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erstehungsleib seiner Natur nach unauflöslich, so kann ihn auch die fortdauernde Feuerpein nicht auflösen. Princip der Empfindung ist die Seele; das Seelenlose kann nicht leiden. An der leidenden Seele haben wir aber bereits ein Subject, welches, weil seiner Natur nach unsterblich, durch den Schmerz nicht aufgelöst oder getödtet werden kann. Gleicherweise ist es denkbar, daß es auch beseelte Körper gebe, die selbst unter den heftigsten Leiden der Auflösung widerstehen. Man hält solche Körper für etwas Undenkbares; man bedenkt aber nicht, wie viele Eigenschaften der irdischen, uns bekannten Körper uns gleichfalls als unglaublich und undenk bar erscheinen würden, wenn sie uns nicht durch das Zeugniß der Erfahrung gewiß wären! Augustinus hätte nicht geglaubt, daß Pfauenfleisch der Fäulniß ungewöhnlich lange widerstehen könne, wenn er nicht selbst die Thatsache zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. Wer sollte sich nicht über den Kalk verwundern, der im Wasser, das sonst jeden Brand löscht, zu verbrennen anfängt? Oder über die Spreu, welche den Schnee, den sie bedeckt, vor dem Zerfließen bewahrt, unreifes Obst hingegen reif und mürbe macht, somit auf den Schnee erkältend, auf das Obst erwärmend wirft? Der Diamant soll einzig im Bocksblute auflösbar sein, während er dem Eisen, dem Feuer und jeder anderen heftigsten Gewalt widersteht. Wie staunenswürdig sind die Wirkungen des Magnetes! Man erwidert nun freilich, daß dieß bloß natürliche Wirkungen seien, hingegen die Verwandlung des sterblichen Menschenleibes in einen unvergänglichen und unauflösbaren Leib eine Änderung der Natur desselben. Indeß auch an Beispielen solcher Art, wo an Naturkörpern Erscheinungen hervortreten, die man von ihnen nach der uns bekannten Beschaffenheit derselben nicht erwarten sollte, fehlt es nicht; nicht nur, daß die Schrift vom Stillestehen der Sonne, oder von der Theilung des Wassers beim Durchzuge der Jsraeliten durch das rothe Meer spricht: auch die Heiden wissen von außerordentlichen Wahrzeichen, die am Himmel erschienen, zu erzählen; der gelehrte Varro in seiner Schrift de gente Romanorum würde sie nicht portenta nennen, wenn sie ihm nicht gegen die gewohnte Naturordnung zu streiten geschienen hätten. Behaupten wollen, daß es Gott nicht möglich wäre, den Leib des jenseitigen Menschen durch ein Wunder seiner Allmacht ewig in brennendem Feuer zu erhalten, ohne daß derselbe sich auflösel, wäre eine Impietät gegen Gott.

Die gottlosen Menschen sollen in demselben Feuer brennen, welches dem Teufel und seinen Schaaren bereitet ist. Wenn nun, wie Augustinus anzunehmen geneigt ist, die gefallenen Engel reine Geister sind, wie können sie von einem sinnlichen Feuer leiden? Dadurch, daß sie, wie die Seelen im Körper, im Feuer eingeschlossen sind, und auf eine, uns freilich nicht erklärbare Weise vom Feuer afficirt werden.

§. 124.

