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Wills Kaffeehaus, seine Einrichtung und Besucher. etwas Gutes, und das widerrief er. Ein vierter hatte poetische Begabung, stellte aber sein Licht unter einen philosophischen Scheffel. Ein fünfter war ein guter lateinischer Dichter, hatte aber seine Muse Bacchus geweiht, statt sie Apollo zuzueignen. Ein sechster hatte durch Schreiben von Stücken großes Ansehen erworben. An einem andern Tisch saß ein Haufen junger, unerfahrener Stutzer und Schöngeister zweiten Ranges. Einer knobelt einen Lobgesang auf Apfelsinenblütenwasser aus, ein andrer eine Satire auf schmutziges Wetter; ein dritter schmiedet eine saubere Schmähschrift auf garstige Tabakraucher" usw.

Der dritte Klub, der,,Rabble", umfaßte alle andern Gäste bei Will's: die Fremden, die einen achtungsvollen Blick in diese Gefilde der Schöngeister werfen wollten, ehrsame Bürger, für die der ausgewachsene Wit nur den Sammelnamen ,,Rabble“ kannte, und andre. Ihr Führer war (nach Malone) Captain Swan, „ein berühmter Spieler und Witzling jener Zeit". Wollte ein Wit seinem Nebenbuhler einen gutsitzenden Hieb versetzen, so beglückwünschte er ihn wohl zur,,Accession to the Throne of the Rabble" wie Moyle in einem Brief an Congreve vom 7. Oktober 1695.

Über das Schicksal des Besitzers dieses berühmten Hauses, William Urwin, den seine Gäste,,sage Will" nannten, sei noch gesagt, daß von dem Glanze, der sein Haus umgab, kein Strahl auf ihn selbst fiel. Die Gesellschaft der Schöngeister scheint, genau wie heutzutage, dem Inhaber mehr Ehre als klingenden Gewinn eingebracht zu haben. Er mußte wegen drückender Schuldenlasten seine Gäste,,without any Sorrow, tho' he loves them, and without any leave of them" (Moyle S. 212) verlassen. Es gelang ihm, dem harten Geschick der Einkerkerung im Fleet oder New Gate-Schuldgefängnis und den Krallen seiner Gläubiger zu entrinnen. Im Schutze der White Friars in der Fleet Street, dem damaligen Asyl für Schuldner, lebte er einige Zeit und starb 1695. Tiefbetrübt fragt Dennis in einem Brief an Moyle vom 5. August 1695:

,,Have you not heard

These sounds upon the Cornish shore?
The sage Will Urwin is no more."

IV. Dryden und sein Kreis bei Will's.

1. Das Kaffeehaus in Drydens Lebensgewohnheiten.

Dryden ist der regelmäßigste Besucher von den Schöngeistern bei Will's: durch ihn erblühte es zum ersten literarischen Kaffeehaus Englands, mit ihm stand und fiel es. „Dryden war es", sagt Pope (Walford 3, 276), „der Wills Kaffeehaus zum großen Sammelpunkt der Schöngeister seiner Zeit machte."

Malone behauptet, der Dichter habe schon 14 Jahre, bevor er hier Stammgast wurde, regelmäßig im Covent Garden Coffeehouse verkehrt: das beruht auf einem Irrtum. Dryden siedelte erst 1657 von Cambridge nach London über. Die frühste Nachricht von ihm bei Will's bringt Pepys in seinem Tagebuch. Am 3. Februar 1663/64 vermerkt er, daß er auf dem Wege, seine Frau abzuholen, hier eingekehrt sei: „Ich machte im großen Kaffeehause" (so nennt er Will's) „halt, wo ich nie vorher war. Da war Dryden, der Dichter, den ich von Cambridge her kannte, und alle Schöngeister der Stadt. Hierher ist gut Kommen, denn es herrscht, wie ich merke, sehr geistreiche und lustige Unterhaltung."

Durch Vergleich mit der Tatsache, daß das erste Kaffeehaus in London nicht vor 1652 entstand, wird die Behauptung hinfällig. Von wann ab Dryden sich regelmäßig dort einfand, ist nicht ersichtlich, auch nicht, ob sein wiederholter Wohnungswechsel darauf Einfluß gehabt hat. Malone behauptet, daß der Dichter von 1674 ab regelmäßig bei Will's verkehrt habe.

