Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Daß ich die Gicht" des Originals dabei in ,,Gift" umgewandelt habe, lediglich natürlich für die Bühne, wolle man mir verzeihen. Die „Gicht" befremdet, ausgesprochen, an dieser Stelle auffallend und schädigt die Stimmung der Scene, anstatt sie zu fördern. Die Nennung des Giftes erweckt aber einen leisen Bezug zu den schleichenden, langsam aufreibenden Mitteln, mit denen die Königin im Geheimen arbeitet, denselben Mitteln, denen der König, denen mit rascherer Wirkung auch Imogen zum Opfer fallen sollte.1) II. Scene. Posthumus ist abgeführt worden. Kriegerische Musik. Aufzug Cymbeline's und der Seinen mit Fahnen, Standarten und Trophäen. Er nimmt inmitten der Bühne auf einem Hügel, auf dem rasch ein Zeltlager aufgeschlagen wird, Platz. (Ein Dekorationswechsel bleibt somit vermieden.) Mit erheblichen Kürzungen entwickelt sich die Scene von nun an im Wesentlichen im Gang des Originals. Der Ernennung der Waldbewohner zu ,,Wahlstattrittern" folgt die Botschaft des Arztes vom Tode der Königin, die Vorführung der Gefangenen, Cymbeline's und Imogen's Zwiesprach, Jachimo's Bekenntniß, das Wiederfinden der Gatten, doch ohne den verletzenden Schlag und das an dieser Stelle ganz unerträgliche Intermezzo mit Pisanio, das, gekürzt, erst nach der rührenden Umarmung der Beiden seinen Platz findet. Die erneute Aufklärung des Arztes wird nach dessen Worten:

an.

Ihr Götter,

Eins in der Königin Beichte ließ ich aus
Hör' mich, mein Fürst

in ein flüsterndes Gespräch des Arztes mit Cymbeline und Imogen verwandelt, dessen Inhalt wir ja kennen. Auch Pisanio's Bericht von Cloten's Verschwinden wird dadurch hinfällig, und rasch schließt sich die kecke Rede des Guiderius und die Enthüllung des Belarius Mit dem durch die früheren Streichungen bedingten Ausfall des Wahrsagers fällt auch die erneute Berührung der politischen Verwickelungen, der Zusicherung der Unterwerfung an Rom (die nach dem Sieg der Briten einen ganz mißlichen Eindruck macht) und mit der festlichen Aufforderung des Königs endet das Stück wie im Original.

[ocr errors]

1) Es ist nur zu fürchten, daß die populäre Auffassung des Begriffs „Gift“ hiergegen streiten könnte; im Allgemeinen glaubt man, daß wer an Gift krankt. überhaupt keine Zeit habe, Ewigkeiten lang zu stöhnen, während grade die „Ewigkeit“ des Leidens mit der verzweifelten Endlosigkeit des „Stöhnens" ein Characteristicum der ,,Gicht" ist.

D. R.

Ich gestehe, daß ich mit diesen letzten Aenderungen nicht ganz zufrieden bin, daß mir ein rücksichtsloseres Verfahren im Streichen, in der Verlegung der Scenen und der Einschaltung neuer Verse fast geboten erscheint, um den letzten Akt auf der Höhe der Bühnenwirkung der voraufgegangenen zu belassen, behalte mir auch ein Zurückkommen auf diesen Punkt vor. Im Uebrigen springt aber der theatralische Vortheil dieser Einrichtung, wie ich glaube, in die Augen, nicht zum Wenigsten vielleicht der Gewinn, daß die beiden ersten Akte nur je eine Verwandlung haben, der dritte zwei, der vierte und fünfte keine. An die Stelle des 26 maligen Scenenwechsels im ganzen Stück tritt somit nur ein 9maliger. Alle weiteren Aenderungen werden für oder gegen sich selbst sprechen; ich enthalte mich darum jeden Kommentars.

Aufgefallen wird es sein, daß ich dem musikalischen Element einen breiten Platz eingeräumt habe. In der That einen noch breiteren, als aus den obigen Notizen hervorgehen konnte. Denn die Musik von Albert Dietrich, der für den romantischen Stoff der berufene Meister ist, begreift eine Ouvertüre für großes Orchester in sich, vier Entr'actes, einen kleinen Instrumentalsatz: die Serenade des Cloten vor dem Liede, dies Lied (Tenorsolo), das Melodram während der Scene in Imogen's Schlafgemach, einige Hornrufe, die elegische Weise auf dem ,,kunstreichen Instrument" des Cadwall

isch Horn), den Grabgesang (Duett für Tenor und Trauermarsch bei Cloten's Bestattung, einen kriegeDon Nusatz. Nur in dieser musikalischen Umhüllung und scheint mir der Cymbeline für die Bühne einzig Er gehört zu den am musikalischesten empfunhakespeare's, nicht ganz so wie der SommernachtsSturm, aber nicht weniger als der Dreikönigsholde Wahnstimmung hat das Werk geboren und unser, wenn wir es auf uns wirken lassen. Eine Macht scheint mit leisem schützendem Flügelaus und Garten zu wallen und das Schiff, das den verbannten tragt, sicher zu geleiten. Worte, die die Musik selbst aus der Taufe gehoben, schlagen an Ohr und Herz. Dieses Wunderbare will im Theater verkörpert werden, wie es der Geist der Dichtung im Uebrigen sein will und muß. Wir hören es in uns singen und klingen, wenn wir die Dichtung lesen; wir müssen wirkliche Töne vernehmen, wenn wir sie sehen. Auch hat der Effekt die Richtigkeit dieser Anempfindung schon besiegelt. Trotz

dem bei den wiederholten Aufführungen in Bremen die Musik nur erst zum Theil fertig gestellt war, und trotzdem sie bei den jüngsten Aufführungen in Leipzig (die erste fand dort am 15. December 1883 Statt) nur vom verminderten Orchester ausgeführt wurde, übte sie eine starke Wirkung: eine siegesgewisse Verbündete der großen Schöpfung Shakespeare's.

