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Was nun diesen letzten Punct, nämlich die Wirkungen des Dampfbrudes betrifft, so kann man mit Recht die Frage aufwerfen, ob ein nur allmälich gesteigerter Dampfdruck eine Kesselexplosion bewirken kann? Nach der Meinung der meisten Technifer, welcher ich mich ebenfalls anschließe, kann dadurch wohl ein Zerreißen der Kessel wandungen, aber keineswegs eine Explosion, wenigstens nicht direct, eintreten.

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Dagegen unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß plötzliche, massenhafte Dampfentwickelungen Stöße auf die Keffelwände hervorbringen können, denen diese nicht zu widerstehen vermögen, und in so ferne müssen diese plötzlichen, stoßweisen Dampfentwickelungen als die Hauptursache der Kesselerplosionen angesehen werden 1).

Nun entsteht aber die Frage: wie und auf welche Weise können sich Dämpfe so plöglich und so massenhaft entwickeln, um eine so furchtbare Katastrophe, wie es eine Dampfkesselexplosion ist, herbeizuführen ?

Diese glücklicher Weise nur selten eintretende Erscheinung läßt sich heute mit großer Wahrscheinlichkeit nach zwei in der neuesten Zeit aufgetauchten Hypothesen, nämlich ebensowohl nach der von Dufour in Lausanne aufgestellten Theorie des sogenannten Siebeverzugs des Waffers, als nach der vom Ingenieur Kaiser in Breslau ausgehenden Anschauung einer plötzlichen Verminderung der im Kessel herrschenden Dampfspannung erklären. Beide Theorien führen zu demselben Resultate und stehen keineswegs, wie man Anfangs geglaubt, miteinander im Widerspruche; sie sind vielmehr geeignet, sich gegen seitig zu ergänzen.

Ich beabsichtige nun diese beiden Theorien zum Gegenstande einiger Vorträge im n. ö. Gewerbe-Verein zu machen, fie dann zur Erklärung der Ursachen gewisser Kesselexplosionen zu benüßen und dadurch meine früheren Vorträge über Dampskesselerple fionen zu vervollständigen.

Ich werde mich bemühen, diesen sonst ziemlich gelehrten Gegenstand so einfach und verständlich als möglich zu behandeln und erlaube mir, Sie, geehrte Herren, zu diesen Vorträgen freundlichst einzuladen.

Dufour'sche Theorie.

Mit der erstern dieser beiden Theorien, nämlich mit jener des Professors der Physik an der Akademie zu Lausanne, L. Dufour, beginnend, muß ich mir zum bessern Berständnisse und als Einleitung erlauben, auf die beim Sieden des Wassers eintretenden Erscheinungen zurückzukommen.

Wird nämlich Wasser in einem Gefäße von unten erhißt, so bilden sich im Innern der Flüssigkeit zuerst kleine Dampfbläschen, welche als specifisch leichter in die Höhe steigen und in den obern noch kälteren Schichten condensirt werden. Erst wenn die ganze Flüssigkeit mehr durchwärmt ist, vereinigen sich diese Dampfbläschen zu größeren Blasen, steigen bis an die Oberfläche und entweichen als Dampf, wobei sie die ganze Flüssigkeit in eine wallende Bewegung, d. h. zum Sieden bringen.

Nach dem bekannten Dalton'schen Gesetze hängt die Temperatur, bei welcher das Sieden eintritt, von dem auf die Flüssigkeit lastenden Drucke ab; beträgt dieser z. B. 1, 2, 3 Atmosphären, so beginnt bei Wasser das Sieden beziehungsweise bei 100, 120 6 und 133-9 Grad des 100theiligen Thermometers. Die Ursache liegt einfach darin, weil der Dampf bei diesen genannten Temperaturen, beziehungsweise die Spannung von 1, 2, 3 Atmosphären befißt, also gerade jedesmal mit dem auf die Flüssigkeit lastenden Drucke im Gleichgewichte steht oder diesen Druck eben zu überwinden im Stande ist.