Der Raum, in dem er zu sitzen pflegte, war der vordere, nach der Straße hin gelegene. Samuel Johnson hat sich bei zwei Personen,,,to whom he was personally known", über Drydens Gewohnheiten unterrichtet. „Sein Lehnsessel, der im Winter einen bestimmten und festen Platz neben dem Feuer

hatte, stand im Sommer auf dem Balkon, und er nannte die beiden Plätze seinen Winter- und seinen Sommersitz" (1, 252). Von diesen aus „sprach er seine Ansichten über Menschen und Bücher aus, umgeben von einem Schwarm bewundernder Zuhörer, die behaupteten, mit ihm übereinzustimmen, ob sie es wirklich taten oder nicht" (Hutton S. 95).

Seine Tage verlebte Dryden mit großer Regelmäßigkeit: der Morgen fesselte ihn an die Studierstube; gegen 2 Uhr nahm er das Mittagessen ein und begab sich danach gewöhnlich zu Will's. „Dryden saß Abend für Abend bei Will's, Poesie und verwandte Gebiete mit allen, die kamen, erörternd, und hatte da den Vorsitz genau so, wie Ben Jonson in der Mitre Tavern das Szepter geschwungen hatte" (Robinson S. 189).

Dieser Gewohnheit ist er bis an sein Lebensende treu geblieben. Wie sehr er sich bei Will's zu Hause fühlte, beweist die Tatsache, daß er einen großen Teil seines Briefwechsels dort zu erledigen pflegte. Es war damals vielfach üblich, alle geschäftlichen Angelegenheiten, die Dichter und Verleger miteinander hatten, im Kaffeehause zu besorgen. So bittet er Jacob Tonson in einem Brief vom April 1695:,,You may, if you please, come to me at the Coffee-house, this afternoon", wo sie wegen der Drucklegung seiner Aeneis verhandeln wollen. Den Schauspieler Betterton ersucht er im September 1684, zu ihm in sein Stammhaus zu kommen, um mit ihm die Darstellung seiner Rollen in,,All for Love" und,, The Conquest of Granada" durchzusprechen.

Dryden schreibt auch, wie es die meisten Dichter seiner Zeit gewohnt sind, seine Briefe bei Will's selbst und datiert sie einfach,,From the Coffee-house". Oder er leitet, wie Swift und viele neben ihm zu tun pflegten, seinen Briefwechsel hierher. Sie tragen dann den Vermerk,,to be left at the Coffee-house" oder ähnlich.

Auf dem allabendlichen Nachhausewege von Will's war es, wo Dryden einmal durch Rochesters maskierte Raufbolde in der Rose Alley überfallen wurde. Dieser Dichterling Jean Wilmot, Earl of Rochester, war von Neid erfüllt über die rauschenden Bühnenerfolge seines vermeintlichen Nebenbuhlers. Seine offene, seit 1675 bestehende Feindschaft griff vier Jahre später zu den unbedenklichsten Mitteln, als er eine gegen

in Drydens Lebensgewohnheiten.

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jemand anders gerichtete Satire auf sich glaubte beziehen zu müssen. Eine damalige Zeitung, die,,Domestic Intelligence, or News from City and Country", brachte folgende Notiz über den Vorfall (Malone S. 323): „,19. Dezember 1679. Vergangene Nacht wurde Dryden, der berühmte Dichter, als er von einem Kaffeehaus in Covent Garden kam, von drei ihm unbekannten Individuen angerempelt und so roh von ihnen behandelt, daß sein Leben in nicht geringer Gefahr schwebt."

Eine andre Zeitung meldete (Clark 2, 473): „John Dryden wurde, als er bei Wills Kaffeehaus war, um 8 Uhr abends von drei Leuten derb geprügelt. Der Grund ist, wie vermutet wird, der, weil er nachteilige Bemerkungen über gewisse Personen in seinem,,Essay on the Satyr" vielmehr in seinem ,,Absalom and Achitophel" gemacht hatte." Die gleiche Bemerkung bringt die London Gazette Nr. 24-29 vom Dezember 1679, in der eine Belohnung von 50 Pfund für die Ergreifung des Täters,,,Black Will" genannt, ausgesetzt wird. Der Überfall wurde Stadtgespräch und ging unter dem Namen,,Rose Alley ambuscade" in den Volksmund über.

