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von der Menschwerdung des Sohnes Gottes, der für Juden und Heiden als Erlöser gekommen ist.

§. 113.

Die Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele wurde, wie Eusebius') hervorhebt, von den neuplatonischen Philosophen der spå. teren Zeiten gegen die Aristoteliker und Stoiker vertheidiget. Eusebius hebt mehrere hieher bezügliche Stellen aus Attikus, Plotinus, Porphyrius, Longinus aus, auf welche bereits oben 2) vorübergehend hingedeutet worden ist. Longinus tadelt die stoische Lehre von der Körperlichkeit der Seele, Plotinus widmet ihr eine aus führliche Erklärung. Die Seele muß als Substanz, und zwar als geistige Substanz gedacht werden sucht Plotinus den Stoifern gegenüber zu beweisen. Ist sie ein Körper, so ist sie gleich allen Körpern theilbar, weil jeder Körper etwas Zusammengeseßtes ist. Die Stoifer wollen fie nicht für einen Körper nach Art der uns befannten, sondern für einen Körper anderer Art gehalten wissen. Wie soll nun dieser beschaffen sein? Sein Eigenthümliches foll sein, das Leben aus sich selbst zu haben. Soll dieses aus dem Zusammensein seiner Theile resultiren oder jedem derselben für sich zukommen, oder nur einem einzelnen aus ihnen eigen sein? Im legteren Falle wäre dieser einzelne Theil die Seele. Aber wie ist es denkbar, daß ein Körper das Leben aus sich selbst habe? Wasser, Feuer, Luft, Erde, die einzigen vier Arten von Körpern, die es gibt, sind an sich unlebendig; haben sie Leben, so kann dasselbe nur ein Adventitium sein. Dasselbe müßte von jeder anderen. Körperart, wenn es eine solche außer den vier genannten noch gäbe, gesagt werden. Was keinem einzelnen Körper aus jenen mehreren, welche zusammen die Seele ausmachen, zukommt, fann auch in ihnen allen zusammen nicht vorhanden sein. Wie sollte überhaupt aus etwas Intelligenzlosem eine Intelligenz generirt werden können? Würde sie aber aus einer gewissen eigenartigen Mischung jener Seelentheile generirt, so wäre sie, und nicht jene Mischung, die Seele. Ist doch überhaupt, wie die Stoiker selber behaupten, das

1) Praepar. evang., XV, capp. 9-11 u. 20-— 22. 2) Siehe oben S. 323 ff.

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Vorhandensein eines Geistes, einer Intelligenz, die nothwendige Voraussetzung des Vorhandenseins irgendwelcher Körper; denn der zur Materie hinzutretende Verstand muß nach stoischer Lehre die Materie zum Körper gestalten. Die Seele müßte als körperliche aus Theilen zusammengesezt sein; diese Theile geben aber keine vollkommene Einheit, constituiren kein einfaches Wesen, wie die Seele doch sein muß, da sie als ganze Subject der Empfindung und sonstiger Passionen und Actionen ist. Ferner müßte sie als Körper, auch als einfacher Körper, aus Materie und Form bestehen, und als das Lebengebende müßte die Form genommen werden. Hier würde es sich nun fragen: Constituirt die Form allein Wesen und Natur der Seele? Dann ist ja die Seele unförperlich. Ist aber die Form eine bloße Affection der Materie, so fragt es sich, woher die Materie diese Affection empfangen habe? Doch nicht von einem Körper, wenigstens nicht zunächst und zuhöchst; weil bei jedem Körper, dem ein solches Vermögen der Formertheilung zus geschrieben wird, auf's Neue die Frage erwachen würde, woher er Form und Leben habe, und so in's Unendliche fort. So muß also nothwendig ein rein Geistiges, mithin eben Dasjenige, was die Stoiker nicht denkbar finden, die erste Ursache von Allem sein. Wenn Gott ein Geist ist, so sind geistige Wesen möglich, und es ist nicht einzusehen, warum nicht auch die Seele geistig sollte sein können. Dieß geben die Stoiker nominell wol zu; auch sie nennen die Seele ein Ding, das gewissermaaßen geistig ist. Was soll jedoch dieser beschränkende Zusag: „gewissermaaßen“ (яõs) bedeuten? Jedenfalls doch nicht so viel, daß die der Seele zugestandene Geistigkeit wieder zurückgenommen würde? Also ist er überflüssig; denn was geistig ist, kann nicht körperlich sein, so wenig als umgekehrt der Körper Geist sein kann. Die einem Körper zuzuschreibenden Eigenschaften von Kälte oder Wärme, Schwere oder Leichtigkeit, Farbe u. s. m. fallen ja beim Geiste weg, mithin fehlt ihm Dasjenige, woran wir den Körper als Körper erkennen und empfinden. Der Körper wirkt auf eine bestimmte determinirte Art, welche eine entgegengesette Wirkungsart ausschließt; der kalte Körper kann nicht Wärme, der warme Körper nicht Kälte verbreiten. Die Seele hin gegen ist entgegengeseßter Thätigkeiten fähig, kann aus einem und demselben Dinge Verschiedenes machen, und Vieles zugleich wirken. Namentlich mit der Natur eines einfachen Körpers ist dieß geradezu

