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bloße Untertauchung im Wasser ausreichen sollte, den Menschen von allen Sünden zu reinigen. Tertullian') findet in diesem aberwißigen Geisteseifer des häretischen Weibes einen Angriff auf die Macht Gottes und ein ungeschicktes Mißkennen der Einfachheit Gottes in der Wahl seiner Mittel. Allerdings ist das Wasser etwas bloß Materielles, und die Abwaschung mit Wasser eine höchst einfache Ceremonie; aber: Stulta mundi elegit Deus ut confundat sapientiam (1 Kor. 1). Indeß, man verkenne die schöne symbolische Bedeutung des Wassers nicht, und ehre die Dignität des Elementes, über welchem schon am Anfange der Geist Gottes schwebte. Das Wasser ist das Element des Lebens, alles Lebendige kommt aus dem Feuchten. Die belebende und reinigende Kraft des Wassers ist das natürliche Symbol der supranaturalen Wirkungen der Taufe, das Schweben des Geistes über den Wassern der Tiefe die Vorbildung des Schwebens des heiligen Geistes über dem Wasser der Wiedergeburt. Daß das Wasser fähig sei, Träger geistiger Wirfungen zu sein, bestätiget sich durch die Taufe, welche der Satan an die Seinigen spendet; auch er schwebt über dem Wasser, welches bei den Reinigungs- und Sühnungsriten der Heiden gebraucht wird, und wirkt verderbend auf dasselbe ein, so daß es Krankheiten in Körpern und Seelen der Getauften erzeugt. Der Engel, der zeitweilig zum Teiche Bethesda herabschwebte, ertheilte dem Wasser des Teiches die Kraft, körperliche Gebrechen zu heilen. Da die Zeit der Gnadenfülle heranrückte, ertheilte Gott dem Engel der Taufe die Macht, dem Wasser die Kraft der geistigen Reinigung und Heis lung zu ertheilen. Diese Wirkung des Taufwassers geht der Mittheilung der Gnadenfülle des heiligen Geistes (in der Firmung) voraus, gleichwie der Täufer dem Herrn vorangieng und die Wege desselben bereitete 2).

1) De baptismo.

2) Die Erklärung der kirchlichen Sacramente wird in diesem Geiste weitergeführt von Ambrosius De mysteriis. Nach Augustin's Angabe (Contra Julianum II, 8) hat Ambrosius auch ein Werk De Sacramentis abgefaßt. Die den neueren Ausgaben der Werke des Ambrosius beigeschlossenen Libri VI de Sacramentis rühren von einem Verfasser her, der bereits die Schriften des Ambrosius De mysteriis und De institutione virginis vor sich hatte.

§. 148.

Diese Rechtfertigung des christlichen Sacramentes leitet auf die kosmologische Frage über die Güte der gottgeschaffenen Materie hinüber. Die Güte der Materie wurde von den Gnostikern nicht anerkannt; mehrere derselben schritten bis zu der Behauptung vor, daß die Materie das Böse sei. Diese Lehre wurde von den christ lichen Lehrern bereits an den heidnischen Philosophen bekämpft, und wir haben schon oben (S. 420) den Bischof Maximus als einen der frühesten Vertheidiger der Güte der Materie namhaft gemacht 1). Soll die Materie böse sein bemerkt Maximus, so ist sie es entweder der Substanz nach, oder vermöge ihrer Qualitäten. Eine Substanz als solche für böse auszugeben, geht nicht an; das Böse (z. B. Todschlag u. s. w.) wird durch Actionen geseßt, die Materie aber wird von den heidnischen Gegnern als etwas absolut und vor aller Action Gegebenes angesehen. Das Bösesein ist eine Cognomination, welche einem substanziellen Subjecte in solcher Art adhärirt, wie z. B. dem Menschen das Prädicat Grammatiker, Rhetor, Arzt adhärirt. Nicht die Substanz, sondern die Bethätigungen und Wirkungen eines bestimmten substanziellen Subjectes pflegt man als das Böse oder Schlimme, üble zu bezeichnen. Soll die Materie zufolge gewisser Qualitäten böse sein, so fragt es sich, ob sie diese Qualitäten von Ewigkeit her habe, oder ob ihr dieselben nachgehends von Gott imprimirt worden seien. Lezteres hieße Gott zum Urheber des Bösen machen. Zudem ist es widersinnig, zu behaupten, daß die Materie je qualitätslos gewesen; wäre ja doch gänzliche Qualitätslosigkeit selbst schon eine bestimmte Art und Beschaffenheit oder Qualität des Seienden. Übrigens läßt sich auch die entgegengeseßte

