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Bericht über eine landwirthschaftliche Reise in Europa.

Bon Johann H. Klippart.

Nelson J. Turneh, Präsident der Staats-Ackerbau-Behörde von Ohio:

In Gemäßheit der Commission, die Sie mir gütigst übertrugen, und des Inftructions-Briefes von dem Achtb. Thomas C. Jones, traf ich Anstalten für eine sehr eilige landwirthschaftliche Reise durch Europa. Am 1. April 1865 segelte ich von New York ab, und nach einer ziemlich stürmischen Seereise auf dem Packet-Dampfschiff Borussia" (Capitain H. F. Schwensen) landete ich am 15. April - einen Tag nach dem in der Geschichte der Vereinigten Staaten ewig denkwürdigen Tage, an welchem der Präsident Lincoln Abends durch Menchelmord umkam, in der alten Stadt Hamburg, die an der Mündung der Alster in die Elbe liegt.

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Hamburg ist eine der Hanses oder Freien-Städte, das heißt, sie steht nicht unter der Regierung eines Staates, eines Königreichs oder einer Provinz, sondern wird von einem Senat regiert, ungefähr wie die Städte in den Vereinigten Staaten von einem Stadtrath. Das Gebiet, über welches sich ihre Gerichtsbarkeit erstreckt, umfaßt etwa 50 bis 60 englische Quadratmeilen. Altona, etwa eine Meile westlich von Hamburg, liegt in Holstein, und ist den Gesegen Holsteins unterworfen. Die Stadt St. Pauli liegt zwischen Hamburg und Altona, und wird eine Vorstadt von Hamburg genannt. St. Georg grenzt östlich an Hamburg und wird auch eine Vorstadt genannt.

In Folge seiner Lage muß Hamburg eine der wichtigsten Handelsstädte in Norddeutschland sein. Sie liegt an der Elbe, 40 bis 50 englische Meilen von ihrer Mündung. Da der Fluß tief genug ist, daß die größten Kauffahrteischiffe an die hamburger Werfte anlegen können, so bildet diese Stadt natürlich den Punkt, wohin alle ans Holstein, Mecklenburg, Hannover und allen Ländern und Provinzen, durch welche die Elbe fließt und schiffbar ist, zu verschiffenden Waaren gesandt und von dort aus verschifft werden. Aber auch in einem anderen Sinne des Wortes ist Hamburg eine freie Stadt sie hat kein Zollhaus und verlangt keinerlei Ein- oder Ausfuhrzölle. von ihrem Handelsverkehr mit irgend welchem Theile der Welt. Alle Handelsartikel gehen aus allen Königreichen, Herzogthümern oder Provinzen zollfrei nach Hamburg, aber alle Kaufmannswaaren und Handelsartikel sind, wenn sie von Hamburg in irgend welches Königreich, Herzogthum oder Provinz verschifft werden, zollpflichtig, sobald sie über die Grenze des hamburger Gebietes gehen. Daher kann man Schnitter- und Mähmaschinen, landwirthschaftliche Maschinen, Ackergeräthe und Pre

ducte jeder Art zollfrei von New York nach Hamburg verschiffen, aber sie sind zollpflichtig, sobald sie über die holsteinische, mecklenburgische oder hannoverische Grenze gehen.

Schleswig-Holstein oder die beiden Herzogthümer, für deren Untheilbar teit Dänemark gegen Preußen und Destreich zu den Waffen griff, haben einen Flächeninhalt von 3513/10 geographischen Quadratmeilen, * oder 7,487 englischen Quadratmeilen; daran umfaßt Holstein 3,500 oder etwa den zwölften Theil von Ohio, oder in anderen Worten, ist ungefähr zwei Dritteln der Western Reserve gleich. Die Volkszahl wird auf 999,320 Seelen geschäßt, wovon 424,901 auf Schleswig, und 574,419 auf Holstein fallen; ich sage geschäßt, weil der leßte Cenfus in 1862 oder 1863 aufgenommen wurde, und die regelmäßige Zunahme, die aus den früheren Censusen erhellte, hinzugefügt wurde. In 1845 betrug die Bevölkerung Holsteins 480,028 Seelen, und in 1855 belief sie sich auf 523,528.

