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Dryden als Kritiker auf seinem Kaminplatz.

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hat, ist unbekannt. Unter den von ihm verlegten Ausgaben sind viele Namen der Dichter, die sich dort regelmäßig einfanden.

Um die Skizze von Dryden bei Will's und seinem schöngeistigen Gefolge abzuschließen, darf die komische Seite nicht fehlen. Es handelt sich um die Weihe eines einfachen Landedelmannes mit dem Spitznamen Abassus, der Schüchterne, eines einfältigen Landjunkers aus Sussex und Freundes von Dramen und Gedichten, der nach London kam, um, wie er sagte, die Dichter des Zeitalters kennen zu lernen" (Brief Moyles an Congreve). Einer der Schöngeister, in dessen Hände dieser Biedermann gefallen war, schleppte ihn mit zu Wills Kaffeehaus; Congreve gibt in einem Brief an Moyle vom 7. Oktober 1695 eine humorvolle Beschreibung dieses John Abassus und seiner Weihe.,,Seit Don Quixotes Ritterschlag", schreibt er, „und Petrarcas Krönung auf dem Kapitol hat es keine so prächtige Feierlichkeit gegeben wie die Weihung des John Abassus. Ich glaube, kein Mitglied des Grave Club dürfte dieser Szene beiwohnen, das nicht aus vollem Halse loslachte. Wollte Gott, ich könnte mit Euch eine oder zwei Stunden lang über die ergötzlichen Geschichten lachen, die sich in Wills Kaffeehaus zugetragen haben, seit ich es nicht mehr besuche. Es ist die lustigste Stätte der Welt, genau wie Afrika: jeden Tag bringt es ein Monstrum hervor."

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Sah sich Dryden auf der einen Seite von einer Heerschar Gefolgsmannen und diensteifriger Trabanten umgeben, die sich unbedenklich seinem literarischen und kritischen Dogma beugten, so war er andrerseits vielfach die Zielscheibe des Spottes seiner Gegner. Als Mann von eigenem Gepräge, als Führer des jungen Englands, als Neuerer und Verfechter französischer Einflüsse fehlte es ihm nicht an Widersachern, die ihm mit Fleiß zusetzten. Ja, nicht einmal vor den gröbsten Mitteln schreckten sie zurück, ihn „handgreiflich“ zu überzeugen.

Der Grund dieses Sturmlaufens ist in den meisten Fällen blasser Neid auf seine Erfolge, und dabei waren „jene Kritzler, die ihn in seinen letzten Lebensjahren angriffen, nur wie Stech

mücken an einem Sommerabend" (Robinson S. 198). Vielfach wurde seinem Kritikeramt jeder Eigenwert abgesprochen. Leider war es damals noch nicht in dem Maße wie später zu Boswells Zeiten Gewohnheit, den Inhalt dieser literarischen Gespräche bei Will's schriftlich festzulegen. So fließen die Quellen hierüber recht spärlich. Bis zu einem gewissen Grade kann man die kritischen Vorreden, die Dryden seinen Werken vorauszuschicken pflegte in der Absicht, den Geschmack des Publikums zu erziehen, als Niederschlag der bei Will's geführten Unterhaltungen ansprechen. In ihnen ließ sich der Dichter herab, auf Einwürfe zu antworten, die ihm in seiner Gegenwart in jenem Kaffeehaus gemacht worden waren" (ebenda S. 200). Ebenso verdanken viele seiner in den kritischen Abhandlungen niedergelegten Gedanken demselben Ursprung ihre Entstehung.

