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sprachen verstehen gelernt; das Mittel hiezu war der Genuß von Schlangenleber. Also der Pythagoräer, der sich des Fleisches gänzlich enthalten soll, versteht sich sogar dazu, Schlangenleber zu essen, um die Weisheit der Araber sich anzueignen! Bei dem König Bar danes von Babylon gibt er sich für einen Weisen aus der Schule des Pythagoras aus, der ihn die wahre Weise des Gottesdienstes gelehrt und in den vertrauten Verkehr mit den sichtbaren und un, sichtbaren Göttern eingeführt hätte. Hat man je gehört, daß dieß der Inhalt und Zweck der Pythagoräischen Lehre gewesen? Ist je dem Plato, der mit der Pythagoräischen Philosophie so vertraut gewesen, oder den Pythagorikern Archytas und Philolaus Solches nachgerühmt worden? Also hat sich Apollonius nur zum Scheine für einen Pythagoräer ausgegeben? Und der Mann, der die tiefsten Einsichten aus sich selbst schöpfte, mußte bei Anderen aus der Philosophie Unterricht nehmen? Hierauf reist er mit seinem Gefährten Damis nach Indien, nachdem er früher ohne denselben nach Persien zu den Magiern sich begeben hatte, weil er nicht wollte, daß Damis die Geheimnisse der Magie sollte kennen lernen. Auf dem Wege nach Indien bestehen sie den Angriff eines bösen Dämons, der Empusa; Apollonius erlaubt weiters seinem Genossen Damis, Fleisch zu essen; in Indien sucht er, der Sprachkundige, einen Dollmetscher auf, um mit dem Könige Phraotes verkehren zu können und einen Boten sich zu erbitten, der ihn zu den Brachmanen geleite. Er, der angeblich aller Menschen Seelen durchschaut, ist nicht wenig überrascht, als der König ohne Dollmetscher ihn griechisch anredet. Der König soll einen Proceß schlichten zwischen dem Käufer und Verkäufer eines Ackers; der Käufer fand auf dem Acker einen Schaz, den der Verkäufer anspricht, weil er nur den Acker, nicht aber den Schaz, von dem er gar nicht gewußt, verkaufen wollte. Apollonius, um Rath gefragt, entscheidet für den Käufer; der Verkäufer müsse ein lasterhafter Mensch sein, denn sonst hätten die Götter es nicht geschehen lassen, daß sein Acker einem Anderen zufalle. Welche Ungereimtheit und Ungerechtigkeit! Was Apollonius sonst Alles in Indien sah und hörte, klingt bunt und wunderlich genug; und Hierofles, der die Einfalt der Christen schmäht, will uns zumuthen, an die Wunder dieses Fabellandes zu glauben: an die Fässer voll Wind und Wetter, welche den Brachmanen zu Gebote stehen, an die ehernen Mundschenke, an die von selber sich füllenden Becher,

an die von selbst sich bewegenden Dreifüße, an die Skiopoden (Leute, die mit ihren eigenen Füßen sich zu beschatten vermögen), an die Pygmäen und Troglodyten u. s. w.! Ganz ernsthaft wird weiters erzählt, daß Apollonius Alles, was er in Indien gesehen, zwar recht schön und löblich gefunden, deßungeachtet aber nicht für begehrenswerth erachtet habe. Nach seiner Rückkehr aus Indien begann er Wunder zu wirken. Das erste derselben ist, daß er seinen Genossen das Zwitschern eines Sperlings dollmetschte; das zweite, daß er den Ephefiern eine Pest voraussagte; das dritte, daß er das Pestübel vertrieb. Domitian forderte ihn auf, sich über die Vorhersagung der Pest zu verantworten; Apollonius seßte in seiner Apologie auseinander, daß er vermöge seiner besonderen Mäßigkeit ein feineres Gefühl für die Verdorbenheit der Luft habe, als andere Menschen. Die Seuche selber erstickte er auf folgende Weise : Sie erschien in der Gestalt eines alten schmußigen Quacksalbers, welchen Apollonius mit Steinwürfen verfolgen ließ; von den Steinen getroffen, habe der Alte zuerst Feuer aus den Augen gesprüht, dann zusammenstürzend in einen eckelhaften Hund mit schaumtriefendem Maule sich verwandelt. Das vierte Wunder ist die Beschwörung des Schattens des Achilles, an welchen er nur fünf Fragen stellen durfte. Apollonius fragte um Dinge, welche für einen Philosophen gewiß nicht die wissenswerthesten sind, und die er vermöge seiner angeblichen Kunde aller Dinge und Ereignisse nicht erst hätte durch Achilles erfahren sollen; nämlich ob Achilles' Leiche begraben worden, ob er von den Musen und Nereiden beweint worden, ob Polyṛena auf seinem Grabhügel getödtet worden sei, ob Helena nach Troja zurückgeschifft sei, ob mit den griechischen Helden auch Palamedes nach Troja gezogen sei. Der Schatten des Achilles zeigt sich sehr zornmüthig und ungeberdig; er verbietet dem Apollonius, den Jüngling Antisthenes als Schüler anzunehmen, weil er aus Priamus' Geschlechte sei und den Hektor zu besingen nicht aufhöre. Das fünfte und sechste Wunder besteht in Austreibung von Dämonen; durch die eine dieser Austreibungen heilte er einen von sinnlicher Lustgier brennenden Jüngling. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß Apollonius für einen keuschen und reinen Menschen galt, der nie ein Weib berührte. Das leßte Wunder, die Erweckung eines todten Mädchens, dünkt dem Philostrat selber für unglaublich. Philostrat will weiter beweisen, daß Apollonius auch

