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Religion gegenüber der Religionslosigkeit und den falschen Religionen zu erweisen; beide Verfasser segen voraus, daß die wahre Religion existiren müsse, beide suchen sie in einem traditionellen Glauben der Völker, und beide wollen zeigen, daß die christlichen Völker im Besize der wahren und ächten, von Gott und göttlicher Caufalität abzuleitenden religiösen Lehrüberlieferung seien. Das Verhältniß zwischen Vernunft und Offenbarung, Religion und Philosophie kommt hiebei gar nicht zur Sprache; daß der religiöse Glaube auf Offenbarung beruhen müsse, wird von Grotius stillschweigend angenommen, von Huetius als selbstverständlich und nothwendig vorausgeseßt. Während jedoch Grotius das Christenthum nach seinem gesammten Lehrinhalte und im Verhältniß zum Lehrinhalte aller übrigen Religionen in's Auge faßt, und alle Beglaubigungsgründe, welche der Lehrgehalt der christlichen Religion an sich und gegenüber allen sonstigen Religionen für sich anzuführen hat, in Erwägung zieht, beschränkt sich Huet auf den Begriff der christlichen Religion als des Bekenntnisses des Namens Christi, und sucht die Wahrheit dieses Bekenntnisses auf Grund der in der heiligen Schrift über Christus enthaltenen Aussagen zu erweisen. Zu dem Ende muß aber zuerst nachgewiesen werden, daß der gläubige Christ sich mit gutem Grunde auf jene Schriften stüßt, welche unter den Christen den Namen heilige Schriften führen. Demgemäß ist seine ganze Beweisführung für die christliche Wahrheit in ihren eigentlichen Fundamenten auf die Nachweisung der yvnoióτns und geschichtlichen Glaubwürdigkeit der Bücher des Neuen und Alten Testamentes gestüßt, die denn sofort im Einzelnen durch= genommen und mit Rücksicht auf die angegebenen beiden Erfordernisse geprüft werden. Huetius stellt sich in seiner Beweisführung für die christliche Wahrheit in strengster Ausschließlichkeit auf den geschichtlichen Boden, und läßt die historische Begründung des christlichen Offenbarungsglaubens als die einzige gelten, welche der menschlichen Vernunft möglich sei, in ihrer Durchführung aber sich als eine absolut zureichende erweise und das handgreifliche Zeugniß der Überflüssigkeit und Unthunlichkeit einer anderen, sogenannten ideellen Begründung des christlichen Offenbarungsglaubens in sich trage. Wenn die gesammte Theologie des vorchristlichen Heidenthums, wie Huetius mit einem großen Aufwande von Gelehrsamkeit darzuthun bemüht ist, ein Ausfluß der mosaischen Theologie,

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und demzufolge die gesammte natürliche Gotteserkenntniß der vorchristlichen Welt ein Ausfluß oder Nachhall göttlicher Offenbarungen ist, so steht ja die gesammte religiöse Lebensentwickelung der Menschheit auf dem Boden der Offenbarung und Tradition, und der menschlichen Wissenschaft und Forschung bleibt keine andere Aufgabe überlassen, als jene, diesen lebendigen Grund aller religiösen Wahrheit und Erkenntniß aufzudecken und sichtbar zu machen. Huetius ist nach dieser Seite gewürdiget ein Vorläufer des späteren französischen Traditionalismus, oder jener Schule, welche seine Anschauungen auf dem Gebiete der Religionsphilosophie durchbils dete, und in der Geschichte der neueren französischen Philosophie unter dem Namen der theologischen Schule bekannt ist. Nach umständlich durchgeführter Feststellung der Ächtheit, Glaubwürdigkeit und Kanonicität der alttestamentlichen Bücher, welche, wie aus dem Gesagten von selbst einleuchtet, den Gesammtgehalt der wahren und ächten vorchriftlichen Religionserkenntniß enthalten, geht Huetius auf den prophetisch messianischen Inhalt derselben über, dessen Beleuchtung und umständliche Darlegung den zweiten Haupttheil der Demonstratio evangelica ausmacht, die von Samuel Pufendorf treffend als eine demonstratio veritatis religionis christianae adversus Atheos et Judaeos charakterisirt wird. Das Ergebniß des zweiten Haupttheiles ist, daß das Alte Testament dreierlei Arten von Weissagungen auf Chriftus enthält; die Vaticinien der ersten Classe beziehen sich ausschließlich auf Christus, jene der zweiten Claffe begieben fic κατὰ λέξιν auf Chriftus, κατὰ σχῆμα aber auf Anderes, jene der dritten Classe xaτà oxñμα auf Christus und xarà λeşiv auf Anderes. Die vollkommene Erfüllung aller dieser Baticinien und Arten von Vaticinien an Christus liefert den vollgiltigen Erweis für die Wahrheit des Glaubens an Christus als wirklich erschienenen Messias, das Erscheinen desselben aber ist seinerfeits selbst wieder eine leßte und höchste Bestätigung der Wahrheit und Göttlichkeit der alttestamentlichen Vaticinien, und der Theopneustie der alttestamentlichen Bücher im Allgemeinen, welche mit den neutestamentlichen zusammen ein unzerreißbares Ganzes bilden, und in ihrem tieferen, geistigen Sinne die Summe aller geoffenbarten, zu feiner Zeit und von keinem Menschenverstande zu erschöpfenden Gottesweisheit in sich fassen.

