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durch seine zornigen Ausfälle eine ausführliche Erwiderung Emser's hervor '), der, bis dahin Luther befreundet, von nun an zu den entschiedensten literarischen Gegnern desselben gehörte.

Da Luther und Karlstadt nach ihrer Rückkehr von Leipzig mit der Abstattung eines Berichtes an den Churfürsten über den Verlauf und Inhalt der Disputation zögerten, so schrieb Eck an denselben 2), sezte ihn über die Vorkommnisse zu Leipzig in Kenntniß, und machte ihn auf die Gefahren aufmerksam, welche für die kirchliche Zucht und Ordnung aus dem ungestörten Umsichgreifen der Grundsäße Luther's über den Papst hervorgehen müßten. Auch beklagt er sich über die würdelose und schmähsüchtige Sprache seiner Gegner, und beantragt die öffentliche Verbrennung der neuen Schrift, unter welcher entweder die resolutio de potestate papae oder die vorhin erwähnten resolutiones Lutheri gemeint waren. Der Churfürst ließ Ed's Brief den wittenberger Doctoren mittheilen, und forderte fie auf, sich über den Inhalt desselben zu äußern. Luther und Karlstadt erklärten in einer gemeinsam unterzeichneten Eingabe an den Churfürsten Eck's Beschwerden gegen sie für Eingebungen des Verdrusses und Grolles über die zu Leipzig erlittene Niederlage; er wolle sie von der Universität verdrängen und habe es überhaupt auf den Ruin der ihm verhaßten wittenberger Schule abgesehen. Die von ihm hervorgegangenen Artikel über Papst, Fegefeuer und Ablässe beträfen bloße Schulmeinungen; Eck stüße sich auf Sophismen, behaupte der Geschichte zuwider die Infallibilität der Concilien. Zu Leipzig habe er sich gegen sie beide ehrenrührig benommen und damit das fürstliche freie Geleit freventlich gebrochen. Es sei zu wünschen, daß Fürsten und Adel in die Sache entscheidend eingreis fen, um den Sophisten die Wege zu ferneren Störungen zu verlegen; auch seien zur Beurtheilung der Streitsache außer den zum großen Theile im Scholasticismus befangenen Theologen die übrigen Facultätsdoctoren: Legisten, Ärzte, Artisten beizuziehen. Der Churfürst sendete diese Erklärung der Wittenberger an Eck, welcher in einer einläßlichen Gegenerklärung die einzelnen Beschwerde- und

Das Prädicat Aegoceros ist eine ironische Anspielung auf Emser's Fas milienwappen.

1) A venatione Lutheriana Aegocerotis assertio. Löscher III, S. 694–731. 2) Löscher III, S. 604.

Klagepuncte seiner Gegner durchnahm und zurückwies. Luther behaupte, der Streit betreffe bloße Schulmeinungen; dieß ist irrig, Hus ist nicht um bloßer Schulmeinungen willen verbrannt worden. Luther gibt vor, bloß gegen den Scholasticismus anzukämpfen; er verhehlt, daß er auch die Kirchenväter und Kirchenlehrer verläugnet. Er sagte zu Leipzig mit ausdrücklichen Worten, daß er, wenn auch Augustinus und alle übrigen Väter unter petra (Matth. 16, 18) den Apostel Petrus verstünden, er ihnen widersprechen müßte. Er weist die Auctoritäten der Väter in der Schriftauslegung grundsäßlich zurück, und will die Schrift besser verstehen, als sie. Er will sich an das klare Wort der Schrift halten; wenn es so klar ist, wie kommt es, daß dasselbe von den Vätern nicht verstanden, oder anders, als von Luther, verstanden wurde? In seiner Behauptung, die griechische Kirche hätte den römischen Primat niemals anerkannt, läßt er den Unterschied zwischen den Zeiten vor und nach dem Schisma der griechischen Kirche geflissentlich fallen. Dem Concil von Nicäa, dessen Canones er augenscheinlich nie gelesen hat, legt er den Beschluß unter, daß die kirchliche Obergewalt des römischen Bischofes auf Italien beschränkt sei. Er weiß also nicht, daß in dem betreffenden Canon des Concils ) bloß von der Patriarchalgewalt Roms und Alexandriens, nicht aber vom Primate die Rede ist. Wenn er Ed die Behauptung unterlege, die Bischöfe müßten nach göttlichem Rechte zu Rom confirmirt werden, so macht er sich einer Unwahrheit schuldig; Eck glaubt die geschichtliche Vergangenheit der Kirche besser zu kennen als Luther, und daher auch ganz wol zu wissen, wie es hinsichtlich der Confirmation der Bischöfe in den verschiedenen Provinzen der Kirche gehalten worden sei. Luther beschuldiget das Concil von Constanz, an Hus mehrere allerchristlichste und wahrhaft evangelische Säge verurtheilt zu haben; und stellt weiter allgemein die Behauptung auf, daß die Concilien öfter geirrt hätten. Die ökumenischen gewiß nicht! Die Fehlbarkeit dieser zugeben, hieße jeder Willkür der Privatmeinung im Urtheile über Glaubenssachen Thor und Thüre öffnen. Luther meint aus dem Constanzer Concil erweisen zu können, daß das Concil über dem Papste stehe; aber der bezügliche Beschluß des Concils rührt aus jener Epoche des Concils her, in welcher es

