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Todtschlag feine andere Strafe, als allenfalls eine zwei- oder dreijährige Verbannung; den eigenen Sclaven zu tödten, gilt ihm als eine straflose Handlung, für die Tödtung eines fremden Sclaven genügt eine Geldbuße als Schadenersaß an den Herrn desselben. Während Plato den Mord so gering anschlägt, verbietet das Evangelium selbst den Gedanken an denselben oder an sonst irgend eine rachsüchtige Handlung; nicht bloß die unkeusche Schändung der Leiber, fondern bereits das innerliche Begehren nach unkeuscher Lust wird vom Heilande als eine schwere, abscheuliche Sünde, als ein bereits im Herzen begangener Ehebruch erklärt. Und diese so reine, strenge Lehre hat die Herzen der Völker erobert, troßdem daß die Verkünder derselben arme, schlichte, ja verachtete und verfolgte Menschen gewesen. Bedarf es eines glänzenderen Beweises, um den hellenischen Wahn, der an der äußeren Erscheinung hängt, zu über führen?

Wie mit den Gesezen berühmter hellenischer Männer, verhält es sich mit dem Andenken so vieler einst gepriesener Gelehrter, Redner, Philosophen, Feldherren, Regenten. Sie sind vergessen, kaum mehr dem Namen nach bekannt, während das Gedächtniß der christlichen Martyrer weltbekannt, und ihre Namen in allen Familienfreisen wie jene trauter Freunde geläufig sind. Die vergötterten Feldherren und Eroberern erbauten Tempel bestehen nicht mehr, oder find in Kirchen verwandelt, welche dem Gedächtnisse der christlichen Martyrer geweiht sind. Statt der hellenischen Pandia, Diafia, Dionysia u. s. w. werden jegt die Feste eines Petrus, Paulus, Thomas, Sergius, Marcellus, Leontius, Panteleemon, Antonin, Mauritius und Anderer gefeiert, nicht in der ausgelassenen Weise der ehemaligen heidnischen Volksfeste, sondern unter herzerhebender Freude und Rührung, unter erbauenden Reden und frommen Gesängen.

Indeß reicht Dieses und Anderes nicht aus, die Hellenen mit der christlichen Wahrheit auszusöhnen. Wo ist die Bürgschaft, daß das Christenthum Wahrheit, volle, lautere, reine Wahrheit sei? Die Christen beweisen dieß nicht, sondern verlangen statt dessen einfach, daß man glauben solle eine Zumuthung, gegen welche sich der hellenische Hochmuth sträubt. Waren nicht auch die Schüler des Pythagoras ganz und gar vom Worte ihres Meisters abhängig? Plato sagt, man soll den alten Theologen und Sängern der gött

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lichen Dinge, welche sich für Söhne der Götter ausgegeben, glauben, obwol sie ihre Lehren weder durch sinnlich anschaulichen Nachweis noch durch Vernunftbeweise stüßen. Der Platonische Sokrates redet in dem Gespräche „Gorgias" Vieles über die Strafen der Bösen in der Unterwelt und über die Belohnung der Guten nach dem Tode, und fügt dann bei: Dieß Alles, o Kallikles, habe ich nur vom Hörensagen; ich glaube aber, daß es sehr wahr und richtig sei. Plato will, daß der Jugend jede Discussion über die erst zu erlernenden Gesetze verwehrt werde. Theognis singt:

Werther als Silber und Gold ist, mein Kyrnus! ein Mann zu erachten,
Der in der Meinungen Streit treu an den Glauben sich hält.