Die Einwohner sind Jäten, Angeln und Sachsen, Racen oder Stämme, die schon vor der Gründung des römischen Reiches in diesen Marschen und diesem unfreundlichen Klima wohnten und bis auf diesen Tag dort geblieben find. Es sind sehr kräftige Racen, nicht groß, besigen aber eine starke Muskelentwickelung und große Ausdauer. Die holsteinische Sprache ist Plattdeutsch, oder wie die Holsteiner behaupten, die alte sächsische Sprache. Bei meinem Aufenthalt in Holstein fiel es mir oft ein, daß, wenn zu einem gründlichen Verständniß der englischen Sprache ein Verständniß der lateinischen und griechischen Sprache erforder lich ist, ein Verständniß des Plattdeutschen, worauf die englische Sprache sich ursprünglich gründet, ebenfalls nothwendig ist.

Der höchste Punkt in Holstein befindet sich im östlichen Theil, und erhebt sich circa 300 Fuß über den Meeresspiegel. Der öftliche Theil ist etwas wellenförmig, zwei Drittel des westlichen sind ganz flache Ebenen oder Marschen, besonders der Theil, der zwischen der Elbe und Eider liegt die beiden Ditmarschen, die Wilster- und die Kremper Marsch, x. Ein mehr oder weniger fruchtbarer Rücken erstreckt sich von Norden nach Süden durch beide Herzogthümer. Dieser Rüden besteht hauptsächlich aus hohen und niedrigen Mooren, Haide, steinigem Boden, und dürren Sandwüsten, aber er befindet sich jezt allgemein unter Cultur. Auf beiden Seiten dieses Rückens liegt außerordentlich fruchtbares Land. Der östliche Theil erzeugt die größten Getreideärnten, aber der westliche Theil, wo einige Strecken Jahrhunderte hindurch in Weide gelegen haben, besonders in den Marschen, producirt so fettes Vich, wie man sonstwo keins auf dem Continent trifft. Die berühmtesten Melkereien in den Herzogthümern findet man theils in Angeln (Schleswig), und theils auf den großen adligen Gütern im östlichen Holstein. Der beste Käse, der dem holländischen gleichkommt, wird in der Wilstermarsch fabricirt. Die Schafzucht wird blos in den Haidedistricten und in den Marschen in bedeutender Ausdehnung betrie ben, aber die edleren (feineren) Schafracen werden blos in geringer Anzahl auf

* Die deutsche oder geographische Meile ist so festgesezt, daß 15 einen Breilegrad machen; während die geseßliche Meile in England und Amerika so festgeseßt ist, daß 691⁄4 Meilen einen Breitegrad machen. Um deutsche Quadratmeilen auf englische oder amerikanische zu Quadratmeilen zu reduciren, bediene einfach folgender Formal: 15X15=225; 69,25X69,25=4795,5525, was das Verhältniß zwischen der gegebenen Zahl von deutschen und englischen Quadratmeilen ist.

den adligen Gütern und in Eiderstadt gehalten. Mit der Ausfuhr von Schweinefleisch nach England hat die Schweinezucht zugenommen; die englischen und die Halbblutracen find am beliebtesten. Die ungarische Race wurde auf einigen Gütern in Holstein eingeführt, aber bald wieder abgeschafft. Die besten Pferde (die sogenannten Ramsköpfe) kamen aus der Wilstermarsch. Ziegen werden nicht überall gehal. ten, aber unter den „kleinen Leuten" findet man sie häufiger. Bienen werden fast überall in diesem Lande gehalten, aber meist in dem altmodischen Strohkorb; das verbesserte und rationelle System hat dort bis jezt keine Aufmunterung gefunden.

