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sophie und Religion betont werden. Die ewige Liebe offenbart sich nicht bloß im Gefühle der Andacht und der Religion, sondern im allgemeinen Gefühl und dem inneren oder erhöhten Bewußtsein des Menschen, welche Bewußtseinserregung man als ein zu den vorgenannten vier Arten oder Formen einer höheren Offenbarung hinzukommendes Fünftes bezeichnen kann, worin sich jene vier wechselseitig berühren, beleben, durchdringen und harmonisch ausgleichen. Wenn nun aber die Liebe selbst nichts Anderes ist als der reine Begriff, der innere Geist, die wesentliche Kraft des wahren, und besonders auch jedes höheren Lebens, so muß eben diese Offenbarung der Liebe ganz besonders und vor allen andern den Stoff, Inhalt und Gegenstand der Philosophie des Lebens bilden, als die innere volle Mitte unter jenen fünf heiligen Quellen der göttlichen Offenbarung, aus welchen alles höhere Leben, Denken, Glauben und Wissen in die empfängliche Menschenseele hinabströmt.

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§. 853.

In jenen Jahren, in welchen Fr. Schlegel seine berühmten Vorlesungen über Philosophie des Lebens, der Geschichte und der Sprache hielt, und in ihnen seine ruhmreiche geistige: Wirksamkeit glänzend abschloß, trat der Weltpriester A. Günther mit seinem ersten selbstständigen Werke, mit seiner „Vorschule zur speculativen Theologie des positiven Christenthums" hervor, die nach Ablauf zweier Decennien eine zweite Auflage erlebte, und unter Günther's zahlreichen Schriften die bekannteste und gelesenste geworden ist, da sie, obschon in der zwanglosen Briefform abgefaßt, doch noch am meisten einer systematischen Geschlossenheit und Rundung sich nähert. Der erste Theil des Werkes enthält eine speculative Creationstheorie, der zweite Theil eine speculative Incarnationstheorie, beide Theorien unter fortlaufender Bezugnahme auf die lebhaften Bewegungen im philosophischen Leben und Streben der deutschen Gegenwart und auf die hervorragendsten und bemerkenswerthesten Erscheinungen und Kundgebungen aus der philofophischen Gegenwart entwickelt und durchgeführt. Wenn Schlegel sich die Bekämpfung des abfoluten Wiffens zur Grundaufgabe seßte, so Günther die Bekämpfung des Pantheismus in allen Formen und Verkleidungen desselben; er trifft mit Schlegel in der Polemik gegen die Herrschaft: des ab

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soluten Begriffes zusammen, vindicirt aber im Unterschiede und Gegensaße zu Schlegel dem menschlichen Geiste ein über das begriffliche Wissen hinausgehendes Wissen höherer Art als eigentliches Grundwissen oder ideelles Denken und Erkennen, welches allerdings kein absolutes Wissen ist und darum in Bezug auf die Wahrheiten des geoffenbarten Glaubens das Glauben als solches nicht aufhebt, deßungeachtet aber wirkliches Wissen und wahrhaftes Erkennen, wenn schon in creatürlicher Begränztheit und Bedingtheit, ist. Es gibt ein intellectives Verständniß des immanenten dreieinen Lebens in Gott, und der Selbstoffenbarung Gottes im Gottmenschen Christus; und wie das philosophische Verständniß der christlichen Dreieinigfeitslehre einer philosophischen Schöpfungslehre die nothwendige Grundlage darbietet und den ganzen Schöpfungsorganismus in seiner dreieinen Grundgliederung verstehen lehrt, so öffnet die speculative Incarnationslehre den Einblick in den höheren ideellen Zu= sammenhang der ethischen Welt und des geschichtlichen Menschheitsdaseins, so daß, wer den speculativen Begriff der christlichen Trinitäts- und Incarnationslehre gewonnen, an der Wahrheit des ge= offenbarten Christenglaubens vernünftiger Weise nicht mehr zweifeln könne. Den ersten Anfangs- und Ausgangspunct für die speculative Erweisung jener Fundamental und Centraldogmen des geoffenbarten Christenthums sucht Günther im geistigen Selbstbewußtsein des Menschen, aus dessen Aussagen und Thatsachen er den wesenhaften und substantiellen Unterschied des menschlichen Geistes vom beseelten leiblichen Organismus des Menschen folgert, so wie er weiter aus der Wesensbedingtheit des ganzen Menschen und aller anderen endlichen und erscheinenden Dinge die Urbedingtheit und das Gefeßtsein derselben durch ein wesenhaftes und schöpferisch seßendes Urbedingtes (d. i. Gott) folgert. Alles Erkennen ist Wissen, und alles Seiende und Erkennende strebt zum Wissen, und zwar zunächst oder zuhöchst zum Wissen um sich selbst; die gottgefeßte ichlose Natursubstanz vermag ihr Streben nach denkender Selbsterfassung nicht durchzusehen, und geht darum bei diesem ihrem Streben im realen Bilden und im äußeren Anschauen der aus ihrem Wesensgrunde herausgeseßten Erscheinungen auf; ihr Wissen und Erkennen ist und bleibt lediglich Erscheinungswissen. Der menschliche · Geist dringt in denkender Erfassung seiner selbst zum Grundwissen vor, und unterscheidet sich in Kraft dieses seines