Da das höchste Gut ein geistiges ist, so kann es auch nur durch ein Leben im Geiste errungen werden. Dieß wird von allen christlichen Lehrern auf das Entschiedenste betont; Clemens Alexandrinus macht eine völlige άnádɛia gegen alles Sinnliche, Jrdische, Zeitliche zur Bedingung des Theilhabens am höchsten Gute. Der christliche Weise erfährt an sich keine anderen Affectionen, als jene, in welchen sich ihm das Erhaltungsbedürfniß seines Leibes fühlbar macht ). In Christus war nicht einmal ein Bedürfniß solcher Art vorhanden; er aß und trank nur deßhalb, damit die Wahrhaftigkeit seiner menschlichen Natur nicht in Zweifel gezogen würde. Um so mehr war er über jede andere sinnliche Affection, über die Empfindung von Lust und Schmerz erhaben. Auch die Apostel waren, wenigstens nach der Auferstehung des Herrn, in der Weisheit desselben geistig schon so fest gegründet, daß sie durch keine Gemüthsbewegung mehr beeinflußt wurden. Und so mußte es sein, wenn sie vollendete Menschen sein wollten. Raschmuth, zürnender Eifer, Freude, Verlangen, die im Dienste der Vernunft als löbliche Eigenschaften erscheinen möchten, sind doch nur ein Beweis, daß Derjenige, an welchem sie vorkommen, noch nicht vollkommen im Geiste lebe. Der Vollkommene bedarf keiner beherzten Kühnheit, da es für ihn nichts Furchtbares mehr gibt, und Nichts von der Liebe zu Gott ihn abzuziehen vermag. Es gibt für ihn feine Gemüthsunruhe und keinen Schmerz, da er überzeugt ist, daß unter Gottes Leitung Alles recht und wol geschehe; es kann ihn Nichts zum Zorne reizen, weil er Gott, und in Gott alle Geschöpfe Gottes liebt. Er weiß Nichts von Eifersucht; denn es fehlt ihm an Nichts von dem,

1) Strom. VI, p. 775 ff.

was ihm zur Erlangung des Guten und Schönen, der Ähnlichkeit mit Gott zu dienen vermag. Er liebt Alles nur in Gott, und Gott in Allem; daher kann in ihm nie ein leidenschaftliches Begehren nach irgend einem Geschöpfe aufkommen. Er ist demnach über alle Geschöpfe erhaben, und bewährt sich darin als Gottähnlichen, weil er ganz nur im Geiste lebt, welcher das göttliche Siegel und Gepräge des Menschen ist, und den Menschen zum Ebenbilde Gottes macht, da ja Gott wesentlich Geist (vous) ist und als solcher im Logos, dem character divinae substantiae, sich offenbart. Es ist nicht denkbar, daß der christliche Weise irgend etwas Geschaffenes ob deffen Schönheit und Güte mit bewegtem Gemüthe begehren soll, da er in seinem christlichen Hoffen bereits den Vorgenuß der ewigen Urgüte und Urschönheit besißt. Die rechte Erkenntniß dieses höchsten Gutes führt ihn von selber zur rechten Übung in heiliger Liebe desselben, die rechte Übung aber macht ihn von jedwedem Verlangen anderer Art frei. Er bedarf demnach auch nicht einmal der gepriesenen Tugenden des Starkmuthes (άvdoɛia) und der Maaßhaltung (owpoooúvn), weil eben jene Affecte, zu deren Beherrschung die genannten Tugenden noth, wendig sind, in der Unwandelbarkeit seines mit Gott vereinigten Geistes gänzlich aufgehoben sind.

§. 125.

Gregor von Nyssa 1) steigert seine Anforderungen an die Gemüthsbeschaffenheit Deffen, der im christlichen Sinne vollkommen sein will, nicht so hoch, wie Clemens Alexandrinus, obwol er in dem Vorhandensein der dem Menschen mit den übrigen empfindenden Wesen gemeinsamen natürlichen Affecte das unverkennbare Zeichen eines Herabgesunkenseins von der ursprünglichen Höhe der gottähnlichen Menschennatur erblickt. Der Mensch war ursprünglich den Engeln gleich, und sollte sich auch nach Art der Engel, auf eine und freilich nicht mehr vorstellbare Weise, ohne alle sinnliche Lust vervielfältigen. In Voraussicht des Menschenfalles aber hat Gott es vorgezogen, den Menschen so zu organisiren, daß er, von seiner ursprünglichen Höhe herabgestürzt und seiner englischen Vor

1) De opificio hominis, c. 18.

