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männer, d. h. in die genannten Materialien gekleidete Personen aufzogen; sie bilden eine Oase für die Erinnerung in der einförmigen Wüste der Gegenwart. Auch Cervantes, der Zeitgenoß Shakespeare's, bringt im Don Quijote viele Andeutungen, daß zu seiner Zeit auf dem Lande ein reiches Volksleben blühte. Der von ihm erwähnte Schwertertanz der Jünglinge ist höchst wahrscheinlich gothische Erinnerung.

Den Schluß der Handwerkervorstellung im Sommernachtstraum V, 1 bildet ein Bergamasker Tanz, ein Tanz von Tölpeln, der bergamaskisch hieß, weil das Volk von Bergamo in Italien für sehr ungehobelt galt. Wie schon der Name zeigt, waren fast alle Tänze modischen Schnittes aus Italien gekommen; so vielleicht auch dieser.

Die englischen Komödianten in Oesterreich.

Von

Johannes Meissner.

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Für die Geschichte der englischen Komödianten in Oesterreich ist bisher wenig Material gesammelt worden. Obwohl hier deutsche Kaiser Hof hielten und die englischen Komödianten hier wie im nördlichen Deutschland die Väter unsrer Schauspielkunst waren, hat man sich mit einigen fragwürdigen Notizen begnügt. Die Theater- und Kultur-Geschichten stützen sich, wo sie die österreichischen Bühnenverhältnisse des 16ten und 17ten Jahrhunderts berühren, durchaus auf Johann Ev. Schlager's Wiener Skizzen aus dem Mittelalter" (1839) und desselben Autors Bericht über das alte Wiener Theater an die kaiserliche Akademie der Wissenschaften (in den Wiener Akademieberichten, philosophisch-historische Klasse, vom Januar 1851). Ein Blick in die Quellen lehrt aber, daß Schlager diese in sehr leichtfertiger Weise benutzte und so zu ganz falschen Vorstellungen über die Anfänge der Schauspielkunst in Oesterreich Anlaß gab. Eduard Devrient hat auf Schlager's Angaben hin und unsterstützt durch die Lebhaftigkeit seiner eigenen Phantasie die Geschichte der deutschen Schauspielkunst um ein neues Element bereichert, nämlich um die „Banden der Niederländer", welche in der Mitte des 16ten Jahrhunderts mit „niederländischen Stücken, mit Künsten, die sie von dem niederländischen Theater gelernt, das unter spanischem und französischem Einfluß eine besondere Ausbildung empfing" in Deutschland und Oesterreich als die ersten Berufskomödianten ihr

Jahrbuch XIX.

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Glück gemacht haben sollen Schlager fügt hinzu „in niederdeutscher oder französischer Sprache." In Wirklichkeit ist an der ganzen Behauptung, für welche sich von 1839 bis 1851 die Beweise mehrten wie die Steifleinenen" Falstaff's, nichts Reelles, als eine Notiz im Wiener Stadtrechnungsbuch vom Jahre 1561, die folgendermaßen lautet: „Mer dito als ein schauspill mit Niderlendische Personen In der Ratstuben gehalten Worden, den Spilleuten für Wein vnnd Prott bezalt 22 Kr. Mer für ainen großen Padschwams 9 Kr. bringt lt. Zedula - B 44". Hier steht nicht, daß,,Niederländer" ein Schauspiel gehalten haben, sondern ein Schauspiel mit „,niederländischen Personen" ist gehalten worden, womit aller Wahrscheinlichkeit nach die „,,agirenden Personen", nämlich die dargestellten Personen gemeint sind. Sicherlich kann man aus der Spende von 22 Kr. zu Wein und Brod für Spilleute (welches Wort für jede Art von Spielern, für Glücksspieler und Freudenspieler, zumeist aber für Musiker, gebraucht wird) nicht schließen, daß die Darsteller zahlbare fremde Berufskomödianten waren. Niederländische Banden hätten durch Deutschland ziehen müssen, um nach Oesterreich zu kommen, aber nirgend, weder auf den Frankfurter Messen, noch sonst wo, ließ sich die geringste Spur von ihnen entdecken. Die Rathhauskomödien in Wien waren Bürgerspiele, die Darsteller Dilettanten, die noch zu ihrem eigenen Vergnügen mehr als zu dem der Zuschauer spielten. Wirkten wirklich Niederländer mit, so waren es wohl ansässige Kaufleute, Universitäts- oder Hofangehörige und dergleichen Leute aus den Niederlanden, wie sie damals in Wien sich ziemlich zahlreich aufhielten.

Ebensowenig echt als die Niederländischen Banden" sind es die deutschen Berufskomödianten, die Schlager schon im 16ten Jahrhundert in Wien entdeckt haben will. Wenn Schlager in seinem Akademiebericht aus den Hofkammerrechnungen von 1596 einen ,,Franz Daniel Hauptmann" als ersten deutschen Komödiantenführer zu Tage fördert, so finden wir wohl im Original eine Notiz des kaiserlichen Pfennigmeisters: „Franzisco Daniel Haubtman sambt seiner Gesellschaft... ainhundert gulden . . .“

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Aber bei genauerer Prüfung stellt sich heraus, daß der Mann Franziscus Daniel hieß und ein französischer Kriegshauptmann war.

