Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Ehe, sondern die rohe Begierlichkeit in der Ehe. Das neutestamentliche Verbot betrifft nicht die Ehe des A. T. als solche, sondern die Polygamie, die in älterer Zeit aus anderen Gründen, nämlich zur rascheren Mehrung der Menschen, erlaubt war; daher auch aus der Gestattung der Polygamie nicht geschlossen werden kann, daß der Urheber des alttestamentlichen Gesezes von jenem des neutestamentlichen verschieden sei. Die Aufforderung des Heilandes, statt vergänglicher, dem Fraße des Rostes und der Motten preisgegebener Schäße um himmlische, unvergängliche Schäße zu werben, fann doch gewiß nur höchst gezwungen auf ein Verbot der Ehe gedeutet werden. Julius Cassianus (ein Schüler Valentin's) will aus 1 Kor. 11, 3 folgern, daß die Region des menschlichen Geschlechts und Gattungslebens eine niedere Region sei, in welche die Seele erst zufolge der Sünde herabgesunken sei. Nun ist aber doch klar," daß die Ehe zur Ordnung des Lebens gehöre und eine ursprüngliche Institution sei; und ebenso klar ist, daß der Apostel, von den objectiven Institutionen des Lebens absehend, unter der corruptio sensuum a simplicitate eben nur die subjective Verderbtheit der von böser Begierlichkeit beherrschten Menschen meine. Allerdings sagt der Apostel, daß unsere Wohnung im Himmel sei; dieß will aber nur so viel besagen, daß unser Hoffen und Begehren unserem legten Ziele zugewendet sein müsse, indem wir auf Erden keine bleibende Stätte haben. Wenn Jeremias den Tag verflucht, an welchem er geboren worden, so verdammt er damit nicht die Ehe seiner Eltern, sondern die Sünden seines Volkes, die er mit ansehen mußte.

operibus ejus .

4. Cain maledictionem portavit, quoniam praeter necem fratris a se peccatum tulit non reveritus Deus, neque confusus in fratricidio. Circa Adam autem nil tale factum est, sed omnia in contrarium. 5. Deus ejecit Adamum e paradiso, non invidens ei lignum vitae, sed miserans ejus, ut non perseveret peccator ... Prohibuit ejus transgressionem, interponens mortem ... ut cessans aliquando homo vivere peccato et moriens ei viveret Deo. 6. Inimicitiam posuit Deus inter serpentem et mulierem ejus.... quoadusque venit semen praedestinatum calcare caput ejus, quod fuit partus Mariae ... Victus autem erat Adam ablata ab eo vita, propter hoc victo rursus inimico recepit vitam Adam. Qui contradicunt saluti Adae .... semetipsos faciunt haereticos et apostatas veritatis, et advocatos se serpentis et mortis ostendunt.

§. 151.

Man könnte fragen, wie die Gnostiker daran denken mochten, ihre mit Schrift und kirchlicher Tradition augenfällig und nach allen Seiten hin collidirenden Lehren für schriftgemäß und christlich ausgeben zu wollen. Die Gnostiker wußten sich über Schwierigkeiten solcher Art hinwegzusezen; sie fanden in ihren Systemen den Schlüssel zur Lösung derselben. Zufolge ihrer dualistischen Trennung zwischen dem Gotte des A. T. und jenem des N. T. hatten die Schriften des A. T. für sie fein bindendes Ansehen; die neutestamentlichen Schriften kannten und gebrauchten sie nur unvollständig und in entstellten, willkürlich geänderten Abschriften neben vielen völlig apokryphen, und den Aposteln unterschobenen Schriften. Außerdem bedienten sie sich in Erklärung des Textes der weitestgehenden Freiheiten; das willkommene Mittel einer allegorisirenden Gregese sezte sie in den Stand, ihre Lieblingssäge in die Schrift hineinzulesen. Dem Widerspruche der rechtgläubigen Lehrer seßten fie die Berufung auf eine apostolische Geheimüberlieferung entgegen; und leztlich behaupteten sie, die eigentlich und allein Wissenden zu sein, und ließen das kirchliche Bekenntniß nur als Glauben der blinden, unerleuchteten Menge, als Surrogat der Gnosis der Auserwählten und Eingeweihten gelten.