Allein, wenn es auch wahr ist, daß sich der Dampf immer erst dann und niemals früher bilden oder entwickeln kann, als bis die Temperatur des Wassers, folglich auch des Dampfes so hoch gestiegen ist, daß die dieser Temperatur entsprechende Spannung oder Expansivkraft desselben ebenso groß, wie der auf die Flüssigkeit lastende Druck, so folgt, wie man jezt bestimmt weiß, doch nicht auch umgekehrt, daß sich schon jedesmal nothwendigerweise Dampf bilden oder das Sieden eintreten müsse, sobald das Wasser

1) Der Riß kann allerdings secundär zu einer Explosion führen. Wellte man sich gegen Stöße fichern, so müßte man unverhältnißmäßig dicke Bleche verwenden, wodurch die Temperaturansgleis chung zwischen Feuer- und Wasserseite sehr erschwert, also was auf der einen Seite gewonnen, wie der von der andern verloren wird (daher zwischen dieses Dilemma wieder Bessemerstahl als Ausgleichsmittel tritt.)

bis zur entsprechenden Minimal-Temperatur, also z. B. bei dem vorhandenen Drude Einer Atmosphäre bis 100 Grad erhißt worden, das heißt, daß dasselbe ohne Dampfs bildung oder ohne vom flüssigen Zustand in den ausdehnsamen überzugehen, nicht noch weiter, also bei diesem letteren Drucke über 100 Grad erhigt werden könnte.

Es wurde bereits schon früher von mehreren Physikern die Beobachtung gemacht, daß das Wasser über seinen bezüglichen Siedepunct erhitzt werden könne, ohne daß es in's Sieden kommt und daß dabei nicht blos der auf dem Wasserspiegel stattfindende Druck, sondern auch die Beschaffenheit der Gefäßwände einen Einfluß habe. So fand schon Gay-Lussac zu Anfang des jeßigen Jahrhunderts, daß das Wasser in Metallgefäßen eher als in gut gereinigten gläsernen Gefäßen siede; eine Beobachtung, welche nachträglich durch die zahlreichen Versuche von Marcet bestätigt wurde. Auch fand man, daß sich das in Glasgefäßen eintretende stoßweiße Sieden vieler Flüssigkeiten dadurch beseitigen lasse, daß man in die Flüssigkeit einige Metall-, besonders Platinschnitzeln wirft. Aus allen diesen Erscheinungen zog man den Schluß, daß es eigentlich der Luftgehalt der Flüssigkeit sei, welcher auf das frühere oder spätere, sowie auf das ruhige oder stoßweise Sieden der Flüssigkeit Einfluß habe. Aus dem Umstande nämlich, daß Metallwände mehr Luft als Glaswände an ihrer Oberfläche verdichten können, würde fich das leichte und ruhige Sieden in Metall-, sowie das mehr stoßweise Sieden in Glasgefäßen leicht erklären lassen; denn wegen des geringen Luftgehaltes wird das Wasser im letteren Falle anfangs über seinen Siedepunct erhigt, und wenn sich dann doch endlich Dämpfe bilden, so entwickeln sie sich in Folge der überhigten Flüssigkeit sogleich massenhaft und tumultuarisch.

Nach dieser Anschauung läßt sich auch die Wirkung der in die Flüssigkeit gebrachten Metallschnitzeln ganz einfach erklären. Jedes dieser Metallstückchen trägt nämlich durch dessen mit seiner Dichtigkeit im geraden Verhältniß stehenden Anziehungskraft auf seiner Oberfläche eine dünne Luftschichte, welche zur Bildung von Luftbläschen in der Flüssigkeit Anlaß gibt und dadurch das Ueberhitzen, also auch stoßweise Sieden verhindert. Daß diese Erklärungsweise die richtige ist, geht auch daraus hervor, weil die Metallschnißeln nach längerer Benütung oder Liegen in der Flüssigkeit ihre Wirksamkeit verlieren und nur dadurch wieder erlangen, daß man sie eine Zeit lang neuerdings mit der Luft in Berührung bringt und ihnen Gelegenheit gibt, die verbrauchte Luftschichte wieder an ihrer Oberfläche anzusammeln.

Die Vermuthung, daß das Vorhandensein von Luft im Wasser das Sieden desselben wesentlich befördert, wurde durch die neueren Versuche des erwähnten Professors Dufour in evidenter Weise nachgewiesen und bestätigt.

