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Glauben an eine zukünftige Vergeltung als Überlieferung und Erbe aus ältester Zeit; für den Nachweis des thatsächlichen Vorhandenseins dieser Lehre in den Religionsbüchern der Juden beruft er sich auf Calmet's biblisches Lexikon, aus welchem er den Artikel „Seele" in wortgetreuer Anführung mittheilt. Indem Leland den Glauben der Hebräer als einen integrirenden Bestandtheil ihres Lehrsystems ansieht, tritt er auch der gegentheiligen Ansicht Warburton's entgegen, der die hebräische Religion allerdings als eine geoffenbarte Religion, und den Moses als einen gottgesendeten Mann anerkannte, aber das Eigenthümliche der hebräischen Religion und des he= bräischen Gottesstaates darin suchte, daß leßterer ausschließlich auf eine zeitliche göttliche Sanction seiner Einrichtungen und Sagungen. gegründet war. Eben aus der Ausschließlichkeit dieser Art von Sanction glaubte Warburton das unmittelbare Eingreifen Gottes in die Geschichte des hebräischen Volkes und das Wunderbare in derselben erklären und rechtfertigen zu können; alle anderen Geseßgeber sahen sich zur religiösen Sanctionirung ihrer moralisch- bürgerlichen Gesetzgebung zum Recurse auf die Lehre von einer jenseitigen Vergeltung genöthiget, das Volk Israel hatte in seiner wun. dervollen Führung durch Gott die unmittelbare zeitliche Testification und Sanction der unverbrüchlichen Heiligkeit der Einrichtungen und Sagungen seines theokratischen Gemeinwesens. Diese Bräuche und Einrichtungen leitete übrigens Warburton nicht durchwegs aus göttlicher Offenbarung, sondern zum nicht geringen Theile aus ägyptischem Einflusse her, und glaubte, daß der in der Geheimnißlehre der ägyptischen Priester unterrichtete Moses, während er einerseits dem Aberglauben seines Volkes entgegenwirken wollte, nach der anderen Seite den Vorurtheilen desselben sich anbequemte. In dieser Anschauungsweise hatte Warburton einen Vorgänger an J. Spencer 1), dessen Ansichten er auch gegen die dawider eröffnete Polemik des holländischen Theologen Hermann Witsius ausdrücklich in Schuß nahm.

§. 832.

Warburton's Ansicht über die mosaische Gesseßgebung ist eine Übertragung der Anschauungen, welche die nach Locke'schen Grund

1) De legibus Hebraeorum ritualibus earumque rationibus. Cambridge, 1685.

säßen gebildeten Vertheidiger des christlichen Offenbarungsglaubens über die neutestamentliche Gottesoffenbarung hegten, auf das Gebiet der alttestamentlichen Heilsökonomie und Offenbarungsgeschichte. Warburton steht vermittelnd zwischen der supranaturalistischen und rein naturalistischen Auffassung der alttestamentlichen Offenbarung; er hält das Wunderbare in der Geschichte des hebräischen Volkes fest, sucht aber für die religiös - bürgerlichen Einrichtungen des he= bräischen Gemeinwesens nach rein menschlichen Erklärungsgründen, welche den göttlichen Ursprung derselben in Frage stellen. Er bes wies wol die göttliche Sendung Mofis, aber nicht den göttlichen Ursprung dessen, was den Inhalt der alttestamentlichen Heilsökonomie ausmacht. Toland erklärte Geschichte und Gesetzgebung der Hebräer naturalistisch; er sah in Moses nur einen Wiederhersteller des im Dekalog formulirten reinen Naturgefeßes, die übrigen Institutionen des Mosaismus hielt er für Sagungen späteren Ursprunges, die man fälschlich auf Moses zurückleitete. Wo möglich noch ungünstiger, als Toland, faßte Morgan Lehre und Geschichte des Alten Testamentes auf. Voltaire hielt den Moses für eine mythische Persönlichkeit, und sah im Pentateuch eine Sammlung von arabischen Mährchen, welche einige Jahrhunderte nach dem Zeitalter des angeblichen Verfassers von unwissenden Leviten zusammengetragen worden wären. Der Verfasser des Horus hält die historische Erzählung der Genesis für eine historische Verkleidung eines physicalisch - astronomischen Systemes, dessen Lehren Moses sich in Ägypten aneignete, wo er in der geheimen Priesterweisheit , unterrichtet, vielleicht auch in die Mysterien der Isis eingeweiht worden war und auf diesen Wegen die in der Tradition der Priesterschulen fortgepflanzte älteste Naturreligion des menschlichen Geschlechtes kennen lernte. Wir sind hier beim extremsten Gegensaße zu der von Huetius vertretenen Anschauung angelangt; während dieser die gesammte Religion und Mythologie des Alterthums aus der Geschichte Mofis und der alttestamentlichen Gottesoffenbarung erklärte, wird von den Naturalisten der Aufklärungsepoche die Geschichte und Offenbarung des Alten Testamentes, soweit sie nicht für willkürliche Erfindung oder abergläubisches Mährchen gilt, aus dem heidnischen Naturalismus erklärt. Diesen Angriffen ge= genüber trat Guerin du Rocher noch einmal mit einer gläubigmysteriosophischen Beleuchtung der Geschichte des Alterthums her