unverträglich, da er nur auf Eine Weise disponirt sein kann. Wäre die Seele nichts vom Körper Verschiedenes, so ließe sich das Wachsthum der Körper nicht erklären; denn der Körper als solcher hat keine Kraft, sich selber noch Etwas beizulegen; Wachsthum und Vergrößerung geschieht in Kraft der im Körper wirkenden Seele. Wäre die Seele selber körperlich, so müßte durch Zunahme des Körpers auch sie zunehmen. Soll das ihr Zuwachsende gleichfalls Seele sein oder nicht? Ist es Seele, woher fommt es, und wie kommt es zur Seele hinzu? Ist es nicht Seele, wie kann es die Seele in sich aufnehmen und mit ihm Ein Ganzes werden? Wenn die Seele wachsen, also quantitativ sich ändern und dennoch dieselbe bleiben soll, so muß ihr Wesen nicht in der Quantität, sondern in der Qualität beruhen; dann ist sie aber als ganze in jedem der verschiedenen Theile des Leibes, während ein Körper nicht an verschiedenen Orten zugleich sein kann. Ist die Seele etwas Körperliches, so läßt sich der Act der Empfindung nicht erklären. Das Mannigfaltige der Sinnesempfindung muß in der Einheit eines immateriellen Wahrnehmungscentrums zusammengefaßt sein, weil es sonst nicht als Ganzes appercipirt werden könnte. Wäre das Appercipirende etwas Körperliches, so müßte das appercipirte Bild jedes einzelnen Dinges bei der unendlichen Theilbarkeit des empfindungsfähigen Körperlichen sich in's Unendliche vervielfältigen. Ferner müßten die Impressionen auf die Wahrnehmungskraft entweder spurlos vorübergehen, wie ein Streich in's Wasser, oder sie müßten, wenn sie hafteten und in die Seele wie in ein Wachs eingegraben würden, durch nachfolgende Impressionen wieder ausgelöscht werden. Gedächtniß und Erinnerung wäre also unter Voraussegung der Körperlichkeit der Seele nicht erklärbar. Die Schmerzempfindung hat nicht das leidende Körperglied, sondern die Seele zum Subjecte. Die Stoiker geben dieß wol relativ zu, weil es sich nicht läugnen läßt, erklären aber die Verpflanzung der Schmerzempfindung aus dem leidenden Theile in die Seele auf die allersonderbarste Art. Sie behaupten nämlich gegen allen gefunden Verstand, der afficirte Körpertheil empfinde zuerst kraft des in ihm präsenten Theiles des Lebensgeistes den Schmerz; er theile diese Empfindung einem nächsten Körpertheile mit, dieser einem dritten u. f. f., bis der Schmerz in die Seele, die selber auch Körper ist, geleitet sei. So ist also eine unabsehbare Reihe von Trägern der Schmerz

empfindung, also auch der Schmerz selber unzähligemale vorhan. den, bis er zur Apperception der Seele gelangt. Welche Ungeheuerlichkeit! Endlich beweist Plotinus auch noch ausführlich, daß der stoische Sensualismus das übersinnliche Erkennen und die Moral im Principe aufhebe 1).