Er benützte zu seinen Versuchen eine Mischung aus Nelken- und fettem Del (beziehungsweise von 1.05 und 0.93 specifischem Gewichte), welche genau das specifische Gewicht des Wassers hatte und erhitte dieselbe bis auf 120 Grad. Ließ er nun in diese erhitzte Flüssigkeit einzelne Wassertropfen fallen, so sanken sie, dabei dieselbe Temperatur von 120 Grad annehmend, ganz langsam nach abwärts, johne zu verdampfen, und erst nachdem sie mit dem Boden des Gefäßes in Berührung kamen oder noch vorher, wenn sie mit einem Holz- oder Glasstäbchen oder einer Kohlenspiße berührt wurden, fand unter Zischen und Wegschleudern des Wassertropfens eine äußerst heftige und vehemente Dampfentwicklung statt.

Aber nicht blos bis zu 120, sondern sogar bis 178 Grad kann man nach Dufour's Angaben das Ueberhißen der Wassertropfen steigern, ohne daß sie ihren Aggregatszustand ändern und in Dampf verwandelt werden.

Auch hier ist es wieder die an dem Stäbchen haftende Luft, welche mit den Tropfen in Berührung gebracht, die Verdampfung einleitet; denn berührt man mit einem dieser Stäbchen mehrere solche Wassertropfen hintereinander, so tritt zulegt keine Verdampfung mehr ein, indem die an diesen Metall-, Holz- oder Glasstäbchen anhaftende Luft- oder Gasschichte allmälich verbraucht worden.

Schon Deluc, welcher im Jahre 1772 das Maximum der Dichtigkeit des Wassers entdeckte, sagt unter Anderm: Das Phänomen des Siedens wird durch Luft= blasen erzeugt, welche die Wärme aus der Flüssigkeit entwickelt; wenn man das Wasser

von aller darin enthaltenen Luft befreit hat, so kann es nicht mehr sieden; der Grund davon ist, daß sich die Dämpfe nur an freien Oberflächen bilden können."

Die von Herrn Donny noch vor dem Jahre 1846 an der Universität zu Gent über die Adhästen der Flüssigkeiten und ihrer Adhärenz an feste Körper mit großer Umsicht durchgeführten Versuche veranlaßten ihn, auf den wichtigen Einfluß des Gascontactes beim Sieden aufmerksam zu machen, während Dufour durch ein sehr schönes Experiment die Thatsache, daß das Sieden durch eine im Innern der Flüssigkeit hervorgerufene Gasentwicklung befördert werde, ganz direct nachweist.

Er brachte nämlich in eine gut gereinigte gläserne Retorte angesäuertes Wasser, welches vorher durch wiederholtes Auskochen möglichst luftfrei gemacht worden war und verminderte durch Luftverdünnung den Druck auf den Wasserspiegel bis auf / Atmosphäre. Obschon nun aber diesem geringen Druck schon ein Siedepunct von 60 Grad C. entspricht, so begann doch das Sieden selbst bei 75 Grad noch nicht; in dem Momente jedoch, als durch dieses bereits um 15 Grad überhitte Wasser ein elektrischer Strom geleitet, also durch Zersetzung des Wassers Sauer- und Wasserstoffzas entwickelt wurde, trat auch plötzlich ein derart heftiges Sieden ein, daß ein Theil des Wassers fortge= schleudert wurde.

Es scheint also, daß der Contact der Gase die Umwandlung des flüssigen in den gasförmigen Zustand der Molecule hervorrufe und das labile oder moleculare Gleichge= wicht störe, vorausgeseßt, daß die dem vorhandenen Drucke auf die Flüssigkeit entspre= chende Minimal-Temperatur vorhanden ist.

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Dufour bemerkt, daß das oben bereits angeführte Dalton'sche Gesetz, nach welchem das Sieden einer Flüssigkeit jedesmal eintritt, wenn die Temperatur jene Höhe erreicht hat, bei welcher die Spannkraft des Dampfes der Flüssigkeit dem äußeren Drucke das Gleichgewicht hält, den erwähnten Thatsachen gegenüber in dieser Form nicht mehr haltbar sei und daß dasselbe eigentlich so heißen müsse: Unter einem bestimmten Druce kann das Sieden einer Flüssigkeit, je nach den physikalischen Umständen, unter welchen sich die Flüssigkeit befindet, bei verschiedenen Temperaturen vor sich gehen; diese Temperaturen sind ebenso hoch oder höher als diejenige ist, bei welcher die Spannkraft des Dampfes der Flüssigkeit dem äußeren Drucke das Gleichgewicht hält." Das Dalton'sche Gesetz gibt sonach nur die Minimal-Temperatur an, unter welcher das Sieden eintreten kann, jedoch nicht nothwendig eintreten muß.

