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Feuersäule; ich sehe Funken, die ich höher achte, als die Sonne, und Thränen, die mir lieber find, als alle Sterne des Himmels. Meinet ihr, es sei was Gutes in dem Menschen so verborgen, daß ich es nicht sehe, oder so klein, daß ich es nicht achte?

13.

An Johannes.

Du heißest Johannes; du wirst Freude sein Vielen und zur Wonne werden für Unzählige! Du wirst leiden um des Leidenden willen und dich freuen über den Fröhlichmacher der Trauernden. Dein, o Freudensohn! find meine Freuden; denn meine Leiden sind die deinigen.

14.

An Judas.

Bist du unbarmherzig gegen die Barmherzigen, gegen wen wirst du barmherzig sein? Trägt dich keine Langmuth? und bedarfst du teiner Schonung von dem Barmherzigen, welcher fieht, was kein Auge fieht, und hört, was kein Ohr hört.

15.

An Johannes.

Achtest du es für ein Geringes, der Mund der himmlischen Weisheit zu sein? und für nichts, an der Brust des ewigen Lebens zu ruhen? Dennoch ist das, was du hast, nichts gegen das, was du haben wirst, und das, was du weißt, nichts gegen das, was du wissen wirst.

16.

An Judas.

Wer das Süße bitter und das Bittere süß nennt, der wird Brot effen von Sodoma und Aepfel von Gomorrha; wer das Licht nicht sehen will, der wird die Finsterniß umarmen, und wer das Heilige den Hunden vorwirft, wird von den Hunden zerrissen werden.

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„Was weinest du?" fragte der Herr seine Mutter, als er fie bitterlich weinen sah. „Ich weine über die Bosheit meines Volkes“, antwortete fie:,,ach, Israel! wie bist du gesunkener, als gesunken, und blinder, als blind, daß du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkennest !“

„Thränen“, erwiederte Jesus, „find schön in meinen Augen und lieblich vor meinen Vater in den Himmeln. Engel sammeln fie und die Fürsten der Engel zählen fie. Doch fürchte dich nicht, Maria, denn dein Sohn ist gekommen, alle Thränen zu trocknen, und alle Weinenden zu trösten. Dich wird er herrlich machen vor denen, die ihn hassen, und zu einer Mutter deren, die ihn lieben. Du wirst eine Fürstin sein unter den Weibern und eine Königin unter den Jungfrauen. Alle Geschlechter der Erde werden dich selig preisen und alle Seligen des Himmels werden sich um dich versammeln. Wenn du deine Lippen öffnen wirst, so werden alle Zungen verstummen; und wenn du von mir erzählen wirst, so werden alle Harfen des Himmels schweigen. Du wirst nie aufhören, von mir zu zeugen, und nie müde werden, Alle, die mich lieben, von mir zu unterhalten. Uebrigens werde ich die Bosheit meines Volkes als Unwissenheit dem Vater zu Füßen legen und nicht ruhen, bis ich ihren Haß in Liebe und ihre Finsterniß in Licht verwandelt habe. Sie wird mich tödten, die Bosheit meines Volkes; ich aber werde lebendig machen, was mich getödtet hat, und gerecht sprechen, was mich verdammt hat. Sein Haß wird mich kreuzigen und seine Unwissenheit wird mich ins Grab legen; aber ich werde mein Volk reinigen von seiner Unwissenheit und läutern durch das Feuer meiner Wahrheit. Was mich kreuzigte, das werde ich begnadigen; und ich habe Lust nach der Freiheit derer, die mir Hände und Fuße durch bohrten. Ich werde auferwecken, was mich in den Staub des Todes

legte, und mit Herrlichkeit krönen die, welche mir scharfe Dornen um die Stirne wanden. Ich werde nicht satt werden des Wohlthuns gegen Uebelthäter und nicht matt im Erbarmen gegen die, welche kein Erbarmen gegen mich kannten. Was ich sage, glaubst du mir, ehe es geschieht, und was ich verspreche, ist dir so gewiß, als wäre es schon vor deinen Augen erfüllt. Ich werde der Sünde auf den Nacken treten und dem Drachen den Kopf zermalmen mit einem Tritte meines Fußes; aber vorher muß diese Hand durchbohrt und meine Ferse durchstochen werden; das Blut wird von meiner Stirne triefen und Todesschweiß von meinen Wangen! Und du, die mich geboren hat, wirst in meine offene Seite hineinschauen, und das Blut wird vor deinen Augen aus dem Herzen und Wasser aus dem Innersten meiner Brust quillen.

18.

An Johannes.

