Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

kirchliche Auferstehungslehre, von deren Wahrheit Synesius selbst bei seiner Erwählung zum Bischofe noch nicht überzeugt war, in einer besonderen (c. a. 487 verfaßten) Schrift vertheidigte 1). In den unter dem Namen des Dionysius Areopagita gehenden Schriften eines Neuplatonikers aus dem 5ten oder 6ten Jahrhunderte sind die dem christlichen Geiste assimilirbaren Elemente der neuplatonischen Philosophie der christlichen Wissenschaft als bleibende Errungenschaft angeeignet worden. Scotus Erigena versah es darin, daß er diese Errungenschaft für das einzig und ausschließlich Berechtigte nahm; in der richtigen Weise wurde sie in der mittelalterlichen Scholastik dem Ganzen der christlichen Lehrwissenschaft eingeordnet, und, durch andere ebenso berechtigte Elemente des wissenschaftlichen Denkstrebens ermäßiget, begränzt und ergänzt, an ihre richtige Stelle gewiesen.

§. 82.

Die der Platonischen Philosophie befreundeten Väter mußten sich natürlich fragen, wie die ihnen auffallende Verwandtschaft derselben mit den Lehren der Offenbarung zu erklären sei. Bereits Justin hatte ausgesprochen, Plato habe aus Moses geschöpft; wir finden diese Behauptung bei Clemens Alex., Origenes, Eusebius, Augustinus wiederholt, von Leßterem indeß nur vermuthungsweise ausgesprochen; Plato könnte sich gemäß Röm. 1, 20 auch durch eigenes Nachdenken zu jenen hohen geistigen Erkenntnissen erschwungen haben, welche ihn der christlichen Wahrheit so nahe brachten 2). Auch Eusebius meint, daß Plato durch göttliche Erleuchtung auf seine mit der hebräischen Theologie zusammenstimmenden Anschauungen gekommen sein könnte. Aus Clemens' Munde hörten wir oben, daß die besseren Erkenntnisse der Griechen nicht nothwendig und ausschließlich aus traditioneller Vererbung durch ältere Völker und Zeiten erklärt werden müßten. Indeß ist nach seiner Überzeu

und Aristoteles in den wichtigsten Puncten miteinander einverstanden wären. Dieß zur näheren geschichtlichen Orientirung rücksichtlich einer oben (Note am Schlusse des §. 72.) aus Augustinus angeführten Bemerkung. ') Vgl. unten §. 96.

2) Civ. Dei VIII, 11 und 12 ab initio. Vgl. oben §. 70.

gung jede Frage über die möglichen Quellen der hellenischen Einsichten überflüssig, da der fremdländische, nichtgriechische Ursprung derselben als geschichtlich nachweisbare Thatsache vorliegt. Die Griechen schöpften von den Barbaren, die spirituellen Erkenntnisse der Barbaren aber sind getrübte Nachklänge der reinen und unentweihten Weisheit, die in den Mosaischen Büchern niedergelegt ist. Die ersten Pfleger der hellenischen Theologie waren Nichtgriechen 1); Pythagoras war ein Tyrier oder Tyrrhener, Orpheus ein Odrysier oder Thracier, Homer soll ein Ägypter gewesen sein, Thales war ein Phönizier und ließ sich, wie Pythagoras, von ägyptischen Priestern unterrichten, Leßterer sogar beschneiden, um in die Geheimnisse der ägyptischen Priester eingeweiht zu werden. Plato gibt in seinen Schriften zahlreiche Beweise, daß er die Weisheit der Barbaren hoch halte, und bekennt, daß er, gleich Pythagoras, Vieles von ihnen gelernt. Man sagt, daß er sich durch einen ägyptischen Priester zu Heliopolis in die ägyptische Weisheit einweihen ließ; er selber läßt im Timäus Solon die altehrwürdige Weisheit der Barbaren preisen, zu welcher sich die Hellenen immer nur als Jünger verhalten würden. Demokrit übertrug die religiösen Bücher der Babylonier in's Griechische, und rühmte sich, bei Persern und Ägyptern nach alter Weisheit geforscht zu haben. Heraklit erklärt die Sibylle für eine göttliche Erscheinung. König Numa entlehnte aus den Mosaischen Büchern das Verbot, durch geschnigte Bilder Gott abzubilden. In der That hatten die Römer durch 170 Jahre keine Tempel und keine Statuen. Von den Indern bis zu den Galliern, von Ägypten bis zu den Thrafern und Scythen erstreckt sich dieses Gebiet vorgriechischer Weisheitstraditionen; die ältesten Träger derselben aber sind die Juden. Daß ihre Weisheit älter sei, als jene der Griechen, hat der Pythagoräer Philo (Philo der Jude) umständlich dargethan; daß sie die eigentliche Quelle sei, auf welche alle griechische Philosophenweisheit zurückgeführt werden müsse, lehrt eine aufmerksame Vergleichung der philosophischen Meinungen und Äußerungen der griechischen Weisen mit den Aussprüchen der alttestamentlichen Schriften. Selbst die mitunter wunderlichen Irrthümer der Griechen erklären sich dann als ledigliche Mißverständnisse der in den Offenbarungsbüchern der Hebräer nie