Ein Kranz allerliebster Anekdoten windet sich um Drydens Gestalt bei Will's. Eine erzählt Defoe (Wilson 3, 284). Der Dichter hatte einmal über den Herzog von Buckingham und seine literarische Wertung ein geistvolles Urteil gefällt, ihn dabei aber einen Schwindler und Hanswurst (,,fiddler and buffoon") genannt. Der Herzog konnte einen guten Spaß vertragen, beschloß aber doch, sich an Dryden zu rächen. Er suchte ihn im Kaffeehaus auf, warf ihm Mangel an Wohlanständigkeit vor und versetzte ihm zum Schluß eine gehörige Tracht Prügel. „Dies, Herr“, sagte er, „ist für Euer schlechtes Benehmen, und dies, Herr, ist für Euern Witz." Dabei drückte er ihm eine Börse, wohlgespickt mit 30 Guineen, in die Hand und empfahl sich.

2. Dryden im engeren Kreise seiner Freunde Swift, Pope, Addison, Steele, Wycherley, Congreve, Dennis, Southerne, Garth.

Ein aus ganz verschiedenen Alters- und Gesellschaftsschichten zusammengesetzter Zirkel war es, verbunden durch die

gemeinschaftlichen schöngeistigen Neigungen, der sich in den Nachmittags- und Abendstunden bei Will's um seinen Führer Dryden scharte. Welche Gewalt sein überlegener Geist über sie besaß, spricht Shaftesbury, der zeitgenössische Philosoph, aus (Reflections 2, 327): „Sie sind seine Wachen, bereit, für ihn zu den Waffen zu greifen, wenn von irgendeinem anmaßenden Kritiker er irgendwann angegriffen wird. Sie sind in der Tat sein leibhaftiger Schatten und weisen dieselben Züge auf mit einigen Abänderungen nach der schlechten Seite hin. Sie trachten sicherlich nach nichts jenseits ihres Ministers oder über ihn hinaus und würden auf keinen Fall ihm Grund zu der geringsten Eifersucht auf ihr Trachten nach irgendeinem Rang geben."

Bewundert von diesen jungen Wits, thronte Dryden inmitten des jungen Dichtergeschlechtes. ,,Sich vor ihm zu verbeugen und seine Meinung über Racines neuste Tragödie oder Bossus Abhandlung über epische Poesie zu hören, wurde für ein Vorrecht gehalten... Es wurde geplaudert über dichterische Genauigkeit und die Einheiten von Ort und Zeit. Es gab eine Partei für Perrault und die Modernen, eine andre Partei für Boileau und die Alten. Eine Gruppe stritt hin und her, ob das „Verlorene Paradies" nicht hätte in Reimen abgefaßt sein sollen. Einer andern legte ein neiderfüllter Dichterling dar, daß das „Gerettete Venedig" auf der Bühne hätte ausgepfiffen werden müssen“ (Macaulay). Vor allem die von Perrault in Paris zuerst aufgeworfene,,querelle des anciens et des modernes" stand im Mittelpunkt der literarischen Wortgefechte. In allem hörte man Drydens Urteil mit der größten Ehrerbietung an und beugte sich willig der Überlegenheit seines Urteils. „Ängstlich saßen sie da, schüchtern, in so großer Gesellschaft zu sprechen; oder wenn sie eine Meinungsäußerung wagten, taten sie es mit der größten Zurückhaltung und beglückwünschten sich gegenseitig, wenn sie günstig aufgenommen worden war" (Besant S. 308).

Oft genügte es, wenn ein Dichterling nur einige glatte Verse zu schmieden wußte oder es fertig brachte,,,to produce them with help from the scribblers at Will's" (Robinson S. 203), als Einführung in den Witty Club. Wem aber gar die Ehre zuteil wurde,,,to take a pinch out of his snuffbox“, deren Inhalt der Dichter eigenhändig zu bereiten pflegte, der hatte die

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