Ich machte es mir zur Aufgabe, alle wichtigsten statistischen Nachrichten in allen Ländern, die ich besuchte zu sammeln. Ich kann nicht für ihre Zuverlässigkeit einstehen, weil ich glaube, daß sie alle auf bloße Anschläge basirt sind; es giebt in ganz Europa keinen Ort, wo die Statistiken entweder jedes Jahr oder alle zehn Jahre, wie hier in Ohio, gesammelt und zusammengestellt werden. Folgende sind die einzigen Aernte-Statistiken, die ich erlangen konnte: Schleswig-Weizen, 200,000 Tonnen; Roggen, 700,000 Tonnen; Gerfte, 600,000 Tonnen; Hafer, 1,200,000 Tonnen; Erbsen nnd Bohnen, 100,000 Tonnen; Buchweizen, 180,000 Tonnen. Holstein und Lauenburg-Weizen und Roggen, 800,000 Tonnen; Gerste, 650,000 Tonnen; Hafer, 1,900,000 Tonnen, meist in den Marschen; Erbsen und Bohnen, 300,000 Tonnen, hauptsächlich in den sandigen Districten der Herzogthümer. Rapssaat wird auf den fetten Marschländereien gebaut. Seit dem Ausbruch der Kartoffelkrankheit werden verhältnißmäßig nur wenig Kartoffeln mehr gebaut. Flachs wird sehr wenig gebaut, aber Klee viel. Fast überall sind Obstbäume gepflanzt, aber als Handelsartikel wird Obst blos auf Alsen und Aaroe in dem Sundéwitt District, in der Probstei und in der Wilstermarsch gebaut. Die Statistiken über Viehstand waren in 1861-2, wie folgt: Schleswig - Pferde, 72,333; Rind, vich, 390,001; Schafe, 362,219; Schweine, 87,867. Holstein Pferde, 77,081; Rindvich, 290,372; Schafe, 165,344; Schweine, 82,398. Schäßt man Holstein auf 153.6 deutsche Quadratmeilen, so kommen auf jede Quadratmeile 502 Pferde, 1,890 Stück Rindvich, 1,076 Schafe und 536 Schweine. Die Butter-Production kann in den Herzogthümern in runder Zahl auf 26,000,000 Pfund anges schlagen werden; davon werden im Durchschnitt 25 Pfund von jedem Einwohner= 22,500,000 Pfund consumirt, und 3,500,000 Pfund werden ausgeführt.

Mit wenigen Ausnahmen wird blos östlich von dem Landrücken Holz ange= pflanzt; in Holstein giebt es 91,500 Tonnen* Holzland. Buchenholz ist bei weitem das häufigste. Das Wild besteht meistens aus Rehen, Hasen und Füchsen; Hirsche und Rothwild find selten; Damenhirsche findet man blos in den Gehägen. Von wildem Geflügel findet man fast allenthalben wilde Gänse, Enten, Rebhühner, Schnepfen und Krammetevögel. Schwäne giebt es an der Ostküste. Auf den Inseln Sylt und Föhr werden die Kriechenten in ungeheurer Menge in Vogelfallen gefangen.

Die Fischerei wird nicht in dem Maße betrieben, wie man erwarten sollte, da die Gewässer voll von Fischen sind. Die ausgedehntesten Fischereien befinden sich an der Schlei, die in 1862 ein reines Einkommen von circa $7,500 (10,000 preußischen

Eine Tonne ist ungefähr 1% Acker; fie enthält 240 Quadrat Ruthen, jede von 16 Fuß Quadrat.

Thalern) brachten. In dem Meerbusen von Eckernförde betreiben 80 Fischer mit 124 Booten dies Geschäft.