vor '), die bei den französischen Freigeistern und Materialisten selbstverständlich auf den lebhaftesten Widerspruch stieß 2); Bergier 3) vertheidigte die geschichtliche Wahrheit der neutestamentlichen Offen. barungsgeschichte und die Göttlichkeit der alttestamentlichen Offenbarungsreligion gegen die vielerlei Anfechtungen derselben von Seite der Deisten und Freigeister. Im Anschlusse an Bergier, Bullet u. s. w. sowie an die deutsch - protestantischen Leistungen von Leß, Eichhorn, Michaelis, Jerusalem, vertheidiget Beda Mayr 4) die geschichtliche Wahrheit und Wirklichkeit der alttestamentlichen Gottesoffenbarung in einer Reihe von Abhandlungen, in welchen neben den Ansichten und Einwendungen der Encyclopädisten, und sonstigen französischen und englischen Freidenker auch die in Deutschland selber laut gewordenen Angriffe auf die alttestamentliche Offenbarungsreligion und Offenbarungsgeschichte, namentlich von Seite des ungenannten Verfassers der „philosophischen und kritischen Untersuchungen über das Alte Testament" berücksichtiget werden. Dem Horus widmete Storchenau eine umständliche und breit gehaltene Besprechung im 9. und 10. Bande seiner Religionsphilosophie, die in ihrer Darstellungsweise mehrfach an die damals beliebte wieland'sche Manier und Form philosophischer Raisonnements und Dialogen erinnert.

§. 833.

Neben der Erhabenheit, Reinheit und Heiligkeit der geoffenbarten Lehre wurden auch die Wirkungen derselben im Leben der befehrten Völker, die Exemplarität des Lebens und Wandels der ersten Christen, die heldenmüthige Standhaftigkeit der Bekenner Christi, die bereitwillige Aufnahme und wunderbar rasche Verbreitung der christlichen Religion trog aller Hindernisse und Verfol

1) Vgl. Oben S. 120, Anm. 7.

2) Vgl. Lettre à Mr. la Harpe, Folliculaire des Philosophistes, en réponse à la critique contre l'ouvrage de Mr. l'Abbé Guerin du Rocher inserée sous le nom de Mr. le Voltaire dans 15me No du Journal politique et de Littérature, du 25 Mai 1777 à Amsterdam.

3) Traité hist. et dogm. Tom. V et VI.

*) Vertheidigung u. f. w. Bd. II, 1, G. 473-808.