Größere Wassermassen, wie sie z. B. in Dampfteffeln vorkommen, bringt man am Leichtesten dadurch in den Zustand einer Ueberhitung, daß man das Wasser zuerst unter einem höheren Drucke erhitzt und hierauf, bevor es siedet, den Druck auf den Wasserspiegel nach und nach vermindert; auf diese Weise gelang es Dufour, Wasser bis 20 und selbst bis 30 Grad über den dem Drucke entsprechenden Siedpunct zu erhitzen.

In Folge dieser Versuche kommt Dufour zu der Ansicht, daß das Wasser sehr geneigt ist, über seinen Siedepunct flüssig zu bleiben, wenn man das Sieden nicht durch directes Erhigen, sondern, wie eben angeführt, durch Druckverminderung herbeiführt; auch bemerkt er, daß destillirtes Wasser weit mehr als gewöhnliches hiezu geneigt sei und daß besonders die Schwefelsäure die Eigenschaft befiße, das Wasser, selbst wenn es nur ganz kleine Quantitäten davon enthält, zum längeren Flüssigbleiben über seinen Siedepunct hinaus zu disponiren. Für die weiter unten zu besprechenden Maßregeln gegen die Kesselerplosionen ist die durch diese Dufour'schen Versuche festgestellte Thatsache, daß mehrere Mal ausgekochtes (also von Luft möglichst befreites) Wasser, 20 bis 30 Grad über den Siedepunct erhitzt werden könnte, von großer Wichtigkeit.

Es ist zur Erklärung der Dampfkesselexplosionen, auf die ich weiter unten kommen werde, wichtig, schon hier zu constatiren, daß ruhig stehendes, über seinen Siedepunct erhittes Wasser durch die geringste Erschütterung augenblicklich in ein heftiges und lebhaftes Sieden gebracht wird, gerade so, wie der umgekehrte Fall längst bekannt ist, in welchem ganz ruhig stehendes Wasser unter seinem Gefrierpunct (selbst bis 9 Grad) erkältet werden kann und erst durch eine Erschütterung plöglich in seiner ganzen Masse zu Eis erstarrt.

Man nimmt an, daß sich das Wasser, d. h. dessen Molecüle, in beiden

in einem verschobenen oder in einer Art von labilem Gleichgewichte befinden, welches durch die geringste Erschütterung gestört und in den normalen Zustand versett wird.

Diese Bedingung der vollkommenen Ruhe ist auch die Ursache, weßhalb man gröBere Wassermassen, wie sie in einem Dampfkessel vorkommen, nicht leicht durch directes Erwärmen über den normalen Siedpunct erhißen kann, indem dadurch im Inneren der Flüssigkeit Ströme erzeugt werden und alle in derselben schwebend erhaltenen festen Körper in Bewegung femmen, während eine solche Ueberhitung durch Verminderung des Druckes auf den Wasserspiegel viel leichter möglich ist.

Dufour erklärt nun, auf diese Thatsachen gestüßt, jene Kesselerplosionen, welche sich während der Ruhezeit oder vielmehr unmittelbar darauf zeigen, ganz folgerichtig in folgender Weise:

Wird bei einem im Betrieb stehenden Dampfkessel die Feuerung eingestellt und die Dampfabströmung abgesperrt, so tritt der Kessel in den Zustand der allmäligen Abkühlung; dabei muß natürlich der mit der kalten Luft in Berührung stehende obere, nämlich der Dampfraum seine Wärme schneller abgeben oder verlieren, als der untere mit dem heißen Mauerwerk des Ofens in Berührung stehende Wafferraum, wozu noch kommt, daß das Wasser seiner großen Wärmecapacität wegen die Wärme ohnehin länger zurückhält. In dem Maße num, in welchem der Dampf abgekühlt und condensirt, also der Druck auf die Wasserfläche vermindert wird, sollte auch das Wasser naturgemäß unter diesem verminderten Drucke neuerdings zu sieden anfangen, was auch glücklicherweise in den meisten Fällen wirklich geschicht; allein gerade jezt kann aber auch nach den eben angeführten Versuchen ein sogenannter Siedeverzug, d. i. ein Zurückbleiben des Siedens oder eine Ueberhitung des Wassers eintreten, und wenn hierauf die geringste Erschütterung, sei es durch das Deffnen eines Sicherheits- oder Absperrventiles oder des Regulators, oder in sonstiger Weise in dem Kessel entsteht, so entwickeln sich die Dämpfe so plötzlich und in solchem Uebermaß, daß der Kefsel dieser hohen Dampfspannung um so weniger widerstehen kann, als diese Entwicklung auch noch mit explosiven Stößen pon unberechenbarer Wirkung verbunden ist.

