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der Weltordnung und Weltentwickelung festhält, und im göttlichen gestaltlosen Urwesen selber aufgehoben sein läßt. Das Urwesen wird als Feuer bezeichnet, was nach Hippolyt an Heraklit erinnert, bei näherem Zusehen aber auf Benüßung der stoischen Weltlehre durch die späteren Simonianer hindeutet. Indem aus dem Urfeuer der Gegensaß der wirkenden und leidenden Ursache (causa efficiens und materialis) hervortritt, verleiblichet sich Erstere im Himmel, Leßtere in der Erde, in Beiden ist aber das Urfeuer als Lebens und Vernunftprincip. In Himmel und Erde, den ersten Manifestationen des göttlichen Urwesens, repräsentiren sich der göttliche vous und die göttliche énivoia. Um nun das durch die Diremtion von Oben und Unten, Himmel und Erde bedingte Werden zu causiren, läßt das Urwesen sich im Schöpferworte vernehmen, und das Tönende verlautbart sich (ový) im gesprochenen Namen (övoμa), und Beide, Stimme und Name, stellen sich real dar in Sonne und Mond 1). Aus dieser zweiten Syzygie geht als dritte hervor Luft und Wasser, in welchen das dritte Paar ideeller Potenzen: λoyioμós und évdúμnois, sich real darstellen. Gleichwie nun die simonische Lehre die genannten sechs Potenzen ganz nur im realen und sinnlichen Sein wirklich werden läßt, so wird auch die mosaische Erzählung vom ursprünglichen Menschenparadiese in naturalistisch sinnlicher Weise ausgedeutet, und das Paradies unter Zusammenhaltung der Stellen Jerem. 1, 5 und 1 Mos. 2, 7. 15 als Mutterschooß des Menschenweibes, die vier Ströme im Eden als System der mit dem Schooße in Verbindung stehenden Arterien und Venen verstanden; der Engel mit dem flammenden Schwerte, der den Lebensbaum, d. i. die aus dem hylozoistischen Weltprocesse hervor. gehende Geisterzeugung und Geistentwickelung, in seine Obhut nimmt, ist der Feuergeist, der dem Ersterben der Menschengattung wehrt, indem er fortwährend aus dem Blute den männlichen Samen und die weibliche Milch entstehen macht. In ähnlicher Weise werden weiter die fünf Bücher Mosis mit den Fötuszuständen und Stadien der Fötusentwickelung in Zusammenhang gebracht, und schließlich die ganze Weltentwickelung als Selbstausgebärung des All-Einen, Höchsten, der im reinen Feuer an sich ist, in Allem und Jedem,

1) Melkarth und Astarte, Ersterer Schußgott von Tyrus, Leztere Schuhgöttin der Sidonier.

was ist und lebt, dargestellt. Dieses ganz und gar in den Vorstellungen vom Zeugen und Trächtigsein aufgehende System lieferte dem Valentinus die Syzygienpaare, die derselbe spiritualisirt und von ihrer materiellen Verleiblichung losgelöst in seine Lehre hinüberge nommen hat. Zufolge dieser Spiritualisirung, die aus den eingeleibten Potenzen der Simonianer sechs geistige Energieen macht (nämlich die drei aus Bythos und Sige emanirten Syzygien der himmlischen Ogdoas), wird freilich das ganze System umgebildet, und schlägt aus dem materialistischen Pantheismus in einen idealistischen um; als das Gemeinsame beider Systeme beharrt das monistische Princip, die simonianische Suvauis àлégavτos, die von den Simonianern, ganz so wie bei Valentin, auch als oiyń, άógatos, axatáλnлτоs bezeichnet wird, und bei Beiden die aus der heidnischsyrischen Theologie entlehnte Idee der Mannweiblichkeit in sich schließt. Die sechs Potenzen oder Äonen constituiren mit dem Urprincipe eine Hebdomas, deren Idee, wie Hippolyt zu wiederholten Malen bemerkt, von Simon und Valentin aus der Lehre der Hebdomadarier, d. i. aus der ägyptisch-pythagoräischen Zahlenlehre, geschöpft ist. Es ist der Septenar: Zahl, Monas, Potenz (dúvaμis), Kubus, potenzirte Potenz (dvvauodóvaμis), Dynamokubus, Kubo, kubus. Dem Kubokubus entspricht das Urprincip Simon's und Valentin's (der éσtás oder no̟onάtwo), welches die übrigen sechs Potenzen oder Energieen potentiell in sich faßt. Die Lehre der Hebdomadarier ist auch aus der Anatomie und Physiologie des menschlichen Leibes begründet worden, und hat auch nach dieser Seite den Simonianern und Valentinianern Anregung geboten 1). Der naturalistische Charakter haftet dem Gnosticismus selbst in seiner spirituellsten Sublimation an; mögen die Valentinianer dar über streiten, ob der Bythos mannweiblich sei oder nicht merkt Hippolytus 2) -, so viel ist gewiß, daß die aus ihm her vorgegangene erste Syzygie ihm als mütterliches Urprincip 3) zur