das Zukünftige voraussah; bemerkt aber ausdrücklich, daß dieß nicht mit Hilfe der Magie geschehen, deren sich die Indier bedienen. Hier sinken also die von Apollonius so hoch gepriesenen Inder plöglich zu Magiern und Giftmischern herab. Vespasian foll den Apollonius wie einen Gott gebeten haben, daß er ihn zum Kaiser mache; der Gebetene habe gnädig geantwortet: Es ist schon geschehen. Da ihn Vespasian später als Kaiser fragte, welche Philosophen er ihm als Rathgeber empfehle, so nannte Apollonius den Dion und Euphrates, deren Leßteren er nachher bei Domitian im übelsten Lichte darstellte; auch eine Probe von der alldurchdringenden, auf zukünftige Handlungen sich erstreckenden Menschenkenntniß des Weisen von Tyana. Da man ihn warnte, er möge nicht nach Rom gehen, es stehe ihm Schlimmes bevor, antwortete er in stolzer Großsprecherei, er müsse dieß am Besten wissen, da er unter allen Sterblichen die beste und tiefste Einsicht habe. In der That wurde er in Rom gefangen geseßt und über vier Puncte angeklagt: daß er in seiner Kleidung von der allgemeinen Sitte abweiche; daß er sich einen Gott nennen lasse; daß er einen arkadischen Knaben getödtet und zerstückt habe; endlich wurde auch seine Vorhersagung der Pest zu Ephesus für verdächtig gehalten. Zum Kaiser Domitian soll er gesagt haben, derselbe möge ihn nur fesseln lassen, seine Seele könne er doch nicht festhalten, ja nicht einmal seinen Körper, wenn Apollonius nicht wolle. Im Gefängniß sollen in Gegenwart seines Freundes Damis auf sein Geheiß die Fesseln von den wunden Füßen weggefallen sein; er habe sich aber dieselben freiwillig wieder angelegt. Sollte dieses Kunststück auf geschichtliche Wahrheit Anspruch haben, so muß es durch magische Künste zu Stande gebracht worden sein. Von einem wunderthätigen Beistande Gottes kann keine Rede sein bei einem Menschen wie Apollonius, der den Domitian auf einem öffentlichen Plage zu Ephesus geschmäht, nachdem er ihn früher, noch unverfolgt, mit Schmeiches leien zu gewinnen getrachtet. Wie es mit seinem Wissen um die Zukunft bestellt war, geht aus seinem Verhalten während seiner Haft hervor; damals arbeitete er mit aller Haft und ängstlicher Sorge an einer Vertheidigungsrede, um sich zu retten; also muß er über den Ausgang seiner Haft in großer Ungewißheit gewesen sein. über sein Ende weiß Philostrat nichts Sicheres zu sagen; er glaubt, daß Apollonius nicht gestorben, sondern in einem Tempel zu Ephesus

lebend zu den Göttern entrückt worden sei. diene, daß man nirgends sein Grab zeige.

Zur Bestätigung dessen
Wir Christen schließen

aus diesem Umstande, daß er spurlos, ohne geschichtliche Nachwirfung, ohne Anhänger und Freunde verschollen sei 1).

