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find nur ein widerfinniger Versuch, die allen Vernünftigen erprobte Lehre vom Fatum zu beseitigen. Welcher Widersinn, den ewigen Sternen und dem Himmel eine zukünftige Auflösung, dem aufgelösten Menschenleibe aber eine künftige Wiederherstellung zu prophezeien! Heißt das nicht, die ewige, unwandelbare Ordnung der Natur und alle rationelle Gesezmäßigkeit derselben geradezu auf den Kopf stellen? Nebstbei sind die Sitten der Christen im Allgemeinen auf's Übelste verrufen; man sagt ihnen, um von anderen Dingen zu schweigen, nichts Geringeres nach, als daß sie in ihren gottesdienstlichen Versammlungen einen Eselskopf und das Zeugungsglied des Oberpriesters zum Gegenstande ihrer Verehrung machen, Menschenfleisch essen u. s. w.

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Noch einiges Andere bringt Cäcilius zur Charakteristik der Christen vor, und schließt endlich, im Herzen erleichtert durch unverholene Kundgebung seiner Meinung und durch sie seinen Gefühlen verschaffte Genugthuung. Ecquid ad haec fragt er scher zend ait Octavius, homo Plautinae prosapiae, ut pistorum praecipuus, ita postremus philosophorum! Minucius beschwichtiget sein frohes Siegesgefühl, und heißt nach einigen vermittelnden Zwischenreden den Octavius das vorbringen, was er auf die Gesinnungsäußerungen des Cäcilius zu bemerken habe.

Cäcilius übertreibt die Unsicherheit und Unzuverläßigkeit menschlicher Einsichten antwortet Octavius, wenn er sie bis zu einer völligen, unentrinnbaren Unberathenheit in allen höheren Angelegenheiten des Menschen hinaufschraubt. Wer die Wahrheit noch nicht gefunden hat, ist allerdings dem unsicheren Schwanken des Zweifels Preis gegeben; auch dieß ist richtig, daß, wenn die Erkenntniß der Wahrheit einzig eine Frucht des gelehrten Studiums wäre, auf die Hoffnung, je zu sicheren und unumstößlichen Einsichten zu gelangen, verzichtet werden müßte. Glücklicher Weise verhält es sich nicht so; es gibt einen angebornen Wahrheitssinn, der in jedem Menschen vorhanden ist; daher man auch nicht sagen kann, daß richtige Einsichten und sichere Überzeugungen das ausschließliche Prärogativ der Gebildeten und Gelehrten seien. Um einzusehen, daß die Welt kein Werk des bloßen Zufalles sein könne, bedarf es einzig eines gesunden Verstandes und gesunder Sinne; wer die wunderbare Schönheit und Ordnung der Welt in's Auge faßt, wird ohne Zaudern und Bedenken auf einen weisen und verehrungswür

digen Urheber der Welt schließen. Aus den bewunderungswürdigen Vorkehrungen zur Erhaltung der Ordnung in der Natur, zum Schuße und zur Erhaltung der einzelnen Wesen der Natur wird er nothwendig auf einen vorsehenden Verstand des Urhebers des Ganzen und der einzelnen Dinge schließen; sowie man aus den Einrichtungen eines wohlbestellten Hauses auf den ordnenden Willen des Herrn des Hauses schließt. Die geordnete. Folge der Jahreszeiten, die Vertheilung von, Wasser und Land auf der Erdoberfläche, die den verschiedensten Zwecken und Bedürfnissen des Menschen und der übrigen Erdenwesen dienende, höchst mannigfaltige Bodengestaltung des festen Landes, die mannigfaltigen Mittel und Waffen, die den lebenden Wesen zu Schuß und Erhaltung ihres Daseins verliehen find u. s. w., sind unverkennbare Beweise einer ordnenden Weltvorsehung. Sollte es nicht Veranstaltung derselben sein, daß die heiße Trockenheit Ägyptens durch den Nil, die nordische Kälte Britaniens durch laue Winde von der See her ermäßiget wird? Ebenso natürlich läßt sich auf Grund solcher Betrachtungen die Einheit und Einzigkeit Gottes einleuchtend machen. Kein Reich verträgt zwei Herren, selbst wenn sie Brüder, wie Romulus und Remus, oder Schwiegervater und Schwiegersohn, wie Pompejus und Täsar, wären; jeder Bienenstock hat nur Einen Weisel, jede Heerde nur Einen Führer. Wie sollte Gott mehr als Einer sein können, da er seinem Begriffe zufolge Derjenige ist, der vor allen Dingen gewesen? Eben darum steht er aber auch über allen Dingen, den Sinnen unzugänglich, über allen Begriff erhaben: visu clarior, tactu purior, sensibus major '); seine Größe schildern wollen, hieße, sie mindern; wir haben kein anderes Wort, ihn zu nennen, als das Wort Gott. Dieser Name ist aber im Munde und Gedanken Aller; Gott ist groß“, „Gott ist wahrhaft“, „Gott gebe es“ find Redeweisen, die allen Menschen, nicht bloß den Chriften, geläufig