be

1) Philosophum. IV, 51. Die Markofianer fanden die Tetras, Ogdoas, Dekas und Dodekas, also die gesammte himmlische Triakontas, in der Organisation des menschlichen Leibes ausgedrückt. Vgl. Irenaeus I, 18.

*) O. c., VI, 29.

3) In der ophitischen Gnosis (vgl. Iren. I, 30), welche eine auffallende Verwandtschaft mit Valentin's Lehre hat, erscheint die Lebensmutter als der Werner, apol. u. pol. Lit., I.

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Seite tritt, welches die Lebenswurzeln alles Übrigen, was existirt, in sich enthält. Der Unterschied zwischen dem hylozoistischen und idealistischen Naturalismus ist nur dieser, daß im Ersteren das Göttliche von vorne herein in die Materie versenkt ist, in Leßterem aber durch Abfall in die Materie versenkt wird. Der in das Gebiet der absoluten Abstraction sich versteigende Basilides, der das ursprüngliche Sein Gottes als das lautere Nichts erklärt, kommt gleichfalls nicht über den Gedanken einer göttlichen Panspermie hinaus, ja glaubt diesen eben aus seinem absoluten Nichtsein des duciren zu müssen.

§. 138.

Es läßt sich im Voraus denken, welchen Eindruck diese Ausgeburten eines von heidnischem Denken und naturalistischen Vorstellungsweisen getränkten Sophismus auf das besonnene, sittlich disciplinirte und züchtige Denken der christlichen Lehrer machen mußte. Frenäus 1) findet in den gnostischen Systemen ein Gemisch von Ungereimtheiten, Widersprüchen und blasphemischen Einfällen. Die gnostischen Vorstellungen vom Pleroma und Leeren lassen sich nicht zu widerspruchlosen Concepten erheben. Woher kommt das

über dem Chaos schwebende heilige Geist. Der Bythos, der auch Urmensch (primus homo) heißt, und 'Evvoix, der Sohn des Bythos (filius hominis, secundus homo), wohnten dem Urweibe bei, und erzeugten mit demselben das unvergängliche Licht, oder den Christus, der mit jenen Dreien die himmlische Tetractys und wahre und heilige Kirche constituirt (vgl. damit oben §. 133 die Äonennamen der valentinischen Ogdoas). Neben Christus aber, welcher aus dem Weibe hervorgegangen, quasi dexter et in superiora allevatitius, in das selige Äonenreich eingieng, entströmte aus dem Weibe, welches die Fülle des ihr »a concumbentibus patre et filio" eingeströmten Lichtes nicht zu fassen vermochte, ein Theil dieses Lichtes secundum sinisteriores partes aus, deorsumque decidit. Dieß ist die Prunikos (vgl. oben S. 208, Anm.) oder Sophia, deren Ähnlichkeit mit der valentinischen Achamoth nicht zu verkennen ist; nur daß die Achamoth das Materielle aus sich erzeugt, während es in dem dualistischen Systeme der Ophiten etwas vom Anfange her Gegebenes ist, welches im valentinischen Systeme zum Xevóv oder Vacuum abgeblaßt wird.

1) Adv. haer. II, 4 ff.