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§. 824.

Indem Huetius die ausschließliche Beziehung gewisser alttestamentlicher Weissagungen auf Christus festhält, stellt er sich in entschiedenen Gegensaß zu Grotius, welcher als allgemeinen Grundsaß aufstellt, daß die im Alten Testamente enthaltenen messianischen Weissagungen nach ihrem nächsten und unmittelbaren d. i. historischen Sinne auf die Zeitgeschichte der Propheten, und nur erst se= cundär und mittelbar auf Christus sich bezögen, und nicht als eigentliche Beweise für die Wahrheit des Glaubens an Christus, sondern einzig als Bestätigungen der schon geglaubten und anderswoher gewissen Wahrheit zu dienen geeignet wären. Dieser legtere Grundfah bemerkt Huetius streift schon ganz und gar an die Anschauungen der Socinianer an, und hat die einstimmige Lehre des kirchlichen Alterthums wider sich; nach Augustinus besteht die fides simplex, die dem tieferen, gnadenerfüllten Eindringen in die überschwengliche Wissenschaft der Liebe Christi naturgemäß vorhergeht, darin, zu glauben, daß Christus, der als menschgewordener Sohn Gottes für uns litt und starb, der durch den Mund der Propheten verheißene Messias sei; Eusebius von Cäsarea legte seine Demonstratio evangelica vornehmlich auf den Nachweis dieser Wahrheit an; Cyprian widmet seine aus den alttestamentlichen Prophetien gezogenen testimonia adversus Judaeos dem Quirinus : ad prima fidei lineamenta formanda; Origenes nennt in seiner Schrift gegen Celsus den Beweis für die christliche Wahrheit aus den alttestamentlichen Prophetien den Hauptbeweis, den ersten und vornehmsten Beweis u. f. w.

Diese von Huet so nachdrücklich vertretene Art der Begründung der christlichen Glaubensgewißheit wurde auch von den übrigen Theologen seines Zeitalters getheilt. Baltus schrieb eine Beweisführung für die Wahrheit des christlichen Glaubens aus den alttestamentlichen Weissagungen 1), und eröffnete eine Polemik gegen Grotius und Richard Simon, welche durch ihre vom altkirchlichen

') La religion chrétienne, prouvée par l'accomplissement des Prophéties de l'Ancien et du Nouveau Testament, suivant la methode des SS. Pères. Paris, 1728; 1 Vol. 4o.