Die Väter der Schauspielkunst in Oesterreich waren die englischen Komödianten, welche zu Shakespeare's Zeit in großen Schaaren durch die deutschen Lande bis zum erzherzoglichen Hofe

in Graz zogen, und die italienischen Komödianten, welche nach Wien und Linz und bis ins Baiernland hinein gelangten. Dies kulturgeschichtlich so bedeutsame Herüberwogen der höchsten Schaumkronen fremder Kunst von Süd und Nord und die daraus entspringenden Anfänge der deutschen Schauspielkunst verdienen gewiß eine eingehendere Behandlung, als ihnen bisher zu Theil wurde. Ich habe mich vorläufig begnügt, Bausteine zu diesem Werke zusammenzutragen, die historischen Grundlagen zu geben für weitere Forschungen. Das Material wird sich nur durch Mitwirkung Vieler vervollständigen lassen. Was der Einzelne aufzufinden vermag, bleibt Stückwerk, halb und halb eine Gunst glücklichen Zufalls. Für Oesterreich verdanke ich einer Mittheilung in Hurter's Geschichte Ferdinand's II. die Auffindung eines neuen Repertoires der englischen Komödianten von 1607-1608, also aus Shakespeare's Blüthezeit. Von dem gegebenen Punkte aus habe ich dann weiter gesucht, indem ich die englischen Komödianten überall da vermuthete, wo Fürstenversammlungen oder -Hochzeiten, Krönungen und dergleichen weitstrahlende und langdauernde Festlichkeiten stattfanden.

Der erste Theil dieser Forschungen, welche die Zeit, da Shakespeare selbst noch lebte, umfaßt, ist unlängst bereits als Buch erschienen, als viertes Stück der von den Professoren Sauer, Werner und Minor bei Karl Konegen in Wien herausgegebenen Sammlung „Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und des geistigen Lebens in Oesterreich" unter dem Titel „Die englischen Komödianten zur Zeit Shakespeare's in Oesterreich". Aus diesem Buche will ich hier einiges Appetitreizende und zur Fortsetzung meiner Forschungen Anregende mittheilen, zugleich mit verschiedenem erst nachträglich Gefundenen oder über die dort behandelte Zeit Hinausreichenden.

Ueber den allgemeinen Stand der Bühnenkunst zu Beginn des 17ten Jahrhunderts giebt uns ein merkwürdiges Werk des Grazer Leibarztes Hippolyt Guarinoni „Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts" vom Jahre 1609-1610, erwünschte Auskunft. Darin rühmt der ehrenwerthe „Artium et Medicinae Doctor" unter allen Künsten ,,das menschlich gemüth zu erfrewen" die „,,Comoedien, Tragödien und Schawspiel" als „die gewaltigsten und fürnembsten." Er erzählt sodann von der Bühnenkunst in Italien, von den ,,bossierlichen Schnackenreißern in fast allen Stetten Welschlands" und namentlich von den „Ziarlatani" in Venedig,

,,von ziärlare genannt, das heist schwetzen, allda zwey drey oder mehr person als etwan ein Magnificus oder Venedischer Burger, sonsten meister Pantalon, welcher der Herr vnd der Zane sein knecht jre lustige bossen gesprächen geberden vnd dergleichen fürbringen darob einer lachen muss es sey jm lieb oder leyd."

Er unterläßt nicht, zu berichten, daß es in Italia auch höhere Schauspiele gab,,,in den fürnembsten Stätten fast alle Tag", dadurch die beschwerden Gemühter sich erquicken." Auf Deutschland übergehend, vermeldet er: „Dergleichen schaw- vnd hörspiel seyn der zeit im Teutschland zufinden vnd dern Comoedianten wie ich selbst gesehen auss den Nider- vnd Engelländischen Stätten so von eim ort zum andern herumb ziehen vnd jre lächrige bossen vnd gauckelspiel (doch ohne ungebür) vmb dass gelt denen so es zusehen vnnd hörn begeren, zimlicher massen soviel man in Teutscher Sprach vnd geberden zuwegen bringen kan verrichten.“

Noch um 1610 gab es in Deutschland keine andren Gesellschaften von Berufsschauspielern, die in deutscher Sprache spielten, als die englischen Komödianten, deren erste Truppe im Jahre 1592 von den Niederlanden her zur Frankfurter Messe gezogen kam, wo sie zunächst in englischer Sprache ihre Stücke aufführte.

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Schon früher unter Kaiser Max II. kamen italienische Komödianten nach Oesterreich, aber sie spielten italienisch und sie scheinen damals mit ihrer improvisirten Commedia dell'arte keine dauernden Anregungen gegeben zu haben. Sie traten als Hofbelustiger den Hofnarren und Hofzwergen Maximilians sogar eine Hofzwergin und ein Klosternarr (,,des Abts zu Weingarten Narren, Wolf genannt") werden in den Pfennigamtsbüchern erwähnt auf die Fersen, aber sie blieben nicht lange genug, um jene zu verdrängen. Gleichwohl bieten die bezüglichen Notizen der kaiserlichen Hofkammerrechnungen ein ganz besonderes Interesse für die Theatergeschichte. Da liest man unter Linz den 16. December 1568:

„Auß Beuelch Ihrer Kay. ast. x. Franncischco ysabella Camediante (Oder Camedianten) geben zwainzig Taller, welliche Jr. ast. x. auß soundern gnaden zu raichen Allergenedigst beuolchen." Und weiter im folgenden Januar zu Wien:

,,Denn 21 dito Auß Beuelch Ihr Kay. ast. x. Flaminio Comediannte (Oder Comediannten) vermüge Irer Bekenndtnuß mit N 9 bezalt 30 Frl."

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