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Grundwissens als eine von Allem außer ihm substanziell verschiedene Wesenheit; er erkennt sich ferner zufolge des ihm eigenthümlichen Lebensmodus als ein sowol von der Natur unter ihm, so wie von Gott über ihm wesenhaft verschiedenes Sein; er erkennt und erschließt endlich aus dem Gegensaße des natürlichen und göttlichen Seins zu seinem eigenen Sein und Leben den eigenthümlichen Lebensmodus der Natursubstanz sowol, wie der göttlichen Substanz, deren Lebensproceß er als die im Proceß der absoluten Selbsterfassung sich vollziehende Selbstentfaltung der göttlichen absoluten Dreieinheit erfaßt. Der dreieinige Schöpfungsmodus ist das contraponäre relative Gegenbild der göttlichen Dreieinheit, und in der denkenden Ermittelung der vielverschlungenen Wechselbeziehungen zwischen dem göttlichen Urternar und dem gegenbildlichen Schöpfungsternar erschließt sich das speculative Verständniß der meta= physischen Bestimmtheit und der gottgedachten Harmonien des Schöpfungsalls und der Menschenwelt, in welcher die in die zwei großen Hälften der Geisterwelt und der sichtbaren Naturwelt ges schiedene Schöpfungswelt zur synthetischen Einheit abgeschlossen ist. ?

Dieser kurze Überblick der Günther'schen Lehre zeigt, daß der Urheber derselben die natürlichen Vernunfterkenntnisse des Menschen mit dem was der Christ durch die Offenbarung weiß, in ein lebendiges Ganzes zu verschmelzen bestrebt ist, wonach sich seine Lehre specifisch unter den Seiten einer christlichen Philosophie und einer speculativen Theologie darstellt als christliche Philosophie, soweit fie alles vernünftig Erkennbare im Lichte der christlichen Wahrheit erkannt wissen will, als theologische Speculation, soweit sie umgefehrt die geoffenbarten und kirchlich definirten Lehren in die Helle eines christlich erleuchteten Vernunfterkennens rücken will. Nach diesen beiden Seiten unterliegt sie demnach auch der Kritik, nach. der ersteren Seite der philosophischen Kritik, nach der anderen Seite der theologischen. Diese leßtere hat nun darauf hingewiesen, daß die Günther'sche Fassung des anthropologischen Dualismus, so wie seine Erklärung des trinitarischen Processes in Gott und seine Anschauung von der gottmenschlichen Persönlichkeit Christi mit den: declarirten Dogmen der Kirche nicht congruent sei. Die philoso phische Kritik hat zu betonen, daß die nächste Quelle dieser Incon= gruenz im Günther'schen Substanzbegriffe zu suchen sei. Denn auf diesen wird man wol zunächst die sachliche Abscheidung des mensch