Um Ihnen, meine Herren, von dem Vorgange, welcher dabei stattfindet, nur einigen Begriff zu geben, will ich beispielsweise annehmen, daß man es mit einem Dampflesjel von 30 Kubiffuß Inhalt zu thun habe, in welchem Dämpfe von 4 Atmosphären absoluter Spannung entwickelt werden. Zugleich sehe ich voraus, daß der Kessel / seines Gehaltes, nämlich 20 Kubikfußz Wasser, also 1/3 oder 10 Kubikfuß Dampf unter diesem Drucke von 4 Atmosphären enthalte.

Nehmen wir nun weiters an, daß das Wasser durch Zusammentreffen von hiezu geeigneten Umständen, ohne daß die Dampfspannung über 4 Atmosphären steigt, eine Temperatur von 169 Grad (statt 144 Grad) annehmen, also um 25 Grad überhitt werden könne (was nach dem Obengesagten durchaus nicht unmöglich ist), so würden jezt in jedem Pfund Kesselwasser 25 Wärmeeinheiten, daher in der gesammten Wassermasse von nahe 1130 Pfd, sofort 25 X 1130, d. i. 28250 Wärmeeinheiten angesammelt oder gleichsam aufgespeichert sein, welche im Momente des Freiwerdens urplötzlich nahezu 1 Kubiffuß des Kesselwassers in Dampf von 4 Atmosphären Spannung verwandeln können. Nimmt man nun aber bei dieser Spannung das relative Volum des Dampfes zu 447, d. h. nimmt man an, daß sich ein Kubiffuß Wasser in 447 Kubikfuß Dampf von 4 Atmosphären Spannung verwandelt, so wird das im Kessel befindliche Dampfvolumen von 10 Kubitfuß plötzlich auf 447 +10= 457 Kubikfuß, also fast auf das 46 (genauer 457) fache gebracht, was zur Folge hat, daß sich nun auch die Spannuug des Dampfes (wenn man hierauf das Mariotte'sche Gesetz anwendet) auf das 46fache, also von 4 urplötzlich auf 4 Mal 46, d. i. auf 184 (genauer 4 X 457 = 182.8) Atmosphären steigert; eine Spannung, welche ein gewöhnlicher Kessel selbst dann nicht aushalten könnte, wenn diese Zunahme der Dampfspannung nur allmälich eintreten würde, während dieselbe doch in dem hier angenommenen Falle mit einer stoßweisen oder Explosiven Wirkung verbunden ist.

Erinnert man sich nun an einzelne, oft ganz unglaublich klingende Berichte über vorgekommene Dampfkesselerplosionen, welche entweder zu einer Zeit stattfanden, in per sich die Kessel im Stande der Ruhe und sogar der Abkühlung befanden, oder in

dem Augenblicke eintraten, als die Kessel nach der Mittags- oder Nachtruhe wieder in Thätigkeit gesetzt wurden, und wobei nicht selten unmittelbar vor der Explosion auf das Bestimmteste ein Herabsinken der Dampfspannung an dem Manometer wahrgenommen wurde; so muß man gestehen, daß sich die sonst ganz unbegreifliche Erscheinung derartiger Kesselexplosionen nach der Dufour'schen Theorie oder Hypothese ganz ungezwungen erflä ren läßt.