Dies Land ist nicht reich an Mineralien. Es giebt keine Kohlen, aber es wird eine ungeheure Masse Torf gegraben und zu Feuerung benußt. Der zur Fruchtbarmachung vieler Landstriche so nothwendige Mergel ist fast überall vorhanden, Kalkstein kommt aus Schleswig; Segeberg liefert jährlich sechs bis sieben tausend Tonnen Gips: die Salinen von Oldesloe produziren jedes Jahr ungefähr 7,000 Tonnen Salz. Ziegelthon findet sich hauptsächlich im öftlichen Theile. Eisenerz ist blos auf dem Landrücken vorhanden, ist aber noch nicht gegraben worden. In 1862 beliefen sich die Einfuhren in die Herzogthümer auf 19,000,000 preußische Thaler,* und die Ausfuhren auf 16,000,000. Dieser Mehrbetrag von 3,000,000 Thalern rührt theils von der gesteigerten Nachfrage nach Luxusartikeln, und theils von der Thatsache her, daß Altona, die größte Stadt in den Herzogthümern, mit reichlich 50,000 Einwohnern, ein Freihafen ist.

Nach dieser allgemeinen Beschreibung Holsteins und seiner Einwohner und Producte, wollen wir noch einige Punkte ausführlicher beschreiben.

Geologisch gehört Holstein der dritten Erdbildung an, aber seine Oberfläche befizt keine bedeutende Felsbildung aus dieser Periode. Fast alle in derselben vorhandenen Felsen sind zerstreute Granit- und Gneisblöcke; und obwohl das Land vor der Zeit Julius Cäsar's besiedelt war, hat es bis jetzt noch keinen Steinbruch in ganz Holstein gegeben. Der Boden, soweit ich ihn zu beobachten Gelegenheit hatte, ist ein starker Lehm, in einigen Districten, besonders an der Ostseite, ein sehr starker Thon; in anderen Gegenden aber ist er sandig. Es ist bewässert durch kleine Ströme, und im nördlichen Theile giebt es viele kleine Seen. Im östlichen Theile befinden sich die kesten Bauernwirthschaften. Es ist auch viel Wald hier, der meist aus Buchen und Eichen besteht; die Felder sind sehr fruchtbar. In der Regel sind die Hügel und Anhöhen urbar, und die dazwischenliegende Senkung, Thal genannt, besteht aus Wiesen und Weiden. In dem östlichen Theil liegen die meisten adligen, Krons oder Regierungsund Kirchengüter. Diese Güter sind von verschiedener Größe, von einigen hundert bis zu zehn und gar zwanzig tausend Tonnen; aber selbst auf diesen großen Gütern findet man selten über 1,000 bis 2,000 Tonnen in einem Stück: das übrige, das aus kleineren Stücken besteht und ziemlich zerstreut liegt, wird in der Regel an Meier und Bauern verpachtet, oder es besteht aus kleinen Parcellen und wird an kleine Bauern verpachtet. Der Flächeninhalt der Privatwirthschaften beträgt von 300 bis 700 Tonnen. Wenn die Krons oder Kirchengüter verpachtet werden, so werden sie entweder auf eine Reihe von Jahren, oder als erblich in der Familie verpachtet, und zwar für circa $6.00 (10 Thaler Reichsmünze) außer den Local-Zehnten und Raten, die völlig $3 per Tonne mehr machen; dazu kommen noch die Kronsteuern, die der Pächter auch zu zahlen hat.

Hier finden wir auch die neuesten Verbesserungen in der Landwirthichaft, wie unterirdische Drains, Bewässerung, und verbesserte landwirthschaftliche Maschinen und Geräthe. Hier finden wir auch, was nicht auf dem eigentlichen Continent zu finden ist Arbeiter- und Bauernhäuser auf dem Gute oder der Wirthschaft. Jedes große Gchöft hat keine Häuser für die Tagelöhner, welche bisweilen die Wohnung

*Der preußische Thaler ist ungefähr 75 Cents.

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