1) Vgl. über Can. 6 des Nicänums Bd. III, S. 290.

unter der Obedienz des Papstes Johann XXII tagte, welcher zwei andere Gegenpäpste gegen sich hatte, mithin nicht der allgemein anerkannte Papst war, daher auch das zu seiner Obedienz gehörige Concil nicht als Versammlung der ganzen Kirche gelten kann. Nebenbei widerlegt Eck noch verschiedene Beschwerden persönlicher Art, welche von seinen Gegnern wider ihn erhoben worden waren, und betheuert schließlich, einzig aus Liebe zur Wahrheit und für das Wohl der Kirche gegen Luther aufgetreten zu sein, und bittet nochmals, der Churfurst möge, wenn das Urtheil der mit der Prüfung der Sache Betrauten gegen Luther und seine Freunde ausfalle, nicht versäumen, das zu thun, was zur Rettung der kirchlichen Ordnung, Zucht und Einigkeit geschehen müsse.

Ed's Vorstellungen blieben nicht ohne Eindruck auf den Churfürsten; aber eine Äußerung, welche eben damals Erasmus von Rotterdam bei seiner Herausgabe des Suetonius in einer an den Churfürsten gerichteten Dedicationsepistel zu Gunsten Luther's that, brachte ihn bald wieder von seinen Bedenken ab, so daß er den Bemühungen des von Leo X gesendeten päpstlichen Kammerherrn Carl von Miltig, welcher mit einer, ohnehin fast an Schwäche und Parteilichkeit gränzenden Schonung Luther zu beschwichtigen bemüht war, jede weitere Unterstüßung entzog.

S. 593.

Luther's widerkirchliche Lehren hatten durch die leipziger Disputation und die ihr nachfolgenden Schriften eine solche Notorietät erlangt, daß Censurirungen derselben von verschiedenen Seiten nicht ausbleiben konnten. Schon vor der leipziger Disputation waren die sächsischen Franciscaner zu Jütterbock in einem Provincialcapitel zusammengetreten, welches 14 Säße Luther's als häretisch erklärte 1). Diese Säße betrafen Luther's Äußerungen über Concilien, Papst, Petrus, kanonisches Recht, evangelische Räthe, Beicht (die nach Luther nicht de jure divino sein soll), menschliche Willensfreiheit, Schriftauslegung, gute Werke, Christi Verdienen (solum nobis, non sibi meruit, lautet die dreizehnte der verworfenen Thesen), böhmische Brüder. Der Bischof von Brandenburg, welchem diese Erklärung

1) Löscher III, S. 114-116.

des Provincialcapitels zugestellt wurde, ließ Eck zu einem Gutachten über dieselbe auffordern. Luther ergriff sowol gegen die Franciscaner, als auch gegen Eck's Gutachten die Feder, und retorquirte die gegen ihn ausgesprochenen Censuren mit Anschuldigungen der Orthodoxie seiner Gegner, welchen er 24 häretische Irrthümer zur Last legte 1).