Eusebius widerlegt schließlich eine vielbelobte Äußerung des Apollonius über das Fatum (eiquaquévn) und über den von den Parzen gesponnenen Faden der menschlichen Geschicke. Der Fatalismus der heidnischen Weltansicht verträgt sich weder mit der sittlichen Freiheit, noch mit der göttlichen Weltregierung; er hebt jedes Verdienst und Mißverdienst des menschlichen Handelns auf. Mit welchem Rechte fann Apollonius, wenn sein Fatalismus Wahrheit ist, den von ihm angeschuldigten Euphrates einen nichtswürdigen Menschen nennen, oder umgekehrt den Pythagoras als einen ehrwürdigen Mann preisen? Wie kann er, wenn die Handlungen der Menschen durch das Schicksal bestimmt sind, als Reformator und Sittenverbesserer auftreten wollen? Wie konnte er die Ephefier von der Pest befreien wollen, wenn sie ihnen durch das Verhängniß vorausbestimmt war? Er selber kann in den Augen seiner Anhänger gar kein Verdienst an seiner bewunderten Liebe zur Weisheit haben; denn es trieb ihn ja lediglich sein Schicksal zu den Wanderungen nach Babylon, Persien, Indien, Ägypten und durch die ganze weite Welt vom Ganges bis zu den Säulen des Herkules. Warum aber erfüllte sich an ihm sein Schicksal nicht vollkommen, wenn er zu einem Ruhme geboren war, welcher jenen von Kaisern überstrahlen sollte? Warum mußte er troß dieser angebornen und ihm vom Schicksal verliehenen Geistes- und Charaktergröße bei Sophisten in die Schule gehen, und alle logischen Spielereien derselben einlernen? Endlich hebt seine Ansicht auch die sittlichen Werthunterschiede der Menschen auf. Muß Jeder so sein und handeln, wie er ist und handelt, so ist Pythagoras nicht besser als der schlechteste Sclave, Sofrates und seine Richter stehen auf gleicher Stufe der Sittlichkeit, der strenge Antisthenes ist nicht mehr werth als die üppige und verdorbene atheniensische Jugend. So viel zur Beurtheilung des Gehaltes der Lehren dieses angeblich größten Weisen und Philosophen.

1) Neben Apollonius von Tyana pflegte man heidnischer Seits den Apulejus Aser als großen Wunderthäter zu nennen. Vgl. hierüber Augustinus, Ep. 138 (ad Marcellinum), und oben S. 224, Anm. 2.

§. 56.

Der lezte bedeutende Gegner, welcher das Christenthum mit gelehrten Waffen bekämpfte, war Julian der Abtrünnige. Auf den Thron der Cäsaren gelangt, hatte er es auf eine nochmalige Wiederherstellung des bereits gestürzten Heidenthums abgesehen; der alte Göttercult, für dessen poetischen Zauber er enthusiastisch schwärmte, sollte in gereinigten und geläuterten Formen zu neuem Leben erstehen, das bereits zur öffentlichen Macht gewordene Christenthum in das verächtliche Dunkel seiner lichtscheuen Abkunft zurückgedrängt werden. Zur Ausführung dieses Vorhabens wendete er während seiner furz dauernden Herrschaft alle ihm zweckmäßig scheinenden Mittel auf, die vornehmlich darauf berechnet waren, das Christenthum als geistige Macht zu brechen. Noch auf seinem leßten Kriegszuge gegen Per fien (a. 363) arbeitete er eine jest nicht mehr vorhandene Schrift gegen die Christen in 3 Büchern aus. Sie mochte wol eine der geschicktesten Apologieen des hellenischen Göttercultes sein; wenigstens galt sie den gebildeten Heiden des 4ten Jahrhunderts als eine unwiderlegbare Schrift. Grund genug, daß christlicher Seits eine gründliche, auch den Hellenen Achtung abzwingende Gegenschrift gewünscht wurde. Auf Bitten Vieler übernahm es Cyrillus, Julian's Werk kritisch zu beleuchten 1), scheint aber bloß das erste Buch be rücksichtiget zu haben 2), dessen Inhalt durch die in Cyrill's Schrift enthaltenen Citate und Auszüge der Kenntniß späterer Zeiten erhalten blieb 3). Cyrill's Werk ist dem Kaiser Theodosius gewidmet und in 10 Bücher abgetheilt. Einer seiner Hauptzwecke

1) Ὑπὲρ τῆς τῶν Χριστιανῶν εὐαγοὺς θρησκείας πρὸς τὰ τοῦ ἐν ἀθείοις Ιου Alavov. Enthalten in Cyrilli Alexandr. Opp. Tom. VI (ed. Aubert., Paris, 1638).

2) So muß man wenigstens zufolge mehrerer Äußerungen Cyrill's schließen. Vgl. O. c., Lib. II, p. 38; Lib. VII, p. 218; Lib. VIII, p. 261. 3) Der Marquis d'Argens sammelte die in Cyrill's Werke enthaltenen Bruchstücke der Julianischen Schrift, und veröffentlichte fie, mit einer französischen Übersetzung zur Seite, in seiner Défense du Paganisme par l'Empereur Julien en Grec et en François, avec des Dissertations et des Notes. pour servir d'éclaircissement aux texte et pour en éviter les erreurs. Berlin, 1764.

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