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bern von der Erde hinweggenommen worden, und essen und trinken nicht mehr nach Menschenart, weil sie Gott genießen und an ihm sich sättigen und erquicken. Unser Fasten ist eine schwache Nachahmung dieses Gottgenießens. Die Stelle Job 19, 23 ff. scheint eigens darum geschrieben worden zu sein, um den origenistischen Streitigkeiten zuvorzukommen.

§. 97.

Der bewußte Gegensatz gegen die spiritualistische Auferstehungslehre griff auch in der abendländischen Kirche erst seit der durch Epiphanius herbeigeführten Bewegung gegen den Origenianismus durch. Augustinus äußerte sich in der Schrift De fide et symbolo, die er als Presbyter (c. a. 394) verfaßte, über die Körper der Auferstandenen noch auf eine Weise, welche er später nicht mehr für unverfänglich hielt, und deßhalb bedingnißweise zurücknahm. Er hatte nämlich in der erwähnten Schrift zwischen caro und corpus ganz so unterschieden, wie nach Hieronymus' Rüge die Origenisten zu unterscheiden pflegten '). In seinen später abgefaßten Retraktationen 2) glaubte Augustinus bemerken zu sollen, daß die Vergeistigung des Auferstehungsleibes nicht so zu verstehen sei, als ob er nunmehr aufhörte, seiner Substanz nach Fleisch und ebenso organisirt zu sein, wie der jeßige Leib; eine solche Ansicht würde sich einfach schon durch den Hinweis auf den Auferstehungsleib Christi widerlegen. Wie ist nun die Spiritalität des zukünftigen Auferstehungsleibes Christi zu verstehen? Gerade so -- antwortet Augustinus 3) —, wie die Fleischlichkeit der sündigen Seele im dießseitigen Leben zu verstehen ist; der Leib wird ganz und unbedingt dem Geiste eignen,

1) Omnis caro sagte Augustinus etiam corpus est, non autem omne corpus etiam caro est: primo in istis terrestribus, quoniam lignum corpus est, sed non caro: hominis autem vel pecoris et corpus et caro est in coelestibus vero nulla caro, sed corpora simplicia et lucida, quae appellat Apostolus spiritalia; nonnulli autem vocant aetherea. Et ideo non carnis resurrectioni contradicit illud quod ait: »Caro et sanguis regnum Dei non possidebunt;" sed quale futurum sit, quod nunc caro et sanguis est, praedicat. De fide et symbolo, n. 23. 2) Retract. I, c. 17.

3) Civ. Dei XXII, c. 21.

ohne selber Geist zu sein, gleichwie im gegenwärtigen Leben die sündige Seele an das Fleisch hingegeben ist, ohne selber Fleisch zu sein.

Die Vertretung dieser Anschauung nöthiget nun den heiligen Augustinus, auf verschiedene Einwendungen von heidnischer Seite einzugehen, die bei Festhaltung der Origenistischen Ansicht allerdings gar nicht hätten aufgeworfen werden können. Wenn erstlich einmal festgehalten werden muß, daß der Auferstehungsleib seiner Substanz nach Fleisch, d. i. sinnlich wahrnehmbarer, palpabler Leib sei, so ist den Platonikern Antwort zu ertheilen, welche sich die Präsenz eines finnefälligen Körpers in den Ätherräumen des Himmels schlechthin nicht denkbar machen können. Das Sträuben erwidert Augustinus 1) — gegen diese Vorstellung erinnert an eine Äußerung Cicero's über Herkules und Romulus; Cicero meint nämlich gleichfalls, daß diese Heroen, als sie unter die Götter aufgenommen wurden, ihre Leiber auf Erden zurücklassen mußten, weil es mit der Natur irdischer Leiber sich nicht vertrage, anderswo als auf der Erde zu sein. Mit eben demselben Rechte könnte man dafürhalten, daß die Natur rein geistiger, mit den himmlischen Lichtwesen verwandter Seelen es nicht vertrage, mit erdhaften Leibern zur Wesenseinheit zusammengeschlossen zu werden. Gleichwol ist diese Vereinigung eine Thatsache; und so wird einst auch die Erhebung der verklärten Erdenleiber in den Himmel Thatsache sein. Die Platoniker meinen, eine solche Erhebung verstoße gegen die natürliche Locirung der Elemente, unter welchen die Erde und das Erdhafte naturgemäß den tiefsten Plaß einnehme, gleichwie die Feuersphäre naturnothwendig den höchsten Umkreis bilde. Wird jedoch die Stufenordnung, nach welcher die Elemente locirt sind, in der wirklichen Natur rein und unvermischt erhalten? Ist nicht auch in erdhaften Körpern, in Holz und Stein, Feuer enthalten? Man wendet ein, dieses Feuer sei ein rauchiges, unreines, corruptibles Feuer, wie es eben den corruptiblen Erdendingen angemessen ist. Nun gut! Wenn das reine, himmlische Feuer durch eine bes sondere Modification seiner Natur zur Einwohnung in den erdhaften Körpern adaptirt werden kann, warum sollten umgekehrt nicht auch die erdhaften Menschenkörper durch eine besondere Modi