So viel über den Stoicismus. Nunmehr die neuplatonische Widerlegung der peripatetischen Ansicht über die menschliche Seele. Attikus klagt, daß kein anderer Philosoph in einen so directen Widerspruch zur erhabenen Lehre Plato's von der Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele sich gesezt habe, wie Aristoteles. Die Seele ist ihm zwar nichts Körperliches, nicht Luft oder Feuer, gleichwol läugnet er aber auch wieder die geistige Natur derselben, wenn er ihr das Vermögen der Selbstbewegung abspricht; denn die sogenannten Seelenthätigkeiten sind ihm nicht Acte und Bewegun gen der Seele, sondern des Menschen. Woraus soll man die Geis stigkeit der Seele erschließen können, wenn man ihr das Vermögen der Selbstbewegung abspricht, und wenn man nicht zugeben will, daß Deliberation, Nachdenken, Meinen, Erinnern, Ratiociniren keine der Seele als solcher angehörige Functionen seien? Die Seele soll etwas ganz Unbewegtes sein; Dikäarchus hat consequenter Weise dieses aristotelische ¿zívytov als etwas Überflüssiges ganz beseitiget, und auch die Unsterblichkeit der Seele förmlich geläugnet. Aber Aristoteles hat ja neben der wvzń auch noch einen vous im Menschen anerkannt; was man jedoch unter diesem göttlichen vous im Menschen zu verstehen habe, läßt Aristoteles im Dunklen; er liebt es, wenn er darüber spricht, nach Sepienart lauter Trübung und Dunkelheit um sich zu verbreiten, so daß man ihn nicht zu fassen vermag. Zudem ist es falsch, den Geist von der Seele in solcher Weise abzutrennen, wie Aristoteles es versucht; Plato hält die sachliche Trennung Beider für etwas Unmögliches.

In diesem Sinne erklärt sich Plotinus auch im Besonderen gegen die aristotelische Auffassung der Seele als der Entelechie des Leibes, wonach die Seele für den Leib dasselbe bedeuten soll, was in seiner Art z. B. die Form für eine Erzstatue bedeutet. Demgemäß müßte bei einer Theilung des Leibes oder bei Ablösung gewisser Glieder des Leibes auch eine Theilung der Seele statthaben,

1) Vgl. hierüber auch Origenes Princip. I, 1. n. 7.

weil jedem Theile Etwas von der Form des Ganzen inhärirt. Die Seele wäre dem Leibe so angewachsen, daß eine Entrückung der Seele im Traume und Gesichte nicht möglich wäre. Ebenso wenig könnte es im Menschen einen Widerstreit zwischen Vernunft und Begierde geben; ein vernünftiges Denken wäre überhaupt gar nicht möglich, sondern bloß ein bildliches Vorstellen statthaft. Und selbst diese bildlichen Vorstellungen könnten der Seele nur kraft ihrer Vereinigung mit dem Körper eigen bleiben, vom Körper getrennt könnte sie dieselben nicht weiter mehr in sich behalten. Vermöge dieses ihres Haftens am Leibe könnte sie Nichts, was außer dem. Leibe ist, Speise, Trank, oder sonst irgend Etwas, begehren, weil sie ganz nur darin aufgienge, Form des Leibes zu sein. Auf diese Undenkbarkeiten führt also der Begriff der Seele, zunächst der Sinnenseele als einer Entelechie des Leibes. Denn daß die davon etwa zu unterscheidende Geistseele nicht Entelechie des Leibes sein könne, ist aus dem Gesagten schon hinlänglich klar. Aber nicht einmal die vegetative Seele kann als Entelechie aufgefaßt werden. Dieß läßt sich an den Pflanzen zeigen. Das Princip der Pflanze ist in der Wurzel; und bekanntlich segen viele ausgewachsene Pflanzen nur in den unteren Theilen neue Triebe an. Im lezteren Falle hat sich also die Seele augenscheinlich in einen bestimmten Theil der Pflanze zurückgezogen, während sie als Entelechie gleichmäßig durch das ganze Gewächs verbreitet sein müßte. Kann sich die Seele auf einen bestimmten Theil des Gewächses zurückziehen, warum sollte sie sich nicht ganz vom Gewächse abtrennen lassen und gesondert existiren können? Das Wesen der Seele besteht also nicht darin, Entelechie des beseelten Körpers zu sein, sondern darin, Substanz zu sein. Nur die Seele ist wahrhaft Substanz, das Körperliche als solches ist, da die Materie im steten Zuflusse und Abflusse begriffen ist, stets nur im Zustande des Werdens, niemals ein wahrhaft Seiendes. Daraus folgt nun freilich, daß nur die Seele der wahre Mensch sei eine Ansicht, deren Consequenzen für die Auferstehungslehre in den bereits erwähnten origenistischen Streitigkeiten frühzeitig an den Tag traten; daher sie auch fort und fort, noch in der mittelalterlichen Theologie, so oft sie auftauchte, immer wieder abgewiesen wurde. Den Neuplatonikern hatte sie als dienlichste Stüße der Unsterblichkeitslehre geschienen; die Seele sei ihrem Wesen nach unsterblich, weil sie, über den Wechsel und

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