1) Strom. I, p. 354 ff.

dergelegten Wahrheiten '). So verhält es sich mit der stoischen Lehre von der alles Körperliche durchdringenden und selber auch körperlichen Gottheit. Die Stoifer mißverstanden die Stelle Weish. 7, 24, in welcher von der Alles durchdringenden Weisheit Gottes die Rede ist. Sie nahmen diese erstgeschaffene aller Creaturen für die Gottheit selber, und so erklärt es sich, wie sie Gott für das belebende Weltprincip, für den allverbreiteten Lebensäther, und die Welt für den Leib Gottes, für den von jenem Äther beseelten, erwärmten und gestalteten Stoff halten konnten. Plato dachte hierin besonnener; er spricht allerdings auch von der gestaltlosen Hyle als Weltprincip, und nennt dasselbe kühn genug das μý őv; eben diese Benennung zeigt aber schon, wie tief sie ihm im Range steht, und · im Timäus dringt er zu dem Gedanken vor, daß es nur Eine Weltursache gebe. Übrigens kamen die Griechen auf ihre Hyle ohne Zweifel nur durch 1 Mos. 1, 2 (ý dẻ vñ v ȧógatos xai άxatαoxɛvaotos). Ein Mißverständniß solcher Art mag es auch gewesen sein, daß Aristoteles im Hinblick auf Psalm 36, 5 das Walten der Vorsehung nur bis zur Mondessphäre herab reichen ließ. Der wahre Sinn der prophetischen Bücher sollte eben erst durch Christus selber erschlossen werden. Plato weiß von den Geistcreaturen, den guten sowol als den bösen; seine Äußerung über die von der Lachesis den Menschen zugewiesenen Schußgeister erinnert an Matth. 18, 10; was er von den Peinigern der Bösen in der Unterwelt sagt, an Psalm 104, 4. Plato nennt den Menschenleib ein pivov ozñvos der Seele, und erkennt die Verähnlichung der Seele mit Gott als sittliches Ziel des Menschen; man vergleiche damit 1 Mos. 2, 7 und 1 Mos. 1, 26. An 5 Mos. 13, 4 wird man erinnert durch Plato's Forderung, daß uns Gott selbst als Maaß und Regel unserer Handlungen dienen soll. Plato scheint von der göttlichen Dreieinigkeit zu wissen 2), und spricht von einem göttlichen Vater und göttlichen Sohne; diese Weise zu reden kann er nur aus neutestamentlichen Büchern sich angeeignet haben. Was Plato über den Kampf zwischen Geist und Sinnlichkeit im Menschen sagt, flingt fast, wie Ephes. 6, 12; manche seiner moralischen Vorschriften find den evangelischen ungemein ähnlich. Ein besonderes Gewicht

1) Strom. V, p. 699 ff.

2) Ep. ad Dionys.; vgl. oben S. 343.

=

legt Clemens darauf, daß sich bei Plato und bei den Stoikern die Behauptung finde, das Gute bestehe einzig in dem sittlich Schönen (zakov honestum), und die Tugend genüge zur Glückseligkeit, in Übereinstimmung mit 5 Mos. 30, 15. 19. 20. Die himmlische Gegenerde der Pythagoräer ist aus Jerem. 3, 19 entnommen. Wir übergehen die sonstigen zahlreichen Zusammenstellungen von Aussprüchen Plato's und anderer Philosophen und älterer griechischer Dichter mit biblischen Ideen und Aussprüchen 1). Aristobulus, dessen auch 2 Makk. 1, 20 gedacht wird 2), soll in vielen Schriften zu zeigen versucht haben, daß die peripatetische Philosophie aus Mosaischen und prophetischen Büchern gezogen sei. Clemens sagt nicht, ob und in wieweit ihm diese und ähnliche Relationen glaub, haft erscheinen; jedenfalls aber beweisen sie ihm, daß die gelehrten Griechen die griechische Bildung für ein überliefertes Gut hielten. Und dieß sei denn auch nicht zu bestreiten; es steht fest, daß die jüngeren Philosophen der Griechen aus ihren älteren Vorgängern, und diese aus den Traditionen nichtgriechischer Völker geschöpft haben 3). Aristoteles und die Stöifer haben sehr Vieles aus Plato entlehnt; Epikur aus Demokrit, Heraklit aus Orpheus, Plato aus Pythagoras, und Pythagoras, Plato, Demokrit, Orpheus aus

