Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

er einen klaren und bestimmten Begriff Gottes zu besigen, weil er aus den Attributen Gottes Beweise ziehen kann 1). Hierin scheint ihn besonders ein Punkt zu bestärken, daß er nemlich das Unendliche (infinitum) vom Unbestimmten (indefinitum) zu unterscheiden vermag. Und doch, den Unterschied beider giebt er nur sehr ungenau an. Unendlich will er nur das genannt wissen, in welchem in keiner Beziehung Grenzen gefunden werden, unbestimmt aber das, welches zwar in einer, aber nicht in aller Beziehung ohne Grenzen ist. Seine Beispiele sind deutlicher, als seine Erklärung. Nur Gott, meint er, ist unendlich, der Raum aber und die Zahl find nur unbestimmt 2). Die Stärke seiner Überzeugung beruht wohl nicht auf diesen Erklärungen. Eine viel ftärkere Stüße hat sie in dem, was früher schon erwähnt wurde, daß wir über die Grenzen unserer Gedanken nur durch das Bewußtsein des Unendlichen belehrt und dadurch über uns selbst hinausges trieben werden. Hierauf deutet auch der von den Scholaftikern entlehnte Ausdruck, durch welchen er die Art unserer Gotteserkenntniß bezeichnet. Wir sollen ihn berühren 3). Wir werden uns hierbei erinnern, daß Descartes

1) De prima phil. Resp. I p. 58 sq.; Resp. V p. 66 sq. 2) Ib. Resp. I p. 59. Distinguo inter indefinitum et infinitum illudque tantum proprie infinitum appello, in quo nulla ex parte limites inveniuntur, quo sensu solus deus est infinitus; illa autem, in quibus sub aliqua tantum ratione finem non agnosco, ut extensio spatii imaginarii, multitudo numerorum, divisibilitas partium, quantitatis et similia, indefinita quidem appello, non autem infinita, quia non omni ex parte fine carent. Anders wird das indefinitum erklärt epist. I, 67 p. 187; 69 p. 206.

3) Epist. I, 110 p. 351; in demselben Sinne wird attingere auch de prima phil. III p. 21 und princ. phil. I, 41 gebraucht,

der Erfahrung von unserm Geifte und von Gott vertraute, welche sicherer als jeder Beweis sei. Wenn er in diesem Sinn die Beweise für das Sein Gottes für unnöthig erklärte, so drückt dies zwar seine feste Überzeu= gung von dem, was er beweisen wollte, aber auch seine völlige Unsicherheit in der Methode aus.

Ohne Zweifel gehört es auch nur seinen Verlegenheiten über die Methode an, daß er die Unklarheit und Unbestimmtheit unseres Begriffes von Gott nicht eingestehn will. Denn es ist als charakteristisch für seine Lehre an= zusehn, daß er den genauern Untersuchungen über Gott, fein Verhältniß zur Welt und zum Menschen aus dem Wege geht. Dergleichen Dinge schiebt er gern der Theologie zu; seine Äußerungen über sie sind nur gelegentlich, häufig schwankend und nur da tragen sie den Charakter einer sorgfältigern Erörterung an sich, wo sie die Lücken unserer Kenntniß von den weltlichen Dingen decken follen. Eine kurze Übersicht über seine theologischen Lehren wird dies leicht erkennen laffen. Wir dürfen sie nicht übergehn, nicht allein weil sie charakteristische Züge seiner Philosophie abgeben, sondern auch weil einige derselben für die spätere Entwicklung der Cartesianischen Schule von großem Einfluß gewesen sind.

Descartes lehrt, um Gott als Schöpfer der Welt beträchten zu können, daß in dessen Begriff eine unendliche Potenz liege, welche alles Mögliche wirklich machen könne 1). Er hat uns nicht verrathen, wie dies damit sich vereinigen lasse, daß Gott alles der Wirklichkeit nach sein und nichts

1) De prima phil. Resp. II p. 90,

nur Potentielles in ihm liegen soll 2. Hiermit stimmt es überein, daß in Gott alles als ewig und ohne Veränderung gedacht werden muß, daß ihm zwar viele Attribute, aber keine wandelbare Weisen des Seins zugeschries ben werden können 2). Dieser Sah hat großes Gewicht, weil Gottes unveränderliche Wirksamkeit in der Welt und das ewige Gefeß der Natur auf ihn gebaut werden. Wenn dagegen Descartes Gott als Schöpfer betrachtet, so will er die wirkende Ursache der Dinge in ihm aufsuchen, lehnt es aber ab ihn auch als Zweckursache anzusehn, weil unser endlicher Verstand sich nicht anmaßen dürfe die Rathschläge Gottes begreifen zu können3). Als Schöpfer ift Gott auch zugleich Erhalter der weltlichen Dinge; sie können sich nicht selbst erhalten, wie früher bes merkt wurde, sondern find unaufhörlich seines Beißtandes in ihrem Sein bedürftig, indem die Erhaltung der Dinge eine stetige Schöpfung ist. Die folgerichtige Durchführung dieses Gedankens würde ergeben haben, daß die weltlichen Dinge nur beständige Wirkungen Gottes sind und kein selbständiges Sein haben. Hierauf führt auch die Art, wie Descartes die Substanz erklärt. Im eigent lichen Sinn nemlich soll nur das Ding eine Substang sein, welches so ist, daß es zu seinem Sein keines andern Dinges bedarf. Sehr richtig bemerkt Descartes, daß in diesem Sinne nur Gott Substanz genannt werden könne. Er entzieht sich aber dieser Folgerung, indem er in der