Unerschöpflichen Gesprächsstoff boten literarische Tagesfragen aller Art. Man besprach eigene Dichtungen und Dramen, Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt, Grundsätzliches und Persönliches, antike und moderne Probleme. Vor allem weckte das in Paris von Perrault aufgeworfene Problem,,les anciens et les modernes" ein eifriges Echo. An Gesprächsthemen kann es nie gemangelt haben, so daß der Faden nie abriß. Junge Dichter unterbreiteten wohl ihren ersten poetischen Versuch dem Werturteil der Runde. War ihr Führer mit einer neuen Ode oder Satire, einem frischen Aufsatz oder Drama auf dem Plan erschienen, rief das Thema lebhaften Gedankenaustausch hervor. In vielen Fällen vertraten diese Gespräche den Kritiker der heutigen Revuen und Zeitschriften. „Hier konnte der Verfasser kürzlich erschienener Werke und Bücher (Bücher wurden damals häufig anonym gedruckt) die allgemeine Wertung seiner Arbeit hören" (Smith S. 43). Swift bemühte sich, für Popes Homer-Übersetzung unter den Gästen Abnehmer zu werben. Wagte einer der Abseitsstehenden, von der Gesellschaft des Witty Club Ausgeschlossenen, an einem seiner Mitglieder allzu freimütige Kritik zu üben, wurde ihm eine gemeinschaftliche Abfuhr zuteil, wie es z. B. Blackmore erging.

Doch es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, wollte man wähnen, es habe eitel Freude und Einhelligkeit an dieser Tafelrunde geherrscht. Sie mag bis zu einem gewissen Grade bestanden haben, solange Drydens mächtige Gestalt sie über

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schattete. Aber nach seinem Tode brach die oft nur schlecht verhüllte Eitelkeit der einzelnen Wits hervor, die schließlich zum Bruch führte und Addison veranlaßte, mit der Schar seiner Getreuen nach Button's überzusiedeln. Wer aber bei Drydens Lebzeiten sich in diese bunte Gesellschaft nicht einzureihen vermochte, mußte ausscheiden. Mancher mag der vielen geheimen Ränke, des ständigen Klatsches, des ewigen Auf und Nieder in der Besprechung rein literarischer Fragen schließlich überdrüssig geworden sein.

Einer der ersten, der sich absonderte, war Swift. Obwohl nahe verwandt mit Dryden, versichert er doch, nirgendswo eine so miserable Unterhaltung über schöngeistige Dinge wie in seiner Umgebung gehört zu haben. Er sagt: „Die schlechteste Unterhaltung, die ich je in meinem Leben gehört zu haben mich erinnere, war die in Wills Kaffeehause, wo die Wits (wie man sie nennt) früher sich zu versammeln pflegten; d. h. fünf oder sechs Leute, die Stücke oder wenigstens Prologe geschrieben oder an vermischten Schriften Anteil hatten, kamen hierher und unterhielten einander über ihre lumpigen Geisteserzeugnisse mit so wichtigtuerischer Gebärde, als ob sie die vornehmsten Kräfte der menschlichen Natur gewesen wären oder als ob das Geschick von Königreichen von ihnen abhinge." Gleichzeitig rechnet er mit der „,humble audience“ der jungen Studenten aus den Rechtsschulen und Universitäten ab, die mit gebührendem Abstand diesen Schicksalssprüchen lauschten und dann mit großer Verachtung ihrer Rechtswissenschaft und Philosophie heimkehrten, während ihre Hirne mit wertlosem Zeug unter der Flagge von Feinheit, Kritik und Wissenschaft angefüllt sind" (,,Essay on Conversation“).

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Swifts Gereiztheit gegen Dryden und seinen Kreis macht einen etwas übertriebenen Eindruck. Trotz der Blutsverwandtschaft nennt er ihn einen, den ich ebenso oft blamiert wie bemitleidet habe." Er konnte ihm gewiß das Urteil über seine Oden:,,Cousin Swift, you will never be a poet" nie vergessen, und seine Charakteranlage ließ es nicht zu, daß er sich dem Urteil des Nebenbuhlers bedingungslos gebeugt hätte.

An einer andern Stelle, in der Rhapsody on Poetry" höhnt er:

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Dryden als Kritiker auf seinem Kaminplatz.

,,Be sure at Will's the following day
Lie snug, and hear what critics say;
And if you find the general vogue,
Pronounces you a stupid rogue,

Damns all your thoughts as low and little:
Sit still, and swallow down your spittle."