1) Civ. Dei XXII, c. 11.

fication ihrer jezigen Beschaffenheiten zum Aufenthalte in himmlischen Sphären befähiget werden können? Die menschliche Kunst ist im Stande, aus den schwersten Metallen Gefäße zu arbeiten, die im Wasser nicht untergehen; sollte es der göttlichen Allmacht nicht möglich sein, dem durch sie geschaffenen Menschenleibe zu verleihen, daß er über den Druck der irdischen Schwere erhaben sei? 1) Sollen die Seelen der verklärten Menschenleiber nicht in höherem Grade jene Macht über die irdische Schwere haben, welche zum Theile auch schon den Erdenmenschen zukommt? Denn wir sehen ja, daß der gesunde Mensch über seinen vollwichtigen Leib freier gebietet, als der Kranke über seinen abgemagerten und an Gewicht viel geringeren Leib, offenbar deßhalb, weil der modus temperationis im gesunden Leibe vollkommener ist. Sollte dieser Modus nicht noch eine weitere Steigerung zulassen? Quis verbis explicet, quantum distet inter praesentem, quam dicimus, sanitatem et immortalitatem futuram? Man könnte auch fragen, warum ein aus Erde gebildeter Körper nicht sollte im Himmel wohnen können, da doch die schwere Erde im Nichts, im Leeren schwebt, ohne zu fallen? Der platonische höchste Gott entzieht den Feuerkörpern der Dii minores die Kraft, zu brennen, und läßt ihnen bloß die Leuchtkraft; warum sollte der allmächtige Gott nicht aus den Menschenleibern bei Belassung ihrer Natur die Corruptibilität, bei Belassung ihrer Gestalt und Organisation die Schwere und Trägheit entfernen können?

Wenn der Mensch mit demselben Leibe auferstehen soll, den er hier auf Erden hatte, und wenn dieser Leib auf dieselbe Art organisirt und gegliedert sein soll, wie der dießseitige Leib, so ergeben sich nach der Meinung der heidnischen Gegner eine Menge von Unzukömmlichkeiten und Lächerlichkeiten, welche im Einzelnen aufzuführen zu weitläufig wäre. Augustinus übergeht keine der Einwendungen dieses Schlages 2), als da sind die Fragen: ob auch Fehlgeburten auferstehen, ob verstorbene Kinder mit ihren kleinen Kinderleibern auferstehen werden, ob häßliche, mißgestaltete, zwerghafte, mit allerlei Gebrechen behaftet gewesene Menschen mit allen diesen Eigenschaften ihrer aufgelösten Erdenleiber wieder erstehen werden u. s. w.? Augustinus antwortet hierauf dasselbe,

1) Civ. Dei XIII, c. 18.

2) Civ. Dei XXII, c. 12 ff.

was auch andere christliche Lehrer antworteten: Jedes Gebilde, welches einst von einem unsterblichen Geiste beseelt war, wird auferstehen; alle Leiber werden auferstehen in der Vollkraft seines Leibes, und in derjenigen ausgebildeten Organisation und Vollkommenheit, welche sie hier auf Erden entweder wirklich erreichten oder doch erreicht haben würden, wenn nicht vorzeitiger Tod, Krankheit und andere, die vollkommene Entwickelung und Ausgestaltung des Leibes beeinträch tigende Ursachen dazwischen getreten sein würden. Die heiligen Martyrer, welchen einzelne Glieder ihres Leibes abgehauen worden sind, werden mit vollkommener Leibesintegrität erstehen; denn es gilt gewiß ganz vornehmlich auch in Beziehung auf ihre heiligen Leiber das Wort des Herrn, daß alle Haare unseres Hauptes gezählt seien. Wol möchte die verehrungsvolle Liebe der Gläubigen zu ihnen wünschen, und hofft es auch, daß an ihren Leibern noch die Male und Spuren ihrer Martyrien sichtbar sein mögen; diese werden wol zweifelsohne keine Deformitäten, sondern ungemein schmückende Zierden ihrer verherrlichten Leiber sein. Quae sit autem - fügt Augustinus bei et quam magna sit spiritalis corporis gratia, quoniam nondum venit in experimentum, vereor ne temerarium sit omne, quod profertur eloquium!