Der neuen Bearbeitung für die Bühne wurde die Uebersetzung von Hertzberg zu Grunde gelegt, über deren vorzügliche Qualitäten ich mich zu verbreiten nicht nöthig haben werde. Daß sie auch ihre Schwächen hat, ist unleugbar; zu Zeiten fehlt ihr der melodische Fluß, und über dem Verlangen, sich dem Original möglichst treu anzuschmiegen, wird sie undeutlich. Die Schauspieler haben sie nicht eben leicht gelernt. Dennoch würde ich sie gewählt haben, auch wenn sie mir die Pietät für den Verstorbenen, meinen früheren Lehrer, nicht besonders werth gemacht hätte. Daß ich mir auch mit ihr wiederholt kleine Aenderungen erlaubt habe, wird mir Angesichts der Umgestaltungen, die die Dichtung Shakespeare's selbst betrafen, um so leichter nachgesehen werden. Sie bezogen sich vorwiegend auf die Wahl einzelner Ausdrücke, die mir entweder an und für sich unpoetisch oder doch, auf der Bühne für die Ohren und die Empfindung des Theaterpublikums, störend erschienen. Im Princip ist das freilich eine difficile Frage. In wie fern ist ein einzelnes Wort an sich unpoetisch oder poetisch? Macht es nicht erst der Zusammenhang dazu? Sei dem aber, wis ihm sei, ich glaubte in dem Passus „Wie fein die Schlange, erst kitzelt, eh' sie sticht" das Wort „kitzelt" in das zwar farhosere allgemeinere, aber unbefremdliche „schmeichelt" umwandeln müssen, den „Koffer" des Jachimo aber, von dem Hertzberg redet, in die übliche „Kiste". Bei dem Koffer kann man sich eine Erinnerung an den modernsten Reisekomfort und damit eines Lächelns nicht erwehren. Er stört die Illusion. Und so gab es noch einig andere, für mich fraglose Aenderungen zu besorgen, für die ich im Interesse der Bühnenwirkung des Stücks und damit doch auch der Uebersetzung die Verantwortung leichten Herzens übernommen habe.

zu

Vielleicht giebt dieser kurze Abriß eine hinlängliche Vorstellung von dem Charakter meiner Bühneneinrichtung des fehlerund widerspruchsvollen, aber im Kern so unsagbar schönen Werkes. Kompetente Beurtheiler, auch solche, die, wie Gottschall, dem Stücke selbst fremd und fast feindlich gegenüber stehen, haben ihr gelegentlich der öffentlichen Aufführung ihren kritischen Segen er

theilt. Sollte auch sie sich nicht bewähren, so würde ich einem Jeden, der die Aufgabe besser löst, mit Vergnügen weichen. Meine Arbeit gilt nur dem Dichter und nicht mir und den praktischen Hülfsmitteln der modernen Bühne, die ich kenne und vielleicht zu verwerthen weiß. Aber wie bescheiden ist diese Technik, wenn man sie neben der poetischen Urkraft der Dichtung betrachtet. Höher will ich selbst auch meinen Versuch nicht anschlagen: es ist eine gern übernommene Kärrnerarbeit am Bau eines Königs. Und mit Lindner (Jahrbuch III, pag. 371), der gleichfalls eine Bearbeitung vorgenommen, die er am citirten Ort mittheilt, sage ich gern: „Wenn ich einen berufenen Dichter durch meinen Versuch angeregt habe (scil. einen gelungeren zu unternehmen), so habe ich eben nur den Zweck erreicht, den ich mit dieser Mittheilung im Auge hatte".

Die Sonett-Periode in Shakespeare's Leben.

Von

Hermann Isaac.

Einleitung.

Ueber Werth und Verwerthung von Parallelstellen.

Massey sucht in seinem großen Werke über Shakespeare's Sonette zu beweisen, daß die Abfassungszeit der an die schwarze Schöne gerichteten Sonette in den Beginn des 17. Jahrhunderts fällt, indem er folgende 7 Parallelstellen aus den s..

anführt:

1) Robbed others' beds' revenues of their rents.
And pour our treasures into foreign laps.
2) Be it lawful I love thee as thou lov'st those
Whom thine eyes woo as mine importune thee.
Be it lawful I take up what's cast away.
3) And patience, tame to sufferance, bide each check.
A most poor man, made tame to fortune's blow.
4) Commanded by the motion of thine eyes.
a) He waged me with his countenance.

b) Her gentlewomen, like the Nereides,
So many mermaids, tended her the eyes.

5) If eyes corrupt by over-partial looks
Be anchor'd in the bay etc.

There would1) he anchor his aspect and die
With looking on his life.

1) Massey schreibt: Then should.

Ant.

Sonn. 137.

Ant.

« VorigeDoorgaan »