„Wann“, fragte Johannes den Herrn, „wann wirst Du Dich dem Israel offenbaren ?“ „Wann die Erde", antwortete der Herr, „mein Blut trinken und erbeben wird in der Trunkenheit von meinem Blute; wann die Sonne am Mittage sich verdunkeln und Jerusalem zittern wird mit allen Todtengebeinen um Jerusalem her; wann die Gräber sich öffnen und die Todten hervorgehen, um mich zu den Meinigen zu begleiten; wann die Welt lachen und mitten im Gelächter erbeben und die Schaar meiner Auserwählten weinen und mitten im Weinen frohlocken wird; alsdann wirst du sehen, an wen du geglaubt hast. Und die Edelsten in Israel werden mich fchauen und rufen, daß die Sonne still stehen und der Mond horchen möchte:

„Da ist unser Gott, auf den wir gehofft hatten! da ist der Herr, dessen wir gewartet hatten! Laßt uns frohlocken in seinem Heil!”

19.

Maria Magdalena.

„Mir träumte“, sagte Maria Magdalena zum Herrn, „ich sah einen mächtigen Stamm aus der Erde hervorwachsen; die Erde, aus der er hervorwuchs, war mit Licht aus dem Himmel beströmt. Aus dieser Erde, sah ich, welche der Himmel mit Licht begoß, drang ein Stamm hervor von prächtigem Holze. Viele rohe Menschen eilten mit blinkenden Aeçten gegen den Stamm. „Haut den Stamm um!" riefen wilde Stimmen, indem sich die Aexte wider den Stamm ungestüm erhoben. Sie hieben in den Stamm, der hart schien, wie ein Felsen, daß mit jedem Hiebe die Nerte zersplitterten, und die, welche sie führten, todtenblaß und ohnmächtig zurückführen. Aus jedem Hiebe schien ein glänzender Ast hervorzukommen; jeder Aft verbreitete fich in zwölf liebliche Zweige; aus jedem Zweige brachen zwölf herrliche Früchte hervor. Gott! welche, paradiesische Früchte! Plößlich ward der Baum so groß, daß er sich über die Erde zu verbreiten schien. Alle Bäume des Paradieses schienen in ihm vereinigt; alle Blumen dufteten aus seiner Fülle; alle Vögel des Himmels flogen herbei, fich auf seinen Zweigen niederzulassen. Welch' ein tausendfacher Gesang erscholl aus ihren Kehlen! Mir war es, als hörte ich die Engel fingen. Alle Thiere des Feldes kamen: der Wolf und das Lamm paarweise, der Leopard und das Schaf, der Raubvogel und die Taube flogen neben einander! Alles versammelte sich über und unter dem Baume, dessen Wohlgeruch alle Lüfte erfüllte. Ich wollte meine Hand ausstrecken, seine Früchte zu kosten, und hörte die Stimme: „Rühre mich noch nicht an.“ Da antwortete Jesus: Dieser Baum bin ich! Ich bin im Lichtglanz herabgekommen vom Himmel, um aus der Erde hervorzuwachsen. Der Stamm wird verwundet werden durch die Gewalt der Sünder und die Hiebe der Gottlosen; aber Zweige mit Früchten, schöner, als am Baume dès

Lebens in Eden, werden aus mir hervorwachsen. Und ich werde ein Baum werden, herrlicher, als alle Bäume des Paradieses Gottes. Alle Vögel des Himmels werden sich auf meinen Zweigen und alle Thiere des Feldes unter meinem Schatten versammeln. Auch alle Kinder Gottes, die in der Welt zerstreut find, werden sich zu mir nahen und von meinen Früchten effen. Ja, alle Heiden werden herzunahen und ihre Hand nach mir ausstrecken; und wenn sie von mir essen werden, so werden fie gesund werden; und wer mich ges nießen wird, der wird nimmermehr sterben."

20.

An Jairus.

Jairus traf den Herrn an und hielt die Tochter, die Jesus ers weckt hatte, an der Hand. Rabbi, sagte er, fiehe hier die Tochter, die du erweckt hast; sie blüht, wie eine Rose, und ist die tägliche Freude unsers Lebens. Die Jungfrau schaute mit dem Blicke der frohsten Ehrfurcht den Herrn an und küßte den Saum seines Kleides. Jesus reichte ihr die Hand. Talitha kumi! O diese Hand, rief fie, hat mich berührt, da ich todt war; fie gab mir das Leben wieder. - Jesus frohlockte im Geiste und sagte: Ich kenne die Meinigen und werde von den Meinigen gekannt; ich liebe die, so mich nicht kennen und nicht lieben; sollte ich die nicht kennen und lieben, die mich kennen und lieb haben? Wo ich einen Strahl aus dem Angesichte meines Vaters sehe, da freue ich mich, und finde ich einen Menschen, an welchem ich seinen Namen verherrlichen kann, so hüpft mein Herz frohlockend auf. Jede That, die ich in dem Namen des Vaters thue, bleibt ewig; ewig erfreut sie mich und den, an dem sie vollbracht ward, und die, welche Zeugen davon find, und die, welche davon hören werden. Wahrlich, es wird kein Volk und keine Sprache sein, die nicht vernehmen wird, was Großes dir Gott gethan hat; die. entferntesten Gegenden der Welt werden davon sprechen und die

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