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1) Quem colimus Deum sagt Octavius noch weiterhin nec ostendimus, nec videmus, imo ex hoc Deum credimus, quod eum sentire possumus, videre non possumus; in operibus enim ejus et in mundi omnibus motibus virtutem ejus praesentem semper aspicimus, cum tonat, fulgurat, fulminat, cum serenat. Nec mireris, si Deum non vides vento et flatu omnia impelluntur, vibrantur, agitantur, et sub oculos tamen non venit ventus et flatus.

sind 1). Die dem Cäcilius so anstößigen Vorstellungen der Christen über Gottes Wesen und Eigenschaften finden sich auch mannigfach in den Schriften heidnischer Dichter und Philosophen. Also waren auch diese bereits Christen, oder Cäcilius muß zugeben, daß die Christen Philosophen seien. Die heidnischen Götter sind nichts anderes, als vergötterte Menschen; die heidnischen Vorstellungen von ihnen äußerst anstößig. Es ist ein leerer, leicht zu widerlegender Wahn, daß das Weltreich der Römer ihnen seine Größe verdanke. Den Beispielen von Auspicien, die durch den Erfolg bewährt worden sein sollen, lassen sich andere notorische Fälle entgegenstellen, in welchen die Auspicien sich als trügerisch erwiesen. Regulus gerieth troß der von ihm befolgten Winke der Augurien in die Gefangenschaft, die Schlacht bei Cannä gieng verloren, troßdem, daß die Hühner fraßen; Cäsar seßte troß der seinem Vorhaben ungünstigen Auspicien nach Africa über, und siegte. Die Klage des Demosthenes, daß bereits die Pythia zu philippisiren beginne, zeigt hinlänglich, was er von der Glaubwürdigkeit ihrer Orakel hielt. Die Drakel stammen von den Dämonen, die überhaupt Urheber der heidnischen Idololatrie und der damit verbundenen Gräuel sind. Sie sind auch die eigentlichen Urheber der gegen die Christen ausgestreuten Verläumdungen. Der widerfinnige Vorwurf der Eselsanbetung fällt auf die Heiden selber zurück; mit dem Isiscultus find Eselsopfer verbunden, um Nichts zu sagen vom Apisstiere und den übrigen Thieren, die in Ägypten ein heiliges Ansehen genießen. Den Vorwurf schändlicher Unzucht sollten die Heiden am allerwenigsten vorbringen, und mit Scham und Entseßen auf die zum höchsten Grade, gesteigerte Ausgelassenheit und Unnatur der geschlechtlichen Begierlichkeit, wie sie unter den Heiden allgemein sich gehen läßt, hinblicken. Möge Cäcilius den keuschen Tugenden der Christen Gerechtigkeit widerfahren lassen, und sie um ihrer Armuth willen nicht verachten, deren Loos sie mit so anspruchloser Freudigkeit tragen. Die Leiden und Verfolgungen, welchen sie ausgesezt sind, gereichen ihnen nicht zur Schmach, sondern sind ihnen Anlässe heroischer Tugendübung. Möge man ihres Hoffens auf den himm

1) Omnia coelestia terrenaque et quae extra istam orbis provinciam sunt, Deo cognito plena sunt. Ubique non tantum nobis proximus, sed infusus est.