1) Ib. III p. 22. In qua (sc. idea dei) nempe nihil est potentiale.

2) Epist. II, 99 p. 320.1

3) Princ. phil. I, 28.

Weise der Scholaftiker den Saß geltend macht, daß alle Worte von Gott nicht in demselben Sinn, wie von den Geschöpfen gebraucht werden könnten 1). Er wendet dies sen Saz jedoch anders als die Scholastiker und in einer sehr bedenklichen Weise an, indem der Sinn seiner Lehre darauf hinausläuft, daß wir den Begriff der Subftanz, den wir im eigentlichen Sinn nur Gott beilegen dürften, doch im uneigentlichen Sinn auf die Geschöpfe übertrügen. Aus der Unendlichkeit Gottes soll auch die Vollkommenheit der Welt, d. h. ihre Unendlichkeit im Raume folgen, und wer die Welt als endlich sich denken wollte, wird von Descartes beschuldigt, daß er die Macht Gottes verkleinere. Doch fügt er hinzu, er wolle die Unendlichkeit der Welt der Unendlichkeit Gottes nicht gleich segen, vielmehr nur die unbestimmte Ausdehnung derselben behaupten 2), eine Unterscheidung, welcher weiter keine Folge gegeben wird, indem Descartes den Begriff des Unbestimmten zwar nur als ein Bekenntniß unserer Unwissenheit angesehn wiffen will 3), dagegen aus dem Ge

1) Ib. I, 51. Per substantiam nihil aliud intelligere possumus, quam rem, quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum. Et quidem substantia, quae nulla plane re indigeat, unica tantum potest intelligi, nempe deus.

Alias vero

omnes non nisi ope concursus dei existere posse percipimus. Atque ideo nomen substantiae non convenit deo et illis univoce, ut dici solet in scholis, hoc est, nulla ejus nominis significatio potest distincte intelligi, quae deo et creaturis sit communis.

2) Ib. II, 21; epist. I, 35 p. 75; 36 p. 80 sq.

3) Princ. phil. I, 26; epist. I, 67 p. 187; 69 p. 206. Die selbe Bestimmung findet sich auch in Beziehung auf die Theilbarkeit in das Unbestimmte.

danken der unendlichen Raumerfüllung, wie wir sehen werden, sehr bestimmte Folgerungen zieht. Der Unendlichkeit der Welt im Raume gesellt sich ihre Unendlichkeit in der Zeit zu; aber Descartes kann die unendliche Dauer doch nur vorwärts, aber nicht rückwärts behaupten und es scheint ihm dabei auch nicht unmöglich, daß es Gott gefiele seine erhaltende Macht von den Dingen abzuziehn 1). Alles Positive in den Dingen der Welt leitet er nur von Gott ab, alles Negative an ihnen ist nur eine Folge ihrer Beschränktheit, welche ihnen als Geschöpfen zukommt z es hat keine Ursache in Gott. Unter diese Claffe fällt auch das Böse2). Descartes behauptet nun, daß Gott nicht allein allgemeine, sondern auch totale Ursache der weltlichen Dinge sei. Er meint aber doch dies könne die Freiheit unseres Willens nicht beeinträchtigen, indem ihn die theologische Unterscheidung zwischen dem absoluten und relativen Willen Gottes beruhigt 3). Dennoch gesteht er auch zu, daß es unsere Fassungskraft übersteige einzusehn, wie die Freiheit unseres Willens mit der Vorherbestims mung Gottes sich vereinigen laffe 4). Aus dem unveränderlichen Wesen Gottes fließt auch seine unveränderliche Wirksamkeit, welche im Geseze der Natur sich verkündet. Es ergiebt sich hieraus eine Folgerung, welche für die Physik des Descartes von Wichtigkeit ist, daß nemlich Gott beständig in der Welt dieselbe Quantität der Be

1) Epist. I, 36 p. 81; de prima phil. Resp. II p. 81.
2) De prima phil. IV p. 29; epist. I p. 20; princ. phil. 1, 23.
3) Epist. I, 8 p. 21; 9 p. 25; 10 p. 27 sq.

4) Princ. phil. I, 40 sq.

« VorigeDoorgaan »