Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

in ihr das Denken trübt und dahin treibt, das zu finden, was sie nicht wünscht zu finden, so wird doch Shakespeare vielfach der Vorwurf gemacht, er ließe die Eifersucht in der Seele seiner Helden zu schnell und unvermittelt entstehn. Jedenfalls hätten Othello, Posthumus und Leontes, die so viel Beweise treuster und innigster Liebe von ihren Gattinnen empfingen, alle Ursache zu prüfen, ehe sie verurtheilten. Leontes verdammt Hermione, weil sie den von ihm zum ferneren Bleiben eingeladenen Gastfreund auch freundlich dazu auffordert. Othello und Posthumus entbrennen in Eifersucht auf die Anklage zweier Schurken hin; Desdemona und Imogen hatten ihre Männer durch ein sittliches Vergehen, durch das willkührliche Verlassen ihrer Eltern ohne deren Ein

willigung, gewonnen aber Hermiones Vorleben war engelrein

und trotzdem ist die Eifersucht des Leontes auf sie am schwächsten motivirt. Othello, Posthumus und Leontes lieben ihre Gattinnen zärtlichst, und werden ebenso wieder von diesen geliebt. Othello tödtet Desdemona, nicht in Leidenschaft und selbst nicht aus Eifersucht, sondern um der Pflicht der Ehre zu genügen: nichts thut er aus Haß, für Ehre alles. Zu spät erfährt er, daß ihn Cassio betrog; er ersticht sich und stirbt mit den Worten:

Ich küßte dich,

Eh' ich dir Tod gab: nun sei dies der Schluß,

Mich selber tödtend sterb' ich so im Kuß.

Posthumus glaubt, er sei der Mörder der ungetreuen Imogen; trotzdem er an ihre Untreue glaubt, liebt er sie noch, und als er erfährt, daß man ihn belog, klagt er sich selbst an in schärfster Weise, bis sie lebend vor ihm erscheint, um nun an ihm „als Frucht zu hängen, bis sein Baum erstirbt.“

Auch Leontes meint, der wilde Ausbruch seiner Eifersucht habe sein Weib getödtet, die Reue peinigt ihn und die Liebe erwacht in ihrer ganzen Stärke; als Florizel ihm Perdita zuführt, denkt sein entzücktes Auge nur Hermione. Paulina, von der Leontes rühmt, daß er stets viel Trost von ihr empfing, zeigt ihm das Standbild der Todtgeglaubten, es gewinnt Leben, steigt herunter von seinem Piedestale, in Umarmung feiern die Gatten das Wiedersehen. Mit Leontes findet Hermione die gleichfalls todtgeglaubte Tochter; der Liebe größte, die Mutterliebe, läßt Hermione ihr Schweigen brechen, ihr erstes Wort ist ein Gebet: Ihr Götter, blickt herab,

Und schüttet Segen aus euern heil'gen Schalen
Auf meiner Tochter Haupt!

Eine eifersüchtige Frau soll das Bild vervollständigen; es ist Adriana in der Komödie der Irrungen. Obgleich sie einiges Recht hat, ihren Antipholus zu beargwöhnen, so sinnt sie doch nicht gleich auf seinen Tod. Ihre Schwester giebt vermeintlich (denn im Grunde spricht sie mit dem Zwillingsbruder) ihm den guten Rath, er möge etwas Liebe heucheln:

geht zu ihr hinein,

Liebkost der Schwester, sprecht ihr freundlich zu;

's ist heilger Trug, ein wenig falsch zu sein,
Bringt süßes Schmeichelwort den Geist zur Ruhe.

Wie aber rächt sich Adriana und wie will sie ihren Mann von seiner Untreue heilen? Wir erfahren das aus der Unter

haltung Adrianas mit der Aebtissin:

Adr. Ein Liebchen wohl hat ihm sein Haus verleidet.

Aebt. Das hättet ihr ihm denn verweisen sollen.

Adr. Das that ich auch.

Aebt. Doch wohl nicht scharf genug!