Vacuum? Ist es aus den Äonen emanirt? Dann müßten aber der Bythos und die übrigen Äonen eine dem Vacuum ähnliche Natur haben. Besteht es ungeworden und seit ewig neben dem Bythos, so ist es ihm gleich und hat auf göttliche Ehren Anspruch. Soll aber das Vacuum keine Gegenständlichkeit ausdrücken und das Sein außerhalb des Pleroma bloß ein Beraubtsein, einen Mangel der Erkenntniß, einen Defect bedeuten, der am Pleroma, wie ein Flecken an einem Kleide, hafte, so muß man fragen, wie der Bythos dulden könne, daß seinem Bereiche durch den Demiurg eine Makel angeheftet werde, während es ihm doch ein Leichtes sein müßte, diese Makel, d. h. jenen Defect oder jene Ignoranz der außerhalb des Pleroma entstehenden Wesen zu verhüten. Wie kann es neben dem alldurchdringenden Lichte des Vas ters noch eine Finsterniß geben? Wie kann das Urwesen dulden, daß in den von ihm umschlossenen Bereich durch ein anderes Wesen mangelhafte Gebilde und. Schöpfungen gesezt werden? Ebenso widersinnig ist, daß die weltschaffenden Äonen von ihrem Herrn und Vater, dem Bythos, gar Nichts sollten gewußt haben, bis sie durch Christi Kommen auf ihn aufmerksam gemacht wurden. Die vergänglichen Geschöpfe außerhalb des Pleroma sollen Abbilder der Aonen im Pleroma sein. Wozu solche Abbilder, wenn sie fein bleibendes Sein haben? Und wie viele Aonen müßte es geben, wenn alles Geschaffene sein Vorbild im Äonenreiche haben sollte! Jedenfalls mehr als bloß dreißig. Der Demiurg soll nach dem Bilde des Soter geschaffen sein. Wie kommt der unerleuchtete Demiurg zu dieser Ähnlichkeit mit dem hellstrahlenden Äon Soter? Die geschaffenen Dinge sollen Abbilder der Äonen sein; wie kann aber etwas Körperliches Abbild einer geistigen Realität sein? Übrigens ist die Entstehung der Sinnenwelt aus den Aussonderungen der leidenden Achamoth barock genug aufgefaßt 1). Leider läßt sich

1) Frenäus ergeht sich in ironischer Laune über die poetischen Fictionen der Valentinianer. Das Meer entstand aus den Thränen der Achamoth. Dieß will Jrenäus noch als begreiflich gelten lassen: Perspicuum, salsas aquas eas esse, quae ex lacrimis ortae sunt. At vero credibile est eam in magna anxietate atque consilii inopia sudorem etiam emisisse. Atque hinc juxta ipsorum figmentum existimare par est fontes et amnes, et si quae aliae dulces sunt, ab ipsius sudoribus originem habuisse etc.

aber auch für die Entstehung und Zahl der Äonen kein vernünftiger Grund finden. Statt daß die himmlischen Dinge als legte Erklärungsgründe des Irdischen erschlossen würden, werden sie a priori als determinirende Nothwendigkeitsgründe des Statthabens in der irdischen Ordnung hingestellt; so z. B., weil es 30 Äonen gibt, muß der Monat 30 Tage haben, wegen der himmlischen Dodekas muß das Jahr 12 Monate, der Tag 12 Stunden haben u. s. w. Die Frage jedoch, weßhalb Äonen emanirten, und weßhalb gerade so viele, nicht mehrere und nicht wenigere, bleibt unbeantwortet. Hat sie der Urvater deßhalb aus sich entlassen auf daß sie den hervorzubringenden Weltdingen als Urbilder dienen sollten, so sind sie nicht um ihrer selbst willen, und stehen an Bedeutung tiefer, als die Weltdinge; sind sie aber nicht um eines solchen Zweckes willen aus den Tiefen des Bythos emanirt, so sind sie zwecklos. Sollen sie die Bedeutung von Urbildern haben, so muß man weiter fragen, welche Urbilder dem Bythos bei ihrer Emission vorschwebten? Waren diese abermals aus dem Bythos emanirte Äonen, so führt die Frage nach den Urbildern des göttlichen Zeugens auf einen absurden regressus in infinitum. Aber auch abgesehen hievon läßt sich die Emanation der Äonen aus dem Bythos nicht ohne Widersprüche denken. Denn wenn sie dem Urvater ähnlich sein sollen, so müßten sie sämmtlich impassibel sein; sind sie aber nicht aus derselben Substanz, wie der Vater, so muß man fragen, woher diese zweite passible Substanz im incorruptiblen Pleroma? Wenn durch Theilung dieser passiven Substanz die einzelnen Äonen gebildet werden, kann man da noch das Pleroma für ein Reich der Geister ausgeben? Zu den Absonderlichkeiten und Undenkbarkeiten des valentinischen Systems gehört es ferner, daß der Logos und die Sophia, ihren Benennungen zuwider, den höchsten Vater nicht gekannt haben sollten; die Sophia soll nicht einmal so viel im Voraus gewußt haben, daß der Bythos unergründlich sei! Wie die von ihrer Trägerin losgelöste und hiedurch subjectlos gewordene Enthymesis leiden konnte, ist ebenso unbegreiflich, wie ihre Lostrennung von der Sophia, ihrem Subjecte. Der Demiurg foll troß des himmlischen Lichtsamens, den er in sich aufnahm, vom Reiche des Pleroma Nichts gewußt haben, während die Pneuma tiker in Kraft desselben Samens Göttliches zu erfassen im Stande sind! Der Lichtsame soll der Formirung, des Wachsthums, der

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