züge verlustig geworden, dennoch sein Geschlecht fortpflanzen konnte. Die nach dem factisch eingetretenen Falle geübte finnliche Geschlechtsvermischung bewirkte nun eine sinnliche Trübung seines Wesens, in deren Folge denn auch jene äλoya nádŋ hervortraten, deren Vorhandensein den Menschen als Sinnenwesen auf gleiche Stufe mit dem Thiere stellt, nur mit dem Unterschiede, daß dasjenige, was beim Thiere als etwas zu seiner Erhaltung Dienliches gut ist, am Menschen für eine beklagenswerthe natürliche Unvollkommenheit zu gelten hat. Gleichwol lassen sich diese natürlichen Einzelheiten durch ihre Unterstellung unter die Herrschaft der Vernunft in Tugenden verwandeln; der von der Vernunft beherrschte und geleitete Zornmuth verwandelt sich in Starkmuth, die Besorgtheit in Besonnenheit, die Zaghaftigkeit in Gehorsam, der Haß in Abscheu vor bösen Lastern, die Begehrlichkeit in Verlangen nach dem wahrhaft Schös nen und Guten. In diesen Tugenden wiederscheint die dem Menschen anerschaffene, aber durch die jeßige Vergröberung seiner finnlichen Seite verhüllte göttliche Ebenbildlichkeit. Wird die natürliche Krankheit des Fleisches durch willentliches Nachgeben an die leidenschaftlichen Begehrungen desselben zur Krankheit der Seele, dann sinkt der Mensch aus dem Stande potentieller Gottähnlichkeit zu dem Zustande actueller Thierähnlichkeit herab. Man darf sich aber durch das Vorkommen solcher Erscheinungen nicht zum Zweifel an der göttlichen Ebenbildlichkeit des Menschen verleiten lassen, da man die volle, ungetrübte Schönheit derselben an Charakteren, wie Moses ), aufweisen kann.

§. 126.

Das Erhabensein über Affecte und Leidenschaften des Gemüthes bemerkt Theodoret 2) ist eigentlich auch schon von ausgezeich neten griechischen Philosophen, namentlich von Plato, auf das Eindringlichste empfohlen worden, so daß man sich wundern muß, daß die Heiden sich an den christlichen Asceten stoßen, welche im Grunde nur Das im Leben darstellen, was die griechischen Philosophen gelehrt haben. Diese selber haben allerdings anders gelebt, als sie

1) Gregor von Nyssa schrieb eine Vita Mosis.

2) Graec. affect., Sermo XII.

lehrten; selbst ein Sokrates war nach der Schilderung, welche Porphyrius über ihn hinterlassen hat, nichts weniger, als ein von sinnlichen Affecten und Gelüsten freier Mensch. Er hatte zu gleicher Zeit zwei Weiber, die Xantippe, die er als ein Gemeingut Anderer kennen gelernt hatte, und die Myrto; Beide genügten aber nicht, seine sinnlichen Gelüste zu befriedigen, indem er nebstdem auch feile Dirnen besuchte und an schönen Knaben Gefallen hatte. Die Zänkereien seiner beiden Weiber machten ihm viel Vergnügen; er selber aber zeigte sich gleichfalls nicht selten zornmüthig, und war dann unausstehlich, die Ironie verließ ihn fast nie. Ein beschauliches, zurückgezogenes Leben, wie es Plato empfiehlt, hat er nie geführt, so wenig als Plato selber. Krates und Diogenes sprachen ihren Grundsäßen der Enthaltsamkeit durch cynische Schamlosigkeit Hohn. Die Peripatetiker priesen die Tugend mit Worten, lebten aber dem Vergnügen. Indeß fehlt es wenigstens unter den Barbarenvölkern nicht an Philosophen, welche, unter den Griechen hochgeachtet, Dasjenige übten, was Plato, gewissermaaßen dem Evangelium vorgreifend, empfohlen hat. Man rühmt die Hyperboräer, ein Volk gerechtigkeitsliebender Menschen, welche sich des Fleischgenusses enthalten und bloß von Baumfrüchten leben. Die Brachmanen sollen in Wäldern leben und sich bloß von Blätterkost nähren. Der sch. thische Philosoph Anacharsis soll nicht bloß wachend die größte Strenge gegen sich geübt, sondern auch durch besondere Vorkehrungen das im Schlafe und Traume der Disciplin der spontanen Willensenergie entzogene Spiel der Phantasie und der sinnlichen Triebe zu zügeln gesucht haben. Der Dichter Simonides sagt, wie Plato, daß die Tugend als Anachoretin in der Wildniß ferne vom Menschengewühle und vom lauten Markte des politischen und socialen Lebens weile. Aber freilich vermochten sich die griechischen Philo sophen nicht zur Erkenntniß der hohen Dignität der Virginität zu erheben. Die Stoifer rechneten die Geschlechtslust unter die indif ferenten Dinge; Epikur und Demokrit widerriethen die Ehe, gewiß nicht aus Liebe zur Keuschheit.

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