Der heidnische Verstand sträubt sich gegen den Glauben an die christliche Auferstehungslehre. Und gleichwol ließen sich in den Äußerungen berühmter Heiden, deren Meinungen man alle Achtung zollt, alle einzelnen Säße, deren Complex das Auferstehungsdogma constituirt, nachweisen 1). Varro legt einiges Gewicht auf die Aussage der Nativitätssteller, daß nach je 440 Jahren sich allezeit wieder dieselbe Menschenseele mit demselben Menschenleibe vereinige. Plato sagt, daß die heiligen Seelen wieder zu ihren Körpern zurückkehren. Porphyrius behauptet, daß die ihrer Leiber ledig gewordenen Seelen nicht wieder zu unvollkommenen und mit Mängeln behafteten Leibern zurückkehren können. Faßt man diese drei Behauptungen zusammen, um sie in Eine Ansicht zu verschmelzen, steht man da der christlichen Auferstehungslehre noch allzuferne? Freilich behaupten die neueren Platoniker, daß die Seele nur in ihrer Scheidung vom Leibe ein wahrhaft geistiges Leben zu führen vermöge, und eben durch den Tod zur wahren Freiheit gelange 2).

1) Civ. Dei XXII, c. 28.

Werner, apol. u. pol. Lit.,

2) Civ. Dei XIII, c. 16. 17.
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Sofern man durch diesen Einwand der christlichen Auferstehungslehre begegnen will, macht man sich einer ungerechtfertigten Identification des jeßigen Leibes mit dem von den Christen gehofften zukünftigen schuldig. Daß der jezige Leib die Seele drücke, sagt auch die Schrift: Corpus corruptibile aggravat animam (Weish. 9, 15). Sollten aber die Platoniker wirklich von keinem anderen, als von diesem vergänglichen Leibe wissen? Für diesen Fall wären sie an eine von Cicero überseßte Stelle aus dem Timäus des Plato zu verweisen, in welcher von den unsterblichen Leibern der seligen Götter die Rede ist. Ob darunter die Gestirne gemeint seien, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls genügt das Gesagte, um zu bes weisen, daß sich ein Philosoph des Glaubens an unsterbliche Leiber nicht zu schämen habe. Aber freilich urgiren die Platoniker den Unterschied, welcher zwischen dem Leibe des zweiten Gottes und den Leibern der Menschen bestehe. Der Leib des großen Gottes nimmt die Mitte der sichtbaren Welt ein, die vier Elemente sind gewissermaaßen die Glieder desselben, welche nach dem Willen des höchsten Gottes unlöslich miteinander verbunden sind; daher denn auch jede andere Bildung von Körpern aus diesen Elementen wieder aufge. löst werden muß, auf daß dem großen Weltleibe das aus ihm Entnommene wieder restituirt werde. Demzufolge müssen alle aus müssen dem Erdelemente gebildeten Leiber wieder der Erde zurückgegeben werden. Müßten aber demzufolge nicht auch die den unsterblichen Göttern zukommenden Lichtleiber oder Feuerleiber dem allgemeinen Elemente, dem Feuer wieder zurückgegeben werden? Nein, sagen die Platoniker; denn der höchste Gott habe eine unlösliche Einigung der Götter mit ihren Feuerleibern bewirkt. Warum sollte aber derselbe Gott, dessen Wille nach Plato durch keine Macht bes wältiget werden kann, dasselbe nicht auch in Rücksicht auf die Menschenleiber bewirken können? Der Menschenleib aus Erde soll ein Hinderniß der Seligkeit sein; nur ein rein geistiges Sein soll der Seligkeit wahrhaft theilhaft sein können. Dann könnten auch die mit Feuerleibern umhüllten Götter, welche von Plato beatae animae genannt werden, nicht selig sein, am allerwenigsten Jupis ter's Seele, welche, im Centrum der Erde wohnend und von da aus das Universum belebend, von allen vier Elementen umschlossen ist und dieselben zu Gliedern hat.

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