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lichen Geistes als selbstiger Substanz vom Lebensprincipe der sinnlichen Leiblichkeit, so wie Günther's Lehre von einer Triplicirung der göttlichen Substanz zurückzuführen haben, obschon man dafürhalten möchte, daß er, indem er einen vom herkömmlichen und auch in der kirchlichen Declarirung des Trinitätsdogma festgehaltenen Substanzbegriffe verschiedenen Substanzbegriff aufstellte, nicht direct und formell gegen die kirchliche Lehrformel verstieß. Denn daß Gott seiner Wesenheit nach Einer sei, wußte und glaubte doch gewiß auch Günther; es handelt sich also darum, in welchem Verhältniß bei Günther die Begriffe von Wesenheit (essentia) und Substanz zu einander stehen, und da tritt denn allerdings das un-. zulässige Bestreben hervor, das Esse der Substanz in die Denkstrebung zu sehen oder mit dieser zu identificiren. Im Streben nach einem möglichst geistigen, lebendigen und concreten Substanzbegriffe übersah es Günther, auch nach möglichster Abgezogenheit desselben zu trachten; und so war es kaum zu vermeiden, daß ihm die Dreipersönlichkeit Gottes unwillkürlich und unbewußt in eine Ternirung der Einen göttlichen Effenz umschlug. Bei der im Wesen des Menschen angenommenen Zweiheit der Substanzen wurde übersehen, daß dasjenige, quod substat corpori animato, die anima oder denkfähige Seele sei, und demnach zum mindesten nicht in absolutem Sinne von einer Substanzzweiheit im Menschen gesprochen werden könne, also auch nicht von einer Substanzdreiheit im Gottmenschen. Die allgemeinen kosmologischen Anschauungen Günther's anbelangend, die sich auch in seiner Anthropologie und Christologie reflectiren, tritt zu wenig entschieden hervor, wie das der niederen Sphäre angehörige Sein durch jenes der je höheren ge-. halten, und so zuhöchst die Gesammtheit des in absteigender Ord= nung gegliederten, im Menschen aber wieder von Unten aufwärts. steigenden und in Gott zurückgehenden kosmischen Seins durch Gott gehalten und getragen sei; die Allgegenwart Gottes im Sein und Wirken der Creaturen, die uns aus den Systemen der großen älteren Theologen so großartig entgegentritt, ist bei Günther, wenigstens nach dem Geiste seines Systems und seiner Lehre im Allgemeinen zu urtheilen, völlig in den Hintergrund gedrängt, und wie es scheint, aus lauter Scheu vor Pantheismen aller Art fast absichtlich übergangen. Was nun hiedurch einer kosmischen Universalansicht der Dinge an poetischem Dufte, und an ahnungsvollen Regungen,

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an welchen Schlegel's Philosophie des Lebens so reich ist, verloren geht, sucht Günther durch die kräftige Energie eines rein geistigen Denkens zu erseßen, die uns das sinnlich Geschehene und das Ge glaubte in den hellen Tag unseres inneren selbstbewußten Lebens erheben soll. Gewiß ein hohes und würdiges Streben, wenn im Enthusiasmus für das geistige Wissen nicht der specifische Charakter des menschlichen Erkennens beeinträchtiget wird, wovon später; jedenfalls kann hier zuvörderst nicht unerwähnt bleiben, daß gerade in jenem Zurückhalten und Dämpfen der geistigen Lichter und in jener ahnungsvollen Versenkung in die Tiefen des gläubigen Bewußtseins, wie wir sie bei Schlegel wahrnehmen, die Objecte der höheren gläubigen Intuition weit voller und plastischer heraus.* treten, als in dem Intellectualismus der Günther'schen Vernunftintuition oder Idee, wie er sie nennt. Damit hätten wir denn das Günther'sche System nach seiner Physiognomie im Allgemeinen von Seite der Gebrechen, die ihm anhaften, gezeichnet; daß damit den unläugbaren Verdiensten des hochbegabten Mannes und seiner achtbaren Freunde und Anhänger von ehedem 1)` nicht_nahe, getreten werden solle, wird kaum einer Versicherung bedürfen; auch kann nicht von einer einfachen Abthuung seines Lebenswertes in Pausch und Bogen die Rede sein, sondern er hat, wie jeder Mann, der Bedeutendes leistete, darauf Anspruch, daß die semina cognitionis, die in seinem Systeme enthalten liegen, als solche erkannt und gewürdiget, und für die Zwecke der christlichen Erkenntniß fruchtbar gemacht werden. Was einem Cartesius und Malebranche, einem Bonald, einem Baader u. s. w. im Namen der geschichtlichen

1) Neben achtbaren Freunden und Vertretern der Günther'schen Sache hat es seiner Zeit auch nicht an dilettantischen Anhängern derselben gefehlt, die ihr Möglichstes thaten, die durch Günther's gereizte Herbheit schon vielfach erregte Mißstimmung zu steigern. Dieses unbescheidene Verhalten soll hier eben so wenig in Schuß genommen werden, als die Erclusivität der Schule und der Mangel an theologischer Erudition und Achtung vor theologischer Erudition, den einzelne Anhänger der Schule nur allzusehr durchblicken ließen; nur ist zu wünschen, daß von entgegengesetter Seite her die Debatte jest als geschlossen erachtet, und die Polemik gegen wirklichen oder vermeintlichen Güntherianismus als müßiger Zeitvertreib fortgesezt werbe. In die Stelle der Polemik ist nunmehr die historische Kritik eingetreten, deren Functionen wesentlich anderer Natur find.

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