Die christlichen Lehrer fäumten nicht, auch auf die hiedurch angeregten Fragen und Erörterungen einzugehen; sie betrachteten es sogar als eine ihrer Hauptaufgaben, die Quellen der vollständigen, ungetrübten und ungefälschten Erkenntniß der christlichen Wahrheit aufzudecken, und gegen jede Trübung und Entstellung oder will kürliche Fälschung und Reticenz von häretischer Seite nachdrücklichst zu wahren. In dieser Beziehung galt es nun vor Allem einmal, das kanonische Ansehen der Schriften des A. T. zu wahren. Marcion behauptete, die Propheten seien nicht vom höchsten Gotte, sondern bloß vom Demiurg inspirirt gewesen. Irenäus fragt 1), wie bei dieser Annahme sich die Erfüllung der alttestamentlichen Weissagungen im A. B. erklären lasse? Wie konnten sie von Christus und seinen Thaten und Erlebnissen im Voraus wissen, wenn der

1) Adv. haer. IV, 34 ff.; vgl. II, 35.

Demiurg selber darum nicht wußte? Die Valentinianer) lassen die Propheten theils vom Demiurg, theils von der Achamoth, theils durch den himmlischen Lichtsamen inspirirt werden. Dieß mußte eine sonderbare Mischung von Irrthum und Wahrheit, unvollkommenem und vollkommenem Erkennen geben, und man fragt billig, ob es dem höchsten Gotte nicht möglich war, den Propheten eine irrthumslose, von jeder trübenden Beimischung reine Erleuchtung zu verschaffen? Wenn Jesus, auf Erden wandelnd, sich Apostel wählte, welche ihn und seine Lehre ohne Beimischung jüdischer oder heid nischer Irrthümer zu verkünden hatten, um wie viel mehr hätte der pleromatische Christus sich eigene, das Kommen des Soter vorauskündende Propheten erwählen sollen, die mit jenen des Demiurg Nichts gemein haben durften; und diese Propheten des Soter hätten sodann auch die Apostel Christi nach seinem Erscheinen auf Erden sein müssen. Eine solche Erleuchtung durch den Soter wäre um so nöthiger gewesen, da man nicht begreift, wie der außerpleromatische Lichtsame der Achamoth geeignet sein konnte, zur Erkenntniß des pleromatischen Christus oder zur Voraussicht des Leidens Christi, welches damals noch nicht eingetreten war, zu verhelfen. Übrigens wird in der Schrift des N. T. durch Christus selber deutlich gesagt, daß derselbe göttliche Vater, der ihn gesendet hat, auch die Propheten gesendet habe. Dieß erhellt aus den Parabeln Matth. 21, 33 ff.; 22, 2 ff.; und läßt sich aus anderen Parabeln Luk. 15, Matth. 20, Matth. 21, sowie aus den Worten Christi bei Matth. 23, 37; 8, 11 ff. folgern.

Marcion 2) glaubt aus den paulinischen Briefen einen nicht zu beseitigenden Gegensatz zwischen den Lehren des A. T. und N. T. nachweisen zu können. Tertullian3) zeigt das Ungenügende dieser Behauptung, und zwar zunächst aus dem Galaterbriefe, welcher der Ansicht Marcion's am Meisten dienlich zu sein scheinen möchte. Da bereits im A. T. die Abrogation des Geseßesdienstes vorausgekündet wird, so spricht ja Paulus ganz im Sinne des alttestamentlichen Gottes, wenn er die bereits geschehene Abrogation so nachdrücklich

1) Vgl. O. c., I, 7.

2) In seinem Werke »Antitheses", welches die Hervorstellung der Gegensäße zwischen A. T. und N. T. zum Inhalte hatte.

3) Adv. Marcion., Lib. V.

