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soll auf ein geringstes Maaß, auf jene des wirklichen Bedürfnisses reducirt werden, aller überflüssige Pomp und alle hoffärtige Schaustellung des päpstlichen Machtgepränges soll abgeschafft werden. Er spricht weiter für die Abschaffung des Priestercölibates, der Heiligenfeste, der Wallfahrtsorte, der Fasttage, Seelenmessen, Bruderschaften, und verlangt eine Reinigung der Universitäten von dem Unwesen des Scholasticismus und päpstlichen Decretalrechtes. In einem Sermon über die heilige Messe, welchen er um die Zeit hielt, als die päpstliche Bulle gegen ihn erlassen wurde, verlangt er, daß das christliche Abendmal wieder auf seinen ursprünglichen Charakter zurückgeführt werde; er läugnet, daß die Messe ein Opfer sei, diese Auffassung derselben sei die Ursache vieler abergläubischen Meinungen, die sich an die Abendmalslehre angeschlossen hätten. In der gleichzeitig erschienenen Schrift über die babylonische Gefangenschaft lehrt er, daß es nur drei Sacramente gebe: Taufe, Buße und Abendmal, greift das kirchliche Transsubstantiationsdogma an, fordert die Communion unter beiden Gestalten, obschon er sie auch unter Einer Gestalt für zuläßig hält, reducirt das Bußsacrament auf die Kraft des Glaubens an die göttliche Vergebung um Christi willen, und fordert die Aufhebung aller Ordensgelübde. In der Schrift von der christlichen Freiheit, die er dem nach Erlaß der Verdammungsbulle an Leo X gerichteten Schreiben beigab, seßte er seine Lehre vom alleinrechtfertigenden Glauben auseinander; in dem Briefe an Leo X erklärte er, sich fügen zu wollen, wenn man keinen Widerruf von ihm verlange. Bei Bekanntwerden der päpstlichen Bulle gab er anfangs vor, an der Echtheit derselben zu zweifeln, und veröffentlichte eine Schrift von den neuen Eck'schen Bullen und Lügen"; dieselbe Meinung gab er in einer anderen Schrift adversus execrabilem Antichristi bullam vor; dieser schloß er eine Vertheidigung aller in der Bulle verdammten Säße an1), welchen er bei dieser Gelegenheit eine noch schärfere Fassung gab, um seinen Widersaz gegen die römische Kirche noch entschiedener hervorzustellen. Am 10 Dez 1520 besiegelte er seine Lossagung von der Kirche durch einen Act, zu welchem er voraus durch einen öffentlichen Anschlag geladen hatte; er ließ nämlich auf einem öffentlichen

1) Assertio omnium articulorum M. Lutheri per bullam Leonis X novissime damnatorum. Opp. lat. II, fol. 292 - 314.

Plaze Wittenbergs einen Scheiterhaufen aufrichten, in dessen Flammen er die Bannbulle, das Corpus juris canonici und mehrere scholastische und casuistische Schriften zusammt den gegen ihn ges richteten Streitschriften Eck's und Emser's auflodern ließ. „Weil du den Heiligen des Herrn betrübt hast" — sprach er, als er die Bulle in's Feuer warf so betrübe und verzehre dich das ewige Feuer." Ein paar Wochen früher hatte Luther nochmals an ein allgemeines Concil appellirt; einige Monate darnach aber wußte er sich bereits so sicher, daß er das Schußmittel einer solchen Appellation für überflüssig hielt. Er erklärte auf dem Reichstage zu Worms (1521), auf welchem er unter dem Schuße eines kaiserlichen Geleitbriefes erschienen war, daß er sich auch dem Ausspruche eines allgemeinen Concils nicht unterwerfen wolle; denn es sei am Tage und offenbar, daß fie oft geirrt und sich widersprochen haben. „Mein Ges wissen ist in Gottes Wort gefangen, ich kann, ich will nichts widerrufen; hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen." Nach wiederholter Weigerung, sich zu unterwerfen, wurde er bedeutet, Worms zu verlassen, und entfernte sich mit freiem Geleite auf 21 Tage, worauf über ihn die Reichsacht verhängt wurde.