gungen, troß des vereinigten Widerstandes aller Mächte dieser Welt als Beweismomente für die innere Wahrheit der christlichen Lehre sowol, wie für das sichtliche Walten eines höheren Schußes und einer höheren Macht, die in und durch den Glauben wirkte, also mit einem Worte für die Göttlichkeit des Christenthums geltend gemacht. Es war dieß eine Übertragung der objectiven und subjectiven Momente für die Göttlichkeit des Christenthums vom Gebiete der Lehre auf jenes der Geschichte des Christenthums, in welcher sich die göttliche Kraft und Wahrheit der Lehre zu erproben hatte. Sofern diese Beweisart nicht unmittelbar von Wesen und Charakter der Lehre selber hergenommen war, wurden die darunter fallenden besonderen Momente in der Form von Hilfs- und Nebenbeweisen geltend gemacht, durch welche das Gewicht der Hauptbeweise verstärkt, und die Beweisführung selber vollständig gemacht werden sollte. Natürlich waren auch diese sogenannten Nebenbe weise mancherlei Anstreitungen ausgeseßt. Das Argument von der wunderbar schnellen Verbreitung des Christenthums- wurde durch die Behauptung contrebalancirt, daß die Zahl der Christen in den Jahrhunderten der Verfolgung stets eine ziemlich geringe geblieben sei; die Glorie des Martyrthums, in welcher die Kirche der ersten drei Jahrhunderte in der Erinnerung der späteren Geschlechter strahlte, schien zu verbleichen, wenn man nachweisen konnte, daß die Zahl der Martyrer weit unter der gewöhnlichen Annahme stehe. Der Glaube an ein sichtliches Walten eines höheren göttlichen Geistes im Denken und Leben der altchristlichen Zeit schien auf einem sehr bedenklichen Fundamente zu stehen, wenn es gelang zu zeigen, daß die hervorragenderen Personen und Charaktere, deren Andenken durch die Geschichtskunde späterer Zeiten erhalten worden, über mancherlei Vorurtheile, Schwächen, Leidenschaften, welchen unterthan zu sein, zum allgemeinen Loose der Menschlichkeit gehört, nicht erhaben gewesen seien. Ja es schien in Frage zu stehen, ob die menschheitliche Cultur und Gesittung durch das positive Christenthum wirklich und wesentlich gefördert worden sei; und wenn auch, so wäre, meinte man, der durch das Christenthum bewirkte Fortschritt nur eine Annäherung zu einem höheren Entwickelungsziele, welches über dem confessionellen und positiven Christenthum weit hinausliege. Hier hatte nun eigentlich die Apologetik der Kirche einzutreten, um neben Hervorhebung dessen, was die Kirche in socialer Beziehung

wirklich geleistet, weiter auch noch bemerklich zu machen, was in der Kirche als der in das menschliche Gattungs- und Geschichtsleben projicirten Selbstdarstellung des Gottmenschen Christus der Idee nach enthalten und aufgehoben sei, und welche nie veraltende und stetig sich erneuernde Aufgabe und Sendung der Kirche im zeitlichen Menschheitsleben für alle Zeit zugewiesen sei. Zu einer Apologetik der Kirche in diesem Sinne ist es im Jahrhundert der Aufklärung nicht gekommen; jenes Zeitalter war nicht darnach angethan, durch seine geistigen Einflüsse und Anregungen eine tiefere Idee des positiven Kirchenthums zu erwecken, und die mit der Zeit geistig Mitlebenden zu einer idealen Verherrlichung der socialen Sendung der Kirche zu begeistern. Der Gedanke hieran konnte erst als Folge und Frucht einer tieferen Versenkung in das christliche und nationale Leben des europäischen Abendlandes im gleichzeitigen Zusammentreffen mit einer idealen Wiederbelebung des in abstracter Verständigkeit und empiristischem Realismus verflachten Denkens der Aufklärungsperiode zur allmähligen Reife gedeihen. Unter den christlich - kirchlichen Apologeten aus dem philosophischen Jahrhundert gehört Bergier zu jenen, welche die dem neuzeitlichen Apolo= geten in der bezeichneten Beziehung obliegende Aufgabe wenigstens ahnten und auch theilweise zu lösen versuchten, während die meisten übrigen katholischen Apologeten sich darauf beschränkten, den locus de ecclesia in jener Gestalt und Haltung, zu welcher er im Streite gegen die Protestanten entwickelt worden war, wiederzugeben, also über den theologischen Begriff der Lehrkirche nirgends hinauskamen. Sehen wir nun zu, was die katholischen Apologeten und kirchlichen Historiker zur Vertheidigung der oben angeführten secundären Beweismomente wider die gegnerischen Anstreitungen beibrachten.

Die Thatsächlichkeit einer wunderbar raschen und schnellen Ausbreitung des Christenthums war schon im 17ten Jahrhundert von mehreren protestantischen Gelehrten beanstandet worden, und auch katholische Forscher: Thomassin, Tillemont u. A. ließen sich zu dem Zugeständniß herbei, daß die Zahl der Bekenner der christlichen Religion in den ersten Jahrhunderten nicht so hoch gestiegen sei, als gemeinhin angenommen werde. Mamacchi vertrat ge= gen Vitringa, Burnet und Moyle, der Dominicaner C. J. Ansaldi 1)

1) Multitudo maxima eorum, qui prioribus ecclesiae saeculis christianam Werner, apol. u. pol. Lit., V. 12

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