Adr. So scharf, als mirs Bescheidenheit erlaubte.
Aebt. Vielleicht geheim nur?

Adr. In Gesellschaft auch.

Aebt. Ja, doch nicht oft genug?

Adr. Es war der Inhalt jeglichen Gesprächs.

Im Bette schlief er nicht vor meinem Mahnen;
Am Tische aß er nicht vor meinem Mahnen;
Allein, wählt' ichs zum Text für meine Rede,
Und in Gesellschaft spielt' ich darauf an,

Stets sagt' ich ihm, es sei gemein und schändlich.

Aebt. Und hieraus folgt: durch deine Eifersucht

Ward dein Gemahl von Tollheit heimgesucht.

Man sieht, die Frau rächt sich, wenn sie eifersüchtig ist, nicht so tragisch wie der Mann, aber immerhin nachhaltig und sicher.

Die Eifersucht selbst wird endlich bestraft in den lustigen Weibern von Windsor. Da ist dem übereifersüchtigen Herrn Fluth der zu vertrauensselige Herr Page gegenüber gestellt, und deren Frauen treiben allerlei Neckereien mit ihnen, wie mit dem verliebten Ritter Falstaff, der freilich in diesem Stücke alt und schal geworden ist, abgestandene Witze traktirt und mehr bedauerlich als komisch ist. Die Moral der Geschichte aber spricht am Schlusse Frau Fluth aus:

Durch unser Beispiel leucht' es Allen ein,

Ein Weib kann lustig und doch ehrbar sein.

Die thut nichts Böses, die gern scherzt und lacht;

Vor stillen Wassern aber habet Acht.

Kehren wir nun zu den durch Eifersucht verfolgten Frauen zurück, so sehen wir, daß sie trotz ungerechter Vorwürfe und trotz alles ihnen wiederfahrenen Unrechts doch in Treue und Liebe beharren; ja die ganze Größe ihrer Liebe zeigt sich erst recht im Unglück.

Da ist Desdemona, die, als ihr Leben von Othello bedroht wird, ihm noch bekennt, ihre einzige Sünde sei zu ihm die Herzenliebe; sie stirbt, von ihm erdolcht, mit der frommen Lüge, sie selbst habe die That vollbracht, ihr letzter Seufzer ist:

Empfiehl mich meinem güt'gen Herrn leb' wohl.

Imogen, die von ihrem Gatten fälschlich Beschuldigte und von ihm zum Tode Verdammte, ruft dem Pisanio zu: Thu' deines Herrn Geheiß; wenn du ihn siehst,

So rühm' ein wenig mein Gehorchen. Sieh!

Ich ziehe selbst das Schwert; nimm es und triff

Der Liebe schuldlos Wohnhaus, dieses Herz.
Thu' sein Gebot: stoß zu.

Und als sie meinte, ihr Gatte sei getödtet, und Freunde, die sie in ihrem Schmerze treffen, fragen, warum sie klage, da sagt sie von dem, der ihr so viel ungerechtes Leid bereitet:

[blocks in formation]

Die ganze Größe einer ungerecht beschuldigten Frau beweist Hermione im Wintermärchen. Ihre Vertheidigungsrede vor

Gericht zeigt das edle, hoheitsvolle Weib in vollendetster Weise. Es ist das Hohelied der reinen Frau, wie es schöner nie gesungen wurde. Die öffentlich angeklagte, in ihren heiligsten Empfindungen gekränkte Hermione denkt nur an ihre Ehre; der Tod, mit dem Leontes droht, schreckt sie nicht, sie erhofft ihn.

Mir kann das Leben kein Geschmack mehr sein:
Die Kron' und Lust des Lebens, Eure Liebe,
Die geb' ich auf (ich fühl' es, sie ist hin),
Doch wie, das weiß ich nicht.