1) Das von Eusebius (Praep. evang. VII, c. 22) mitgetheilte Bruchstück aus der Schrift des Marimus Пɛgì rŋs vàŋs findet sich, theils verkürzt, theils erweitert und anderweitig modificirt, auch in der Schrift des Ada= mantius De recta fide adv. Marcionem (vgl. unten §. 157), und überdieß, um einige Stücke vermehrt, in den uns erhaltenen Fragmenten der Schrift des Methodius Пegi avretovoiov. Daraus erhellt, daß das chriftliche Alterthum der Schrift des Marimus große Bedeutung beilegte, und daß fie für polemische Zwecke mannigfach benügt wurde.

Behauptung, daß die Materie mit bestimmten positiven Qualitäten seit ewig existirt habe, nicht halten. Wenn sie nach Substanz und Qualität schon vorhanden war, ehe Gott auf sie Einfluß nahm, was hätte sie denn von Gott noch in sich aufnehmen sollen? Man könnte höchstens noch sagen, Gott habe durch seine Actionen ihre Qualitäten immutirt. Wenn er dieß that, wie kommt es, daß die Materie dennoch böse geblieben? Konnte Gott ihre Qualitäten nicht durchgängig bessern, oder wollte er nicht? Aber man müßte noch weiter gehen und sagen, Gott habe durch seinen gestaltenden Einfluß das Übel der Materie schlimmer gemacht, als es vordem gewesen. Denn vor der Gestaltung der Materie durch Gott gab es keine empfindenden Wesen, somit auch keine Empfindung des Übels; das Vorhandensein derselben fiele lediglich Gott zur Last. Übrigens ist auch die mit der Anschauung der Materie als eines Urbösen zusammenhängende Annahme der Ewigkeit der Materie nicht haltbar. Die Materie ist entweder einfach oder zusammengesezt. Ist sie einfach und einartig (áñiñ zai uovoɛidns), so lassen sich die Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Weltdinge und die Contrarietäten ihrer Wirksamkeiten nicht erklären. Ist sie zusammengeseßt, so ist sie ein Concretum aus früher schon vorhanden gewesenen einfachen Elementen, also etwas Gewordenes, hat somit einen Ursprung, und nicht sie, sondern ihre Elemente sind das mit Gott Gleichewige. Dieses Gleichewige bestünde aber aus einer Mehrheit von Seienden, was mit dem principiell angenommenen Dualismus (Gott - Materie) der heidnischen Gegner sich nicht vereinbaren ließe.

An diese Polemik schließt sich jene Tertullian's gegen Hermogenes, welcher gleichfalls die Ewigkeit der Materie behauptete, um einen zureichenden Erklärungsgrund für das Böse zu gewinnen. Hermogenes meinte nämlich, daß das Böse und Üble in der Welt, als dessen ursächlicher Grund unstreitig die Materie anzusehen sei, nicht von Gott, dem Schöpfer des Guten, hergeleitet werden könne; wol aber lasse sich begreifen, daß Gott aus der nun einmal vorhandenen Materie nichts Besseres hervorbringen konnte, als was er wirklich hervorgebracht hat. Tertullian erwidert hierauf 1), daß Bösesein und Ewigsein einander ausschließen. Gott ist zufolge seiner anfanglosen Ewigkeit das summum bonum; wie kann demnach eine böse

1) Adv. Hermog., c. 9-17.