Der Epheser Heraklit klagt, daß die Thoren, auch wenn sie hören, ganz wie Taube sich verhalten; von ihnen geht die Rede, daß sie auch dann, wenn sie leiblich gegenwärtig sind, als Abwesende zu betrachten seien. Parmenides der Eleat fordert auf, das im Geiste als gegenwärtig zu erfassen, was nicht mit Augen zu erschauen ist. Dieses ist aber nach Solon's Worten sehr schwer zu erfassen, weil es eben ein Geistiges, Allumfassendes ist. Darum sagt auch der Tyniker Antisthenes: Gott läßt sich nicht im Bilde erkennen, nicht mit Augen schauen, er ist keiner Sache ähnlich. Daraus folgt nun, daß der Glaube nothwendig ist, der da beginnt, wo das Wissen aufhört. Denn wie Xenophon sagt, läßt sich wol erkennen, daß Gott Alles bewegt, daß er selber unbewegt, groß und mächtig sei; sein Angesicht aber können wir nicht schauen. Also müssen wir glauben. Aber, wie Bacchilides in einem seiner Päane fingt, ist es schwer, die Thore des Eingangs in den Sinn unaussprechlicher Worte zu finden. Also muß dem Menschen ein Sinn hiefür eingeflößt werden; wie das Auge des Lichtes, so ist der Verstand der Glaubenserleuchtung bedürftig. Ein Ungeweihter, sagt Plato, kann in die Tiefen der Wahrheit nicht eindringen. Darum flagt der Komödiendichter Epicharmus über die dafür unempfänglichen Menschen, die er aufgeblasene Schläuche nennt. Dieß läßt sich auf den Hochmuth, auf die träge Indolenz und Abhängigkeit von herkömmlichen Vorurtheilen deuten. Davon sich loszumachen, verlangt der Platonische Sokrates, wenn er zu Krito sagt, er sei gewillt, keinem aus seiner Umgebung so sehr zu folgen, als seiner eigenen Überzeugung, die ihm die beste Rathgeberin zu sein dünft. Darum fordert er den Alcibiades auf, selber zu denken und zu lernen, und

die Meinung aufzugeben, daß er bereits ohnehin ein Wissender sei. Niemand finde, sagt er, wer nicht sucht; Niemand sucht, der die Meinung hat, daß er ohnehin wisse. Also, Erkenntniß des Nichtwissens ist der Anfang des Wissens. Nebstbei muß man aber auch die bösen Leidenschaften aus dem Gemüthe bannen. Plato sagt, es sei Frevel, wenn der Unreine das Reine berühren will. Und Orpheus singt:

Euripides:

Dignis sancta loquar, procul hinc arcete profanos.

Arcana Bacchico furori acti sciant.

Also nur die Geweihten und Eingeweihten gelangen zum Verständniß heiliger Dinge. Wie sie aber eingeführt werden müssen, lehrt abermals Euripides:

Deus laboranti manum porgit lubens.

Heraklit lehrt die Nothwendigkeit des Glaubens; das nicht Geglaubte und nicht Gehoffte werde man nie finden, denn an sich ist es unerforschlich und unzugänglich. Wer nach Gold gräbt, sagt er weiter, muß viel Erde ausschürfen, und findet doch nur wenig. Daraus erhellt die Schwierigkeit des Forschens in Sachen des Glaubens. Der Glaube ist indeß die nothwendige Voraussetzung im Forschen; Epikur nennt ihn eine nothwendige Vorausnahme (rookmyis diavoias), Aristoteles das Kriterion der Wissenschaft. So geht also der Glaube voraus, und aus ihm erwächst die Erkenntniß. Nicht bloß mit dem religiösen Erkennen verhält es sich so, sondern mit jedem Erkennen. So muß der Schüler eines Geometers seinem Lehrer die unbeweisbare Definition des Punctes und der Linie glauben; er muß ihm glauben, daß der Punct etwas Untheilbares, daß die Linie ohne Länge und Breite sei, troßdem, daß in der Wirklichkeit kein Punct ohne Ausdehnung und keine Linie ohne eine gewisse Breite sich findet. So verhält es sich auch mit den übrigen Wissenschaften, ja mit allen Künsten und Fertigfeiten des Menschen. Wer von einem Handwerke Etwas verstehen will, muß sich von einem Meister unterweisen und die nöthigen Handgriffe zeigen lassen. Der Kranke vertraut der Kunst des Arztes, der Ruderknecht richtet sich vertrauend nach den Winken des Steuermannes. In allen wichtigen Dingen pflegt man erfahrene Leute um Rath zu fragen. Man fragt z. B. den Goldschmied, ob

diese oder jene Sache aus edlem Metalle gefertiget sei und wie hoch im Werthe sie stehe. Wenn nun in allen menschlichen Dingen bei Menschen, welche dieser Dinge kundig sind, Aufschluß zu suchen ist, so wird man in göttlichen Dingen ebenfalls an fremde Unterweisung und auf den Glauben an die Wahrheit des empfangenen Aufschlusses gewiesen sein. Accedentem ad Deum credere oportet, quod Deus est et inquirentibus se remunerator sit (Hebr. 11, 6). In den Dingen, welche nicht der finnlichen Anschauung und Erfahrung anheim fallen, ist man jederzeit vorerst an den Glauben an ihr Vorhandensein gewiesen; der Glaube ist die initiative Einführung in die Kunde der unsichtbaren Dinge. Auch die hellenischen Mysterien wurden bloß den Eingeweihten, durch initiirende Weihe Eingeführten enthüllt. Diese sind aber der Zahl nach verhältnißmäßig Wenige, die große Menge ist an den bloßen Glauben gewiesen. Der Glaube ist eine praktische Nothwendigkeit im Interesse des Menschen selber; diese Nothwendigkeit urgirt Plato, wenn er sagt, der Mensch soll nicht ohne Besiz und Theilhaben an der Wahrheit bleiben, bis er sie wissenschaftlich begriffen habe, weil sonst Mancher die längste Zeit vom Theilhaben ausgeschlossen bliebe. Ein solcher Besiz ohne wissenschaftliche Einsicht ist aber nur in der Form des Glaubens möglich.