Geiste abweichende historisch -philologische Exegese des Alten Testamentes das Gewicht dieses Beweises abschwächten 1); mit welchem strengen Tadel Bossuet Simon's Verhalten in diesem Puncte belegte, haben wir an einem früheren Orte gesehen 2). Louis Bastide, Prediger an Ludwig's XIV Hofe, schrieb ein Werk über die Wahrheit d. i. wirkliche Erfüllung der biblischen Weissagungen 3), und formte daraus einen Beweis für die Wahrheit der christlichen Religion gegen die Deisten; der zweite Theil seiner Schrift war gegen Jurieu gerichtet, und sollte zeigen, daß auch jene Weissagungen, welche legterer als noch unerfüllte bezeichnete, bereits in Erfüllung gegangen seien. Pascal blickt mit staunender Bewunderung auf die großartige Bezeugung des christlichen Glaubens durch die alttestamentliche Prophetie *), und nennt sie den größten aller Beweise für Christus; die Erfüllung derselben sei ein durch alle Jahrhunderte vom Beginne der Kirche bis an's Ende der irdischen Zeiten andauerndes Wunder. Durch 16 Jahrhunderte habe Gott Propheten erweckt, und in den darauf folgenden 4 Jahrhunderten die Weissagungen derselben durch die in alle Welt sich zerstreuenden Juden unter allen Völkern verbreitet, um so die Welt auf die Ankunft Christi vorzubereiten. Hätte nur ein einziger Mann in grauer Vorzeit auf Christum mit jener Bestimmtheit und Deutlichkeit, wie sie in den alttestamentlichen Prophetenbüchern zu finden ist, geweissagt, so wäre dieß ein unwiderlegliches Zeugniß für Christus; nun ist aber das Kommen Christi durch 4 Jahrtausende hindurch in ununterbrochener Folge vorausgekündet worden, ein ganzes Volk wurde zum Verkünder seines Kommens, und dieses Volk besteht nun selber schon 4 Jahrtausende, und ist durch sein Bestehen und seine Schicksale ein immerwährendes Zeugniß für die Erfüllung seiner Weisfagungen.

Wenn Pascal das Gewicht des aus der alttestamentlichen Prophetie zu schöpfenden Zeugnisses für die christliche Wahrheit nach seiner ganzen und vollen Bedeutsamkeit zur Geltung zu bringen bemüht ist, so unterläßt er andererseits auch nicht, die eigenartige

1) Défense des Prophéties de la religion chrétienne. Paris, 1737; 3 Voll. 12o. 2) Vgl. Bb. IV, S. 717 ff. 720.

3) De l'accomplissement des prophéties. Paris, 1706.

4) Pensées sur la religion, art. XV.

Beschaffenheit dieses Zeugnisses zu betonen 1), und redet von einem doppelten Sinne der alttestamentlichen Prophetie, dem Verbalsinne und dem figürlichen, wobei er freilich wenig an einzelne Prophe= tensprüche, als vielmehr an den allgemeinen Charakter der alttesta= mentlichen Heilsökonomie dachte, an welcher er nebst der Bedeu tung, welche sie zunächst für die Hebräer hatte, auch die darüber hinausreichende typische Beziehung auf Christus in's Auge gefaßt wissen wollte, die mit dem gesammten alttestamentlichen Religionswesen auf's Engste verwachsen ist, und von welcher sich gar nicht absehen läßt, ohne in eine fleischliche und ungeistige Auffassung der alttestamentlichen Gottesoffenbarung zu verfallen. Sofern nun diese entferntere und höhere Beziehung auf Christus auch in gewissen Aussprüchen der Propheten enthalten ist, die ausschließlich nach ihrem Wortfinne genommen von einer ewigen Dauer des Gesezes d. i. der alttestamentlichen Heilsordnung verstanden werden könnten, spricht Pascal von denselben wie von einer doppelsinnigen Chiffre, die neben dem, was sie für den ordinären Verstand kenntlich ausdrückt, einen tieferen, verborgenen, nicht auf der Oberfläche daliegenden Sinn in sich schließt. Dieß wird von Voltaire 2) so aufgefaßt, als ob Pascal seinen Lesern zumuthe, die Aussprüche der Propheten als geflissentliche Zweideutigkeiten zu nehmen, nach Art jener zweideutigen Orakelsprüche, über deren trügerische Zweideutigkeit sich eben die frommen Apologeten des christlichen Offenbarungsglaubens so tief zu entrüsten lieben; Voltaire meint, man sollte sich schämen, auf solche Art und durch solche Mittel noch dem heutigen Geschlechte einen veralteten Aberglauben einreden zu wollen!

Die Unterscheidung zwischen einem literalen und mystischen Sinne der Schrift ist im Wesen der christlichen Gläubigkeit begründet und ergibt sich als natürliche Consequenz aus der Vorausseßung, daß die Schrift Gottes Wort sei und demzufolge auch da, wo sie gemeinverständlich rede, einen unerschöpflich tiefen Sinn in sich schließe. In dieser Überzeugung begegneten sich die Katholiken mit den gläubigen Protestanten, welche leßtere nicht minder, ja theils weise noch entschiedener und schroffer, der durch die Arminianer und Socinianer in Gang gebrachten Behandlung der Schrift den

1) Pensées, art. XIII,

2) Lettres sur les pensées de Mr. Pascal, n. 15.

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