Um diese Zeit veröffentlichte auch die Sorbonne ihr Urtheil über Luther's Kezereien 1), welches dieser in's Deutsche überseßte, und mit Anmerkungen begleitete, wie man sie eben von Luther erwarten kann. Allerdings verfuhren die Pariser nicht schonend mit ihm. Sie fanden in seinen Lehren den Nachhall einer Reihe alter, längst verdammter Häresten; seine Lehre vom freien Willen mahne an jene der Manichäer, in seiner Ansicht über die Reue folge er den Husiten, in seinen Behauptungen über die Beicht den Wiklefiten, in den 10 Geboten den Bigarden, in seiner Ansicht über Bestrafung der Kezer den Katharern, bezüglich der Freiheiten der Kirchhäuser und in den evangelischen Räthen den Waldensern und Böhmen u. s. w. Die Pariser rügen neben den gegen die kirchliche Lehre gerichteten Säßen Luther's auch seine Äußerungen über Scholastik, scholastischen Peripatetismus und aristotelische Moral. Unter Anderem rügen fie die Behauptung: "In den lezten drei Jahrhunderten seien viele üble Dinge erörtert worden z. B. die göttliche Natur wird nicht

1) Das Urtheil der Sorbonne ist datirt vom 15 April 1521, dem Vortage der Ankunft Luther's in Worms (16 April).

geboren und gebiert auch nicht die Seele ist eine wesentliche Form des Leibes." Auch stoßen sie sich an seiner Behauptung, daß die Bestreitung der unbefleckten Empfängniß Mariä noch freigegeben sei; nicht minder an der Mißachtung, welche er gegen die Schriften des Dionysius Areopagita ausspricht. Luther nennt sie zum Danke für den unerwünschten Dienst, welchen sie ihm erwiesen, in dem ihren Thesen beigefügten Nachworte zu wiederholten Malen grobe Esel und Buben, und schmäht die Sorbonne als die Mutter aller Irrthümer in der Christenheit, die größte Geisthure, die je von der Sonne beschienen worden ist, das rechte Hinterthor der Hölle, vom Scheitel bis zur Zehe mit schneeweißem Aussaß bedeckt u. s. w., anderer Unanständigkeiten nicht zu gedenken, die der gute Ton der heutigen Sitte am allerwenigsten verzeiht, und die man zu keiner Zeit aus dem Munde eines Apostels zu hören sich gewöhnen würde. Sie blieben auch nicht ungerügt, sondern erfuhren, als Luther bald darauf gegen einen anderen Gegner vornehmsten Ranges einer ähnlichen Sprache sich bedienen zu dürfen glaubte, aus dem Munde eines hochachtungswürdigen und feingebildeten Mannes einen scharfen und verdienten Tadel, welchen Luther mit beschämtem Schweigen hinzunehmen hatte.

§. 595.

Jener vornehme Gegner, welcher gegen Luther sich erhob, war der König Heinrich VIII von England, der, in seiner Jugend für den geistlichen Stand bestimmt, sich viel mit Theologie beschäftiget hatte, und in der ihm zeitlebens gebliebenen Vorliebe für derartige Beschäftigungen sich zu einer Widerlegung der ihm in die Hände gerathenen Schrift Luther's de captivitate babylonica gestachelt fühlte. Er widmete seine Widerlegungsschrift 1) dem Papste Leo X,

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1) Assertio septem Sacramentorum adversus Lutherum. London, 1521. Vollständig mitgetheilt in Bzovii Annal. ad a. 1521, Tom. XIX, pag. 39 ff. Luther zog die Autorschaft des Königs in Zweifel. „Es meinen viel, König Heinrich habe dis Büchlein nicht selbs gemacht. Da ligt mir nichts an; es habe König Heinz oder Kunz, Teufel oder die Helle selbs gemacht, wer leugt, der ist ein Lügner, darumb fürcht ich in nicht. Mich dünckt wol, König Heinrich habe eine elle grobs Tuchs oder zwo dazu geben, und der gifftige Bube Leus (Eduard Lee), der wider Erasmum geschrieben