Mögen also die Hellenen doch die aus dem Munde ihrer eigenen Philosophen kommenden Versicherungen von der Nothwendigkeit des religiösen Glaubens gelten lassen. Das religiöse Bedürfniß wird freilich in den von sittlicher Entartung und Verwilderung zeugenden heidnischen Religionen niemals Befriedigung finden. Gleichwol sind auch diese Religionen nicht ganz ohne Wahrheit, indem die Heiden durch den Anblick der sichtbaren Natur auf die Erkennt. niß des Schöpfers hingeführt wurden. Allein ihr Denken war kein geläutertes, richtig geleitetes, die Erzeugnisse desselben sind vielmehr den wildwachsenden Gewächsen, Ranken und Sträuchern eines uncultivirten Bodens zu vergleichen, der bloß das hervorbringt, was die Natur ohne menschliche Pflege und Nachhilfe zu erzeugen vermag, wogegen die durch die göttliche Offenbarung und Erleuchtung ge= flärte und geläuterte religiöse Einsicht als Erzeugniß eines sorgsam gepflegten Gartens oder Fruchtfeldes anzusehen ist.

In diesem Sinne unternimmt nun Theodoret auch eine Kritik des gesammten heidnischen Religionswesens, von welcher schon

Einiges früher beigebracht worden, und der hellenischen Philosophie, worauf später noch öfter zurückzukommen sich Gelegenheit bieten wird.

§. 64.

Wir gehen nunmehr auf die umfassenderen und abschließenden Beurtheilungen des heidnischen Cultes und Götterwesens über, welche von den der lateinischen Kirche angehörigen Zeugen der christlichen Wahrheit, von Arnobius, Lactantius, Julius Firmicus Maternus, Augustinus gegeben wurden.

Mit Arnobius sezt sich, an Cyprian anschließend 1), die Reihe der christlichen Apologeten in der abendländischen Kirche fort. Die Entstehungszeit seiner „Sieben Bücher gegen die Heiden“ fällt in die Zeit der lezten, der Regierung des Kaisers Constantin vorausgehenden Christenverfolgungen. Wie die übrigen africanischen Apologeten: Tertullianus, Cyprianus, Augustinus, ist auch Arnobius bemüht, zu beweisen, daß an den schweren Heimsuchungen und Unglücksfällen des römischen Reiches nicht die Christen Schuld tragen. Er bezeichnet dieses heidnische Vorurtheil im Eingange seiner Schrift als den Grund, der ihn zur Abfassung seiner Schrift bewogen; das Hauptverdienst derselben besteht in der umständlichen Darlegung der widerfinnigen Unvernunft des heidnischen Staatscultus, welchem Gegenstande auch der größere Theil seines Werkes gewidmet ist. Die von ihm ausgeführten Gedanken sind übrigens vielfach schon bei den früheren Apologeten vorgekommen. Nicht die Christen entwickelt er vom dritten Buche angefangen -, sondern die Heiden beschimpfen die Gottheit, indem sie ihren Göttern sinnliche Körper

1) Zwischen Cyprian und Arnobius fügt sich, vermuthlich gleichfalls ein Africaner, der christliche Dichter Commodianus ein, dessen Instructiones, in sogenannten versibus politicis (Herameter mit Abgehen von den strengen Gesezen der prosodischen Silbenmessung), in der ersten Hälfte ihrer 80 Abschnitte eine Widerlegung des heidnischen Gözzenwesens enthalten. Näheres über ihn in Möhler's Patrologie S. 903–905. Neuerlich ist durch Pitra (Spicileg. Solesm. Tom. I, p. 2049) Commodian's neuentdecktes carmen apologeticum adversus Judaeos et Gentiles veröffentlicht worden. Über die darin vorkommende Schilderung der letzten Zeiten der Kirche vergl. Döllinger, Christenthum und Kirche in d. Zeit. d. Grundlegung (Negensburg, 1860), S. 429.

Werner, apol. u. pol. Lit., I.

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