Blicken wir noch einmal zurück auf das Vorgetragene, so sehen wir, daß Shakespeare in seinen dramatischen Dichtungen in der verschiedensten Weise die allgemein menschlichste Leidenschaft die Liebewahr und doch ideal feiert. Shakespeares große Menschenkenntniß, seine feine Beobachtung, vor allem seine hohe Achtung vor dem Weibe, zeigt sich in allen seinen Dich

[ocr errors]

tungen. Da ist nirgends das moderne Behagen, den Nachtseiten des menschlichen Herzens nachzuspüren, die Ausnahme als Regel hinzustellen und die Verirrungen zu Tugenden zu machen - das menschliche Herz kann sich nicht bewegen wie eine gut aufgezogene Uhr: dann wäre es eben keiner Leidenschaften fähig und weder für den Psychologen noch für den Dichter hätte es ein Interesse. Der Dichter aber soll die Leidenschaften ethisch behandeln und mit poetischer Gerechtigkeit über ihnen stehen, nicht mit Vorliebe die Konflikte häufen und sie dann mit Phrasen oder mit Leichtsinn auflösen, um zum Schlusse zu kommen; noch weniger aber darf der Dichter in der Weise vieler Menschen, denen es leicht wird, die Leidenschaften zu bekämpfen, weil sie keine Leidenschaften haben, die Fragen überhaupt von sich fern halten. Shakespeare ist in Allem ein Muster, sowohl in dem, was hier zu thun, als in dem, was zu lassen ist.

Die Liebe ist und bleibt ein unerschöpfliches Thema. Jeder empfindet und denkt darüber anders. Zum Schluß möchte ich da noch beispielsweise den Ausspruch des Narren Probstein aus Wie es Euch gefällt anführen:

Ich erinnere mich, da ich verliebt war, daß ich meinen Degen an einen Stein zerstieß, und hieß ihn das dafür hinnehmen, daß er sich unterstände, Nachts zu Hannchen freundlich zu kommen; und ich erinnere mich, wie ich ihr Waschholz küßte, und wie ich mit einer Erbsenschote schön that, als wenn sie es wäre, und ich nahm zwei Erbsen, gab sie ihr wieder und sagte mit weinenden Thränen: Trage sie um meinetwillen. Wir treuen Liebenden kommen oft auf seltsame Sprünge: wie Alles von Natur sterblich ist, so sind alle sterblich Verliebten von Natur Narren.

Jahresbericht vom 23. April 1883.

Vorgetragen

vom

Herrn Freiherrn von Vincke.

Der vorjährige Bericht erfüllte eine ernste Pflicht, als er

einer Anzahl von Männern, welche sich um unsere Gesellschaft dauerndes Verdienst erwarben, in schmerzlichem Nachruf die letzte Ehre erwies. Von so schweren Verlusten blieben wir in diesem Jahre verschont. Den Hingeschiedenen wird die Erde leicht sein. Unsere Mitgliederzahl beträgt gegenwärtig 185.

Von dem Jahrbuch kommt heute der 18. Band zur Vertheilung. Derselbe wird so hoffen wir den Mitgliedern auf deutscher und fremder Erde wie jedem Shakespeare-Freunde darthun, daß auch das geistige Leben der Gesellschaft ein reges, ein vielseitiges geblieben ist, daß der Herausgeber seinen verdienstvollen Vorgängern durch Sorgfalt und Umsicht würdig sich anreiht.

Unser Mitglied, Professor Dr. Burgersdijk zu Deventer, steht im Begriff, durch seine glänzende Uebersetzungskunst den Holländern Shakespeare's Werke in einer Gesammtausgabe treu und poetisch zu vermitteln, nachdem es ihm schon gelang, die holländische Bühne, welche bis dahin nur Othello und Romeo und Julie kannte, aber kaum liebte, für den englischen Dichter vollständig zu gewinnen; zwei Drittel aller Shakespearestücke liegen bereits fertig in Burgersdijk's Uebertragung. Die deutsche Shakespeare-Gesellschaft wünscht Heil und Gedeihen diesem Unternehmen, welches ein stammverwandtes Land als neue ShakespeareProvinz erobern will und erobern wird.

« VorigeDoorgaan »