lischen Lohn nicht spotten, und ebenso wenig ihren Glauben an die jenseitigen Strafen der Gottlosen als eine Thorheit verachten. Soll dieser ihr Glaube dem gebildeten Heiden, der mit den dichterischen Beschreibungen des Orcus und der Höllenflüsse vertraut ist, wirklich so absonderlich und anstößig erscheinen können, wie Cäcilius vorgibt? Die Lehre von der Auferstehung der Todten hat einen, freilich geschwächten und mißtönenden, Nachhall in Pythagoras' und Plato's Lehren von der Seelenwanderung gefunden, und läßt sich aus allbekannten Vorgängen in den wechselnden Erscheinungen des Naturlebens analogisch erläutern. Und stehen denn die Elemente des durch die Auflösung unseren schwachen Augen (oculis hebetibus) entzogenen Körpers nicht unter Gottes Obhut? Wofern nämlich wirklich Gott, und nicht eine blinde SchicksalsNothwendigkeit über den Thätigkeiten der Elemente waltet. Der Fatalismus, welchem Cäcilius im Namen seiner heidnischen Überzeugungen das Wort redet, ist eine trostlose Lehre, und reicht keineswegs aus, das böse Gewissen Fehlender und Schuldiger zu bes schwichtigen; denn sind auch die Loose der Menschen vorherbestimmt, so find doch die menschlichen Handlungen, durch welche diese Loose herbeigeführt werden, freie Handlungen, und die von Gott vorausbestimmten Loose mit Rücksicht auf diese freien Thätigkeiten der Menschen bemessen. So enthält eben die christliche Lehre von Gott die richtige Erklärung über das Wahre, was in der heidnischen Lehre vom Fatum verborgen liegt. Quid enim aliud est fatum, quam quod de unoquoque nostrum Deus fatus est? Das Christenthum hat eben die Erkenntniß der göttlichen Dinge zur Reife gebracht. Daher hat auch der Vorwurf der Neuerung, der dem Christenthum gemacht wird, keinen Sinn und kein Recht: Fruamur bono nostro schließt Octavius - et recti sententiam temperemus; cohibeatur superstitio, impietas expietur, vera religio reservetur.

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Octavius endete, und die drei Freunde saßen eine Weile in schweigendes Nachdenken versunken. Cäcilius unterbricht die Pause, und bekennt sich unter Versicherungen freudigen Dankes als Besiegten. Die Freunde brechen in froh bewegten, gehobenen Stimmungen auf, und versprechen sich, da es bereits Abend geworden, eine Erneuerung und Fortführung des Gespräches für den folgenden Tag.

§. 42.

Wir reihen an die eben vorgeführte Schrift des Minucius Felix zwei kleine Schriften Cyprian's an: De gratia Dei ad Donatum, und: De idolorum vanitate. Die erste ist an einen Neophyten gerichtet, welchem der neubekehrte Cyprian die gehobenen Stimmungen seines durch den Segen himmlischer Erneuerung beglückten Herzens mittheilt; die zweite eine kurzgefaßte Schilderung des Unwesens der heidnischen Idololatrie, welcher die christliche Lehre von dem Einen Gotte und seinem menschgewordenen Sohne Jesus Christus gegenüber gestellt wird. Die Ansprache an Donatus möchte man in Hinsicht auf die Art ihrer Einkleidung für eine Nachahmung der eben zuvor besprochenen Schrift des Minucius Felix halten; wie in dieser, ist auch bei Cyprian von den Herbstferien der bevorstehenden Traubenlese die Rede, was zu einer recht anmuthigen Schilderung des Landaufenthaltes Cyprian's Anlaß gibt. Die andere Schrift: De idolorum vanitate, der Form nach ganz schmucklos, ja fast abgerissen, wie ein unvollendetes Concept, lehnt sich in sachlicher Beziehung an den „Octavius“ des Minucius Felix, und gleicherweise auch an Tertullian's Apologeticus an. Dieses Berhältniß Cyprian's zu seinen Vorgängern erklärt sich hinlänglich daraus, daß bis auf Cyprian's Zeit Tertullian und Minucius die einzigen oder jedenfalls hervorragendsten Literatoren der lateinischen Kirche waren, und die genannten beiden Schriften derselben zu denjenigen gehörten, für welche sich ein Neubekehrter am allermeisten interessiren mußte. Die sachliche Benüßung derselben hatte augenscheinlich den Zweck, entweder zur eigenen Belehrung, oder zum lehrhaften Gebrauche für Andere eine passende Zusammenstellung maaßgebender Gedanken vorzunehmen. So schienen ihm die Argumentationen des Octavius für die Einheit Gottes besonders faßlich und für den heidnischen Verstand überzeugend zu sein, und nicht minder die aus der römischen Geschichte entlehnten Beispiele von der Trüglichkeit der Auspicien; auch die sonstige Kritik des heidnischen Götterglaubens ist theils aus dem Apologeticus, theils aus dem Octavius entlehnt. Der Liber ad Donatum hat einen selbstständigen, aus den eigenen Beobachtungen und Erfahrungen des Verfassers geschöpften Inhalt, und hebt den sittlichen Gegensaß zwischen Christen

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