Materie von Ewigkeit her existiren? Es wäre denn, daß man auch eine Möglichkeit des Böseseins an Gott zugäbe. Aber dann fällt der Grund weg, aus welchem Hermogenes eine ewige Materie neben Gott annehmen zu müssen glaubte. Ist das Böse in einer ewigen Materie verewiget, so ist es eine unbesiegbare Macht, gegen welche wir Menschen vergeblich streiten, daher denn auch alle göttlichen Gebote und Mahnungen fruchtlos und eitel sind. Auch läßt sich nicht begreifen, wie Gott aus einer ewigen bösen Materie etwas Gutes hervorbringen konnte, da die Materie in keinem Gebilde aufhören kann, zu sein, was sie seit ewig und ihrem Wesen nach ist, nämlich böse. Wenn man den Dingen deßungeachtet etwas Gutes zuschreiben wollte, so müßte dasselbe entweder aus Gott genommen. sein, oder wofern dieß nicht denkbar ist, aus Nichts. Wenn aber Lezteres der Fall ist, warum sträubt man sich dann noch gegen den Gedanken eines Hervorbringens aus Nichts? Wenn Gott Einiges aus Nichts hervorbringen konnte, warum nicht Alles? Man könnte noch eine andere Gedankenwendung nehmen und sagen, das Gute in den Dingen sei ebenso sehr, wie das Böse, aus den Dingen selber. Hier entsteht aber die Frage, warum Gott neben dem Guten, was in der Materie lag, auch das Böse hervorbildete? Entweder konnte er das Böse nicht zurückdrängen, oder er wollte nicht. Im ersten Falle ist er zufolge seiner Schwäche, im legten Falle durch seinen Mangel an gutem Willen Urheber des Bösen. Hermogenes beruft sich vergeblich auf die ersten Verse der Genesis, um die vermeintliche Ewigkeit der Materie als schriftgemäße Lehre zu erhärten 1). Die Worte Principium und Terra bedeuten nicht, was er in sie hineinlegt. Principium fann nicht als etwas Substanzielles, sondern bloß als „Ursprung“ oder allenfalls als Bezeichnung des gött, lichen Machtvermögens (άozý, άozov; principium, principatus) genommen werden. Das Wort terra in 1 Mos. 1, 1. 2 fann nach richtigen hermeneutischen Regeln nicht „Materie“ übersezt werden, wenn Materie" etwas von der „Erde" Verschiedenes besagen soll; denn das Wort terra fommt in der mosaischen Kosmogonie noch in einem anderen Sinne vor, und es ist nicht erlaubt, dasselbe Wort in demselben Contexte jedesmal in einem anderen Sinne zu nehmen. Es muß also beide Male entweder „Materie“ oder „Erde“

1) Adv. Hermog., capp. 20. 23-34.

Werner, apol. u. pol. Lit., I.

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bedeuten. Dieß läßt sich aber mit der Vorstellung des Hermogenes nicht vereinbaren, der aus der Schrift herauslesen will, daß Gott die Erde aus der Materie hervorgebildet. Die Schrift sagt, daß die von Gott hervorgebrachte Erde „gut“ war; ob wol eine „gute“ Erde aus der bösen Materie des Hermogenes hervorgebracht werden fonnte? Tertullian verfolgt die exegetischen Fictionen des Hermogenes noch weiter, und löst sie theils durch hermeneutische, theils durch dialektische Gründe auf. So z. B., wenn Hermogenes im Zusammensein von Abyssus, Spiritus Dei und tenebrae ein chaotisches Gemenge als den primitiven Zustand der Materie erkennen will. Da hätte ja Moses nach Hermogenes drei Formen der ungeformten Materie aufgezählt! Oder wären es keine Formen, wie könnten sie Namen haben und begränzte Begriffe ausdrücken? Und wenn die Materie ursprünglich in den drei genannten Formen war, wo bleibt die ursprüngliche ungeformte Materie des Hermogenes?

§. 149.

Auf die Überzeugung, daß die Materie etwas Böses oder doch mindestens etwas Schlechtes sei, ist die gnostische Unterscheidung zwischen Hylikern und Pneumatikern gegründet, deren Legtere nur in Kraft des ihnen eingesenkten Göttlichen gut sind, und zugleich gut sein müssen, während die Hyliker nur schlecht sein können. Die Psychiker stehen zwischen diesen beiden Gegensägen in einer schwankenden Mitte, welche sich bald mehr dem einen, bald mehr dem anderen Gegensaßgliede zuneigt, je nachdem unter den Psychikern die einfach gläubigen, nicht wissenden Christen, oder die Juden verstanden werden, und je nachdem in der gnostischen Ansicht das Judenthum höher oder tiefer gestellt wird. Eigentlich ist der Begriff des Psychischen in den gnostischen Systemen ein unhaltbarer Begriff, der sich auf keinen bestimmten metaphysischen Gedanken reduciren läßt, und nur die Verlegenheit ausdrückt, wie man das zur Vermittelung zwischen den unabweislichen Gegensäßen reiner Geistigkeit und reiner Materialität nothwendig Postulirte fassen und erklären soll. Während es nun den Gnostikern, je nachdem sie sich dem Emanatianismus, dem absoluten Dualismus neigen, nach der einen oder nach der anderen Seite hin zu entschwinden droht, um entweder in's Pneumatische überzugehen oder im hylozoistischen Sinne

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