betont. Wäre der neutestamentliche Gott ein anderer, als jener des A. T., so wäre die Cessation des alten Gesezes eine selbstverständliche Sache gewesen, die keines Beweises bedurft hätte. Paulus sagt nirgends, daß an die Stelle des Weltschöpfers ein neuer Gott getreten sei, sondern urgirt stets nur, daß an die Stelle des Gesezes der Glaube zu treten habe, weil das Gefeß zum Fluche, der Glaube zum Segen sei. Im A. T. sagt aber der Weltschöpfer, daß Beides, Fluch und Segen, von ihm ausgehe (5 Mos. 30, 19), und Paulus spricht vom Glauben Abraham's, auf welchen somit der vom Weltschöpfer ausgehende Segen ruhen wird. Paulus schärft Gal. 6, 2 das im A. T. gegebene Gebot der Nächstenliebe als Gebot Christi ein, und fügt drohend hinzu: Deus non irridetur. Diese Drohung paßt nicht im Munde des guten Gottes, welchen Marcion von dem strengen und gerechten Weltschöpfer unterschieden wissen will. Auf ähnliche Weise argumentirt Tertullian gegen Marcion aus den Briefen an die Korinther, Römer, Ephesier, Thessalonicenser, Philipper, Kolosser, und zeigt in mannigfaltiger Weise, wie an Christus eben nur Das, was der alttestamentliche Gott fügte und anordnete, in Erfüllung gieng, wie in Christi Thun und Lehre Gesez und Ordnung des A. T. sich erfüllte, und wie der gerechte Gott des A. T. auch in der Lehre des heiligen Paulus sehr wol erkennbar sei. Der Apostel Paulus selber ist im A. T. geweissagt; auf ihn deutet die prophetische Segnung des Patriarchen Jakob über Benjamin: Benjamin lupus rapax, ad matutinum comedet adhuc et ad vesperam dabit escam. Neben den paulinischen Briefen (mit Ausnahme der Pastoralbriefe und des Hebräerbriefes) bediente sich Marcion auch noch einer gewissen Evangelienschrift, welche von den Rechtgläubigen als ein verstümmeltes und entstelltes Lukasevangelium erkannt wurde. Jedoch selbst in dieser argen Verstümmelung - bemerkt Tertullian 1) — gibt das Lukasevangelium dem von Marcion bestrittenen Zusammenhange zwischen der Offenbarung des A. T. und N. T. Zeugniß. Kündiget doch Christus auch in Marcion's Evangelium an, er sei nur gekommen, die verlornen Schafe des Hauses Israel zu suchen - er wolle das Brot nicht den Kindern des Hauses nehmen, um es den Hunden vorzuwerfen. Damit wird doch deutlich gesagt sein, daß er sich als einen Gesandten im Hause des alttestamentlichen

1) Adv. Marcion., Lib. IV.

Gottes, des Gottes Abraham's und der Nachkommen Abraham's ansehe! Gleichwie das in Marcion's Evangelium erzählte Leben Christi eine nicht hinwegzuläugnende Bestätigung der alttestament, lichen Baticinien enthält, so ist auch die daselbst mitgetheilte Lehre Christi eine Bestätigung der in den Schriften des A. T. vorgetragenen religiösen und moralischen Lehren. Einzelne Aussprüche ers innern fast dem Wortlaute nach an entsprechende Textesstellen des A. T., vgl. Luk. 6, 20 mit Psalm 71, 13; Luf. 6, 21 mit Jesai. 53, 11; 63, 14 und Psalm 125, 5; Luk. 6, 22 mit Jesai. 51, 7. Die Wehrufe Christi über das ungläubige Israel entsprechen vollkommen der strengen Gerechtigkeit des alttestamentlichen Gottes, daher Marcion keine Ursache hat, Christum nicht für den Sohn des Weltschöpfers zu halten. Andererseits ist das von Christus vorgetragene Gebot der Feindesliebe auch im A. T. zu lesen, vgl. Jesai 66, 5 1); Zach. 7, 9. Gleicherweise verhält es sich mit dem Gebote des Allmosengebens, dem Verbote des Zinsennehmens. Da Christus den Sohn der Wittwe erweckte, priesen die Zeugen dieses Wunders nach Lukas' Erzählung den Gott ihrer Väter, der sein Volk in Gnaden heimgesucht. Augenscheinlich drückt der Evangelist mit dieser Angabe seine eigene Überzeugung aus. Christus sagt zu dem bereuenden Weibe: Dein Glaube hat dir geholfen; beim Propheten Habakuk heißt es: Justus ex fide sua vivet. Daß reiche Frauen Christo anhiengen, ist eine Erfüllung der Mahnung Jesai. 32: Mulieres divites exurgite etc. Christus sagt so oft: Wer Ohren hat zu hören, der höre; ohne Zweifel mit Beziehung auf Jesai. 6: Aure audietis et non audietis. Christus wird als Gebieter über Meer und Wind dargestellt, entsprechend den Worten bei Habakuk 3: Dispargens aquas itinere Nahum 1: Comminans mari et arefaciens illud... Das christliche Verbot der Ehescheidung ist auch in Marcion's Evangelium nur bedingt gefaßt; will es Marcion deßungeachtet in absolutem Sinne verstanden wissen, so tritt er mit sich selbst in Widerspruch, da er sich kein Bedenken macht, Eheleute ohne alle vorausgegangene Schuld des Ehebruches u. s. w. zu trennen, um sie für seinen Ascetismus zu gewinnen. In solcher Weise geht Tertullian das ganze Lukasevangelium durch, um dessen

[ocr errors]

1) Tertullian liest an dieser Stelle: Dicite: fratres nostri estis, eis qui oderunt vos.

« VorigeDoorgaan »