Es hat übrigens mehr nur ein geschichtliches Intereffe, wenn ich erwähne, daß, wie Dufour selbst angibt, die erste Idee, gewisse Kesselexplosionen aus einem Siedeverzug zu erklären, von Donny um das Jahr 1846 herrühre, während der Civilingenieur Em. Blum in seiner Abhandlung über die Ursachen der Dampskesselexplosionen darauf aufmerksam macht, daß sich von Henson schon im Jahrgang 1842 bes Mechanics Magazin folgende Mittheilung findet:

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„Ich habe durch Experimente gefunden, daß sich Wasser vollkommen ruhig verhielt und bei allmälicher Mittheilung von Wärme nicht zum Sieden gebracht wurte, obschon „es beträchtlich über den Siedepunct gebracht war. Sobald jedoch das Wasser ein wenig ,,bewegt wurde, selbst nachdem das Feuer entfernt worden, so verwandelte sich ein Theil „desselben augenblicklich in Dampf, wobei es einen Theil des übrigen Wassers mit Heftigkeit gegen die obere Gefäßwand trieb und es fand gegen 5 Minuten ein tumultua,,risches Sieden statt, bis die Temperatur des Wassers bis zum Siedepunct herabgefunken war. ,,Dieses Expertment wurde bei niedriger Temperatur mit einem geschlossenen Gefäß vorgenommen, von dem die atmosphärische Luft fern gehalten war. Der obere Theil des Gefäßzes „wurde auf niedriger Temperatur (über 60 Grad F.) gehalten, und der untere Theil ,,ganz allmälich erhitzt, indem zwischen Feuer und Gefäß trockener Sand gebracht wurde. Auf diese Weise habe ich das Wasser etwas mehr als 100 Grad über den Siedepunct gebracht. Da nun anzunehmen ist, daß dieselbe Erscheinung auch bei höherer Tempe,,ratur stattfindet, so halte ich die Heftigkeit, mit welcher sie auftritt, für vollkommen ,,genügend, uns einige bei den Kesselexplosionen vorkommende Erscheinungen zu erklären."

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Bei Gelegenheit einer im Berliner Bezirksverein (des Vereins deutscher Ingenieure) im 3. 1862 stattgefundenen Discussion über die Ursache einer kurz vorher in Berlin vorgekommenen Kesselexplosion bemerkte der Versißende, nämlich Profeffer Werner am königl. Gewerbeinstitute, daß die größte Zahl der Explosionen in der Zerstörung der Feuerrohre bestehe und beim Anlassen der Maschine erfolge. Sobald organische Körper im Basser suspendirt sind, so wird das letztere bis zu einer höheren Temperatur erhitzt, als der Dampfbildung entspricht. Das überhitzte Waffer befindet sich dann in einem labilen Gleichgewichtszustande, welchem, wenn er durch irgend einen äußern zufälligen Impuls, wie etwa durch das plötzliche Deffnen des Absperrventils, gestört wird, eine so energische Dampfentwicklung folgt, daß die Dampfspannung bedeutend steigen kann.

Bei dieser momentanen Dampfbildung, welche hauptsächlich am Umfange des Feuerrohres stattfinden wird, vermag das Wasser vermöge seiner Trägheit nicht sofort den gewaltigen Druck auf die äußeren Kesselwandungen zu übertragen, und aus diesem Umstande läßt sich die zunächst erfolgende Zerstörung der Feuerrohre erklären. Andererseits ist es häufig vorgekommen, daß beim Anlassen der Maschine, also beim plötzlichen Deffnen des Dampf- Absperrventils, Explosionen eintraten, was sich ebenfalls durch den so eben angenommenen labilen Gleichgewichtszustand des überhitten Wassers erklären läßt.

Professor Werner hält eine Ueberhitung des Wassers von nur 5 Grad über die der Dampfbildung entsprechende Temperatur für ausreichend, um eine gefährliche Steigerung der Dampfspannung bei eintretender plöhlicher Dampfbildung zu erzeugen.

Faßt man nun das bisher Gesagte zusammen und hält sich dabei besonders vor Augen, daß nach vielfältigen Berichten die meisten Kesseleyplosionen während der Nuhezeit der Kessel oder sehr bald darnach, namentlich beim Anlassen der Maschinen (so hat Parkes gefunden, daß unter 23 Explosionen 19 beim Anlassen der Maschinen stattfanden), ferner oft dann eintraten, nachdem das Feuer bereits gelöscht war und die Kessel sich im Stadium der Abkühlung befanden; daß in vielen Fällen unmittelbar ver der Explosion notorisch eine Druckabnahme im Kessel stattgefunden hatte; sowie endlich auch, daß Explosionen bei Locomotiven verhältnißmäßig viel feltener als bei stabilen Dampftesseln eintreten: so muß man, wie bereits bemerkt, zugeben, daß sich in allen diesen

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