1) So findet er (Strom. VI, p. 688) bei Euripides eine dem Dichter nicht bewußte Hindeutung auf den göttlichen Vater und seinen Sohn, den ewigen Hohenpriester; den Leßteren redet der Dichter an:

Σὺ γὰρ ἔν τε θεοίς τοῖς οὐρανίδαις

Σκήπτρον τὸ Διὸς μεταχειρίζων

Χθονιών 9' άδη μετέχεις ἀρχῆς.

2) Dieses Aristobulus gedenken auch Eusebius (Praep. evang. VII, 14; VIII, 10), Hieronymus (Chron. 9. Olymp. 157), Cyrillus Aler. (Contr. Julian. IV, p. 134). Von ihm dürften einige der unterschobenen Homerischen, Hesiodischen, Orphischen u. s. w. Verse herrühren, welche von den christlichen Apologeten angeführt werden. Die von Richard Simon, Eichhorn u. A. gegen die geschichtliche Eristenz dieses Mannes vorgebrachten Gründe entkräftete Valdenaer: Diatribe de Aristobulo Judaeo, Leyden, 1806 (mit einer Vorrede von Joh. Luzac). Man darf ihn, der c. a. 100 v. Chr. blühte, als einen der ersten alexandrinischen Juden be= trachten, welcher die allegorische Auslegung der Mosaischen Bücher in Gang brachte und die hellenische Bildung und Philosophie aus hebräischer Quelle abzuleiten versuchte.

3) Strom. VI, p. 732.

fremdländischen Quellen. Die gesammte Moral der Griechen

sagt

Clemens an einer anderen Stelle 1) — hat sich aus den im Moses enthaltenen Lehren entwickelt.

§. 83.

Daß die hellenische Bildung auf den Traditionen einer älteren, nichthellenischen Bildung ruhe, ließ sich unschwer auf überzeugende Art darthun. Für den christlichen Apologeten kam es aber vornehmlich darauf an, zu zeigen, daß die besseren und richtigeren religiösen Erkenntnisse der Griechen und Nichtgriechen aus der Quelle der hebräischen Offenbarungsweisheit geflossen seien. Seit Justin war dieß wol ein stehender Beweisgrund der Apologeten, wurde aber von keinem so ausführlich behandelt, wie von Eusebius, der sich seiner Aufgabe so vollständig, als es nur immer seine gelehrten Mittel zuließen, zu entledigen suchte 2). Zu dem Ende macht er zuerst auf den auszeichnenden Rang aufmerksam, welchen die Hebräer selbst in der Meinung hellenisch gebildeter Schriftsteller einnehmen; sodann zeigt er, daß die Geschichte und die Schriftdenkmäler der Hebräer in eine Zeit zurückreichen, welche nicht bloß der Blüthe der hellenischen Cultur, sondern selbst dem geschichtlichen Dasein des hellenischen Volkes vorangeht; endlich beweist er, daß einzig bei den Hebräern sich die reinen und lauteren Vorstellungen über religiöse und moralische Wahrheiten finden, und deren Spuren bei anderen Völkern unabweislich auf die Offenbarungsweisheit der Hebräer als den ausstrahlenden Lichtherd jener besseren Erkenntnisse zurückweisen. Den lezteren Punct anbelangend, mußte der Beweis eine Lücke offen lassen, indem immerhin denkbar blieb, daß eine der Religion der Hebräer geschichtlich vorausgehende religiöse Tra dition des Menschengeschlechtes in den religiösen und sittlichen Einsichten der Barbarenvölker, von welchen die Griechen zunächst lernten, nachgeklungen habe. Dieser Gedanke war dem christlichen Alterthume nicht fremd; in den Pseudo- Clementinischen Homilien wurde er sogar auf eine der Mosaischen und christlichen Religion derogirende Weise ausgebeutet. Hierauf lange außer Acht gelassen, ist er von der späteren christlichen Wissenschaft wieder aufgegriffen

1) Strom. II, p. 469.

2) Praep. evang., Lib. IX et X,

« VorigeDoorgaan »