bei Schönbach besser 'herauskommt' als das Individuelle; gelegentlich (wie S. 152) verflattert die Einzelcharakteristik ganz in allgemeine Wendungen. Dagegen glücken sehr fruchtbare Vergleichungen wie von Uhlands und Heyses 'Ludwig dem Baier' (S. 38), Tiecks und Hawthornes romantischem Stil (S. 345).

Im ganzen erhalten wir eine Sammlung, deren eifriges Lesen jedenfalls unsere Bildung vielfältig fördern mufs und die im höchsten Grade geeignet ist, unsere Bewunderung für des Verfassers folgerecht durch

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