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II. Pepys, der Rota Club und die Kaffeehäuser.

Eine Art literarischen Kaffeehauses und Vorläufers von Will's und Button's war The Turk's Head oder nach seinem Besitzer Miles's genannt, in New Palace Yard, Westminster, gelegen. Da tagte der Rota Club, „eine freie und offene Gesellschaft geistreicher Herren" (Robinson S. 96). Er war eine Gründung von James Harrington, dem Verfasser der „,Oceana“. Über die ersten Anfänge vermerkt Aubrey in seinem Tagebuch (1,289): „Anno 1659, the beginning of Michaelmas-terme, he had every night a meeting at the Turke's Head."

Die Gesellschaft pflegte sich allabendlich um einen ovalen Tisch zu versammeln, der in der Mitte einen Durchgang für Miles, den Wirt, hatte, um seinen Gästen den Kaffee vorzusetzen. Zweck dieser Zusammenkünfte war die Verbreitung republikanischer Ideen, für die Harrington schon in seiner,,Oceana“ eintrat. Ob es sich um einen geschlossenen Zirkel nach Art der späteren Klubs handelt, ist unbekannt. Er hat nur insofern für die Literatur einigen Reiz, weil außer Harrington und dem Dichter Marvell vor allem Pepys hier regelmäßiger Gast war, ferner ein „,ingeniose young gent. scholar to Jo Milton", namens Cyriac Skinner, der die Rolle eines,,chaireman" spielte (Robinson S. 101). Daraus aber gleich den Schluß ziehen wollen, daß der Dichter des Verlorenen Paradieses selbst da verkehrt habe, wie es Timbs (S. 13) tut, heißt über das Ziel hinausschießen.

Den ersten Besuch machte Pepys am 10. Januar 1659, den er genau in seinem Tagebuch vermerkt:,,to the coffee-house where a great confluence of men: viz. Mr. Harrington, Poultry, chair-man, Gold, Dr. Petty, where admirable discourse till 9 at night." Am 17. ist er schon wieder dort und hört einen „,very good discourse". Am 20. Februar trifft er sich bei Miles's mit Harrington und Lord Dorset. Die Eintragung schließt: „Der

Klub brach in sehr armseliger Stimmung auf, und ich glaube nicht, daß sie sich noch einmal versammeln werden." Seine Prophezeiung sollte bald eintreffen. Am Tage danach sucht er die alten Räume noch mal auf, „ganz nahe dem Wasser, wo wir bis zwei Stunden zubrachten. Hier war von den Fenstern aus eine sehr lustige Aussicht, die Stadt von einem Ende bis zum andern mit der über ihr hervorbrechenden Sonne zu sehen."

Dies scheint sein letzter Besuch gewesen zu sein. Tatsächlich löste sich der Coffee Club nach bescheidenem Eintagsfliegendasein wieder auf, nachdem er einige Monate bestanden hatte. Turk's Head, später das Lieblingshaus der in London wohnenden Deutschen, ist nach Hutton (S. 208) vom Erdboden verschwunden und hat mit dem gleichnamigen Kaffeehaus Samuel Johnsons und des Literary Club, Strand Nr. 142, nichts als die Bezeichnung gemeinsam.

Pepys hörte trotz der Auflösung des Klubs nicht auf, bei Miles's zu verkehren, wandte sich aber von da ab dem Besuch auch andrer Kaffeehäuser zu, deren Namen er bei seinen stenographierten lakonischen Eintragungen meist zu nennen versäumt. Er scheint sich dort sehr wohl gefühlt zu haben, denn Tag und Gesellschaft zu vermerken vergißt er nie.

Am 15. März 1660 findet er sich zum ersten Male bei Will's ein. Am 3. Februar 1663/64 kehrt er seit langer Pause (,,where I was never before") wieder ein und legt ihm den Ehrentitel,,the great Coffee-house" bei. „Es wird sich lohnen, hierher zu kommen“, meint er, „denn hier gibt es sehr geistreiche und lustige Unterhaltung." Da hat er auch die Ehre, Dryden an seinem Kaminplatz begrüßen zu können, und versichert stolz, schon in Cambridge seine Bekanntschaft gemacht zu haben.

Rund 50 Eintragungen über den Besuch von Kaffeehäusern weisen seine drei Tagebuchbände auf, die sich über einen Zeitraum von neun Jahren erstrecken. Köstlich sind sie oft in ihrer lapidaren Sachlichkeit und wertvoll für die Kulturgeschichte. Er kauft gelegentlich im Kaffeehaus,,a little book" oder hört ,,a good discourse about physick and chymistry" und „that the plague is got to Amsterdam". Dann sucht er es auf,,,to hear news", „how things go at Court" oder „,to drink Jocolatte-very

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good". Ein andres Mal plaudert er mit Freunden vom EwigWeiblichen,,,about a very rich widow", beteiligt sich am „great talk of the Comet" oder „,about the Turk's proceedings". 1666 sucht er sein altes Stammzimmer in einem Kaffeehaus an der Themse auf, nachdem die Beulenpest erloschen ist, und freut sich, seine Gesellschaft von ehedem noch anzutreffen. Seine letzte Notiz stammt vom 22. Juni 1668, wo er bei Will's einige seiner Kumpane wiederfindet.