Swift war gewiß,,a very good hater". Er sah sich von einem Kranz junger, nach Erfolg strebender Gesinnungsfreunde umgeben, und, sagt Saintsbury, „solch eine Person ist nur zu geeignet, halb aus Mut und halb aus Unbeholfenheit, den bedeutendsten Literaturgrößen des Zeitalters an die Kehle zu springen oder sich ihnen an die Fersen zu heften."

Wenn auch Dryden inmitten seiner Freunde als Oberhaupt und,,undisputed monarch" dasteht, verschloß er sich doch keineswegs dem Urteil andrer. Congreve, der ein Busenfreund des Dichters war und ihn genau kannte, bezeugt, daß er ,,easy of access" war und „bereit seine Kenntnisse ohne jeden Anflug von Kleinlichkeit mitzuteilen. Er war vornehm genug, Schriftstellern Winke zu geben und kritische Bemerkungen über seine eigenen Werke anzunehmen" (Robinson S. 189).

Die oben wiedergegebene Anekdote Dean Lockiers rückt Drydens Bereitwilligkeit, von einer als irrtümlich erwiesenen Anschauung sich abbringen zu lassen, ins rechte Licht. Und doch gab ihm seine große Überlegenheit auf allen Gebieten des dichterischen Schaffens eine gewisse Berechtigung, dem einmal erkannten Wege treu zu bleiben. „Im allgemeinen kann man indessen annehmen, daß wenige es wagten, sein Urteil anzufechten oder sich in die Bresche zwischen ihm und dem Gegenstand seines Urteils zu stellen" (Scott 1, 379).

Wie wenig Eindruck im übrigen die Angriffe seiner Gegner auf ihn machten, spricht er einmal selbst aus (Taine 2, 175): „Mehr Schmähschriften als fast gegen irgend einen andern lebenden Mann sind gegen mich geschrieben worden. Ich habe selten einem gemeinen Pamphlet geantwortet und, obwohl natürlich vergeltungsbedürftig (vindicative), sie schweigend ertragen und meinen Seelenfrieden bewahrt.“

Satiren und Angriffe auf ihn.

5. Satiren und Angriffe auf ihn.

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Drydens unerschütterliche Macht als Kritiker war zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Junge Schriftsteller, deren Erstlingsversuchen er nicht sein Lob als Paß auf den dornigen Pfad des Anfängers mitgab, klagten über seinen allmächtigen Einfluß: so Dramatiker, die den Grund zum Mißerfolg ihres Stückes in der Ablehnung durch den Dichter suchten, wie ein Freund Henry Higdens, dessen ,,Sir Noisy Parrot" vom Publikum ausgepfiffen wurde.

Prior und Montagu ulken in der Parodie auf „The Hind and the Panther", der ,,Story of the City and Country Mouse" gegen den greisen Kritiker. Diese Stelle gewährt gleichzeitig einen kurzweiligen Einblick in das Leben und Treiben bei Will's.

Bayes sagt zu Smith:

,,I've heard much talk of the Wits coffee-house.
Thither, says Brindle, thou shalt go, and see
Priests sipping coffee, Sparks and Poets Tea;
Here rugged Freeze, there Quality well drest,
These bafling the Grand-Seigniour; those the Test
And hear shrew'd guesses made, and reasons given,
That humane Laws were made in Heaven."

Auf Dryden beziehen sich folgende Zeilen:

Is the poetic Judge of Sacred Wit,

,,but above all

Who does i'the darkness of his glory sit.

And as the Moon who first receives the light,

With which she makes these Nether Regions bright,
So does he shine, reflecting from afar,

The Rayes he borrow'd from a better Star.

For Rules which from Corneille and Rapin flow,
Admir'd by all the scribbling herd below,

While he does dispense unerring truths.“

Ein drittes Zitat Priors spricht von

,,the younger Stiles, Whom Dryden pedagogues at Will's."

Der Kritiker und Biograph Cibber, auch manchmal dem Witty Club sich zugesellend, behauptete einmal, Drydens nur

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