Die Leipziger Disputanten hatten sich gegen Ende ihrer Verhandlungen dahin geeiniget, daß die Universitäten von Erfurt, Freiburg und Paris mit Ausschluß der an denselben lehrenden Dominicaner und Augustiner über den Ausgang der Disputation endgiltig zu entscheiden hätten. Die Erfurter Universität zögerte mit ihrem Ausspruch, und lehnte zulezt jede Entscheidung ab, obschon ihr eine solche durch Herzog Georg ausdrücklich abverlangt worden war. Dagegen veröffentlichten die theologischen Facultäten von Cöln und Löwen motivirte Gutachten auf Grund der bis dahin erschie nenen Schriften Luther's, welche wegen der darin enthaltenen Frr= thümer und Häresien, so wie wegen ihres aufreizenden und Ärgerniß gebenden Inhaltes des Verbotes, der Unterdrückung und Verbrennung für werth erachtet wurden 2). Bald darauf erließ der Bischof von Meißen ein Verbot gegen eine Predigt Luther's über das Altarssacrament, in welcher den Utraquisten nicht undeutlich das Wort geredet war. Luther's Absicht, die zunächst zum Einschreiten gegen ihn verpflichteten Kirchenfürsten, den Erzbischof von Mainz und den Bischof von Merseburg, durch Briefe voll Unschuldsbetheuerungen von einem ernsten Einschreiten in seiner Angelegenheit abzuhalten, gelang nur zum Theile; die Bischöfe von Merseburg und Brandenburg ließen sich in ernstem und würdigem Tone gegen ihn vernehmen, nur der Erzbischof Albert von Mainz vergaß sich so weit, zu sagen, daß er Luther's Streit mit seinen Gegnern für nichtiges Gezänke halte, um dessen Gegenstände ein rechtschaffener Christ sich nicht viel kümmere. Da er indeß, ohne sich direct gegen ihn zu entscheiden, ihm doch auch wieder nicht zustimmend entgegen kommen wollte, so erntete er für dieses sein schwankendes und unentschiedenes

1) Löscher III, S. 856-890.

2) Löscher III, S. 849 ff. Vgl. Luther's Erwiderung hierauf in Ep. ad Christophorum Blancum, Opp. lat. (ed. Jen.) I, fol. 468 ff.

Verhalten keinen anderen Dank, als daß er von Luther mit unverholener Mißachtung behandelt wurde.

Während dieser Vorgänge war Eck nach Rom gereist, wohin er nach seiner eigenen Angabe von Papst Leo X berufen worden. war, um über den Stand der Luther'schen Sache mündlich nähere Aufschlüsse zu geben. Er brachte eine lateinische Überseßung der bis dahin erschienenen deutschen Schriften Luther's mit, und wurde der Commission, die im Auftrage des Papstes Luther's Lehre zu prüfen hatte, als Mitglied beigegeben. Nach wiederholten Berathungen wurden in 41 Artikeln Luther's Säße über Erbsünde, Buße, Sündenvergebung, Altarssacrament, Ablaß, Bann, Macht des Papstes, Concilien, gute Werke, menschliche Willensfreiheit, Fegefeuer und Mendicantenorden als verderblich, anstößig, ärgerlich, be= ziehungsweise häretisch verurtheilt, und ihm sammt seinen Genossen ein Termin von 60 Tagen behúfs des zu leistenden Widerrufes gestellt. Die Bulle ist vom 15 Juni 1520 datirt, Ec sollte sie in Deutschland publiciren. Der Erfüllung dieses Auftrages stellten sich in mehreren Diöcesen Schwierigkeiten von Seite der Bischöfe und Bisthumsverweser entgegen; die Universitäten Erfurt, Leipzig und Wittenberg wiesen die Bulle zurück, und Eck rettete sich in beiden ersteren Städten mit Mühe vor persönlichen Mißhandlungen. Die wiener Universität verstand sich erst auf Kaiser Karl's V Befehl zur Annahme der ihr von Eck übersendeten Bulle. Dagegen wurde die Publication der Bulle und die befohlene Verbrennung der Schriften Luther's durchgesezt in Mainz, Cöln, Halberstadt, Freisingen, Eichstädt, Merseburg, Meißen, Brandenburg u. a. D.

§. 594.

Ehe die Verdammungsbulle erlassen worden war, hatte Luther seine Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation" erlassen, in welcher er bereits einen völlig revolutionären Standpunct gegen das bestehende Kirchenthum einnahm, und, auf die Idee des allgemeinen Priesterthums gestüßt, die Weltlichen, nämlich die Reichsritterschaft und die Fürsten für eine völlige Umgestaltung aller kirchlichen Verhältnisse zu gewinnen suchte. Der erste Gegenstand seines Angriffes ist die päpstliche Machtvollkommenheit, von deren Drucke der Kaiser, die Fürsten und Bischöfe emancipirt werden sollen; fie

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