welcher sie in feierlicher Audienz entgegennahm, und dem königlichen Verfasser den Ehrennamen eines Defensor fidei spendete. Heinrich's Schrift handelt über die Ablässe, Papstthum, Sacramente, Meßopfer, kirchliches Priesterthum, Klostergelübde, Glauben und gute Werke. Er macht es Luther zum Vorwurfe, daß derselbe unter dem Vorwande, die Bußpraris zu reinigen, die kirchliche Ablaßpraxis geschmäht und herabgesezt habe; es mögen in derselben Mißbräuche vorgekommen sein, darüber hätte er aber die heilsamen und trostreichen Wirkungen des Ablasses im Allgemeinen nicht übersehen sollen, und noch weniger das erhabene Ansehen des Oberhauptes der Kirche mit in den Streit hereinziehen sollen. Der Angriff auf die Auctorität des Papstes mag aber seinen tieferen Grund darin gehabt waren, daß Luther seine Neuerungen in der Sacramentenlehre nicht durchzubringen hoffen konnte, wenn er nicht vorerst das Papstthum zu einer Institution rein menschlichen Ursprunges erniedriget hätte. Er begieng den vermessenen Frevel, nicht weniger als vier Sacramente zu verwerfen, und vergriff sich auch an denjenigen, welche er übrig ließ, in solcher Weise, daß er sie um den größten Theil ihres Werthes für das christliche Glaubens und Gnadenleben brachte. Er nennt das Abendmal unter Verwerfung der von den Vätern gebrauchten ehrfurchtvollen Bezeichnungen dieses Mysteriums das Sacrament des Brotes, augenscheinlich aus Abneigung gegen den Transsubstantiationsglauben, durch dessen Läugnung er die Messe um den Charakter des Opfers bringen will, der eben an ihr das Bedeutungsvollste und Heiligste ist. Um das Bußsacrament bequemer zu machen, verstümmelt er es, und nimmt von demselben die beschwerlichsten Theile, Beicht und Satisfaction hinweg. Der Firmung und Ehe spricht er den sacramentalen Charakter ab, weil er denselben nach der ihm beliebenden Auslegungsweise in der Schrift nicht entdecken kann d. h. nicht entdecken will. Ähnlich will er es mit dem Sacramente der leßten lung machen; gleichwol sagt ihm sein exegetisches Gewissen, daß sich dieses Sacrament aus dem Briefe des Jakobus nicht werde hinwegraisonniren lassen, und deßhalb muß der Jakobusbrief selber als unecht aus dem

hat, oder seines Gleichen, habe die Kappen geschnitten, und mit Futter unterzogen. Aber ich will sie inen ausstreichen, und Schellen daran schürzen“ u. s. w.

biblischen Canon ausgemerzt werden. Heinrich glaubt übrigens zu begreifen, daß Luther noch andere Gründe habe, dem Briefe Jakobi gram zu sein; denn abgesehen von der Nothwendigkeit der guten Werke, die darin gelehrt werden, bekämpft der Apostel am allermeisten diejenigen Untugenden, von welchen Luther am allerwenigsten lassen will, die zornige Schmähsucht und die Zügellosigkeit der Zunge. Auch hält er ihm die Unbeständigkeit seiner Meinungen vor; worauf freilich Luther entgegnete, daß ein nachfolgendes besseres Erkennen keinem charakterlosen Meinungswechsel gleichzuseßen sei, sondern von einem glücklichen Vorwärtsstreben in der Erkenntniß zeuge. Für die Argumentationsweise des Königs, der das bestehende Kirchenthum als eine auf positiver Grundlage in natürlicher Entwickelung erwachsene Institution auffaßte und die Wahrheit der Kirchenlehre aus dem constanten Glauben der Kirche bezeugt sah, hatte Luther feinen Sinn. Wol aber fühlte er sich durch den von so unerwar teter Seite und zu so ungelegner Zeit, wo er eben im eigenen Hause Zwietracht zu dämpfen hatte, kommenden Widerspruch gegen sein gewagtes Beginnen auf das Höchste gereizt, und überschüttete den König mit den rohesten Schmähungen 1). Da in Heinrich's Schrift neben Hugo a St. Victore vornehmlich Thomas Aquinas als theologische Auctorität angeführt war, so ist auch der Name dieses

1) So ereifert sich Luther z. B. in Bezug auf den Vorwurf, „gegen sich selber geschrieben zu haben“. Wenn dieser Vorwurf auf Puncte, die das christliche Leben betreffen, sich beziehen soll, so sei der König ein Lügner. „That ein König von Engelland seine Lügen unverschampt ausspeien, so that ich sie ihm frölich wider in seinen Hals stoßen. Denn damit lestert er alle meine christliche Lere, und schmiert seinen Dreck an die Krone meines Königs der Ehren, nämlich Christi, deß Lere ich habe. Darum soll's ihn nicht wundern, ob ich den Dreck von meines Herrn Krone auff seine Krone schmiere“ u. s. w. „Was ist's, das ein Esel will den Psalter lesen, der nur zum Sacktragen gemacht ist ?“... „Wenn ich nu fraget, lieber Junker, was dienet das zur Sache, daß ich beissig, hessig, hoffertig bin? Ist das Babstthum darum recht, daß ich böse bin, und schelte es? So müßt der König von Engelland auch ein weiser Mann sein, darumb daß ich in für einen Narren halte.“ Gegen den Schluß seiner Schrift erklärt Luther, warum er den König „so hart angetastet"; es sei deßhalb geschehen, weil Heinrich „so öffentlich und unverschampt lüge, aus Fürsaß, wie die Buben; er schilt so bitter, gifftig und on unterlas, als kein öffentliche zornige Dirne schelten mag, daß man wol fihet, wie kein königlich aber an im ist."

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