III. Wills Kaffeehaus,

seine Einrichtung und Besucher.

Von allen Kaffeehäusern der Schöngeister nahm das nach seinem Besitzer William Urwin (oder Erwin) getaufte Will's Coffee-house den vornehmsten Platz ein, weil in ihm der allgewaltige Dryden sein Hoflager aufschlug. Als Typus des damaligen Literatenkaffeehauses verdient es, hier eingehender gewürdigt zu werden.

Will's, seit Ned Ward auch Wit's genannt, lag an der Nordwestseite der Great Russel Street und Ecke Bow Street und umfaßte zwei anstoßende Häuser in jeder Straße. Noch heute besteht es als Nr. 23 und beherbergt einen Parfümerieladen. Ursprünglich ein Wirtshaus, die Rose, wurde es von seinem Besitzer umgewandelt. 1660 schon nennt es Pepys Will's (Notiz vom 15. März): William Urwin war also damals bereits sein Besitzer. 1663 heißt es bei ihm,,the great Coffeehouse".

Über seine Einrichtung sagt Timbs (Clubs S. 205):,,Will's, wie viele der früheren Häuser, hatte eine Flucht von Treppen. Es gab hier eine regelrechte Abstufung. Der Balkon oder ein Platz nahe dem Kamin war während der Wintermonate der vielbegehrte Ehrenplatz. Zwei Räume wurden vielleicht in einen einzigen zusammengelegt, um die zahlreichen Besucher unterzubringen. Tische wurden für verschiedene Gegenstände der Unterhaltung gesondert aufgestellt." Und weiter Spence (S. 189): „Die Gesellschaft versammelte sich auf dem ersten oder, wie er genannt wurde, dem Speiseflur, und ferner hören wir von einem Balkon. Die Gäste saßen nicht in abgetrennten Abteilungen wie gegenwärtig, sondern an verschiedenen Tischen, die durch den Raum zerstreut waren."

Rauchen war bei Will's gestattet: gerade hier scheint man es mit wahrer Leidenschaft betrieben zu haben. „Die Gesellschaft", sagt Malone (1, 487), „saß oft eingehüllt von Tabaksdunst infolge des Rauchens, das so sehr in Brauch war, daß

Wills Kaffeehaus, seine Einrichtung und Besucher.

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es anscheinend nicht als Beeinträchtigung empfunden wurde. Auch finden wir es nie als eine Beschwerde in irgendeiner der damaligen Flugschriften erwähnt.“

Hier wie in vielen andern Kaffeehäusern schied sich je nach ihren Interessen und Berufen die Besucherschaft in verschiedene Abteilungen: den,,Grave Club“, den,,Witty Club“ und den,,Rabble". Besonders am Abend nach den Theatervorstellungen zogen die vornehmen Besucher Will's allen andern Stätten vor. Bis tief in die Nacht hinein „gibt es Pikettspiel und die beste Unterhaltung. Hier kannst du blaue und grüne Seidenbänder sehen und berühmte Persönlichkeiten, wie sie leutselig dasitzen und mit derselben Freiheit plaudern, als ob sie ihren vornehmen Stand und ihren Rangunterschied zu Hause gelassen hätten" (Macky 1, 158).

Der erste von den drei Klubs umfaßt die Politiker, wie Moyle in einem Brief an Dennis mitteilt (Works S. 238). Seine Mitglieder sind „ernste, sich abmühende Politiker, die jeden Abend heiß gearbeitet vom Parlamentshause kommen“ und ihren,,Dish of Politician's Porridge" bei Will's leeren.

An Güte und Bedeutung ist der Witty Club der wichtigste. Ohne Zweifel schwingt Dryden hier sein Szepter, ein unbestrittenes Vorrecht, vor dem sich alle Mitglieder beugen. Zu ihnen gehören alle anerkannten Schöngeister und Dichter des Tages wie die, welche Anspruch auf diesen Ehrennamen erheben.

Edward Ward macht sich weidlich über diese Gesellschaft lustig. Einem aus der Provinz ihn besuchenden Freunde zeigt er diese Gestalten,,in hopes the powerful eloquence which drops from their silver tongues." Sie stoßen durch den rauchgeschwängerten Raum vor und beobachten von einem erhöhten Platz aus, wie drei oder vier Wits der besseren Stände sich um einen Tisch versammelt hatten und die Aschenreste alter Dichter aufrührten, indem sie den Sinn verdrehten und seltsame Allegorien und Anspielungen machten, von denen die Verfasser nie geträumt haben. Dabei entschuldigten sie einige Fehler, die wirkliche Schnitzer oder Versehen des Dichters waren. „Einer war ein Mann von bedeutendem Urteil, Wissen und Einbildungskraft, aber ohne Grundsätze. Ein andrer hatte feine Sachen geschrieben und konnte fein schreiben, wollte aber nicht schreiben. Ein dritter schrieb in seinem Leben einmal

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